... für Leser und Schreiber.  

Mortal Sin Januar 2007- Dressed To Kill

190
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©  JoHo24   
   
Unser Leben besteht aus dem Sterben anderer.
- Leonardo da Vinci


„Noch etwas zu trinken für Sie, Sir?“
Eine Frau mittleren Alters in Kellnerkleidung hielt ihm ein Tablett unter die Nase, auf dem mehrere gefüllte Gläser standen. Wortlos nahm er sich eines, trank einen Schluck und stellte es wieder zurück, da es bloß Champagner gab und er einen klaren Kopf für seine Arbeit benötigte.
Die Kellnerin rauschte kurz darauf davon und steuerte bereits den nächsten Gast an. Auch er setzte sich in Bewegung und schlängelte sich durch die Menschenmenge. Es war viel los. Die dekadente Party war ein Sammelbecken für die reiche Gesellschaft Saint Berkaines. Hier tummelten sich arrogante Snobs, Wannabes und die einflussreichsten und mächtigsten Geschäftsleute der Stadt.
Seine Kollegen und er gehörten demnach nicht hierher, dennoch hatten sie Einladungen für diesen Abend erhalten. Diesen Umstand hatten sie ihrem Boss William zu verdanken, der mithilfe Ophelia Monroes dafür gesorgt hatte, dass sie problemlos in die Reichweite ihrer beiden Zielpersonen kamen. Denn sie waren nicht gekommen, um zu feiern, sondern um zu töten. Wie bereits erwähnt, spielte dabei seine dunkelhaarige Kollegin eine besondere Rolle. Sie war der Schlüssel für ihr heutiges Unterfangen, dessen Erfolg besonders von ihr abhängig war. Eine ihrer Zielpersonen war ihr nämlich bekannt, genauer gesagt ihrem Vater und diese Tatsache wusste William für sich zu nutzen. Er hatte ihren Familiennamen benutzt, der noch immer hohes Ansehen genoss, um an die Einladungen zu gelangen. Es war also Ophelias Aufgabe den ersten Kontakt zu ihrem Bekannten zu knüpfen und Vertrauen zu schaffen, damit sie unauffällig an ihn herankamen.
Ihr Plan schrieb vor, dass sie beide gemeinsam auf das Zeichen Navarro Henstridge warteten, ehe sie zuschlugen. Aus diesem Grund scannte er mit seinen stahlgrauen Augen den Saal, um sie zu finden. Tatsächlich fiel es ihm nicht schwer seine Kollegin unter den anderen Gästen auszumachen, schließlich war sie immer und überall ein Hingucker; sie zog automatisch die Aufmerksamkeit aller auf sich und war dadurch unübersehbar. Auch James Matthew Roddick wurde von ihrer Ausstrahlung verzaubert und gefangengenommen.
Das glänzende, brünette Haar trug sie seidenglatt mit einem akkurat geschnittenen Pony, das neu war und ihr wunderschönes Puppengesicht einrahmte.
Und dann waren da noch ihre knallrot geschminkten Lippen, die einen magisch anzogen und provokant dazu aufforderten sie zu küssen.
Alles an ihr strahlte puren Sex aus, was ihm den Atem verschlug und ihn an seinem Verstand zweifeln ließ. Er hatte Ophelia Monroe schon oft gesehen, doch er hatte stets das Gefühl, als erblicke er sie das erste Mal. An ihre Schönheit konnte er sich einfach nicht gewöhnen, denn sie war nicht von dieser Welt. Ihr heutiges Outfit unterstützte diesen Eindruck nur noch, was eigentlich unmöglich war.
Der lange, bis übers Knie gehende, Unterteil ihres schwarzen Kleides warf mehrere große Falten und war an den Hüften ausgestellt. Was unten eher verdeckt war, wurde oben herum umso offenherziger gezeigt, denn das Neckholderoberteil aus Spitze besaß einen unverschämt tiefen Ausschnitt und bedeckte gerade mal Brüste und Bauch der Trägerin. Ihr Rücken hingegen war vollkommen entblößt, was besonders gut zur Geltung kam, als sie ihr Haar über ihre rechte Schulter warf. In diesem Moment trafen sich ihre Blicken und ein atemberaubendes Lächeln erschien auf ihren Lippen. Mit dem rechten Zeigefinger lockte sie ihn unverfroren zu sich, was er sich nicht zweimal sagen ließ. James schritt eilig auf sie zu, bis er einen halben Meter vor ihr zum Stehen kam.
