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Anglerglück?!

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© Wilfried P. Teiser   
   
Das Wasser war grau und unbeweglich wie Blei. Stundenlang saß der Angler nun schon in seinem Kahn und wartete darauf, dass ein Fisch anbiss. Das heißt, angebissen hatte schon ein paar Mal etwas. Diese kleinen Dinger als Fisch zu bezeichnen widerstrebte dem Angler. Er hatte sie kurzerhand wieder ins Wasser geworfen.

"Sieh zu, dass Du wächst und dann komm wieder", hatte er jedem Fisch mit auf den Weg gegeben. Der Angler war keiner von denen die unbedingt einen großen Fang mit nach Hause nehmen wollen, aber gewisse Mindestanforderungen stellte er doch. Wenn er schon etwas fing, dann sollte es auch essbar sein. Wenn er nichts fing war es auch gut. Wollte er Fisch essen, dann konnte er ebenso gut ins Fischgeschäft gehen und sich etwas kaufen. Oder er ging ins Restaurant. Die konnten Fisch sowieso besser zubereiten als er. Nein, er war eigentlich nur wegen der Ruhe auf dem Wasser Angler geworden. Sicher, er hätte auch ohne Angel einfach hinausrudern können, aber das war nicht das gleiche.

"Einfach nur so aufs Wasser? Wozu? Nur dasitzen und ins Wasser starren. Wie langweilig!" dachte er. Er bemerkte gar nicht, dass er mit der Angel in der Hand eigentlich das gleiche tat wie ohne Angel. Er saß da und starrte ins Wasser. Ja, aber er tat das mit der Ruhe des Jägers, der ein Wild beobachtet. Das war etwas völlig anderes. Man konnte ausspannen und gleichzeitig über alles mögliche nachdenken immer in Bereitschaft irgend einen kapitalen Fisch aus dem Wasser zu holen. Leider war ihm das bisher nicht so häufig gelungen. Einen wirklich kapitalen Burschen hatte er eigentlich noch nie gefangen, wenn man mal von dem großen Barsch im letzten Herbst absah. Der zählte nicht. Der war so alt, dass er schon halb blind war. Den hätte man selbst mit einem Besen ködern können. Essen konnte den keiner. Selbst die Katze war in Richtung Nachbargarten verschwunden, als der Angler ihr ein Stück von dem Barsch auf den Boden legte.

Jetzt fing es auch noch an zu regnen. Er zog seinen Friesennerz, den er immer in der Kiste im Boot hatte, über. Er fröstelte. Irgendwie war es heute kühler als sonst. Der nahende Winter schickte wohl schon seine Boten voraus. Gefiel dem Angler nicht, aber was wollte er machen? Da! Der Schwimmer an seiner Angel zuckte. Der Angler war gespannte Aufmerksamkeit. Was war es diesmal? Wieder so ein Kümmerling wie die anderen Fänge heute? Oder vielleicht endlich mal ein Fisch der seine Angelkunst forderte? Der Schwimmer bewegte sich heftiger.

"Mann, wie der zieht", dachte der Angler. "Muss ein ganz ordentlicher Brocken sein". Er beobachtete die Pose, gab mal Schnur, holte dann wieder etwas ein. Er ließ den Fisch sich müde kämpfen. Um so leichter und sicherer würde er ihn dann aus dem Wasser holen können. Wieder rollte er die Angelschnur auf. Der Fisch schien nun so langsam müde zu werden. Er war ab und zu mal an der Oberfläche zu sehen. Es war offenbar eine Flunder. Ein Butt! Ein Butt mit einem golden glänzenden Kopf auf dem etwas saß, dass wie eine Krone aussah. Sollte das vielleicht...? Der Angler konnte es kaum fassen. War das etwa...? Aufgeregt beeilte er sich nun den Butt aus dem Wasser zu bekommen.

"Wenn das wirklich...", dachte er. "Alle Probleme hätten ein Ende". Er schob den Kescher unter den Butt und hob den Fisch aus dem Wasser. Der ganze Kopf des Butts leuchtete golden. Vorsichtig nahm der Angler den Butt in beide Hände. Der Angler war wie im Traum als der Butt das Maul öffnete. Es kam kein Ton aus dem Butt heraus. Er hatte nur Probleme außerhalb des Wassers an Sauerstoff zu kommen. Fische machen das so. Die Krone war Einbildung. Es regnete stärker...
 

http://www.webstories.cc 15.05.2024 - 07:10:00