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Das Licht der Hajeps - Lakeme - Kap. 19

Romane/Serien · Erotisches
© doska
Kapitel 19

„Dannaeh, wirklich, glaube mir, ich kann nicht dafür, dass alles so geworden ist, wie es jetzt ist.“ George versuchte, der Hajepa über das Haar zu streicheln, doch sie warf den Kopf mit den vielen dunkelblauen Zöpfen zornig zur Seite, um seiner Hand auszuweichen. Die stolze Jastra war an Händen und Füßen gefesselt und kauerte zwischen etwa dreißig Gefangenen am Fußboden einer kleinen Hütte.
Der größte Teil der Rebellen befand sich etliche Kilometer von Zarakuma entfernt in der Nähe von Würzburg, in mehreren rasch errichteten Lagern. Außerdem waren die Maden so freundlich gewesen, ihren außerirdischen Freunden einige ihrer inzwischen notdürftig wieder hergerichteten unterirdischen Wohnungen zur Verfügung zu stellen.
Im Gegensatz zu den anderen Geiseln, welche aus Zarakuma entführt worden waren, um sie später gegen gefangene Rebellen auszutauschen, hatte Dannaeh seit Stunden weder getrunken noch gegessen. Sie war wie erstarrt, musterte dennoch jeden, der in diese Hütte hinein kam, hoch erhobenen Hauptes.
Auch George funkelten die schrägen, roten Augen mit einem geringschätzigen Ausdruck an. „Bei Ubeka, Ulkanir, du bist wizzig!“, zischelte die schöne Hajepa. „Du hast mich doch zur Geisel gemacht und ich habe dir vertraut.“
„Dannaeh, ich wurde erpresst und ...“
„Xorr, damit redet sich doch jeder heraus. Für mich bist du das größte ... hm ... Astloch aller Zeiten!“
„Astloch?“, wiederholte George verdutzt. Er trug einen Umhang um die Schultern, denn es war ziemlich frisch am Morgen.
„Akir, Astloch!“, erklärte Dannaeh schnippisch. „So etwas sagt ihr Lumantimischlinge doch immer zu Leuten, die ihr nicht leiden könnt.“
George gab sich Mühe nicht loszulachen, aber ein kleines Schmunzeln huschte ihm doch über sein breites Trowenmaul. Ach, er war glücklich, Dannaeh trotz der ganzen Unruhen endlich wieder gefunden zu haben, doch er konnte ihr das ja nicht sagen. Orgumor und Xemazao hatten ihm bei der Suche geholfen. Dafür war er ihnen sehr dankbar. „Dannaeh, du musst endlich etwas trinken“, blockte er jetzt einfach ab. „Schau nur, was ich dir mitgebracht habe.“ Er hielt ihr einen Krug mit frischem Tee entgegen, den er trotz seines kranken Arms für Dannaeh unten in der Küche gekocht hatte.
„Xorr, will ich nicht!“ Dannaeh machte einfach die Augen zu und wandte wieder ihr Gesicht von ihm ab. Doch sie war neugierig gewesen und hatte noch rasch unter ihren dichten Wimpern hindurch geblinzelt. „Du wurdest verletzt?“ entfuhr es ihr entsetzt, dann räusperte sie sich, riss sich wieder mit energischer Miene zusammen. „Kontriglus, geschieht dir Recht, dass du deinen Arm jetzt in einer Schlinge tragen musst“, fauchte sie böse, „denn das hast du verdient!“
„Ach, in Wahrheit hast du Mitleid mit mir, Dannaeh!“, entfuhr George leise und hoffnungsfroh.
„Hich? Hab ich nicht. Hajeps kennen kein Mitleib, pwi!“ Dannaeh versuchte dabei noch mehr Verachtung in ihr ohnehin überhebliches Mienenspiel zu zaubern. „Das war Oworlotep gewesen, chesso?“, fügte sie mit boshaft blitzenden Augen hinzu.
