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Snoopi

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© Aenne Gunda Göltzer   
   
Der Winter wollte sich in diesem Jahr gar nicht verabschieden und im Reich der Gefiederten Gesellen breitete sich allmählich Unmut darüber aus. Nicht nur bei den Meisen und Spatzen, nein, auch die vielen exotischen Vogelarten, deren Heimat wesentlich wärmer ist, wünschten sich die viel geliebte Sonne.
Snoopi war ein Blaskopfpapagei, seine Heimat hatte er nie wirklich kennen gelernt. Er zwitscherte und diskutierte mit seinen Artgenossen über das schöne Australien, dem sonnigen Land und der exotischen Vogelwelt. Sechzehn Sittiche und Papageien wohnten zusammen in einer großen Voliere. Immer wieder kamen Menschen, bestaunten ihre Schönheit und nahmen den einen oder anderen Vogelkollegen mit nach Hause.
Snoopi, ein Blasskopfmännchen war ungewöhnlich intelligent und beobachtete die Menschen, die da kamen um sich einen Mitbewohner auszusuchen sehr genau. Da er noch jung und voller Energie war, beschloss er, sich selbst auf den Weg zu machen, um sich ein geeignetes Zuhause zu suchen. Er wollte nicht so einfach von irgendeinem Menschen gekauft werden, ohne zu wissen, was mit ihm geschieht.
Listig beobachtete er den Züchter, der jeden morgen das Futter für ihn und seine Kollegen zubereitete. Einen kleinen Moment der Unachtsamkeit des Züchters nutzte Snoopi um in die Freiheit zu gelangen. Er flog hoch durch die Lüfte und freute sich wie ein Schneekönig. Immer weiter und höher trugen ihn seine Flügel in unbekannte Dimensionen. Noch nie zuvor hatten seine Flügel eine solch gewaltige Entfernung zurück gelegt und er war selbst über seine Ausdauer überrascht.
Er sah den Rauch aus den Schornsteinen, Autos, Busse und unzählige Lichter hinter den Fensterscheiben, und von oben setzten sich ganz sacht einige Schneeflocken auf sein buntes Gefieder. Snoopi war vollkommen verunsichert. Diese Weite mit den vielen lauten Geräuschen machten ihm Angst. Das Fliegen in Freiheit, das ungewohnte Zusammenspiel von Wind und Flügeln ließen ihn müde werden. Eine Straßenlaterne, die den dunklen Morgen anleuchtete spendete ihm etwas Wärme und so rastete er ein Weilchen. Bald schon kamen ein paar freche Spatzen, lachten über sein buntes Gefieder und fragten ihn, ob er wohl aus dem Zirkus komme. Snoopi verstand die Spatzen nicht. Anscheinend lebten sie schon sehr lange in dieser freien Umgebung, denn sie waren fröhlich, zwitscherten, zankten sich und flogen dann davon.
Snoopi war hungrig und flog den Spatzen hinterher, um sie zu fragen, woher sie ihr Futter bekommen. Etwa 20 Flügelschläge entfernt saß eine große Menge von Spatzen und Meisen, die dabei waren ihr Frühstück einzunehmen. Vorsichtig näherte sich Snoopi den gefiederten Kollegen, er hatte Angst, so wieder seine Freiheit zu verlieren. Doch so sehr er auch um sich schaute, er konnte weder eine Voliere noch einen Züchter sehen. Schnell pickte er sich ein paar Sonnenblumenkerne vom Boden eines Vorgartens, wo sich scheinbar alle Vögel trafen. Eine kleine Meise leistete ihm Gesellschaft. Sie war neidisch, als sie sein buntes Federkleid sah und konnte sich nicht zurückhalten alles über Snoopi zu erfragen. Snoopi allerdings hatte wenig Interesse für die kleine Meise. Sie war ihm zu klein, zu hektisch und viel zu neugierig.
