... für Leser und Schreiber.  

Die Schreibfeder

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© Thomas Schwarz   
   
Die Schreibfeder

In der Schublade eines Schreibpultes lag eine Schreibfeder jahrein, jahraus und schlief während die Zeit voranschritt.
Eines Tages wurde sie hervorgeholt, in Tinte getaucht und auf ein Papier mit Linien gesetzt. Doch sie ließ die Tinte nicht durch sich hindurch sickern.
Der Schreiber nahm sie hoch, hielt sie ins künstliche Licht einer Glühbirne und schließlich vor seine Augen. Die sahen nicht freundlich auf die Feder.
„Warum tust du nicht wofür du geschaffen wurdest, wofür ich dich jahrelang behielt und einst für viel Geld kaufte?“, seufzte er.
„Ich kann nicht, bei dem Papier wird mir schlecht“, klagte stumm und unsichtbar die Feder, „ es ist zu grob, noch dazu mit Linien drauf und überhaupt, wieviel hast du dafür bezahlt? Soll ich darauf schreiben? vergiss nicht, einst hab ich Verse und Geschichten auf feinstes Leinen gesetzt wie für Könige.“
„So ein Krampf!“ , schimpfte der Schreiber, „ Kopf, Arm und Hand, alles wär bereit, dazu frische Tinte; doch was bringt´s jetzt?
Die Schreibfeder flog ins Dunkel der Schublade zurück und hörte über sich seither das lustige Kratzen einer Kugelschreibermine, die fortan Verse und Geschichten auf einfachem Papier auch für Könige schrieb.
 

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