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Mit Liebe und viel Alkohol gegen Dämonen und andere böse Wesen - Kapitel 22

378
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© Rainy Yuki   
   
Erkenntnis

Es war erstaunlich, wie schnell Lilian Maries Schwerthieben ausweichen konnte. So etwas hatte Emil bis jetzt nur in Filmen gesehen.
Er hatte es aufgegeben, die beiden Mädchen davon abzuhalten sich zu bekämpfen, denn keine von ihnen hatte auf seine Rufe gehört. So verfolgte er ihren Kampf einfach nur gebannt, während die Beiden sich quer durch das Wohnzimmer schlängelten. Lilian, die rückwärts lief, schaffte es immer wieder Maries Hieben auszuweichen, was Marie dazu brachte sie nur noch hartnäckiger zu verfolgen. Nur ab und an sprintete Lilian nach vorne, um Abstand zu gewinnen.
Auch wenn Lilian keine Waffe trug, so schien sie die Klinge mit bloßen Händen abwehren zu können. Hielt sie die Hand direkt in den Schlag, stoppte die Klinge einige Zentimeter von ihrer Hand entfernt. Marie musste sie daraufhin zurück ziehen, um erneut zum Hieb ansetzen zu können.
Ihre Angriffe wurden immer stärker und gezielter, sodass Lilian die Klinge bereits mit beiden Händen stoppen musste. Ein besonders harter Schlag zwang Lilian in die Knie, doch anstatt zum erneuten Schlag auszuholen, drückte Marie stärker in Lilians Abwehr hinein.
„Ich habe keine Lust mehr auf deine Spielchen, Lilian.“ Maries Stimme war eiskalt und hatte nichts mehr von dem zuckersüßen Tonfall, den sie sonst anschlug. Ihr Gesicht war verzerrt von der Anspannung. Lilans Gesicht konnte Emil nicht erkennen, da sie mit dem Rücken zu ihm kniete. Doch an ihrer Stimme erkannte er, dass sie mit aller Kraft dagegen halten musste.
„Was für Spielchen?“, fragte Lilian durch Zähne knirschend. Nur mit Mühe konnte sie das Schwert einige Zentimeter über ihren Händen halten.
„Das alles ist nur ein Spiel. Für dich wie für mich.“ Marie kämpfte mit der Anspannung. „Nur, dass du verlieren wirst.“
„Es ist kein Spiel! Es ist mein Ernst!“, rief Lilian und richtete sich schlagartig auf. Damit stieß sie Marie zurück, die einige Schritte rückwärts stolperte und das Schwert sinken ließ.
Ein merkwürdiges Grinsen breitete sich auf Maries Gesicht aus, das Emil so von ihr nicht kannte. „Meine Güte, Lilian, hör auf das Unschuldslamm zu spielen. Alles was du hier tust, machst du doch aus reiner Selbstgefälligkeit. Dir geht es nicht um Emil oder mich. Es geht dir nur um dich. Nur weil du dich in Emil verknallt hast, willst du nicht, dass er mir hilft. Nur weil du ihn nicht haben kannst, willst du, dass ihn keine kriegt. Du bist die egoistischste Person die mir je unter gekommen ist. Wie du dich selbst verherrlichst mit deinen ach so guten Absichten. Du bist der erbärmlichste Dämon, den ich je gesehen habe.“
Lilian ballte die Fäuste. „Ich habe gerade erst angefangen“, zischte sie ohne überhaupt auf Maries Worte einzugehen und zum ersten Mal in diesem Kampf griff sie selbst an und schlug mit ihren Fäusten nach Marie, die zur Seite auswich und erneut zum Schwert griff. Der Schlag sauste auf Lilian nieder. Sie stolperte rückwärts und das Schwert verfehlte sie nur um Haaresbreite.
Für einen Moment sahen die beiden Mädchen sich an, bevor das Spiel von vorne los ging.
Emil war wir erstarrt. Sein Körper wollte ihm nicht mehr gehorchen. Immer noch hallten Maries Worte in seinem Kopf wieder. Warum sollte Lilian in ihn verliebt sein? Sie war doch lesbisch. Oder etwa nicht?
Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen. Er war immer davon ausgegangen, dass sie das alles nur tat, um sich bei ihm für den Zwischenfall auf der Party zu entschuldigen. Nie hätte er gedacht, dass sie ernsthaft an ihm interessiert hätte sein können. Nicht nur, weil er glaubt hatte, dass sie nur auf Frauen stand. Lilian strahlte diese Stärke aus, als bräuchte sie niemanden.
