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Karibischer Kaffee

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© Philippe Gehrig   
   
Der Ursprung des Ganzen, befand sich in einem
Überraschungsei.

An einem stressigen Arbeitstag, nachmittags, endlos zu-
gelabert von unzufriedenen Telefonkunden, beschließe ich,
mal wieder etwas Nervennahrung zu mir zu nehmen. Ich
verspeise die Schokolade, öffne das gelbe Plastikei und
fördere einen Bausatz zu Tage, der sich zusammengebaut als
Mini-Katamaran entpuppt. Mein Herz schlägt sofort höher.

Vor meinem geistigen Auge, segele ich mit dem Boot
in der Karibik von Insel zu Insel, wo überall leicht bekleidete,
kaffeebraune Schönheiten darauf warten, mir, dem
Skipper, eisgekühlte Kokosmilch zu servieren. Ich prahle mit
meiner seemännischen Erfahrung und gebe die eine oder andere Abenteuergeschichte zum besten, kurz gesagt : Provinzmacho
auf den Pfaden des jungen Gunter Sachs - bereit die
höheren Weihen zu empfangen.

Das nächste Telefonat bringt mich wieder auf den Boden der
Tatsachen zurück, aber die Urlaubsidee ist geboren.
Zuhause angekommen, berichte ich meiner besseren Hälfte von
meiner Idee, die sie auch mit überschwänglicher Begeisterung
aufnimmt. Der Grund dieser Begeisterung wird mir klar,
als ich an unser letztes Urlaubsziel-Gespräch denke. Zwei
völlig verschiedene Vorstellungen von Urlaub kamen zu
Tage : Während ich einen Motorrad-Urlaub favorisierte, hart,
männlich in Leder, schwebte meiner Freundin eher Sonne,
Strand und Baden im Meer vor.





Wir hätten ja beides verbinden können, bloß hätte sie, auf
Ihre obligatorischen Kultgegenstände verzichten müssen. Es
sei denn, ich gewänne kurzfristig im Lotto und würde noch
einen Beiwagen plus Anhänger an mein Motorrad schrauben.
Kampfstern Galactica in der Südsee.

Da ich mein Motorrad aber schlecht auf eine karibische Insel
mitnehmen kann und somit die Gepäckfrage nicht mehr im
Vordergrund steht, akzeptiert sie meine Urlaubsidee ohne
Vorbehalte. Die Planung des Ganzen ist relativ einfach, da
eine ihrer Schwestern schon einmal auf einem karibischen
Eiland war und selbst zwei Jahre danach, noch feuchte Augen
bekommt, wenn sie davon erzählt. Eben diese Schwester ar-
beitet praktischerweise in einem Reisebüro, so das wir uns
das nervige, anpreisende Gelaber des durchschnittlichen
Tourismusexperten ersparen können.

Soweit, so gut. Der Reisetermin rückt immer näher, und
leichte Nervosität macht sich breit. Um unsere Dankbarkeit
gegenüber ihrer Familie zu signalisieren, fragen wir bei
einem gemütlichen Treffen, ob denn jemand von dort etwas
mitgebracht haben will. Die einstimmige Antwort ist JA!
Karibischer Kaffee! Also notieren wir: Ein Päckchen für
Schwester-Nummer Eins, ein Päckchen für Schwester-Nummer
Zwei, eins für die Mutter, eins für den Vater. Der Hund
hätte auch eins mitbekommen, aber er trinkt so gut wie
keinen Kaffee.





Vier Wochen später landen wir auf St. Lucia, dem Über-
raschungsei Paradies. Zu meinem Erstaunen ist die Insel
genauso, wie sie in den Reiseprospekten dargestellt wird:
Ein Traum aus weißem Sandstrand, Palmen und kristall-
klarem Wasser. Die Bacardi - Werbung hat nicht gelogen.

Die Insulaner, zu 90 Prozent Nachfahren schwarzer Sklaven
aus Afrika, haben keine Angst mehr vor bleichen Gestalten,
zumal diese in Bermuda-Shorts irgendwie mehr nach Opfer
als nach Herr und Gebieter aussehen. Schon beim Verlassen
des Flughafengebäudes wird mir klar, wer hier heutzutage
das Opfer ist. Ca. 20 schwarze Taxi- und Kleinbusfahrer
stürmen, diverse Fremdsprachen redend, auf uns zu, begleitet
von beschwörenden Gesten. Jeder will uns das Gepäck aus den
Händen reißen, als ob es kein Morgen mehr gäbe.