„Ja, das war er!“, bestätigte George gesenkten Hauptes. Ach, die Wunde schmerzte gar nicht mal so sehr wie die Erinnerung an diesen furchtbaren Moment. Zwar hatte Godur Georges Befürchtungen, nie mehr den rechten Arm bewegen zu können, nicht bestätigt, dennoch war es George ein Rätsel, weshalb Oworlotep plötzlich derart brutal zu ihm gewesen war. George hasste Oworlotep jedes Mal aufs Neue, wenn er Schmerzen in diesem Arm verspürte.
George kam Dannaeh mit dem duftenden Tee noch ein Stückchen näher. „Bitte Dannaeh, nur einen Schluck!“, bettelte er. „Ich mache mir Sorgen um dich!“
„Du und Sorginn!“, fauchte sie. „Und auch noch um mich - dass ich nicht lachere!“ Sie schaute ihn plötzlich mit kleinen, tückischen Katzenaugen an und schlug mit beiden Fäusten gleichzeitig gegen den Krug.
George hatte nicht ausweichen können. Der heiße Tee spritzte ihm entgegen. Blitzartig hatte Dannaeh ihm dabei die Schlüssel vom Gürtel gerissen. Es war ihr vorhin geglückt, die Fußfesseln in mühseliger Arbeit mit einer Scherbe durchzureiben, doch die Handschellen waren aus Eisen. Trotzdem konnte sie rennen.
George hätte Dannaeh dabei packen können, aber mit dem Arm in der Schlinge war es etwas kompliziert. Er sah, wie sich Dannaehs graziler Schatten vom hellen Tageslicht abhob, nachdem sie die Tür aufgeschlossen hatte und hinaus flitzte. Seltsamerweise ließ sie die Tür offen stehen - was hatte sie vor?
Ach, George wollte ja so gerne, dass Dannaehs Flucht gelingen würde, aber er befürchtete, dass die Hajepa nicht weit kommen würde.
Konnte er die Trowes, welche gerade die Aufsicht über das Lager hatten, irgendwie von Dannaeh ablenken? Nach kurzem Zögern lief er ebenfalls ins Freie, Dannaeh einfach hinterher. Die Tür ließ er offen und die Gefangenen schauten ihm deshalb mit großen Augen hinterher. Sie blinzelten ins Freie, denn hier drinnen war es ziemlich dunkel, doch niemand wagte es, die Hüte zu verlassen – sofern er überhaupt dazu in der Lage war.
George dachte scharf nach. Es war immer noch besser, wenn er Dannaeh selber einfing, als wenn das den derben Trowes überlassen würde. Das Schlimmste war die Tatsache, dass die Rebellen, allen voran Worgulmpf, der den Oberbefehl von Uratschiro über dieses Trowenlager erhalten hatte, Dannaeh grausam für diesen Fluchtversuch bestrafen würde. Der alte Trowe hätte eigentlich froh sein können, Frau und Söhne wieder bei sich zu haben, doch die Blindheit seines Kindes verzieh er Oworlotep nie. Er hasste die Jastra. Nur weil Dannaeh ein so wertvolles Tauschgut war, hatte Worgulmpf sie am Leben gelassen.
George konnte Dannaeh nicht zurufen, einen Fehler gemacht zu haben, denn dort hinten sah er schon zwei trowische Wachposten hinter einem der Zelte hervorkommen. Das Herz krampfte sich ihm zusammen. Hatten die etwa Dannaeh schon gesehen? Er atmete erleichtert aus, nachdem er festgestellt hatte, dass die Hajepa gerade noch rechtzeitig hinter zwei kleinen Rundzelten auf seiner Seite verschwunden war. George grüßte die Trowes beim Vorübergehen, indem er den einen gesunden Arm leicht an die Brust lehnte. Nachdem die Trowes zum großen Hauptzelt geschlendert waren, wo es lecker nach Essen dufte, schlich George Dannaeh weiter hinterher.