Sichtlich gestärkt und voller Freude über seine gewonnene Freiheit flog er weiter. Bald schon überflog er eine Stadt mit einem großen Park in dem sich viele Menschen befanden. Der Schnee auf seinen Flügeln wurde ihm lästig, und seine kleinen Füßchen waren ganz kalt. So steuerte er auf ein Haus zu. Es war groß und hatte hell erleuchtete Fenster. "Hotel" stand auf einem großen Schild am Eingang, aber da ein Vogel nicht lesen kann, wusste er auch nicht, warum ausgerechnet aus diesem Haus so herrliche Düfte kamen. Immer wieder gingen Menschen in das Haus und Snoopi schaute, ob nicht irgend jemand ein Krümelchen verlieren würde. Doch die Menschen hatten scheinbar kein Futter für ihn. Plötzlich spürte er ein großes weißes Tuch über sich. - Er war gefangen-
Was nun mit ihm geschah konnte er nicht gleich verstehen. Ehe er sich besonnen hatte, saß er in einem kleinen Käfig und einige Menschen standen um ihn herum und gaben ihm Äpfel und Karotten. Sogar einen Napf mit Sonnenblumenkernen hatte man ihm hingestellt. Snoopi konnte es nicht fassen, er war traurig, denn in diesem kleinen Käfig konnte er unmöglich seine Flügel ausbreiten. Das einzig gute an dieser Situation war das köstliche Futter. Tagelang rätselten die Menschen in dem großen Haus, was nun mit ihm geschehen sollte. Gern hätte er ihnen gesagt, dass er seine Freiheit liebt, doch im Moment war froh und zufrieden. Es war trocken und warm, und er wurde rund um die Uhr verwöhnt. Nach ein paar Wochen bekam Snoopi sogar eine riesige Voliere mit einem Obstbaum und jeden Tag brachten sie ihm Zweige mit kleinen Knospen. Er fühlte sich so richtig wohl und begann nach Herzenslust zu pfeifen und trällern. In seinem neuen Heim gab es auch zwei kleine Hunde, die Snoopi gleich fest in ihr Hundeherz geschlossen hatten. Snoopi hatte es richtig schön und doch war er manchmal traurig, denn die Menschensprache war ihm fremd, und die Hundesprache hatte er nicht erlernt. Öfter hörte er draußen die Spatzen zwitschern. Wie gerne wäre er mit ihnen durch die Lüfte geflogen. Ein Vogel wird nicht zum alleine sein geboren, und Snoopi vermisste die täglichen kleinen Streitgespräche mit seinen Artgenossen.
Die Menschenfamilie merkte, dass Snoopi nicht glücklich war und konnten seine Traurigkeit nicht ertragen. Wie könnten sie Snoopi helfen? Immer wieder dachten sie über eine geeignete Lösung nach. Dann plötzlich, es war an einem Sonntag, holte die Familie eine Kiste und schwupp die wupp war Snoopi in der dunklen Holzkiste eingesperrt. Er hatte große Angst. Er hörte Motorengeräusche und es rumpelte so um ihn herum, dass sein schönes Gefieder zitterte. Nach einer langen Weile hörte er vertraute Stimmen, und ehe er sich versah, war er inmitten von zwitschernden Vögeln in einer neuen Umgebung. Erschöpft und müde schlief Snoopi ein.
Am nächsten Tag erzählte er seinen neuen Mitbewohnern von den schönen Reiseerlebnissen und bald schon lernte Snoopi viele gefiederte Freunde kennen, die mit ihm sangen und spielten. Jeden Tag konnte er nun seine Flügel trainieren. Exotische Vögel aus Australien und sogar aus Ostafrika wurden seine Freunde. Das Futter war ein delikater Genuss. Aber ganz besonders genoss Snoopi seine kleine Freiheit, inmitten vieler anderer Vögel.
Nun brauchte er keine Angst mehr zu haben, dass ihm durch Menschenhand irgendein Leid geschehen würde und seine gefiederten Genossen waren lustig und hatten viel Spaß mit ihm. Am Ende eines interessanten Vogeltages saß Snoopi noch ein Weichen mit seinem neuen Freund auf seinem Lieblingsast um die Abendluft zu genießen. "Ob es in Australien auch so schön ist?" fragte Snoopi. Ohne eine Antwort zu bekommen schauten beide glücklich und zufrieden auf den herannahenden Mond. Das endlose Abendrot gab ihnen ein Gefühl von Freiheit. Einen Moment dachte Snoopi an seine in kleinen Käfigen eingesperrten Kollegen, die diesen Moment in ihren Volieren am Fenster stehend niemals erleben und fühlen können.
 

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