„Guten Abend, Ophelia“, begrüßte er sie höflich und hauchte ihr einen sanften Kuss auf den rechten Handrücken. Seine Geste war von der alten Schule, doch so hatte er es nun mal von seinem Adoptivvater William gelernt. Dies bedeutete für ihn Etikette und die gehörte für ihn ebenso zur Ausbildung dazu, wie das Kämpfen und Töten.
„Ihnen auch einen guten Abend, Mr. Roddick.“ Das anschließende Lachen, das aus ihrer Kehle kam, klang unvergleichlich. Es war eine Mischung aus kindlichem Vergnügen und teuflischer Heimtücke. Die Dunkelhaarige überwand die letzten Zentimeter auf ihren schwindelerregend hohen Stilettos, die sie auf seine Augenhöhe hoben.
„Mein Gott, wie scharf du aussiehst“, schwärmte sie mit funkelnden Augen, während sie ihn in seinem maßgeschneiderten, schwarzen Anzug betrachtete. „Wenn ich nur daran denke, was ich alles mit dir anstellen will, dann werde ich sooo geil.“ Ihre Stimme war nicht mehr als ein erotisches Wispern.
James hingegen bekam keinen einzigen Ton heraus, zu sehr war er damit beschäftigt seine Triebe im Zaum zu halten. Während seiner vorübergehenden Sprachlosigkeit legte Ophelia ihren rechten Zeigefinger gegen seine schmalen Lippen und ihr Mund näherte sich seinem Ohr.
„Soll ich dir ein Geheimnis verraten, Süßer?“ Ohne nachzudenken, nickte er eifrig. „Gut, aber du musst mir versprechen es nicht weiterzusagen“, sagte sie verschwörerisch, was seine Neugier weckte.
„Ich tue alles, was du willst.“
„Oh, wie mir das gefällt“, hauchte sie ekstatisch und biss ihm ins Ohrläppchen. Blitzschnell schoss Blut in seinen Unterleib und bescherte ihm eine Erektion. Ophelia war in ihrem Element: Männer im Handumdrehen willenlos machen und nach ihrer Pfeife tanzen lassen. Und ihr nachfolgender Satz beraubte ihm jeglicher Selbstbestimmung und brachte ihn fast zur Explosion.
„Ich trage kein Höschen.“ Die Miene, die sie dabei zu Gesicht trug, war schwer für ihn zu beschreiben. Nun ja, er hatte gerade einen Steifen und alles Blut, was er in seinem Kopf zum Denken und Analysieren benötigte, befand sich in seinem Penis, da konnte man ihm die fehlende Konzentration nachsehen.
„Meine Worte scheinen ihre Wirkung nicht zu verfehlen“, freute sie sich über seine Erektion, die sie an ihrem Oberschenkel überdeutlich spüren konnte.
„Komm, ich zeig es dir.“ Beherzt nahm sie seine Hand und zog ihn hinter sich her durch die feiernde Menschenmenge. Niemand nahm Notiz von ihnen, als sie in einem der unzähligen Räume der Villa verschwanden. Es war dunkel um sie herum, sodass James` Augen einige Sekunden benötigten, um sich an das fehlende Licht zu gewöhnen. Unterdessen hörte er, wie Ophelia hinter ihm die Tür schloss.

Bewegungslos stand er da und wartete auf sie. Ophelia Cecilia Dahlia Monroe schmunzelte triumphal. Dieser Mann war ihr verfallen und bereit, alles für sie zu tun. Und sie hatte nicht die Zurückhaltung oder den Anstand, dies nicht zu nutzen und sich alles von ihm zu nehmen, was sie haben wollte. Daher ließ sie sich übermäßig viel Zeit zu ihm herüberzugehen, damit seine Ungeduld weiter wuchs und er sich nach ihr verzehrte. Nur sie sollte seine Gedanken beherrschen. Ein Mann hatte schließlich ihr ganz alleine zu gehören.