Er entdeckte sie wenige Minuten später zwischen vier Zelten. Eine Trowin kam gerade aus dem niedrigsten der Zelte und hatte die Hajepa bemerkt. Das derbe Weib stieß vor Überraschung einen leisen keckernden Laut aus, tuschelte etwas nach hinten. Woraufhin eine weitere, nicht minder muskelbepackte Trowin im dunklen Zelteingang erschien. Dannaeh lief weiter, hatte die beiden wohl nicht bemerkt. George nahm einen Umweg und stellte fest, dass sein kranker Arm inzwischen immer weniger schmerzte. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie ihm Godur in der Nacht eine geleeartige Masse aus Knochenleim in den gebrochenen rechten Oberarmknochen gespritzt hatte, die inzwischen völlig verhärtet zu sein schien. George war begeistert von den ungeheuren medizinischen Kenntnissen der Hajeps. Da entdeckte er Dannaeh, wie die gerade auf einem kleinen freien Platz stehen geblieben war. Sie schaute nach Osten zum Himmel, holte dabei eine kleine Pfeife oder so etwas Ähnliches aus einer Tasche ihres Gewandes hervor. Sie schob sich die schlangenförmige Flöte zwischen die Lippen. Kein Ton war zu hören, aber die Hajepa schien zufrieden zu sein und verstaute das blinkende Metallstückchen sofort wieder, dann riss sie sich ein Stückchen von ihrem seidig schimmernden Gewand ab, legte es auf den Boden, wo sie es mit einem Stein beschwerte. Danach wendete sie sich um, vermutlich weil sie den Platz wieder verlassen wollte. Fast im gleichen Moment warfen sich die beiden Trowenweiber auf die Jastra, welche die Hajepa schon die ganze Zeit verfolgt hatten.
„Hiat Ubeka!“, brüllte die kräftigste der beiden, welche die zierliche Gestalt mit ihrem massigen Körper förmlich unter sich begraben hatte. „Kontriglus, du bist Oworloteps Eheweib, die eingebildete Dannaeh. Wir haben dich erkannt an deinen prächtigen Gewändern.“ Dabei zogen und zerrten sie an Dannaehs prächtigen Stoffen, als wollten sie die der schönen Hajepa vom Leibe reißen.
Die Weiber kamen, nachdem sie Dannaeh zu Boden gedrückt und ihr dabei fast alle Luft aus dem Leibe gepresst hatten, erstaunlich behände wieder auf die Beine. „Die Flucht aus deinem Gefängnis sollst du büßen, verhasste Jastra!“, bellten die Trowinnen und die gelben Augen funkelten, während sie Dannaeh vor sich her stießen. „Wir bekommen eine Belohnung und Worgulmpf wird seinen Spaßig mit dir haben!“
George war hinter einem der Zelte verborgen geblieben, denn obwohl der gebrochene rechte Arm inzwischen ziemlich robust geworden zu sein schien, konnte er mit diesem immer noch schlecht kämpfen. Er schlich schließlich den Dreien hinterher und dachte scharf nach. Was sollte er jetzt nur am Besten tun?

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Wie gut, dass Margrit nach langer Überlegung das etwa mausgroße Stück von Danox in ihrem alten lumantischen Nachttisch versteckt hatte, statt es Oworlotep mitzubringen, denn dieses Treffen mit ihm enttäuschte sie sehr. Freilich nicht was die Räumlichkeiten anbetraf. Oworlotep hatte sie in eines seiner phantasievollsten Gemächer eingeladen. Er selbst gab sich unfreundlich und rätselhaft. Zwar hatte er Wort gehalten und Margrit den kleinen Chilki, der jetzt tatsächlich einen neuen Körper besaß, kurz vorgestellt, doch dabei nicht vergessen hervorzuheben, wie hoch entwickelt und klug das Volk der Hajeps im Gegensatz zu primitiven Lumantis wäre. Als Margrit sich erkundigt hatte, weshalb denn der Chilki plötzlich vier statt zwei Arme hätte, hatte ihn ihre Frage nicht verwirrt. In geringschätziger Tonlage hatte nur erklärt: „Dieser Chilki hat die Wette verloren, kleinliche Lumanti. Wer wenig im Kopfe hat, sollte am besten sogar sechs Arme haben, um zumindest irgendwie körperlich dieses Defizit etwas auszugleichen.“ Und er hatte Margrit dabei einen unmissverständlichen Blick zugeworfen.
