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Eine märchenhafte Weihnachtsgeschichte

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© Wolfgang Reuter   
   
Grell und laut heulten die Sirenen im Märchenland. Die Märchenfiguren eilten in Panik herbei zum großen Versammlungsplatz. Es musste etwas Schreckliches passiert sein!

Und richtig: König Drosselbart trat vor sie alle hin und verkündete, der Weihnachtsmann sei schwer erkrankt und könne dieses Jahr unmöglich seinen Pflichten zum Fest nachkommen. Ein schwerer Hexenschuss fessele ihn unausweichlich ans Bett. - Wie sollte man das bloß den Menschen beibringen, vor allem den Kindern? Große Ratlosigkeit in der Runde.

Da trat das Rotkäppchen vor und meinte: „Wir brauchen ein Double, einen Stellvertreter! Aber die Menschen dürfen davon nichts merken. Dem, der diese schwere Aufgabe übernimmt, gebe ich mein rotes Käppchen – als Weihnachtsmann-Ersatz-Mütze.“

Das brachte dem Rotkäppchen vorsichtigen Applaus ein. Aber schon meldete sich Rumpelstilzchen und meinte: „Ich könnte dem Stellvertreter sogar meinen Rauschebart ausleihen!“

„Wir haben viel schönere Bärte!“, fielen ihm da die sieben Zwerge ins Wort und stupsten ihr Schneewittchen an: „Nun sag Du doch auch mal was!“

Aber längst war das tapfere Schneiderlein vorgetreten und verkündete listig: “Nur wenn ich einen roten Mantel schneidere, wird der Betrug nicht auffallen. Ich mach mich auch gleich an die Arbeit.“

„Für den Schlitten will ich gern sorgen!“, verkündete Aschenbrödel und knackte ihre vierte Haselnuss. „Der ist noch von meiner bösen Stiefmutter übriggeblieben.“

„Dann wollen wir ihn auch gemeinsam ziehen!“, riefen der Wolf und die sieben Geißlein wie aus einem Munde.

„Und die Weihnachtsmusik übernehmen wir!“, versicherten die Bremer Stadtmusikanten und stimmten schon mal ihre Kehlen.

Jetzt drängten alle nach vorn, um auch einen Beitrag zu leisten: Brüderchen und Schwesterchen, Schneeweißchen und Rosenrot, Hänsel und Gretel, Jorinde und Joringel, der Hase und der Igel, Hans im Glück, die sieben Schwaben und viele, viele andere Märchenhelden.

Plötzlich aber wurde es auf einen Schlag still. Aus dem dichten Märchenwald rauschte mit hohem Tempo der Weihnachtsmann auf seinem Schlitten heran und grölte sein herzhaftes „Ho-ho-ho-hooo!“

„Du bist ja wieder gesund?!“, wunderte sich der gestiefelte Kater, der soeben seine Stiefel spendiert hatte.

„Wie Ihr seht“, erwiderte der Weihnachtsmann. „Die Hänsel-und-Gretel-Hexe hat den Hexenschuss wieder zurückgehext!“

Da freuten sich alle Märchenfiguren und wünschten dem Weihnachtsmann von Herzen gutes Gelingen bei seiner schweren Aufgabe.

„Und was machen wir mit den vielen Spenden, die wir zusammengetragen haben?“, fragte die Gänsemagd.

„Lass sie uns sicherheitshalber aufheben“, meinte der Froschkönig, „falls sich mal einer von uns als Weihnachtsmann tarnen muss.“

Die Märchenfiguren stimmten dem zu und brachten alle Weihnachtsmann-Accessoires zum Berliner Rathaus, wo sie tief im Keller eingelagert wurden. Den Schlüssel erhielt der Regierende Bürgermeister.

Das ist doch eine gute Weihnachtsgeschichte – mit gutem Ausgang für alle?!

Und sollte mal jemand in Berlin einem Weihnachtsmann begegnen, dann Vorsicht: Man weiß ja nie, was es Neues gibt mit dem neuen Berliner Großflughafen, und ob der „Regierende“ deshalb mal lieber abtauchen wollte ...

(www.wolfgang-reuter.com, 12. 12. 2012)
 

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