Als sie nach einer gefühlten Ewigkeit bei ihrem Kollegen ankam, fuhr sie mit der linken Hand über seine Schulterblätter. Sein Körper versteifte sich unter ihrer plötzlichen Berührung, die für ihn wie aus dem Nichts kam.
„Hier stört uns niemand, Süßer. Hier sind wir unter uns.“ Die Killerin trat vor ihn und knöpfte langsam sein blütenweißes Hemd auf. James ließ es wortlos geschehen und sah dabei zu, wie sie mit ihren Fingerspitzen von seinem Brustbein, hinab zu seinen Bauchmuskeln strich. Er bekam eine Gänsehaut und legte stöhnend den Kopf in den Nacken.
„Ich werde noch verrückt.“
„Das hoffe ich doch“, flüsterte sie verwegen gegen seinen nackten Oberkörper, bevor sie diesen mit heißen Küssen bedeckte. Zeitgleich wanderten ihre Hände seinen starken Rücken entlang; sie erkundeten seinen Körper, als berühre sie diesen zum ersten Mal. Dann legte Ophelia ihr Gesicht in seine Halsbeuge und inhalierte wie eine Abhängige seinen Duft nach süßlichem Schweiß und herben Moschus. Sanft fuhr ihre Zungenspitze über seinen Hals und ließ sich seine salzige Haut schmecken. Genüsslich schlug sie die Lider nieder und schmiegte sich an ihren jungen Kollegen, der seine Arme um sie schlang, als wolle er sie nie wieder gehen lassen.
„Du bist die einzige Frau, die ich will, Ophelia Monroe. Die Frau, für die ich zu allem bereit bin“, versicherte er ihr mit inbrünstigem und flammendem Eifer, sodass sich seine Stimme beinahe überschlug. Die Brünette schmunzelte in sich hinein. Es war fast schon zu einfach, wie leicht sie ihn manipulieren konnte. James Roddick stand unter ihren Befehlen, denen er ohne zu Zögern Folge leistete. Williams Sohn war ihr hörig, was ihr ein übermächtiges Gefühl gab, das seinesgleichen suchte.
Selbstzufrieden löste sich die Killerin aus seiner Umarmung und machte es sich auf der ausladenden Chaiselounge gemütlich, die sich unweit von ihnen befand, während er sie begierig ansah wie ein hungriger Wolf. Ophelia befeuchtete ihre vollen Lippen und raffte den Rock ihres Kleides bis zu ihren Oberschenkeln hoch, was er gleich als Aufforderung zum Vögeln verstand. Übereifrig stürzte er sich auf sie, was die Killerin nicht dulden konnte. Sie hatte hier das Sagen, nicht er.
„Mach mal langsam, Jimmy“, nannte sie ihn bei seinem verhassten Spitznamen, ein überdeutliches Zeichen für ihn, dass sie unzufrieden war und er sein Vorhaben sofort zu stoppen hatte. Tatsächlich hielt er in seinen Bewegungen inne und ließ seinen Kopf zu ihr schnellen. Seine Stirn war gezeichnet von tiefen Falten der Verwirrung. Ophelia musste an sich halten, um bei seinem Anblick nicht spöttisch loszulachen. Sie nahm sich zwei Sekunden, bevor sie mit ihren Lippen seinen ganz nahe kam. Daraufhin erhöhte sich seine Atemfrequenz sicht- und hörbar. Die Brünette genoss die Macht über ihren jungen Kollegen in vollen Zügen, was ihre Erregung nur noch weiter in die Höhe trieb.
„Wir haben doch genug Zeit“, heizte sie seine Fantasie an und küsste ihn lange und leidenschaftlich. Als sie sich atemlos voneinander lösten, glänzten seine Augen gespenstisch im Schein des einfallenden Mondlichts. Er sah aus wie ein Wesen aus einer fremden Welt, das sie zu verschlingen drohte. Die brünette Schönheit wusste nicht, wohin mit diesem merkwürdigen Gefühl, das sie auf einmal befiel. Es verunsicherte und schwächte sie, was sie verabscheute. Was fiel ihm ein solch etwas Widerwärtiges in ihr auszulösen? Mit vor Zorn zusammengeschobenen Brauen sah sie den jungen Mann über sich an, als habe sie diese Frage laut gestellt.
