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Zauberwelt

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© b heinrichs   
   
Mein Name ist Trumm. Ich bin ein Swop. Oh, ihr kennt keine Swop? Ihr wisst auch nicht, was ein Swop ist? Nun, wir Swop sind ein friedliebendes kleines Volk und wir Leben auf einer kleinen Lichtung, umgeben von einem düsteren und verwunschenen Wald. Die Bäume des Waldes reichen mit ihrem obersten Gezweige bis an die Wolken heran. Zurück zu uns Swop. Wir sind ein ziemlich kleines Volk. Ja, das sagte ich bereits, aber wir sind nicht nur klein an der Zahl, sondern auch klein im Wuchs. Die größten Swop erreichen gerade die Schulterhöhe eines ausgewachsenen Wildschweins. Wir tragen alle naturfarbene Kleidung, zumeist oben ein vorne geschnürtes Oberteil mit langen Ärmeln, unten tragen die männlichen Swop Hosen, die aber nicht bis zu den Knöcheln reichen. Weibliche Swop tragen unten bevorzugt mehr-schichtige Röcke, die fast bis zum Boden reichen. Unsere Bekleidung besteht zur Hauptsache aus Leder und Wolle und ist sehr angenehm auf der Haut zu tragen. Unsere Schuhe sind aus Leder hergestellt. Unsere Hauptnahrung sind Beeren, Pilze, Gräser und Samen, die wir nahe unserer Lichtung im Wald finden. Wir sind aber auch ab und an einem gebratenen Vögelchen oder einem kleinen gebratenen Waldtier nicht abgeneigt. Wir Swop sind alle sehr höflich und gehen bodenständigen Berufen nach. Zum Beispiel mein Vetter Murts, der übrigens der dickste Swop ist, den ich je gesehen habe, ist ein Pfeifenmacher-Meister. Gnapp, sein Geselle, sieht dafür aus wie ein Besenstiel. Swop rauchen oft und gerne ein Pfeifchen. Besonders angenehm emfinde ich den Genuß einer Pfeife, wenn wir abends um unser Lagerfeuer im Zentrum der Lichtung herum sitzen und uns Geschichten erzählen. Meine gute Frau, die Anitram, fertigt den ganzen Tag schöne Kleidungsstücke aus Wolle. Ihre Strickwerkzeuge legt sie kaum aus den Händen, auch nicht abends am Feuer. Ich selber bin Pilzsammler und Vogelfänger. Es gibt keinen Pilz in der Umgebung, den ich nicht kenne. Die meisten Swop neigen zu einer leichten Fettleibigkeit. Nicht das Sie glauben, wir wären alle dick, aber einen kleinen Ring um den Bauch tragen schon fast alle Swop mit sich herum. Wir haben dichtes struppiges Haupthaar. Alle Swop tragen so etwas ähnliches wie eine Zipfelmütze, oben mit einem kleinen Bund Lederschnüre. Die Mützen sind aus Leder und werden nur in Brauntönen hergestellt.

Gestern hat sich etwas zugetragen, davon möchte ich Ihnen berichten. Der kleine Samoht, der Sohn von meinem Vetter, lief nach dem Frühstück alleine in den Wald. Wie gesagt, es handelt sich um einen verwunschenen Wald, in dem seltsame Dinge passieren. Kein Swop-Kind darf alleine in den Wald gehen. Als Murts, mein Vetter, entdeckte, dass der kleinen Samoht nicht mehr auf der Lichtung war, schlug er zwei Hölzer gegeneinander - das Zeichen für alle Swop, sofort zu Hilfe zu eilen.
Mein Vetter berichtete, dass er die ganze Lichtung abgesucht habe, aber keine Spur von Samoht gefunden habe. Sofort versorgten sich die Älteren, männ-lichen Swop mit einer kleinen Ration Essen, Trinken und Tabak und dann verliessen wir in alle Richtungen die Lichtung, um den Kleinen suchen zu gehen.
Ich ging in südlicher Richtung. Da dort einige Pilzfelder liegen, kenne ich mich ein wenig in diesem Bereich aus. Ich sah zwischendurch schöne Schmuttpilze, die aber leider erst nach dem Kochen in einem Honigsirup genießbar werden.
Der Wald wurde immer dichter um mich herum. Ich verließ die mir bekannten Bereiche des Waldes und ging weiter in die Düsternis. Fremdartige Geräusche drangen an mein Ohr und mir schlug das Herz bis zum Hals.
Es schien sich ein Wolf in diesem Bereich des Waldes herumzutreiben. Meine Kehle wurde trocken. Welche Chance hat ein Swop gegen einen Wolf des Waldes?
Die Wölfe in diesem Wald sind noch größer, als die normalen Wölfe, und ihre Zähne sind zu großen Reiß-zähnen ausgebildet. Ich schlich vorwärts, doch je leiser ich vorwärts ging, umso lauter dröhnte jeder Schritt in meinen Ohren. Mein Blut pochte in meinen Schläfen.
Schweiß trat auf meine Stirn. Das dumpfe, kehlige Grollen eines Wolfes wurde lauter.
Ich schaute vorsichtig um einen großen Baum mit herabhängenden Ästen, als plötzlich der Wolf auf mich zusprang. Meine Augen weiteten sich und drohten mir aus den Höhlen zu fallen. Mein Mund war voller Entsetzen weit aufgerissen. Ich war unfähig mich zu bewegen. Der Wolf wurde vor mir immer größer und größer. "Jetzt ist es aus, mit mir", schoß es durch mein Gehirn.
Da wurde der Wolf auf einmal kleiner und kleiner. Meine Starre löste sich langsam. Der Baum, um den ich herumgeschaut habe, hatte mich mit seinen langen Ästen ergriffen und einige Meter in Luft gehoben, außer Reichweite des hungrigen Wolfes.
"Onkel Trumm, Onkel Trumm, Hurra !" hörte ich eine Stimme von der Seite. Es war Samoht. Er hing, genauso wie ich, in luftiger Höhe. Auch ihn hatte der Baum vor dem Wolf gerettet.
Der Wolf kam näher an den Baum heran. Vielleicht wollte er daran hochklettern, um doch noch einen oder zwei Swop zum Mittagessen zu kriegen. Blitzartig zuckte eine Wurzel des Baumes vom Boden und traf wie ein Peitschenhieb den Wolf an der Schnauze. Dieser winselte laut auf und lief in südlicher Richtung davon. Der Baum ließ Samoht und mich wieder auf den Boden zurück und seine Äste hingen wieder schlaff herunter.
Wir bedankten uns bei dem Baumgeist und marschierten eilig nach Hause zurück. Auf dem Weg machten wir uns über die kleine Ration, die ich mitgenommen hatte, her. Nur nach einem Pfeifchen stand mir überhaupt nicht der Sinn. Vielleicht war ja der Wolf wieder hinter uns her. Noch einmal auf einen Baumgeist zu zählen, wäre sehr leichtsinnig gewesen. Wir erreichten die Lichtung, als die Sonne gerade hinter den Bäumen verschwand. Überglücklich haben wir die aufregenden
Ereignisse des Tages am abend am Lagerfeuer erzählt.

Ach ja, eines noch. Wir Swop erfinden manchmal Geschichten, damit es uns am Lagerfeuer nicht gar so langweilig wird. Aber die soeben erzählte Geschichte ist echt, fragt meinen Vetter Murts.
 

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