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Manipulation

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©  AndreaSam15   
   
„Kommen wir nochmal auf den Anklagepunkt Drei zu sprechen. Ab welchem Zeitpunkt wussten Sie von der Manipulation?“
Erwin Feustel wischte sich mit einem Stofftaschentuch Schweiß von der Stirn.
„Na ja…“ begann er: „Das war kurz nachdem ich Abteilungsleiter wurde. Neunzehnhundertneunundsiebzig.“

„Und sie fanden das nie verwerflich?“

„Das sei eine gängige Praxis… sagte mir mein damaliger Chef und das würde schon seit Jahrzehnten so gemacht.“

„Laut Gutachten vom 13.06.2019 kann der entstandene Schaden nur sehr grob geschätzt werden, er geht aber in die Millionen. Sie haben die Manipulation nicht nur verschwiegen, sondern haben aktiv am Ausbau der Manipulation mitgeholfen.“

„Einspruch! Das ist eine nicht erwiesene Behauptung seitens der Staatsanwaltschaft!“ sagt Anwalt Uhlmann empört.
„Einspruch stattgegeben.“

„Dann anders formuliert, war es nicht so, dass sie dieses Gerät, diese Baugruppe, weiterentwickelt haben?“

„Ich habe das Gerät weder entwickelt noch weiterentwickelt.“

„Laut ihrer Aussage bei der Polizei sagten sie, Zitat: Der Verband der Deutschen Textilindustrie saß uns im Nacken.“

„Ja, so war es ja auch. Sie drohten alles auffliegen zu lassen, da das Gerät nicht zuverlässig arbeitete.“

„Wurde daraufhin das Gerät verbessert?“

„Ja, aber nicht auf meine Anweisung hin!“

„Wer hat die Anweisung gegeben und wer hat es entwickelt?“

„Das weiß ich nicht.“

„Sie wollen ernsthaft behaupten, sie als Zulieferer, mit einem… Moment…“
Staatsanwalt Walter blätterte in seinen Unterlagen:
„…mit einem weltweiten Marktanteil von 98 Prozent, wissen nicht, wer dieses ominöse Gerät entwickelt hat?“

„Naja... wer es ursprüngliche entwickelte, weiß ich schon, das war ein gewisser Peter Naumann. Der hat es bereits Anfang der 50iger Jahre entwickelt. Damals funktionierte es noch relativ primitiv, es wurde einfach eine Art Saugtunnel unter der Gummidichtung geöffnet und danach wieder geschlossen. So konnte niemand hinterher den Eingriff erkennen.“

„Und diese, wie sie sagen, primitive Methode, wurde später verbessert?“

„Ja, damals wurde alles eingesaugt, was durch die kleine Öffnung passte. Erst später, Ende der 90iger Jahre wurden optische Sensoren verbaut, die wirklich nur die Socken erkannten. Es wurde immer ausgefeilter. Wurden zwei gleiche Socken erkannt, wurde nur eine der beiden angesaugt und im verborgenen Häcksler zerkleinert und mit dem Waschwasser abgepumpt.“

„Sie sagten bei der Polizei aus, dass sie eine… das sind ihre Worte: Kooperation, mit tausenden Sockenherstellern aus über 130 Ländern abgeschlossen hatten.“

„Ja.. aber das war nicht meine Entscheidung, die Verträge schloss mein Chef…“

„Wissen sie um wie viel Geld es dabei ging?“

„Nein. Die Sockenhersteller zahlten gewisse Beträge an die Hersteller der Waschmaschinen.
Wir als Zulieferer für die Waschmaschinenindustrie bekamen einen Anteil von den Waschmaschinenherstellern. Wie viel die Sockenindustrie daran verdiente, bei Gott, das weiß ich nicht zu sagen. Es geht ja schon seit vielen Jahrzehnten so… weltweit.“

„Wie kamen sie auf die Idee, sich selbst anzuzeigen? Hatten sie nach all den Jahren ein schlechtes Gewissen bekommen?“

„Ich hielt den Druck nicht mehr aus, erst waren es nur die Pumpenhersteller, die forderten, dass wir den Häcksler weglassen sollen. Naja sie wollten einfach mehr Pumpen verkaufen, kann ich verstehen. Aber dann kamen immer mehr. Als dann auch noch der ‚Zentralverband Sanitär Heizung Klima‘ Druck machte, die Socken sollen gefälligst für mehr Überschwemmungen durch ausgelaufene Waschmaschinen sorgen, wurde es zu viel für mich…“

„Keine weiteren Fragen.“
 

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