Das hätte übel enden können. Wenn sie es ihm gesagt hätte, dann hätte er nicht sicher sagen können, ob er die Warnungen ernst genommen hätte. Ihm wäre es egal gewesen, dass sie eine Succubus war. Beim ersten Kuss war es noch gut gegangen, aber als sie das zweite Mal versucht hatte zu küssen, hätte Lilian es vielleicht nicht verhindern können. Wäre Ina nicht dazwischen gegangen, würde er vielleicht nicht mehr hier stehen. Sie hätte ihm die Lebenskraft vollständig aussaugen können. Sie hätte ihn töten können.
Seine Knie wurden weich. Die ganze Sache war ernster, als er gedacht hatte und jetzt war es auch noch soweit bekommen, dass Marie und Lilian in einen Kampf verwickelt waren. Jede von Beiden war fest entschlossen diesen Kampf auszutragen, dabei verstand er überhaupt nicht warum sie kämpften.
Warum hatte Lilian sie zum Kampf heraus gefordert? Warum hatte Marie angenommen? Wobei sollte er Marie helfen?
Sie verhielt sich überhaupt nicht so wie Emil sie kannte. Wer das Mädchen, das das Schwert gegen Lilian führte, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan? Vor allem: Wie sollte er diesem Kampf nur beenden ohne, das jemand zu Schaden kommen würde.
Krachend fiel das Sofa um, und ließ Emils Kopf herumfahren. Lilian stolperte rückwärts vom Sofa weg, während Marie geschickt darüber stieg.
„Kannst du nicht einfach aufgeben, Lilian?“, rief sie nach Atem ringend. „Ich weiß überhaupt nicht, wie du dir das vorstellst. Am Ende werde ich gewinnen und du hast nichts getan, außer das Unvermeidliche hinaus zu zögern. Ist dir dein Leben so wenig wert?“
Lilian ließ keine Regung in ihrem Gesicht erkennen. Sie verfolgte mit den Augen jeden Schritt, mit dem Marie auf sie zuging.
„Jetzt bist du also stumm geworden?“ Marie rang immer noch nach Luft, legte aber all ihre Überzeugung in diese Worte. Sie wollte keine Schwäche zeigen „Hast du eingesehen, dass du keine Chance hast?“
„Du wirst müde.“ Lilians Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Ihre Stimme war ruhig, sie schien überhaupt keine Erschöpfungserscheinungen zu zeigen. „Du hättest vielleicht mal öfter joggen gehen sollen.“
Maries Miene verzog sich säuerlich. „Du hast es nicht anders gewollt.“
Marie stieß mit dem Schwert vor, und Lilian wich rückwärts zurück. Marie erhob daraufhin nicht mehr das Schwert und verkürzte nur den Abstand zu Lilian, indem sie weiter auf diese zuging. Mit jede Schritt, den sie vorwärts trat, ging Lilian zurück.
Emil wusste, dass er etwas tun musste. Doch sein Kopf war wie leer gefegt. Je verzweifelter er versuchte zu denken, desto weniger Gedanken bekam er zu fassen. Was tat man, wenn ein Mädchen mit einem Schwert durchs Wohnzimmer streifte? Er musste etwas sagen. Irgendetwas.
Emil hatte bereits den Mund geöffnet, als er das Geräusch feuchter Schritte aus dem Flur vernahm. Er hielt inne. Die Schritte wurden lauter.
Für einen Moment wagte er es den Blick von den beiden Mädchen abzuwenden und sah Sonia, die in eine Gardine gewickelt, in der Tür stand. Sie war am ganzen Körper durchnässt und Emil fragte sich noch warum sie eine Gardine trug, als ihre Augen sich vor Schreck weiteten.
„Lilian“, stieß sie entsetzt aus und ihre Stimme war nicht mehr, als ein Flüstern.
In dem Moment fuhr die Klinge krachend auf die Küchentheke. Emil wirbelte herum. Lilian stand mit dem Rücken zur Theke und war in der Bewegung erstarrt. Das Schwert hatte sie gerade noch verfehlt, aber der Hieb hatte dicke Stücke aus der Marmorplatte heraus gebrochen.
Marie zog das Schwert zurück und Lilian brauchte einige Sekunden, um zu reagieren. Dann sprintete sie in die gegenüberliegende Richtung.
