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Das Ritual/ Kapitel 9

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©  rosmarin   
   
9. Kapitel
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„Ich sehe Übel. Verhängnis. Verderben. Fluch. Mondlicht. Blut.“
Die Hexe Vanessa! Dieses Irrlicht.

Von Grauen gepackt setzte sich mich im Bett auf, griff nach dem Handy neben meinem Kopfkissen.

Aha. Matthias. Wieso ruft er mitten in der Nacht an?

„Ich habe die Handschellen“, sagte Matthias anzüglich, „du wolltest doch mal gefesselt werden. An deine Grenzen kommen.“
„Wer sagt das?“
„Mein Gefühl.“
„Wann treffen wir uns?“
„In einer Stunde.“

Ich klickte Matthias weg. Woher wusste er von meinen Gelüsten? Ich hatte doch bei unserer kurzen Begegnung, diesem zufälligen Treffen, kein Wort darüber verlauten lassen. Aber ich freute mich über seinen Anruf. Also war er mir nicht gram, nachdem ich ihn in der Vollmondnacht vor vier Wochen weggedrückt hatte.

Seltsam. Wie früher verspürte ich den unwiderstehlichen Drang, mich zu unterwerfen. Der Macht des Stärkeren auszuliefern. Sollte mich mein altes Leben noch einmal eingeholt haben? Die Dämonen mich endlich in Frieden lassen?
Fröhlich ging ich zum Fenster, zog die Vorhänge zurück, öffnete es weit, schaute den schnell vorüberziehenden Wolken nach, die den Vollmond in regelmäßigen Intervallen verdeckten und ihm dann, unverhofft, für Sekunden nur, einen freien Platz einräumten.
Natürlich brauchte ich das passende Outfit. Im Schlafzimmer nahm ich meine Sachen aus dem Kleiderschrank. BH, Tanga, Strapse, Spitzenstrümpfe, Minikleid. Alles in Schwarz. Seths Lieblingsfarbe war rot. Rot wie sein Haar. Rot, die Farbe der Leidenschaft. Des Feuers. Der Liebe. Des Blutes. Seht zu Liebe hatte ich das rote Nachthemdchen gekauft. Das süße Hemdchen, in dem ich so gut tanzen konnte. Würde ich auch vor Matthias tanzen? Vorsichtshalber legte ich es in meine Handtasche.
Die hochhackigen roten Pumps und das rote Seidenband fehlten noch. In einem Schubfach ganz unten fand ich das Begehrte. Auch das Schmuckkästchen mit dem Silberschmuck von Ricardo. Und ganz zuunterst, versteckt in einem kleinen Geheimfach, den Ring der Lilith. Mit Mühe hatte ich ihn damals nach dem schrecklichen Altartraum abbekommen. Mein erster Gedanke war, ihn ins Klo zu spülen. Doch etwas, das stärker war als mein Wille, hatte mich daran gehindert. Also entschied ich mich, ihn zu verstecken, in der Hoffnung, dass die Hexe dann keine Macht mehr über mich haben könnte.
„Her mit dir“, sagte ich, „wollen wir doch mal sehen, wer hier die Stärkere ist.“ Mutig steckte ich mir den Ring an den Finger und spürte im selben Moment ein heißes Prickeln durch meinen Körper pulsieren. Sofort versuchte ich das magische Ding abzuziehen. Doch der Ring saß fest.

*

Im Bad vor dem großen Spiegel betrachtete ich wohlgefällig mein Spiegelbild. Mir schien, als würde es Lilith immer ähnlicher. Etwas Mascara und Lippenstift fehlten noch. So. Kein Rouge. Tadellos. Vollkommen.
Der Vollmond, der sich nicht mehr hinter den Wolken versteckte, tauchte das Badezimmer in seinen geheimnisvollen Glanz.
Plötzlich stand Matthias hinter mir, legte seine Hände, die ungewöhnlich groß und behaart waren und in denen er eine Unmenge dicht beschriebener Blätter hielt, auf meine Schultern. Im gleichen Moment ertönte eine Musik, die absolut nicht meinem Geschmack entsprach. Ozeanklänge. Wellenrauschen. Wellenrauschen. Möwengeschrei. Moldaureigen. Wellenrauschen. Mediale Musik.

Psychiater und Zahnärzte benutzen sie. Um ihre Patienten in Trance zu versetzen. Damit sie sie dann nach ihren Vorstellungen therapieren können. Horror pur.

