... für Leser und Schreiber.  

Er konnte das Holz hören

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©  Waldkind   
   
Jedes Stück Holz
hat seine Berechtigung.
Jedes eine besondere Funktion.

Holz,
ein lebendiger Brennstoff,
der direkt,
also zumindest hier im Spessart,
als auch in anderen Waldgegenden,
vor der eigenen Türe wächst.
Holz aus dem eigenen Wald
oder Holz, dass man hier im Rahmen
der Spessartholzrechte im Wald holt.

Holz machen.

Mit Sägen, Äxten und Spaltkeilen
sind sie früher in den Wald gezogen,
also zu der Zeit,
als meine Großeltern
noch in den Wald gingen.

Eisenharte Körper,
noch härtere Arbeit
aber Gesang auf dem Weg dahin.

Pflegend "ernteten" sie im Wald,
tief verankert das Wissen um
die Wichtigkeit des gesunden Waldes.

Holz spalten.

Die auf einen Meter gesägten Stämmen
werden gespalten.
Auf Kreuzstösse werden sie gesetzt.
Jedes Stammstück aufbrechen,
Jedes Teilstück ordentlich schichten.
Stabil muss es sein.

Holzstere.
Kraft, Energie und Sorgfalt sind
von Nöten um einen
festen Ster
auf den Holzplatz zu setzen.
Die Stere sitzten abgedeckt,
bis sie trocken sind.
Zeit braucht es dazu,
und Geduld.

Holz sägen.

Wenn die Stere nach ca. 2 Jahren
durchgetrocknet sind,
werden die Scheite in 3-5 Stücke gesägt.
Je nach Ofen.

In den Steren,
die wir dieses Jahr sägten,
lagen noch alte 'Stickel' von Opa.
Stickel sind entrindete Stangen,
die zum 'Bohnenstickeln' von Stangenbohnen,
oder zum bauen von Zäunen
verwendet werden.
Papa sagte mir,
ich sollte sie in Ehren halten,
die Stickel,
es wären die letzten Stücke
von Opa's.

Die Stere,
die ich Scheit für Scheit
meinem Vater reichte
damit er sie sägt,
wurden noch zum Großteil
von meinem Großvater aufgesetzt.
Eine von meiner Oma genähte Kunstledertasche in der eine Flasche
'Äbbelwoischorle' drin war,
begleitete meinen Opa zu jeder Holzaktion.

Ich warf je Scheit
immer 4 Stücke auf den Hänger.
Zwei Vormittage lang 4 Hänger voll.
Und jedes einzelne Stück
dieses Holzes,
hat eine besondere Form oder Maserung.
Je nach Holzart,
hier aufgrund des hohen Heizwertes meist Buche,
zwischendurch auch mal die schön flammende Birke,
oder die schnell brennenden Kiefern und Fichten,
also je nach Holzart und Form
wandern die Stücke später in den Ofen,
manche zum anstecken,
manche zum Wärme halten.

Jedes einzelne Stück,
sei es auch noch so klein,
schenkt Wärme.

Brennholz aufsetzen.

Als Mädchen wurden wir immer
etwas fern gehalten,
von der ganzen Holzmacherei.
Vom Balkon aus sah ich den großen
Hänger vor der Holzhalle stehen.
Meine Großeltern und meine Eltern warfen das Brennholz für zwei Haushalte
in die Scheune.
Am Ende war die Halle immer voll
und der Raum darin verschwunden.

So ich muss also Brennholz aufsetzen.

Alleine.

Opa hatte auch Brennholz mit mir aufgesetzt
und mir den Kreuzstoß erklärt.
Damit kann man nach oben
ohne seitliche Begrenzung setzen.
Hat mir gezeigt, dass am Boden, zwischen den einzelnen Reihen
ein Zwischenraum sein muss,
damit man die Reihe nach oben
in Richtung Wand verlagern kann,
Opas Holzreihen waren einfach immer fest.

Jedes Holz saß an seinem Platz,
jeder Kreuzstoß bestand aus stabil
ineinander greifenden Hölzern.
Jedes einzelne Stück,
auf dem Platz,
an den es hingehörte.

Ich setze also das Holz auf,
erinnere mich an Opas große, starke Hände.
Ich sehe sie, wie sie an seiner Hobelbank
über zarte Hölzer strichen,
dessen Maserung fühlten,
wie sie Werkzeug hielten,
und Spielzeug bauten.

Ich stellte mir vor, wie es war,
als er das letzte Mal
mit mir Holz aufsetzte
und bin mir gewiss,
er konnte das Holz nicht nur fühlen.

Mein Opa konnte das Holz hören.

Ich weiß jetzt,
dass er es auch wusste:

'Jedes Stück hat seinen Platz,
jedes Stück seine Berechtigung,
jedes Stück erfüllt genau den ihm
angedachten Sinn! '
 

http://www.webstories.cc 04.05.2024 - 13:01:11