Emil folgte ihr mit seinem Blick und erstarrte. Denn am anderen Ende des Raums stand der Mann, den er in der Eisdiele gesehen hatte und der hinter Lilian in sein Zimmer gestürmt war.
Lilian erstarrte in ihrer Bewegung, doch der Mann stürmte vor. Den ersten Schlag blockte Lilian mit ihrem Armrücken. Dem zweiten wich sie seitlich aus. Beim dritten Mal war sie nicht schnell genug. Die Faust des Mannes traf sie in den Magen und ließ sie in sich zusammen sacken. Keinen Moment später, hatte er sie gepackt und hielt sie in seinem Griff fest.
Zwar wand sie sich noch, doch sie schien mehr Kraft in dem Kampf mit Marie eingebüßt zu haben, als sie sich anmerken ließ. Emil wicht zurück. Sein Gefühl zeigte ihm deutlich, dass das keine glückliche Wendung war. Was machte er hier? Hatte Marie nicht gesagt, dass es nur irgendein Typ gewesen war?
Emil hatte ihn vollkommen vergessen gehabt. Doch jetzt stand er hier und nicht einmal Lilian konnte etwas gegen ihn ausrichten.
„Da bist du ja endlich“, rief Marie und ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie kannte ihn. Emil wurde mit einmal alles so klar.
Marie hatte ihn eiskalt angelogen und er war so geblendet gewesen, dass er es nicht bemerkt hatte. Die Szene im Eiscafé. Das war alles nur gespielt gewesen. Was sollte er ihr überhaupt noch glauben? Warum war er hier? Wieso hatte er sich von ihr überreden lassen, hierher zu kommen?
Ein Lächeln und eine Bitte hatten gereicht, dass Emil sofort zugestimmt hatte mitzukommen. Wie hatte er nur so verblendet sein können? Marie wollte etwas von ihm, aber das war nicht er selbst, sondern das, was sie Quelle nannte. Was zum Teufel war das, dass es sich lohnte dafür zu kämpfen?
Erst jetzt stellte Emil fest, dass er aus seiner passiven Beobachterhaltung in Angriffsposition gewechselt war. Er konnte nicht ausrichten, aber er konnte es zumindest versuchen. Doch dann spürte er, wie jemand ihn am Arm festhielt.
Verwundert wandte Emil sich um und erkannte Martin, der Emil zulächelte.
„Was geht hier vor?“, fragte Emil und merkte wie seine Stimme zitterte.
„Keine Sorge, Emil.“ Martin legte ihm die Hand auf die Schulter und schob ihn merklich ein Stück zurück. Emil sah ihn nur unverständlich an. Dann trat Martin vor und ließ Emil wie einen Schluck Wasser in der Kurve stehen.
„Was war mit unserer Abmachung, Marie?“, rief er.
Abmachung? Emil sah zu Sonia hinüber, die wie erstarrt einige Meter neben ihm stand und sich an die Gardine klammerte, weil sie nicht wusste, was hier los war. Ihr Blick war starr auf Lilian gerichtet, erst jetzt sah sie zu Martin auf und in ihren Augen konnte Emil ablesen, dass sie nicht fassen konnte, was Martin da gerade tat.
Marie, die über das Auftauchen des Mannes scheinbar genauso überrascht, wandte sich an Martin und zuckte sanft lächelnd die Schulter:
„Welche Abmachung?“
Das konnte nicht wahr sein. Nicht auch noch Martin. Emil hatte das Gefühl sein Kopf würde platzen. Warum Martin? Der, der ihn immer unterstützt hatte. Sein bester Freund. Was hatte er damit zu tun? Was für eine Abmachung hatten die beiden? Hatte er von Anfang an davon gewusst?
„Ich hatte gesagt keine Hexereien“, fuhr Martin Marie an. „Aber du konntest es mal wieder nicht lassen.“
„Ich musste sicher gehen, dass es auch wirklich funktioniert!“ Marie verzog die Lippen zu einem Schmollmund. „Du hast dich ja so undeutlich ausgedrückt.“
Das Gespräch wurde augenblicklich durch einen spitzen Schrei unterbrochen.
Emil fuhr herum. Es dauerte etwas, bis er verstand, was gerade passiert war.
Lilian hatte sich irgendwie aus dem Griff des Mannes befreit und versuchte ihm nun den Arm zu verdrehen. Dies gelang ihr mäßig, da er viel stärker war, als sie und so hatte er innerhalb kürzester Zeit wieder den Spieß umgedreht.