Die Blätter auf meinen Schultern bewegten sich wie Flügel. Wippten lustig auf und nieder, breiteten sich aus, falteten sich zusammen. Breiteten sich aus.
„Ich habe erst so zwanzig Seiten gelesen.“ Matthias’ Hände legten sich fest um meinen Hals. „Da kann man a, nicht viel sagen, und b, finde ich es ein bisschen zu softig. Hausfrauensex. Da stehe ich nicht so drauf.“ Er lachte frech. „Das kannst du doch besser.“
„Ist ja auch kein Porno“, sagte ich spöttisch, „ich schreibe doch nicht für Beate Uhse.“
„Warum eigentlich nicht.“ Matthias Griff wurde fester. „Ansätze sind durchaus vorhanden.“
„Es ist eine tragische Liebesgeschichte“, japste ich, „mit einigen stark ausgemalten Sexszenen.“
„Vielleicht etwas für Frauen.“
„Die Geschichte der anderen Frau.“
„Fliegende Blätter. Hui!“ Matthias lachte schallend, lockerte seinen Griff, „Mist. Vergeudete Zeit.Schreib lieber deine Doktorarbeit.“
Demonstrativ ging Matthias zum Fenster und warf die Blätter hinaus.

Inzwischen hatte sich das Bad in ein anheimelndes Zimmer verwandelt. Der nicht sehr große Raum war rund. Die Wände verkleidet mit rotem Samt. Die Musik verstummt. Statt ihrer erfüllte jetzt ein süßlicher Geruch, wahrscheinlich Weihrauch, das runde Zimmer.
Fasziniert betrachtete ich das einzige Möbelstück. Ein antikes Tischchen von seltener Schönheit, notdürftig bedeckt mit einem bunten Seidentuch. Darauf standen Döschen und Fläschchen mit Duftölen, Seifen, Kerzen, Wässerchen. Dazwischen glänzten und glitzerten exotische Steine, Ketten, Armbänder, Kreuze und eine Unmenge anderer geheimnisvoller Dinge in magischer Schönheit. Ich wunderte mich, dass ich mich nicht wunderte. Denn diese Dinge hatte ich in dem Hexenladen gesehen.

Matthias verteilte überall kleine Kerzen, zündete sie an, streute dann Rosenblätter auf den Fußboden, der ebenso wie die gewölbte Decke aus Spiegelglas bestand.
„Würdest du mich bitte fotografieren, Crysella?“

Ich starrte Matthias an, als wäre er ein Geist. Das konnte nicht sein! Wo waren Matthias‘ Kleidungsstücke? Nur mit einer Damenstrumpfhose bekleidet stand er vor mir, eine Digitalkamera in der Hand.
„Das macht mich geil“, sagte er errötend wie ein Schuljunge, „danach könnten wir das Erwünschte tun.“

Neugierig betrachtete ich Matthias‘ makellose, glatte weiße Haut über etwas zu viel Fleisch.
„Zum Fasching könntest du als Streichholz gehen", scherzte ich.
„Du könntest meinen weißen Körper ja rot anmalen, wenn dir mein roter Kopf nicht gefällt“, lachte Matthias.
„Oder deinen roten Kopf weiß.“ Ich zückte die Kamera, knipste wild drauf los. Matthias wechselte von einer obszönen Pose in die nächste und auch ich stellte meine offensichtlichen weiblichen Reize immer unverhüllter zur Schau, sodass sich die Stimmung mehr und mehr aufheizte.
„Genug.“ Matthias nahm mir die Dig aus der Hand. „Stell dich da hin“, befahl er und wies auf eine Stelle an der roten Samtwand, „zwei Schritt davor.“
Gehorsam stellte ich mich vor die rote Samtwand. Verspürte verlockend das schon bekannte triebhaft gierige Ziehen in meinem Unterleib.
„Wunderbar, wunderbar“, murmelte Matthias, „eine Frau wie dich zu besitzen, wäre das Größte.“
„Hast du deine Potenzmittel genommen?“, scherzte ich übermütig.
„Eine ganze Packung“, ging Matthias auf meinen Ton ein. „War sauteuer. Hier, schau mal.“ Provozierend zeigte er auf seinen aufgerichteten Penis. „Du wirst dein blaues Wunder erleben, meine Schöne“, prahlte er, während er mich langsam entkleidete, „Strümpfe und Strapse behältst du natürlich an. Das macht mich verrückt.“
„Sehr wohl. Zu Befehl, Königliche nackte Hoheit“, kicherte ich und stand stramm.
Matthias ließ sich zu meinen Füßen nieder. Küsste, streichelte, leckte. Höher, noch höher. In meiner Mitte machte er Halt. Verweilte. Kostete sie ausgiebig, zog mich auf sein glühendes Gesicht. Ich seufzte und stöhnte und zitterte und genoss lustvoll sein wildes Zungenspiel.