Da ich seit sieben Stunden keine Zigarette mehr geraucht
habe, bin ich in etwa so ausgeglichen wie Clint Eastwood in
dem Film "Der Texaner". Es gelingt mir trotzdem, eine offi-
ziell aussehende, schwarze Frau mit Notizblock davon zu
überzeugen, das wir den Transfer zu unserem Hotel schon ge-
bucht haben und jetzt einfach nur ohne weitere Preis- und
Bakschisch Verhandlungen genau dorthin wollen.

Im weiteren Verlauf unseres Aufenthaltes wird uns klar, das
der Großteil der einheimischen Bevölkerung in uns eine Art
störrigen, aber dennoch ergiebigen Geldesel sieht. Sobald
wir das Hotel verlassen, werden wir von irgendwelchen Typen
angequatscht, die uns entweder die Gegend zeigen, oder immer
den gleichen, natürlich selbst hergestellten (!), Schmuck
verkaufen wollen.




Was den Schmuck angeht, haben Sie den alten Kolonialisten-
Trick mit den Glasperlen einfach umgedreht.

Gegen Ende des Urlaubes wird die Sache mit dem Kaffee als
Mitbringsel immer prekärer. Es muss ja genau dieselbe Marke
sein, die meiner Lebensgefährtin, Schwester vor zwei Jahren
mitgebracht hat. Wir kämmen einen Laden nach dem anderen
durch, finden jede Menge Kaffee, aber nicht die besondere
Marke. Jedes Mal, wenn wir auch nur zwei Sekunden un-
schlüssig auf einem Platz herumstehen, kommt unweigerlich
ein Insulaner auf uns zu gesprungen. Gegen diese Männer
haben wir einfach keine Chance, da sie so lange neben uns
herlaufen und auf uns einreden, bis wir ihnen einfach Geld
geben, nur um sie los zu sein. Das wieder rum hat zur Folge,
das die Suche nach dem magischen Kaffee nicht nur extrem
nervig, sondern auch kostenintensiv wird. Nach dem dritten
Anlauf habe ich die Schnauze voll, aber meine Freundin lässt
nicht locker. Ich kann Sie aber schlecht solo ziehen lassen,
da sie, als leicht bekleidete, weiße Frau alleine, ein
besonders appetitliches Geldeselchen darstellt. Wir finden
sogar einem Laden, in dem nur Einheimische einkaufen,
hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen gelegen,
aber selbst dort gibt es den gesuchten Kaffee nicht, was
unseren Führer nicht daran hindert, uns ordentlich zu
schröpfen.

Einen Tag vor der Abreise kauft meine Freundin einfach sechs
Pfund irgendeiner Marke und kommentiert das mit den Worten:
„Jetzt ist aber Schluss mit lustig“.





Zunächst hat sie vor, den Kaffee am deutschen Zoll nicht
weiter anzugeben, woraufhin ich ihr beipflichte, das die
Zellen am Frankfurter Flughafen für ihren Komfort inter-
national geschätzt werden. Das überzeugt sie schlussendlich,
den Kaffee zu verzollen.

Zuvor wäre meine Überzeugungsarbeit fast noch von einem
bayerischen Oberzollinspektor im Urlaub torpediert worden,
der sich eine sündhaft teure Uhr in einem Duty free Laden
der Insel zugelegt hatte und im Traum nicht daran dachte,
diese seinen Kollegen Preis zu geben.

Zwei Wochen nach unserer Rückkehr, sind wir bei ihren Eltern
zum Grillen eingeladen, dem Kaffee-Übergabetag. Nervös zieht
sie den ersten Kaffee-Beutel aus dem Rucksack und überreicht
ihn Ihrer Mutter, die diesen misstrauisch beäugt.
„Das ist aber nicht der, den ich wollte“,
sagt die Mutter mit leichter Entrüstung in der Stimme. Nach
näherer Begutachtung des Beutels:
„Das ist ja Dritte Welt Kaffee, so etwas trinken wir hier
nicht! Den kriege ich in der Stadt an jeder Ecke“.

Meine bessere Hälfte sitzt, wie vom Donner gerührt, bleich
auf ihrem Campingstuhl, während ich vor Lachen aus meinem
falle.
„Hallo Frau Kaiser“,
pruste ich los und werde von messerscharfen Blicken erdolcht.

Copyright Philippe Gehrig 2000
 

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