Sonia lag wimmernd auf dem Boden und versuchte sich aufzurappeln. Sie musste versucht haben den Mann anzugreifen, wodurch sich Lilian befreien konnte.
Jetzt entwand sich Lilian geschickt des Griffs des Mannes und stolperte rückwärts, um Abstand zu gewinnen. Ihre Hände hielt sie verteidigend vor sich, bereit den nächsten Schlag abzuwehren. Der Mann griff sie erneut an.
Lilian blockte seinen Schlag mit dem dem rechten Unterarm. Dem nächsten Schlag musste sie seitlich ausweichen.
Noch bevor Emil sich bewegen konnte, um ihr zu helfen, war Martin schon in Richtung der beiden kämpfenden losgestürmt. Im Laufen drehte er sich nur kurz um und rief Emil zu: „Du musst hier weg!“
War Martin doch auf seiner Seite? Emil sah, wie er bei Sonia stoppte und sich zu ihr hinunter beugte.
Wie aus dem Nichts stand Ina plötzlich neben Emil und packte seinen Arm. Sie trug eine knallpinke Regenjacke, was der Situation eine ungewollte Komik verlieh. „Er hat Recht. Du bist in Gefahr. Wir müssen hier weg“, war alles, was sie sagen konnte, bevor sie ihn, für Ina-Verhältnisse bemerkenswert unrabiat, in Richtung Tür zog.
Emil versuchte sich zu wehren, doch seine Glieder waren von der Aufregung weich wie Gummi. Er konnte noch ein letzter Blick auf Martin, der Sonia auf die Beine half und auf Lilian, die immer noch mit dem Mann kämpfte, bevor er bereits im Flur war und die Wand ihm den Blick versperrte. Sein Kopf war wie leer gefegt. Nicht einmal die Fragen hallten mehr darin wieder.
Wie aus Reflex folgte er ihr weiter durch die Haustür in den Vorgarten. Der Boden war vom Regen durchweicht und klebte an seinen Schuhen fest. Regen prasselte auf ihre Köpfe nieder.
Ein kalter Schauer durchfuhr Emil und ließ seinen Kopf schlagartig klar werden.
„Warte mal“, sagte er, doch Ina hörte ihn überhaupt nicht.
„Warte!“, wiederholte Emil eindringlich und riss sich von ihrer Hand los. „Was geht hier vor? Warum ziehst du mich weg?“
Ina drehte sich endlich um und sah ihn mit großen Augen an, dann sagte sie in einem Ton, als wäre dies selbstverständlich: „Du bist in Gefahr, Emil! Marie ist eine landesweit gesuchte Serienkillerin. Sonia und Martin wollten dich vor ihr retten.“
„Und das hast du ihnen geglaubt?!“, brach es aus Emil hervor und er packte sie bei den Schultern. Er wollte sie schütteln. Das war nicht die Ina, die er kannte.
„Ehrlich gesagt? Nein“, entgegnete sie kleinlaut. „Ich glaube, dass es viel eher etwas mit Vampiren zu tun hat. Vielleicht ist Marie ein Vampir.“
„Sie ist eine Hexe!“
Ina sah ihn kurz verständnislos an. Erst nach einigen Sekunden erhellte sich Inas Miene zu einem freudigen Strahlen. „Ich wusste, dass es Übersinnliches gibt. Ich wusste es.“
„Aber, das weiß ich doch sogar von dir!“
„Was weißt du von mir?“ Ina legte den Kopf schief.
Emil stockte. Sie erinnerte sich nicht mehr. An den Sonntag an dem sie ihm und Martin erzählt hatte, dass Marie eine Hexe und Lilian eine Succubus war. Was hatte sie sonst noch alles vergessen?
„Und Lilian? Was ist mit Lilian? Erinnerst du dich daran, dass sie ein Dämon ist? Du hast es in einem Buch nachgeschlagen. Du hast gesehen, was sie anrichten kann. Du warst bei mir im Schlafzimmer.“
„In einem Buch?“, wiederholte Ina leise. Sie dachte offensichtlich nach. „Ja, ... ich war in der Bibliothek gewesen. Es war über ... über ...“
Emil wollte ihr auf die Sprünge helfen, doch biss sich im letzten Moment selbst auf die Lippe. Sie musste sicher selbst darauf kommen.