„Ach, sind wir heute nett!“, hatte Margrit tief enttäuscht hervorgestoßen und war dabei froh gewesen, Oworlotep nicht gleich an den winzigen, käferartigen Roboter erinnert zu haben, den sie in einem kleinen Täschchen an ihrem Gürtel für ihn mitgebracht hatte.
Oworlotep war nach Margrits sarkastischer Bemerkung auf seine Nettigkeit und Sanftheit zu sprechen gekommen und schließlich über sich ins Schwärmen geraten.
Margrit hatte sich dabei auf die Lippen gebissen, um nicht wütend zu werden, da sie noch immer hofften, dass er ihr helfen würde, endlich ihre Kinder von diesem schrecklichen Forschungsschiff wieder herunter zu bekommen. Während sie angestrengt darüber nachgrübelte, wie sie ihm dieses Anliegen am besten nahe bringen konnte, gab Oworlotep einiges aus der ruhmreichen Geschichte Pasuas zum Besten. Dabei gebärdete er sich mal völlig albern, mal wiederum so boshaft, dass er sich in wilden Hasstiraden über die Menschheit ausließ, die es zu vernichten galt. Was war passiert? Noch vor wenigen Stunden war er Margrit ein geheimnisvoller, hochintelligenter Beschützer gewesen und nun? Hatte Oworlotep etwa zwei so krasse Seelen in der Brust, dass die eine nicht wusste, was die andere tat oder wurde er auch hier überwacht? Dieser Gedanke veranlasste Margrit, sich genauer in dieser mit vielen funkelnden Dingen geschmückten Grotte umzusehen.
Von einem der Diener, der Margrit vorhin hierher geführt hatte, hatte sie erfahren, dass offensichtlich niemand von Oworloteps Leuten so recht Bescheid wusste, wohin genau Dannaeh von ihren Entführern verschleppt worden war. Konnte das vielleicht der Grund sein, weshalb sich Oworlotep plötzlich derart gehässig benahm? In Zarakuma wurden außerdem sehr viele Leute vermisst, besonders aus der untersten Kaste der Kutmatz, aber auch höher entwickelte Chilkis, Trowes, Senizen, Kirtife und Auleps.
Die Flucht aus Lakeme und aus den Fabriken auch in anderen Ländern schien für viele der aufständischen Sklaven und einfachen Arbeiter zu Margrits Beruhigung geglückt zu sein. Zwar waren viele der Aufständischen getötet worden, doch die Revolution gegen die Jastra und gegen Pasua hatte sich ausgebreitet in Europa wie ein hungriges Feuer.
Etliche von Oworloteps Freunden waren in dieser Schlacht gefallen. Drei wichtige Stützpunkte: Oglasifan im ehemaligen Frankreich, Marmibao im ehemaligen Italien und Huamukdar im ehemaligen Spanien waren inzwischen von der großen Xabrinda erobert worden und somit zählte Uratschiro neben Chiunatra jetzt zu den berühmtesten Männern, welche die Revolution jemals hervorgebracht hatte.
Oworlotep war also, wenn man es recht bedachte, ein geschlagener Mann, aber davon war ihm heute überhaupt nichts anzusehen. Er gab sich nur eingebildeter als sonst - weiter nichts!
