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Der Rücktritt

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© Michael Brushwood   
   
„Schau doch mal an! Dieses alte Fahrrad wäre doch etwas für Christian, unseren Wolf“, meint Rotfuchs Albert nicht zu Unrecht.
Seine unter chronischer Schüchternheit bedenklich leidende Füchsin Angela überlegt ein Weilchen. Doch einer Antwort blieb sie ihrem Liebling wiedermal schuldig...

„Da bräuchte Christian wenigstens nicht mehr diese mühevollen Strapazen auf sich nehmen, wenn er zu den Herden dummer Schafe unterwegs ist, um diese zu reißen. So müssten wir wenigstens nicht mehr so endlos lang auf unsere Nahrung warten“, räumt Albert im Brustton der Überzeugung ein.
„Und außerdem wäre der Wolf imstande, noch viel schneller als es bisher der Fall gewesen ist, vor diesen widerwärtigen Denunzianten sich in Sicherheit zu bringen.

Christian Wolf ist nämlich Präsident des Vereines deutscher Tiere und völlig zu Unrecht in das Kreuzfeuer der Kritik geraten. Er hatte lediglich einen haarkleinen Fehler begangen und diesen sogar noch zugegeben. Die sonderbaren Lebewesen der Spezie Mensch – besonders die kleinen Leute unter diesen – bauen doch zuhauf Mist. Da können sich doch die großen Tiere wenigstens auch mal einen winzigen Lapsus erlauben. Daran ist doch nichts schlecht!

Wieder zögert Füchsin Angela, die schon des Öfteren gezögert hatte, wenn es galt, die brennendsten Probleme, die in der Welt der deutschen Tiere nun mal auftreten, in Angriff zu nehmen – besonders in der Welt der kleinen Tiere, deren Wesen von Jahr zu Jahr immer aufmüpfiger wurden, da sie der festen Überzeugung waren, künftig nicht mehr genügend Futter in ihren Trögen zu haben.
Was für ein eitler Schwachsinn!

Die Füchsin sorgt sich um Wolf Christian, dem sie stets ihr Vertrauen geschenkt hatte, erheblich.
„Ich fürchte, das könnte voll in die Hose gehen. Dieses Fahrrad nämlich einen Rücktritt. Und wenn er diesen benutzen würde, was würde dann aus uns werden?”wimmert die zutiefst verzweifelte Angela, der ihr treuer Gatte sofort ansieht, dass sie total angesäuert ist...

„Keine Sorge. Da gehe ich halt mal zu den Graupapageien. Das sind nämlich die hochbegabtesten Tiere unserer Erde. Vermutlich sogar noch viel intelligenter als unser Wolf, von dem man auch nicht gerade behaupten kann, dass er strohdumm ist. Die würden sich alle um dieses Amt reißen und, was ich noch viel viel wichtiger finde, die sind alle in der Lage, sich superelegant durch die Lüfte zu schwingen. So müsste sich der neue Amtsinhaber wenigstens nicht diese olle Klappermühle antun.”
„Richtig! Beim Fliegen wäre von vornherein ausgeschlossen, dass dieser stolz aufgeplusterte Vogel mal aus Versehen den Rücktritt erwischen könnte“, sagt Angela, die ihrem Fuchsbaugefährten zur Belohnung ein süßes, verliebtes Lächeln schenkt.

Vor Zufriedenheit strotzend, zogen sich die zwei Überglücklichen in ihren Fuchsbau, um im sprudelnden Fahrwasser der guten Laune noch einige graziöse Turnübungen, die Herz und Seele ausgesprochen guttun, anzugehen.
Dieses ist auch bitter nötig.
Schließlich sollten sich in dieser faszinierenden Welt der Tiere, sich nicht nur martialische Heuschrecken vermehren, die nur vorhaben, die lieblosen, schwachen Tierchen nach Strich und Faden zu „verwöhnen”, sondern wenigstens auch ein paar kleine, schlaue Füchse das Licht der Welt erblicken, von denen es leider in diesem von edelstem Glanz erfüllten Reich immer noch viel zu wenige gibt.
Leider!
 

http://www.webstories.cc 07.05.2024 - 15:56:17