Doch James´ Anblick konnte sie nicht lange ertragen, also vergrub sie eine Hand in seinem Haar und drückte grob seinen Kopf zwischen ihre Beine, ehe sie den Rock ihres Kleides über ihn warf. Ihre stumme Aufforderung war unmissverständlich und umgehend auszuführen. Wenn er mich leckt, dann hat er zumindest etwas zu tun! Genervt pustete sie sich eine Strähne aus dem Gesicht, während seine Zunge endlich ihre Arbeit aufnahm und Wiedergutmachung leistete.
Schon nach wenigen Minuten durchbrach ihr lustvolles Stöhnen die anhaltende Stille und dröhnte in ihren Ohren. Sie betäubte sich selbst und machte sie unfähig irgendetwas anderes in ihrer Umgebung wahrzunehmen. Ophelia biss sich verlangend auf die Unterlippe und spreizte ihre Beine noch ein Stück weiter auseinander. Intensive Wellen der Lust wurden durch ihren Körper geschickt und brachten sie zum Beben. Ihre Atmung wurde laut und hektisch, ihr Verstand schaltete sich aus. Immer näher kam sie der Verzückung eines Orgasmus, bis das Klingeln ihres Handys sie zur Besinnung brachte und daran erinnerte, aus welchem Grund sie hierher gekommen waren. Ophelia Monroe schob ihr eigenes Vergnügen radikal zur Seite und den Kopf ihres Kollegen nach unten, um ihn zum Aufhören zu zwingen.
„Komm, Süßer, wir müssen los. Die Arbeit ruft.“ Seine Reaktion war ein unwirsches Murren, ehe er unter ihrem Rock hervorkam. Seine Haare waren ganz verstrubbelt und standen wild in alle Richtungen ab. Ophelia kicherte los, was bei ihm für Verwirrung sorgte.
„Was ist?“ Amüsiert winkte sie ab, bevor sie mit beiden Händen durch sein zentimeterlanges, dunkles Haar fuhr und es provisorisch glättete.
„So ist es besser“, flötete sie. Dann griff sie nach ihrem Handy, auf dessen Display die Nummer Navarro Henstridges prangte, und nahm ab.
„Wir machen uns auf den Weg, Henstridge.“ Mehr sagte sie nicht zu ihm, denn sie beide wussten, was sein Anruf bedeutete und jetzt zu tun war. Die Killerin erhob sich mit einer fließenden Bewegung und richtete die Falten ihres Rockes. Zu ihrer Überraschung stellte James sich vor sie und nahm ihr Gesicht zärtlich in seine Hände. Der Blick, mit dem er sie bedachte, enthüllte seine Zuneigung zu ihr. Er genoss die Nähe und den intimen Moment zwischen ihnen, der für sie jedoch immer mehr zur Qual wurde. Miteinander zu ficken war eine Sache, an ihr zu hängen wie eine Klette eine völlig andere. Außerdem hatte sie wichtigeres zu tun, als hier herumzustehen und sich von ihm anstarren zu lassen.
„Beeil dich, Roddick“, knurrte sie daher, wandte sich entnervt ab und verließ das Zimmer. James dackelte ihr stumm hinterher, dabei konnte sie seine Enttäuschung spüren, die jede Faser seines Körpers eingenommen hatte. Die Brünette hatte allerdings keine Lust sich weiter mit ihm und seinen Gefühlen herumzuschlagen, also ignorierte sie ihn und stellte den bevorstehenden Auftrag in ihren Fokus.
Gezielt schlug sie den Weg in den ersten Stock ein, welchen man über eine imposante Steintreppe erreichte. Als sie den langgezogenen Korridor betrat, gab sie ihrem Kollegen ein Zeichen, dass er zurückbleiben sollte. So hatten sie es abgemacht. Es war Teil des zuvor konstruierten Plans, dass sie alleine ins Büro treten und Kontakt zu Derek Buchanan aufnehmen würde. Sie war sich nicht sicher, ob er sich noch an sie erinnerte, aber der Name ihres Vaters würde höchstwahrscheinlich eine gemeinsame Verbindung herstellen. Sie dachte gar nicht darüber nach, dass sie diesen Mann nur ein einziges Mal in ihrem Leben gesehen hatte und dies als Kind. Ophelia vertraute einfach auf ihre Ausstrahlung; auf ihr Talent ihre Mitmenschen mit ihrem Charme um den Finger zu wickeln.
