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Frühwarn-System

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© Wolfgang Reuter   
   
FAZ vom 12. 10. 2006:
Nach dem Tod des zweieinhalb Jahre alten Kevin in Bremen will Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen die Vernachlässigung von Kindern durch ein neues Frühwarnsystem verhindern. „Im Fall Kevin hat das Zusammenspiel der staatlichen Hilfen sträflich versagt. Das können wir nicht länger hinnehmen“, sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag in Berlin mit Blick auf den Tod des Kindes, das unter staatlicher Vormundschaft stand.


Erst kürzlich erfand eine Frau von der Leyen
für Kindesmisshandlung ein „Frühwarn-System“.
Man muss Frau Ministerin so was verzeihen;
denn immerhin geht’s um ein großes Problem:

Verwahrloste Kinder, die werden geschlagen,
getreten, geschunden, beschimpft und gequält.
Und dennoch will ich Frau Ministerin fragen,
ob's ihrem „System“ nicht an Wirksamkeit fehlt.

Warum prügeln Eltern die hilflosen Kleinen?
Wer hat SIE in Not und Verzweiflung gedrängt?
Wer kennt ihre Wut, ihre Ohnmacht, ihr Weinen?
Wie oft fand man ratlose Mütter – erhängt?

Und welches System warnt vor zahllosen Vätern,
die mit ihrem Job auch die Hoffnung verließ?
Gedemütigt werden auch sie leicht zu Tätern,
bereit zu verstoßen, wie sie man verstieß.

Wer kümmert sich denn um das Heer junger Leute,
das Abend für Abend die Wände beschmiert?
Wer hilft denn den Fremden, die man nicht erst heute
schon wieder als Abzocker-Mob tituliert?

Wer hat keine Konten bei Banken und Kassen?
Und Video-Spiele – wen machen die krank?
Wer rettet die Alten, von allen verlassen?
Man merkt erst ihr Fehlen am Leichengestank.

In Deutschland erleben wir eisige Zeiten.
Und Kinder betrifft das besonders extrem.
Da kann Frau Ministerin noch so sehr streiten:
Statt Früh- schafft sie nur ein Zu-spät-Warn-System.

www.wolfgang-reuter.com, 28. 10. 2006
 

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