... für Leser und Schreiber.  

Frühling für Habenichtse

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© Thomas Schwarz   
   
Frühling für Habenichtse



Unter dem schmalen, staubigen Balkon lärmt der Straßenverkehr. Autos, Lastwagen und Busse quälen sich die zweispurige Straße hoch, stadtauswärts, vorbei an geparkten Wagen. Auf der Gegenseite drängt sich alles hinab zur Stadtmitte.
Der Ruß liegt auf den Fenstersimsen der Wohnungen, Abgase und Staub dringen in Nasen und Münder, legen sich auf Schleimhäute, zwischen den Zähnen knirscht der Dreck.
Die Wohnungen sind billig.
Dort, gegenüber den staubigen Balkonen führt eine Straße hoch zum Wildpark, wo Kinder spielen, hoch zum Waldrand. Entlang des Gehweges leuchten Forsythiensträucher, grünen Mehlbeerbäume Birken und Weiden. Oben, hinter der Biegung, wo die Straße nach links abbiegt, wo man nicht mehr hinsieht von den staubigen Balkonen, da wird ´s erst richtig schön und die Gärten mit den weißen Ein- und Zweifamilienhäusern verwöhnen die Waldbesucher auf ihrem Weg hoch mit mehrfarbigen Veilchen, lustigen Papageientulpen und sanft zu den Gartenzäunen rollenden Rasen.

Seit Mitte März klettert die Sonne wieder über den Dachfirst der gegenüberliegenden Häuser mit den staubigen, rußigen Balkonen, durchdringt den Schmutzfilm der Fenster und schickt jeden Tag etwas mehr Licht in die Zimmer.
Die Ampel vorne steht oft auf Rot und zwingt die Blechkolonnen zum Halten. Balkone und Fenster zittern und vibrieren derweil von dröhnenden Basslauten.

Gegenüber den schmutzigen, vibrierenden Balkonen reckt sich ein rostroter Fabrikschlot in den Himmel. Kein Rauch und Gestank wird vom Wind zum Staub und Dreck der Straße beigemischt. Es ist Wochenende und Frühling im Land, in der Stadt und auch in den Schluchten, bei den Habenichtsen.
 

http://www.webstories.cc 04.05.2024 - 05:25:10