Voller Selbstvertrauen klopfte sie an die fast deckenhohe Tür, ehe sie die Klinke herunterdrückte.
„Mr. Buchanan?“ Zaghaft lugte sie zwischen dem Türspalt hervor und schaute zu dem Mann herüber, der hinter einem antiken Schreibtisch saß. Dieser hob augenblicklich seinen Kopf und empfing sie mit einem warmen, strahlenden Lächeln, das ihr zeigte, dass er sie erkannte und sich sehr über die Begegnung nach so vielen Jahren freute.
„Ophelia Monroe, du bist es wirklich.“
Seine raue Stimme weckte Erinnerungen in ihr, denen sie sich gar nicht bewusst war. Vor ihrem inneren Auge sah sie ihn noch einige Jahre jünger, in einem schicken Anzug in der Eingangshalle ihres Hauses stehen. An seiner Seite war ihr Vater, der sie zu sich rief und ihr Derek Buchanan vorstellte…
„Komm, lass dich ansehen.“ Er winkte sie zu sich und unterbrach somit ihren Gedankengang. Gemächlich erhob er sich aus seinem Bürostuhl und kam hinter dem Schreibtisch hervor, währenddessen trat sie ihm hüfteschwingend entgegen. Das enthusiastische Funkeln in seinen grünen Augen stach deutlich hervor, was ihr ungemein schmeichelte.
„Unglaublich, was für eine wunderschöne junge Frau aus dir geworden ist“, schwärmte der stattliche Mann, dessen schwarzes Haar bereits an den Schläfen ergraute. Ophelia drehte sich für ihn, damit er jede Stelle ihres makellosen Körpers bewundern konnte.
„Das letzte Mal, als ich dich gesehen habe, warst du…oh…ich glaube erst 11 oder 12 Jahre alt?“, fragte er, als warte er auf eine Bestätigung ihrerseits, weil er seinem Gedächtnis nicht traute.
„Ja, es ist lange her“, umging sie seine Frage zuckersüß lächelnd, was ihn gar nicht zu stören schien, denn sein Blick wurde immer intensiver; richtig fixierend und starr.
„Es ist ewig her, aber du bist es unverkennbar. Die dunklen Haare, die blasse Haut und diese Augen…“ Sie bekam den Eindruck, dass er sich, im Gegensatz zu ihr, noch sehr genau an ihre einzige Begegnung erinnern konnte.
„Du bist einfach unvergesslich.“ Ophelia errötete unter seinem Kompliment, was sie nur noch schöner und begehrendwerter machte.
„Vielen Dank, Mr. Buchanan.“
„Nenn mich Derek“, bot er ihr an und schuf gleich eine persönliche Ebene zwischen ihnen, die ihr in die Karten spielte. Mit einer Handbewegung lud er sie ein sich zu setzen, was sie sich nicht zweimal sagen ließ. Sie nahm Platz und förderte gleich eine Zigarette zu Tage.
„Darf ich?“ Ihr Gegenüber nickte lächelnd und zückte sogar ein Feuerzeug. Ophelia steckte sich die Zigarette zwischen die Lippen und neigte ihren Oberkörper über den Schreibtisch, damit er sie anzünden konnte.
Kaum füllten sich ihre Lungenflügel mit Nikotin, fühlte sie sich unbeschwert und sie ließ sich gemütlich in ihrem Ledersessel zurückfallen.
„Und wie ist es dir die letzten Jahre ergangen, Ophelia?“, wollte er interessiert wissen. Kurz überlegte die Killerin, was sie sagen sollte, bevor sie zu einer Antwort ansetzte.
„Nun, ich hatte keine einfache Zeit, nachdem meine Mutter von einen Tag auf den anderen abgehauen ist und…“ Ihre Stimme stockte. Sie dachte an die schwersten Jahre, die sie erlebt hatte; allein mit ihrem brutalen Vater, der sie behandelt hatte wie den letzten Dreck. Es war ihr nicht möglich weiterzusprechen. Sie konnte es einfach nicht.