Einige Sekunden herrschte Denkpause.
„Sie ist eine Succubus!“, rief Ina. „Wie konnte ich das vergessen?“
„Hast du sonst noch etwas vergessen?“
„Woher soll ich wissen, was ich vergessen habe, wenn ich nicht weiß, was du weißt?“
Da hatte sie Recht. „Irgendwas, was du mir sicher erzählen wolltest, aber noch nicht dazu gekommen bist.“
„Warte.“ Man konnte Ina praktisch dabei zu sehen, wie sich die Zahnräder in ihrem Kopf langsam drehten. „Dieser Mann! Ich habe ihn gesehen, dann ist er vor mit weggelaufen und dann ... dann weiß ich nichts mehr.“
„Nichts?“
„Nein, aber er steckt ganz sicher mit Marie unter einer Decke!“
„Das habe ich gerade selbst gesehen.“
„Oh. Stimmt“, gab Ina kleinlaut zu.
Das erinnerte Emil wieder an die Situation. Lilian war in Gefahr. Martin. Sonia. Nicht er!
Marie wollte nur seine Quelle. Egal, was es war: Wie schlimm konnte das schon sein? Alles war besser, als das Leben seiner Freunde zu riskieren. Dieser unsinnige Kampf musste ein Ende haben. „Ich geh da jetzt wieder rein!“
„Neeeeiiiin!“, schrie Ina sofort und hielt ihn so fest am Arm zurück, dass Emil meinte, sie versuche ihn auszureißen. „Wenn du da rein gehst, stirbst du!“
„Haben Martin und Sonia dir das gesagt? Ina, die Serienkillergeschichte ist vorbei!“ Aufsteigender Ärger schwang in Emils Stimme mit. „Jetzt lass mich los!“
„Aber ...“ Ina rang nach Worten, während ihre Hand keine Anstalten machte ihn loszulassen.
„Was?“, blaffte Emil sie an.
Ina war trotz des Regens knallrot angelaufen. „Ich ...“, begann sie zögernd. „Ich liebe dich.“
„Das ist ein Scherz, oder?“
„Nein“, protestierte Ina sofort und war zu ihrem sonstigen Tonfall zurückgekehrt. „Ich weiß, wie blöd das jetzt klingt. Die beste Freundin des Protagonisten ist in ihn verliebt und gesteht es ihm in der dramatischsten Szene.“
Dass Ina nicht seine beste Freundin war, verkniff Emil sich lieber. So nervig sie manchmal war. Ihre Gefühle wollte er nicht verletzen und so wusste er noch weniger, was er darauf antworten sollte. Er hatte immer gedacht, sie wollte ihn ärgern, damit dass sie ihm dauernd auf den Geist ging. Hatte sie im Endeffekt dadurch nur seine Nähe gesucht? Vielleicht war das ihre Art zu zeigen, dass sie ihn mochte.
„Ina“, begann Emil ohne zu wissen, wie der Satz weiter gehen sollte. „Das ist sehr lieb von dir, aber ich bin hier nicht der Protagonist, denn das hier ist keine Geschichte und ...“ Jetzt musste er nur noch geschickt das Thema wechseln. Aber wie?
„Du liebst sie, oder?“, fragte Ina im Ton einer betrogenen Ehefrau.
„Wen?“
„Du weißt, wen ich meine.“
„Nein, ich weiß es wirklich nicht.“
„Du bist bescheuert!“ Inas Faust traf Emil schmerzhaft in die Schulter. Sie hatte nicht gezielt, sondern nur einen Ort gesucht, um ihre Wut abzulassen. „Wenn du unbedingt da rein gehen willst, dann geh! Geh und werd glücklich!“ Ihre Hand war immer noch geballt, aber sie machte daraufhin keine Anstalten, noch einmal nach Emil auszuholen. Ihr Gesicht war verzerrt, als sie gegen die Tränen ankämpfte. „Geh!“
Emil starrte sie entgeistert an. Seine Schulter schmerzte noch, doch das Stechen ließ ihn alles andere in ihm vergessen.
„Danke, Ina.“ Er merkte, wie er lächeln musste. So Leid ihm Ina tat, er konnte im Moment nichts für sie tun. Es gab Wichtigeres und das wartete drinnen auf ihn. Er wandte sich um.
„Viel Erfolg“, hörte er Ina hinter sich noch sagen, bevor er losstürmte.
 

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