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Mein Stein (Fortsetzung Teil1)

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©  Maegumi   
   
Allmählich begann Tamara sich Sorgen zu machen. Es war bereits das vierte Mal in Folge, dass Kerstin sie sitzen ließ. Eigentlich hatten sie sich auf einen Kaffee treffen wollen, aber als Kerstin nach über einer Stunde immer noch nicht auftauchte, setzte Tamara sich mehr in Sorge als wütend ins Auto und machte sich auf den Weg nach Eschbach.
Die Unzuverlässigkeiten hatten erst vor kurzem begonnen, seit jenem Betriebsausflug, bei dem Kerstin zwei zwielichtigen Typen in die Hände gefallen war. Anfangs hatte Tamara gedacht, es sei vielleicht noch eine Schockwirkung, sie sei bestimmt verstört und müsse sich erst wieder erholen. Aber das war jetzt zwei Monate her und Kerstin lehnte jeglichen Kontakt zur Umwelt ab. Ihren Job als Programmiererin hatte sie fristlos gekündigt, ihrer Familie hatte sie erzählt, sie sei in Kur gefahren und wenn sie sich sporadisch von ihrer langjährigen Freundin Tamara zu einem Treffen überreden ließ, hatte sie sie stets versetzt.

Langsam fuhr Tamara ihren Mini-Cooper auf den kleinen Hof vor Kerstins Haus. Sie atmete tief durch, dann stieg sie aus und klingelte - wild entschlossen, sich nicht abwimmeln zu lassen.

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Ich hasse Besuch. Er hält mich nur vom Lernen ab. Dabei gibt es so viel. So vieles zu ergründen, Neues zu erkennen, so vieles, was mich das Buch lehrt.
Gerade saß ich da und las eine besonders schwierige Formel, als die Türglocke ertönte. Wütend starrte ich in Richtung Störenfried. Wer wagte es, mich hier zu stören???

"Wer schon?" schnarrte eine Stimme wie Geröll hinter mir. "Dieses aufdringliche Wesen, das ständig mit die Kaffee trinken will."
"Tamara." Ich seufzte. Wir hatten uns für heute verabredet, aber ich hatte nicht geglaubt, dass sie ernsthaft von mir erwartete, dass ich käme. Für so einen Schnick-Schnack hatte ich keine Zeit. Basta.
Ergeben stand ich auf. "Schick sie weg!" forderte die Stimme von mir.
Ich drehte mich kurz um, sah den kleinen, scheinbar gewöhnlichen Stein an, der auf meinem Tisch lag und grinste. "Dachtest du, ich wollte sie reinbitten? Euch vielleicht noch einnander vorstellen?"
Langsam und in der Hoffnung, Tamara würde ihr Vorhaben aufgeben, bevor ich die Tür erreichte, ging ich durch den Flur. Meine Hoffnung erfüllte sich nicht und so mußte ich in den sauren Apfel beißen.
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Die Tür öffnete sich einen Spalt und Kerstin blickte blinzelnt in das Tageslicht. "Was willst du?" fragte sie grummelnd. Tamara erschrack, als sie in der ausgemergelten, bleichen und verlotterten Gestalt ihre Freundin wiedererkannte. "Gott, du siehst schrecklich aus!" entfuhr es ihr und machte unwillkürlich einen Schritt auf Kerstin zu.
"Danke!" raunzte diese zurück. "Du bist auch keine Schönheit! Und jetzt verschwinde, du störst!" Mit diesem Worten fiel die Tür ins Schloss. Verdattert blieb Tamara regungslos stehen.
Was sollte der Auftritt eben? Keine Entschuldigung, keine Ausreden , keine Rechtfertigungen. Stattdessen ein Rauswurf.
Ein wenig verstört schlich Tamara um die Ecke. Da stimmte doch was nicht! Ganz sicher war irgendetwas faul im Staate Dänemark!
Von Neugier und Sorge um die Freundin angetrieben lief Tamara zu den Fenstern, die zum Wohnzimmer gehörten. Vorsichtig lunzte sie hinein.
Es war sehr aufgeräumt und ordentlich in dem kleinen Zimmer. Tamara stutzte. Aufgeräumt? Ordentlich? Bei Kerstin? Nein, irgendwas war hier oberfaul.
Gerade betrat Kerstin den Raum. Sie bemerkte den Spion am Fenster nicht. Sie schlenderte zu einem der Sessel und ließ sich erschöpft dort hinein fallen. "Ufff!" machte sie laut. "Die wären wir los!" Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen.
"Weißt du, ich glaube, ich brauche jetzt einen Drink!" Tamara wurde es immer mulmiger. Mit wem redete Kerstin da ? War sie am Ende ein wenig... nun, sagen wir...."anders" geworden? Und seit wann trank sie?
Kerstin vollführte eine merkwürdige Bewegung mit der Hand und murmelte merkwürdige Worte. Ein Glas Whisky materialisierte sich vor ihren Augen und schwebte langsam auf die Tischplatte.
Vor Schreck stolperte Tamara und fiel zu Boden. Hastig stand sie auf und lief zu ihrem Auto, setzte sich hinein und fuhr so schnell sie konnte nach Hause.

Könnte ein Stein lächeln - er hätte es getan.....
 

http://www.webstories.cc 19.04.2024 - 01:56:32