„Es war nicht meine Absicht dich an den Verlust deiner Eltern zu erinnern. Es tut mir aufrichtig leid. Auch, dass ich damals nicht bei Nathaniels Beerdigung war.“ An seinem bedauernden Tonfall konnte sie hören, dass er die Wahrheit sprach. Ophelias Miene erstarrte bei dem Gedanken daran, dass es tatsächlich Menschen gab, die ihren Vater geschätzt, gemocht und um ihn getrauert haben.
„Du musst dich nicht entschuldigen, Derek“, presste sie hervor, um ihren Hass, der sie zu überwältigen drohte, unter Kontrolle zu halten. „Das alles ist lange her. Ich bin mittlerweile erwachsen und gehe meinen eigenen Weg“, suggerierte sie ihm unmissverständlich, dass sie nicht in der Vergangenheit lebte und nur ihre Zukunft im Blick hatte.
„Ich hätte auch nichts anderes erwartet, schließlich bist du eine Monroe.“ Ihr war bewusst, dass seine Aussage als Kompliment gemeint war, doch für sie war es eine grobe Beleidigung. Wut gesellte sich zu ihrem Hass und färbte ihre Wangen flammenrot.
„Man sollte einen Menschen nicht nur nach seinem Namen beurteilen, Derek. Es steckt so viel mehr hinter einer Persönlichkeit.“ Ihr Tonfall war dumpf und emotionslos, was ihm klar machte, dass ihr die Richtung ihrer Unterhaltung missfiel. Deshalb wechselte er das Thema, um sie zu besänftigen.
„Wie kommt es, dass du um eine Einladung zu meiner Party gebeten hast? Ich meine, du hast mich als Kind das letzte Mal gesehen, da hätte ich nicht gedacht, dass du dich noch an mich erinnern würdest“, meinte er unterschwellig schmunzelnd, während er sich in seinem Bürostuhl zurücklehnte.
„Ich habe deinen Namen nicht vergessen, Derek, und ich weiß, dass mein Vater große Stücke auf dich gehalten hat. Darum wollte ich hierher kommen. Ich wollte dich kennenlernen.“ Ihr letzter Satz brachte ihn sichtlich in Verlegenheit, denn aus seinem Schmunzeln wurde ein geschmeicheltes Lächeln.
„Das freut mich sehr, Ophelia. Auch ich war gespannt darauf dich wiederzusehen.“ Ein wildes Blitzen erschien in seinen braunen Augen, das ihm etwas Hinterhältiges gab.
„Und wie ich bereits deutlich gemacht habe, bin ich von dir begeistert. Ich bin regelrecht verliebt.“ Ophelia Monroe konnte nicht an sich halten und brach in schallendes Gelächter aus, das den gesamten Raum erfüllte. Minutenlang schaffte sie es nicht sich zu beruhigen. Erst, als er sich räusperte, riss sie sich zusammen und stoppte ihr Lachen. Nun ja, ein leises Kichern verblieb, was sie einfach nicht abstellen konnte.
„Was ist denn so lustig?“ Eine hochgezogene Augenbraue verriet seine Skepsis.
„Ich bin bloß immer wieder verwundert, wie schnell Männer doch von Liebe sprechen, wenn sie einer schönen Frau begegnen“, klärte sie ihn über den Grund ihrer Vergnügtheit auf. „Dann sind sie verblendet und denken nur noch mit ihrem Penis.“ Ihre unverblümten Worte versetzten ihn zunächst in eine Schockstarre, aber nach einem kurzen Moment entspannte sich sein Körper und er lächelte.
„Du bist nicht auf den Mund gefallen, das gefällt mir.“
„Ich weiß nun mal, wie man sich behauptet, denn diese und andere Fähigkeiten benötige ich in meinem Job.“
„Job?“, horchte ihr Gesprächspartner neugierig auf. Langsam, aber sicher kam sie zum Kern des heutigen Abends; sie kam zu dem Punkt, an dem es ernst wurde.
„Ja und passend zu diesem Thema möchte ich dir jemanden vorstellen.“ Ohne eine Reaktion seinerseits abzuwarten, drehte sie sich im Ledersessel um.
„Du kannst reinkommen!“, rief sie Richtung Bürotür, die sich umgehend öffnete. James trat strammen Schrittes ein und suchte direkt ihren Blick. Mit einem kaum merklichen Kopfnicken symbolisierte sie ihm, dass alles nach Plan lief und sie die Lage unter Kontrolle hatte.
