... für Leser und Schreiber.  

Peremetis Teil 1

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©  Esmias   
   
Er brach durch den Wald. Bäume fielen wie Streichhölzer, die er mit seinem Schwanz umriß und zertrat. Er hatte die Witterung längst aufgenommen und sog die Luft des frischen Fleisches in sich hinein.
Zwar brannte in ihm die Gier, doch er ließ sich Zeit. Viel Zeit.

Sie rannte durch den Wald. Und hatte solche Angst. Zweige peitschten ihr ins Gesicht, doch sie achtete
nicht darauf, hielt nicht einmal schützend ihre Hände vor das Gesicht. Der Atem brannte in ihrer Lunge und sie hatte das Gefühl kein Stück weiter zu kommen. Eine Wurzel ragte aus der Erde und sie stürzte schwer darüber. Sie landete mit dem Gesicht in der Erde und blieb erschöpft liegen. Sie konnte nicht mehr, wollte nicht mehr. Ihre Gedanken flogen, doch sie fand keinen Ausweg. Sie wußte, sie war zu langsam.
Hinter ihr knackte es und sie hörte den Atem ihres Verfolgers. Die Erde bebte unter seinen Schritten und es dröhnte in ihren Ohren,als er seinen drohenden Schrei ausstieß. Sie robbte auf den Wachholderbusch zu, der ein paar Meter von ihr entfernt wuchs, in der Hoffnung , dadurch Schutz zu finden.
Doch sie kam nicht weit. Etwas zerbarst, ihr linker Fuß wurde taub, dann spürte sie den Schmerz in heißen Wellen in ihrem Bein, der ihr fast den Verstand raubte. Sie schrie als sie hörte und spürte wie ihr Fleisch aufriss und die Knochen brachen. Mit letzter Kraft drehte sie sich um und sah dem Untier ins Anlitz. Grüne Augen bohrten sich in ihr Blick und sie sah den Hunger darin. Braun gesprenkelte Haut überzog seinen Kopf und endete in dem wild schlagendem Schwanz. Die schwarzen Flügel weit ausgebreitet, als ob er sie umarmen wolle. Sie sah wie sich seine Hörner auf dem Rücken aufstellten.
Er ließ ihr Bein los, Sabber troff aus seinem Maul, vermischt mit ihrem Blut. Mit seinem Kopf kam er nah an ihr Gesicht. Starrte sie an. Ein unkontrolliertes Zittern ergriff sie und ihr Mund war zum Schrei geöffnet.
Er schnupperte an ihr, bog seinen Kopf zum Himmel und brüllte das es in ihren Ohren gellte. Dann senkte er seinen Kopf umschloß sie mit seinen Flügeln und seine riesigen Reißzähne wurden sichtbar und plötzlich mit einem Ruck grub er seine Reißer in ihren Kopf.
Ein letzter Gedanke schoß ihr durch den Schädel und das war: Grace

Grace hatte nicht unweit an einem Graben gespielt und hört das nahe Brüllen eines Tieres. Die Angst ergriff sie und sie erhob sich in ihrem nassen Kleid und rief nach ihrer Mutter. Doch sie antwortete nicht.
Ein eigenartiges Gefühl übermannte die Kleine und stolperte die Böschung hinauf und stapfte durch Fahn und über Moos. Immer wieder rufend. Als sie das zweite Brüllen hörte, stockte ihr Schritt und sie ließ sich hinter dem nächsten Baum nieder. Kauerte sich verängstigt und verwirrt zusammen und drückte ihre Puppe fest an sich. Als kein Laut mehr zu hören war, blickte sie vorsichtig am Baum vorbei und schlich sich an den nächsten Busch. Sie hörte schmatzende Geräusche und trotz einer Gefahr bewußt, wagte sie sich näher.
Das kleine Mädchen kam nur einige Meter von dem Geschehen entfernt zum stehen und sah wie dieses Ungeheuer ihre Mutter genüßlich zermalmte und immer wieder mit schmatzendem Geräusch ihr Fleisch zerkaute.
Grace ging langsam rückwärts immer starrend auf das Maul, was sich um die Fleischhappen schloß. Schließlich entdeckte sie ein paar Meter neben sich ein paar Büsche und schlüpfte hinein. Sie wimmerte leise.
Auf allen vieren kroch sie weiter ins Dickicht und hielt ihr Spielzeug fest im Arm. Sie wiegte sich vor und zurück. Versuchte keinen Laut mehr von sich zu geben.

Sie saß noch Stunden nachdem das Tier schon längst fort war ,um neue Beute zu suchen, am selben Ort. Die Kleine starrte immer wieder auf den Fleck wo ihre Mutter gelegen hatte. Kein Stück hatte er übrig gelassen und sie versuchte das Geschehen aus ihrem Gedächtnis zu verbannen.
Sie verdrängte es in die hinterste Ecke ihres Hirns um sich nie wieder daran zu erinnern. Irgendwann schlief Grace ein, Vor Erschöpfung, Schock und Schmerz.


Mike, Grace Bruder, war zehn Jahre älter und hatte sich Sorgen gemacht, denn so lange blieb seine Mutter niemals fort.
Vater wartete zu Hause auf sein Essen und sie hätte seinen Zorn niemals herausgefordert.
Also hatte sich Mike auf den Weg gemacht, den Mutter und Schwester üblicherweise gingen.

Er hatte die Blutspuren gesehen, doch er konnte sich keinen Reim darauf machen, was oder wer hier bekämpft oder besiegt worden war. Er dachte nur noch an seine Familie und Panik hatte sich in ihm breit gemacht. Er rief nach seiner Mutter und Grace, doch bekam er keine Antwort. Durch eine Bewegung in einem Busch ganz in der Nähe wurde er auf seine Schwester aufmerksam. Als er sie so dort liegen und schlafen sah, das Zucken ihres Körpers und die Tränenspuren in ihrem Gesicht, wußte er, es war etwas schreckliches passiert.

Als er Grace vorsichtig auf seine Arme nahm, wachte sie nur kurz auf und rief nach ihrer Mutter. Er drückte sie an sich, schmiegte sein Gesicht gegen ihres und flüsterte, es würde alles gut werden. Sie schlief sofort wieder ein und er trug sie vorsichtig nach Hause.
Als die beiden erschöpft zu Hause ankamen wurde Grace gewaschen und ins Bett gelegt. Sie war immer noch nicht aufgewacht. Mike erzählte seinem Vater wie er sie gefunden hatte und wo.
Noch am selben Abend gingen Vater und Sohn, bewaffnet mit ihren Schwertern an den Schreckensort. Doch Vater konnte nicht glauben, das seine Frau dem Untier zum Opfer gefallen war, bis er das ganze Blut sah und den silbernen Anhänger fand, den er ihr zur Geburt ihrer Tochter geschenkt hatte. Er fiel auf die Knie und weinte, er schrie seinen Schmerz hinaus. Nachdem die ersten Tränen versiegt waren, sah der Vater, der um Jahre gealtert schien, seinen Sohn an und sagte: "Das war Peremetis, der Drache der Finsternis..."

Und Peremetis hatte sein nächstes Opfer schon gefunden...


 

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