... für Leser und Schreiber.  

Sand

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©  Raik Thorstad   
   
Es war ein Spaziergang.

Ein juchzender Lauf zwischen Dünen und Hafergras, zwischen getrockneten Seepferdchen und Sand. Spielend wie Kinder, sich der Gegenwart der Brandung bewusst, doch nicht ihrer Kälte.
Gemeinsames Aalen am heißen Strand und zusammengekauertes Miteinander, wenn die Flut kam und den Regen mit sich brachte. Erdbeereis mit Schokoladensoße, Mandelöl und Schnitte in den Fußsohlen von scharfkantigen Muscheln.

Das Gelächter der Möwen hat uns nie geschert. Wir haben zurückgelacht; herzlich und aufrichtig. Es gibt zu wenig Freude auf der Welt.
Ein Geruch, der Heimat war und uns glücklich gemacht hat. Salz auf unseren Augenlidern, Sahne auf der Nasenspitze.

Das Meer, eindringlich, gewaltig, beruhigend in seiner Allmacht oder erschütternd in seiner Gewalt.
Größe, damit wir klein sein konnten.
Stärke, damit wir schwach sein konnten.
Ebbe, damit wir dem Wasser nachlaufen konnten.
Flut, damit wir ihm davonrennen konnten.
Nass genug, um all unsere Tränen aufzufangen.

Wir wussten, dass wir beschenkt wurden. Wir wussten, dass der Sommer enden würde. Wir wussten, dass unsere gemeinsame Zeit begrenzt war, weil alles, was gut ist, eines Tages sterben muss.
Wir waren glücklich.

Vor uns liegen die verwitterten Holzplanken, die uns in die wahre Welt führen. Dorthin, wo wir erwartet und gebraucht werden. Dorthin, wo wir zu Hause sind.

Deine Finger gleiten aus meiner Hand. Ich möchte schreien, aber ich darf nicht. Ich muss und will vernünftig sein, die wilden Träume dorthin tragen, wo sie hingehören: in den Abfalleimer der Wirklichkeit.

Denn es war nur ein Spaziergang; in all seiner Schönheit, in all seiner Endlichkeit.
 

http://www.webstories.cc 19.05.2024 - 02:38:56