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Die erste Stunde

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© Wolfgang scrittore   
   
Die erste Stunde


Alma legte die letzte Tarotkarte um. Der Beginn einer neuen Phase stand an, Alma seufzte auf. Die Karten hatten Recht.
Das Telefon klingelte, Alma schüttelte den Kopf, nicht jetzt, nicht mehr.
Den ganzen Tag hatte sie ihre Aufzeichnungen studiert, wieder und wieder. Sie las die Verse, die gekennzeichneten Passagen, alles passte, die Naturkatastrophen, die grausamen Mordserien, alles….
Nostradamus hatte es gesehen. Und waren nicht auch die Weissagungen, der noch in der Natur lebenden Völker, der Hopi, der südamerikanischen Indianer und nicht zuletzt der Maya, jener Meister der Zahlen, gleichlautend?
Almas Entschluss stand fest.
Sie hatte sich aus ihrer Apotheke die Tabletten und Tropfen mit nach oben in ihr Penthaus geholt. Gründlich zerrieb sie die notwendige Menge in einem kleinen Porzellanmörser, fügte die richtige Anzahl der Tropfen hinzu und vermischte es auf das Sorgfältigste.
Dann goss sie sich großzügig ein Glas des achtzehnjährigen Talisker ein, jenes Whiskys, der ihrem Gaumen immer so eine Geschmackssymphonie beschert hatte und verrührte den Inhalt des Mörsers darin.
Auf einem Zug trank sie das Glas aus, wartete einen Moment und trat auf ihre Terrasse hinaus. Sie blickte auf den tief unter ihr liegenden Platz hinunter, kein Auto, kein Mensch war zu sehen, kein Laut war zu hören.
Die Welt schien in dieser Stunde den Atem anzuhalten.
Alma schwankte, ihr wurde schwindelig und sie setzte sich auf die niedrige Brüstung der Terrasse.
Die vergangenen Jahre gingen ihr durch den Sinn, nur wenige Augenblicke noch.
Da, die Turmuhr tat ihren ersten Schlag. Alma ließ sich fallen
fallen
fallen
fallen.

Der zwölfte Schlag verstummte und die erste Stunde begann. Es war wenige Augenblicke nach Mitternacht am 22. Dezember 2012. Eine Zeitenwende, eine neue Ära, eine neue Zeit für die Menschheit.
Nur für Alma gab es keine Zeit mehr.
 

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