„Bist du verrückt?“ Oh, Graus. Liliths Stimme. „Er darf dich nicht besitzen. Sie sind alle gleich.“
„Nur ein Spiel“, bettelte ich.
„Nein, spiel du mit ihm.“
„Dann lass mich wenigstens träumen.“

*

Wie durch Zauberhand öffnete sich die rote Samtwand vor einem kostbaren Spiegel. Ich lag auf einer schwarzen Ottomane in meinem roten Hemdchen und rekelte mich wie eine Katze in der Sonne.
Matthias stand vor mir. In der Hand einen Pokal, gefüllt mit perlendem Champagner.
Wohlig schloss ich meine Augen. Matthias tröpfelte den Champagner in alle Körperöffnungen. Erregend spürte ich seine Lippen, seine Zunge, seine Finger und ergab mich leise seufzend seinen liebkosenden Berührungen, die bald in orgastischen Wellen meinen Körper durchfluteten.

Matthias verstand es, die Spielchen von Nuance zu Nuance zu steigern. Bald wand ich mich in unbändiger Ekstase. Die Spiegel unter und über uns, die flackernden Kerzen, die den rotgläsernen Raum in ein gespenstisch anheimelndes Licht tauchten, verliehen der Situation seinen ganz besonderen Reiz.
„Bleib ruhig liegen“, sagte Matthias“, beweg dich nicht. Ich muss dich betrachten. Ich will alles sehen. Riechen. Fühlen. Schmecken. So wie es jetzt ist.“

Mein Gott, war das verrückt. Ein Traum. Ein wunderschöner Traum. Nur nicht erwachen.

Szenenwechsel:

Ich befand mich wieder im Bad. Matthias war in die Küche verschwunden, kam aber sofort mit Handschellen und dicken Stricken zurück. Fesselte mich an den Riegel des Fensterkreuzes und verband mir die Augen mit einer breiten schwarzen Binde. Gruselschauer jagten in kalten und heißen Wellen meinen Rücken hinab. Ich vermeinte, mich in einer mittelalterlichen Folterkammer zu befinden. Es fehlten nur noch die Folterknechte, die mich am Haarschopf packen würden. Törichte Angst befiel mich. Doch Matthias zärtliche Hände beruhigten mich.
„Du musst mir vertrauen“, sagte er.

Klar vertraute ich ihm. Alles in mir war Erwartung. Ich war die Erwartung in Person und erwartete ein nie erlebtes Spiel. Ein Abenteuer ohnegleichen und ergab mich erwartungsvoll Matthias’ wilden Zärtlichkeiten. Das heißt, mein Körper ergab sich. Mein Kopf schien wie losgelöst von ihm. Blieb klar und kühl.

Matthias verstand es, eine Frau den Himmel sehen zu lassen, um sie dann, auf dem Gipfel ihrer Lust, in die Hölle zu verdammen. Wieder und wieder. Das gleiche verruchte Himmel- Hölle-Spiel. Ich erbebte unter der gierigen Glut meines Körpers, der fleischlichen Lust, von der die Hexe Vanessa gesprochen hatte. Und Lilith. Düsterste Begierden. Unendliche Lüsternheit wollte sie dank ihrer Zauberkraft in mir entflammen. Das war ihr wahrlich gelungen.

Der Vollmond flutete ins Zimmer. Ich lächelte erregt hinter dem Knebel. Eine Vollmondsexnacht. Mit dem Doktor der Medizin Matthias.

Noch ahnte ich nicht, dass dieser Kerl ein Sadist war. Ein Ungeheuer. Ein Monster aus der Gosse.

Matthias’ Hände wühlten in meinem Haar. Wickelten die Locken um seine Finger, zogen meinen Kopf schmerzhaft in den Nacken. Mein Köper war eine einzige Erregung. Ein Kribbeln. Ein Zittern. Mein rotes Hemdchen lag zerknüllt auf dem Boden. High Heels und Strapse durfte ich anbehalten. Nichts weiter.
Gequält lachte ich auf. Die Tränen liefen über mein Gesicht. Sammelten sich neben den Grübchen unten am Hals.
„Trink.“ Matthias reichte mir den Pokal mit dem Champagner. „ Du wirst es brauchen.“
Schnell trank ich den Becher leer. Matthias schenkte nach. Sogleich erfasste ein schwereloses Gefühl meinen Köper, machte ihn leicht und locker. Mein Kopf schwebte ohne ihn davon in eine andere Dimension. Matthias nahm mich auf seine Arme, wir schwebten ihm hinterher.

