... für Leser und Schreiber.  

Textentwirrung

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©  Naselang   
   
Nehmen wir mal an, du liest irgendeinen Text. Einen Text bei dem Grammatik, Semantik, Rechtschreibung, einfach alles stimmt.
Du liest ihn nochmal. Vielleicht weil du ihn nicht ganz genau verstehst, was dir der Autor damit sagen wollte, weil er dir so gut gefällt oder weil du seine einzelnen Worte einfach ganz langsam auf deiner Zunge zergehen lassen möchtest, weil er dir so gut gefällt. Weil die einzelnen Worte und Buchstaben bestimmte Gefühle bei dir auslösen, weil du dabei ihre Bedeutung verstehst.
Der Text wird in deinem Hirn zu Gedanken umgewandelt, die du verstehst, die dir zugänglich sind.
Du liest ihn also.
Immer wieder. Immer genauer.
Und du fängst an den Text zu zerlegen. In bestimmte Absätze, Sätze, Verse, Worte, Buchstaben.
Dann bleibst du plötzlich an einem Wort hängen: Traum.
Du sprichst es nochmal aus, ganz langsam: T R A U M
5 Buchstaben aus dem Alphabet aneinandergereiht ergeben ein Wort. Dieses Wort hat einen Sinn für dich. Du verstehst es. Traum: Ja natürlich, das ist das, was mir jede Nacht im Kopf rumschwirrt, wenn ich schlafe.
Ist dir das noch nie passiert, dass du einen Text liest und plötzlich zerbröckelt der ganze Text in einen wirren Buchstabensalat...? Nein, nicht mal das, das hätte ja eine gewisse Bedeutung.
Der Text hat einfach keine Bedeutung für dich. Das sind nur irgendwelche gedruckten Striche und Bögen, die in verschiedenen Abständen hingemalt wurden.
Ja, gemalt. Es sind Bilder.
Ist dir das noch nie passiert?
Das kann auch nur ein 10tel von einer Sekunde dauern.
Ich überlege manchmal, wie sich Sprache und Schrift entwickelt hat. Für mich ist das irgendwie unvorstellbar, dass ein Irgendjemand aus Höhlenmalerei, die absolut abstrakt war, einen Sinn herausziehen konnte. Und welche Sprache verwendete dieser Jemand?
Wie wurde Kaligraphie in unsere Sprache übersetzt? Wie kamen die Höhlenforscher zu dem Schluss, dass diese 3 Striche, mit dem Punkt und dem verschnörkelten Bogen Tier bedeutet? Oder sonst irgendetwas. Ist eigentlich egal, denn es geht mir um das Generelle. Ich finde das alles schier unglaublich.
Ein waagrechter und ein senkrechter Strich ergeben ein T - eigentlich ganz simpel.
Nur wie ist man daraufgekommen, dass man das als Teh ausspricht und nicht Xas? Und wieso ist das dann der 20. Buchstabe im Alphabet und ist ein Mitlaut - noch komplizierter: ein Konsonant. Wieso all diese komplizierten Wörter für ein paar Striche auf einem Blatt Papier?

Und wieso bildet man das Wort Traum mit dem Buchstaben Teh und nicht mit Xas?

Ich glaub, ich kapier die Welt nicht.

 

http://www.webstories.cc 19.05.2024 - 04:17:18