„Das ist mein Kollege Mr. Roddick“, stellte sie den jungen Killer wie selbstverständlich vor.
„Oh…ähm…Guten Abend“, brachte Derek Buchanan etwas überrumpelt über die Lippen. Indes kam James näher und stellte sich neben seine Kollegin, die kräftig an ihrer Zigarette zog.
„Eins musst du da noch wissen: Ich bin nicht aus privaten Gründen hier, sondern rein beruflich. Und deswegen habe ich diesen jungen Mann mitgebracht.“ Demonstrativ deutete sie auf den Dunkelhaarigen. „Wir werden unseren heutigen Auftrag nämlich gemeinsam ausführen.“
„Was ist denn das für ein Auftrag, wenn ich fragen darf?“ Immer mehr Fragen kamen in Derek auf, die seine Verunsicherung verdeutlichten. Ophelia konnte sich ein teuflisches, abgrundtief böses Grinsen nicht verkneifen.
„Unser Auftrag ist es dich zu töten, Derek“, erwiderte sie und legte den Kopf schräg. Genüsslich und triumphal schaute sie dabei zu, wie ihr Gegenüber erbleichte und seine Gesichtszüge entgleisten. Nicht eine Sekunde glaubte er an einen Scherz, den sie sich mit ihm erlaubte. Aus diesem Grund versuchte er sogleich Hilfe über sein Handy zu rufen, doch die Brünette bemerkte rechtzeitig die Bewegungen seiner Hände unter dem Schreibtisch und seinen nach unten gerichteten Blick. Energisch gab sie James erneut ein Zeichen, das ihn dieses Mal seine Beretta aus der Innenseite seines Jacketts ziehen und auf Dereks Stirn zielen ließ.
„Das würde ich an deiner Stelle lieber lassen.“ Seine Augen wanderten nach ihrem Rat augenblicklich zu den beiden Killern und wurden vor Panik riesengroß.
„Leg dein Handy auf den Tisch“, befahl sie herrisch, was er sich nicht zweimal sagen ließ.
„Tut mir leid, wenn ich dich enttäuschen muss, aber es gibt kein Entkommen. Du wirst diesen Raum nicht lebendig verlassen.“ Ophelia ignorierte eiskalt seine wachsende Aufregung, die ihr förmlich entgegen sprang. „Aber keine Sorge, Derek, auch um deinen Firmenpartner wird sich in diesem Moment gekümmert. Du bist also nicht der Einzige, der heute sterben wird.“
„Soll das etwa ein Trost sein?“, quietschte er in solch einer hohen Frequenz, dass es schon in den Ohren weh tat.
„Ich weiß, dass dies eine ungewohnte Situation für dich ist, aber…“
„Aber was, huh? Scheiße, ihr beide steht hier und sagt, dass ihr mich töten wollt. Oh man, das Ganze ist einfach lächerlich“, spottete er. Seine anfängliche Angst war verflogen und hatte dem Zorn den Platz geräumt. Jetzt kam die Gegenwehr, die Ophelia erwartet hatte, die sie allerdings nicht beunruhigte. Sie war eher genervt von seinem Geschwätz. Also beschloss sie dem ein Ende zu setzen. Schneller, als sie eigentlich geplant hatte.
„Mach ihn kalt, James“, kam es daher emotionslos über ihre vollen Lippen. Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, drückte ihr Kollege gnadenlos ab. Derek Buchanans Körper sackte in seinem Bürostuhl leblos in sich zusammen; sein Kopf donnerte auf den Schreibtisch, dann herrschte Stille. Die Killerin beäugte abschätzig den Mann, der einst ihren Vater geachtet hatte. Tja, nun teilten sie dasselbe Schicksal.
Während sie in Gedanken versunken war und zusah, wie sich eine kleine Blutlache auf der Tischplatte bildete, stand James wie festgefroren an Ort und Stelle. Noch immer hatte er den rechten Arm ausgestreckt und hielt die Waffe in der Hand.
„Ach, welch eine Tragödie.“ Theatralisch fasste sie sich ans Herz und seufzte, ehe sie sich aus dem Ledersessel drückte und an James´ Seite trat.
„Lass uns gehen, Süßer. Unsere Arbeit ist getan.“
 

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