... für Leser und Schreiber.  

Was wäre, wenn - Liebesgedanken einer Analytikerin

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© Stefanie Seibel   
   
Bereits seit geraumer Zeit verspüre ich eine gewisse emotionale Zuneigung zu einer mir bekannten Person des anderen Geschlechts. Eine konkrete Offenlegung meiner diesbezüglichen Emotionen habe ich bisher jedoch vermieden, aus Gründen, die ich im Folgenden kurz ausführen möchte.

Man stelle sich die potentiellen Reaktionen des Objekts meiner Sympathie (im Folgenden kurz: das Objekt) auf eine hypothetische Liebeserklärung meinerseits vor:

Da ist zunächst Variante a) freudige Überraschung seitens des Objekts mit anschließender gemeinsamer Familiengründung. Da diese Möglichkeit mit ca. 99,9-prozentiger Wahrscheinlichkeit ins Reich der Illusion zu verweisen ist, möchte ich mich zügig Variante b) zuwenden: Ehrliche Betroffenheit und möglicherweise sogar Rührung des Objekts, gefolgt vom gegenseitigen Versprechen, gute Freunde bleiben zu wollen. An dieser Stelle wird deutlich, dass sich Variante b) in zwei mögliche Unterpunkte gliedert, die sich wie folgt darstellen lassen: Erstens: Aufgrund der durch mein Geständnis erzeugten beträchtlichen beiderseitigen Verlegenheit rückt die tatsächliche Möglichkeit einer platonischen Freundschaft in weite Ferne, und das Objekt bemüht sich, den Kontakt diskret im Sand verlaufen zu lassen.
Es ist anzumerken, dass es sich bei dem gerade erwähnten um das weitaus wahrscheinlichere Ergebnis handelt. Der Vollständigkeit halber soll jedoch auch die zweite Möglichkeit angesprochen werden: zwischen dem Objekt und mir entwickelt sich tatsächlich eine gegenseitige Zuneigung, die die Bezeichnung Freundschaft verdient, und die dabei stets der platonischen Ebene verhaftet bleibt. Diese Möglichkeit ist zwar gegenüber den verbleibenden Alternativen recht wünschenswert, aber dennoch eher unwahrscheinlich.
Bleibt nur noch Variante c), von der ich hoffe, dass das Objekt über ausreichend Selbstbeherrschung verfügt, um eine solche Entwicklung zu vermeiden: Erstaunte Sprachlosigkeit, gefolgt von einem anhaltenden Lachkrampf des Objekts bis zum völligen Zusammenbruch.

Angesichts der hier aufgeführten potentiellen Konsequenzen einer emotionalen Selbstoffenbarung ist meine bisherige Zurückhaltung sicherlich allgemein nachvollziehbar.
 

http://www.webstories.cc 28.04.2024 - 14:25:39