*

Ich rekelte mich auf einer schwarzen Ledercouch in einem Keller. Wände und Fußboden und auch die Decke bestanden aus groben Feldsteinen. Schwarze Altarkerzen neben der schwarzen Couch auf dem Boden verliehen dem Raum etwas überaus Geheimnisvolles. Gespenstisch tanzten flackernde Schatten an den Steinwänden. In einer Ecke entdeckte ich vier düstere überaus kräftige Gestalten mit schwarzen Masken.
Mühsam versuchte ich, mich aufzurichten.
„Hab keine Angst.“ Matthias drückte meinen Kopf auf meinen Hals. Mich zurück auf die Couch. „Es ist ein Spiel“, lachte er boshaft.
Licht flutete in den Keller. Scheinwerfer blendeten mich. Erschrocken starrte ich in eine Kamera.
„Öffne deine Beine.“ Matthias Hände waren groß und kräftig. Aufstöhnend wand ich mich unter dem groben Griff. Das rote Auge der Kamera funkelte böse. „Und nun rein in die Höhle“, fauchte Matthias wie ein wildes Tier, „die heiße. Feuchte. Nasse. Die Grotte. Her mit den Pfoten. Her mit den Schwänzen!“, rief er wütend. Augenblicklich lösten sich die vier Gestalten von den Wänden. Die Schatten an den steinernen Wänden schwirrten hin und her. „Ich brauche ihre Augen. Ihren Mund. Ihre Schreie!"
Die vier Kerle mit ledernen Lendenschurzen, unter denen riesige Schwänze wippten, zerrten mich von der Couch, hin zu einer mittelalterlichen Folterbank aus rohem Holz, zwangen meine Arme und Beine durch Ringe aus Eisen, schnallten mich mit groben Riemen fest.

Ich zitterte in gruseliger Erwartung. Die vier Kerle begrabschten und betatschten mich gierig. Hatten ihre Hände, Münder, Schwänze überall. Mir war, als hätten sie hundert Hände. Hundert Lippen. Hundert Schwänze saugten mich aus. Meinen Saft. Mein Leben. Lüstern blitzte Feuer aus den Augenschlitzen. Acht Handschuhhände rieben meinen Körper. Drangen in mich. Heftiger Schmerz durchzuckte mich. Ich schrie und schrie. Versuchte, mich von den Fesseln zu befreien. Den animalischen Berührungen zu entkommen, die Matthias erbarmungslos filmte.
„Eine wunderschöne Hexe haben wir da." Eine Hand presste sich zum wiederholten Male auf meinen Schoß. Eine schwarze Handschuhhand.
„Haltet ihre langen roten Haare!“, schrie Matthias, „zeigt ihr, was Sache ist!“

Die Kerle zeigten mir, was Sache ist. Hechelten. Lachten. Fickten mich ausdauernd mit ihren dicken langen Schwänzen.
Entsetzt starrte ich in geschlitzte Augen, auf grobe behaarte tätowierte Arme. Auf Ketten auf athletischen Brüsten. Goldene Ringe an wulstigen Fingern.
„Verdammte! Sauigel! Schweine! Wichser!“, schrie ich wie von Sinnen.
„Gut! Crysella. Ja! Crysella. Schrei. Gib‘s ihnen! Süße.“ Matthias flößte mir wieder Champagner eine. „Ist gleich vorbei“, sagte er zärtlich.
Ich lachte hysterisch. Kreischte. Zerrte an den Fesseln.
Die Fackeln in den Ecken waren fast niedergebrannt. Fledermäuse flatterten aufgeschreckt umher. Ich fiel. Tiefer. Tiefer. Hinein ins Bodenlose. Schwarze. Zusammen mit den Fledermausvampirgesichtern, die mich böse angrinsten, den riesigen Spinnen, die sich von den steinernen Wänden lösten, dem Keuchen, Stöhnen, Ächzen über mir.
„Wir nehmen sie von hinten.“ Die Kerle banden mich los. Nahmen mich von hinten. Einer nach dem anderen. „Und nun in beide Höhlen.“ Matthias lachte höhnisch. „Immer zwei und zwei. Du nimmst die Schwänze Crysella. Los! Wirst schon nicht ersticken.“

„Hexen riechen sich über viele Meilen.“

Stimmt! Mit letzter Kraft drehte ich den Ring der Hexe. Ich scheiß denen was.

„Abra! Kadabra!, rief ich, „schrumpft! Ihr Ungeheuer! Schrumpft! Abra! Kadabra!“

Vier eklige schwarze Käfer krochen langsam mit langen dünnen Beinen über meinen geschundenen Körper. Verschwanden in den dunklen Ecken des Kellers. Ich war frei! Das Messer von Ricardo lag auf dem Boden. Das Buschmesser aus Afrika! Ohne darüber nachzudenken, woher es auf einmal kam, hob ich es auf, stürzte mich auf Matthias und säbelte ihm den Penis ab.


***

Foertsetzung folgt
 

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