Während Oworlotep die Diener mit einer dampfenden Speise eintreten ließ, musterte Margrit die perlschnurähnlichen Vorhänge, die hier fast überall an den schrägen Wänden hingen und die netzartigen, hauchfeinen Schleier, welche sowohl vor den drei kreisrunden Fenstern als auch den zwei Eingängen hingen. Von letzteren wusste Margrit inzwischen, dass diese entweder in die anliegenden Salons oder in einen gewaltigen Saal hinunter führten. Das Plätschern mehrerer kleinerer und größerer Gewässer aus diesem Saal war bis hierher zu hören und Vogelgezwitscher ganz in der Nähe. Links von Margrit schien sich eine bettartige Lagerstatt zu befinden, bei der man sich des Anscheins nicht erwehren konnte, sie wäre nur eine weiche, mit Fell ausgekleidete Grube mitten im mit dicken Teppichen bedeckten Boden. Graue, spinnennetzartige Vorhänge, geschmückt mit Perlen, die wie Tautropfen darin funkelten, hingen darüber.
Oworlotep kauerte auf Knien Margrit gegenüber in einem weichen, korbähnlichen Gebilde, das etwa einen halben Meter über dem Boden schwebte. Der leicht transparente Tisch, bestehend aus durchsichtigen, silbernen und schneeweißen Steinen schien ebenfalls schwerelos.
Oworlotep trug einen Seitenscheitel und sein auf Schulterlänge zurück geschnittenes, dunkelblaues Haar ohne jeden Schmuck offen. Er war sehr leger gekleidet. Zwar erschien Margrit die silberne Jacke, welche ihm bis über die Hüften ging, streng, doch sie ließ seine muskulöse Brust frei. Margrit entdeckte über Oworloteps schönen Mund einen schmalen, gepflegten Oberlippenbart. Die Ärmel seiner Jacke waren weit und so lang, dass deren Zipfel noch ein gutes Stück über den Korbstuhl hinab hingen.
Margrit kniete ebenfalls in ihrem körpergerechten Stuhl, der sich jeder ihrer Bewegungen anzupassen verstand. Gerade hatten die Diener, welche, so man Oworloteps Ausführungen Glauben schenken wollte, echte Achtlinge waren und die nicht nur völlig gleich aussehen sondern auch immer das Gleiche tun würden, die Hauptspeise serviert.
Margrit starrte schweigend und mit angespanntem Gesicht auf das von vielen Bläschen durchsetzte - Rührei? Knetteig? Pudding? Kotze? Wüüüürg!-, welches bereits auf dem flachen, merkwürdig geformten Behälter lag, der wohl ein Teller zu sein schien.
Glücklicherweise hatte man Margrit bisher mit außerirdischem Geschirr so gut es ging verschont. „Äh ... wie heißt diese Speise?“, fragte sie gepresst, während sie vorsichtig mit einem kleinen, biegsamen Stäbchen, das am unteren Ende viele kurze Borsten besaß und welches neben dem Teller gelegen hatte, gegen die wabbelige Masse stippte, die langsam zu erstarren begann.
„Das ist Pamo!“, erklärte Oworlotep stolz und strich sich dabei das Haar, welches ihm zur Hälfte ins Gesicht gefallen war, zurück in den Nacken. „Das typische hajeptische Brot und gleich werden wir dich mit Birifun, unserem Nationalgericht, von dem ich dir bereits erzählte, überrascheln!“
„Im Ernst? Aber das ist doch nicht nötig!“, keuchte Margrit angeekelt und piekste dabei weiter mit dem Borstenstäbchen in den blasigen Haufen. „Macht euch nur keine Umstände, dieses Frühstück darf ruhig ein bisschen menschlich gestaltet sein!“
„Doch, doch, doch, doch!“, widersprach er eifrig. „Diese Umstände machen wir für dich gerne, ganz würgelisch, Schramm! Du solltest nicht immer so bescheiden sein!“ Oworlotep klatschte in die Hände und schon stellte einer der acht Sajane mit feierlicher Miene den riesigen dampfenden Behälter auf den Tisch.
Oworlotep bekam von einem weiteren Diener eine Art Kelle oder so etwas Ähnliches in die Hand gedrückt. „Stramm“, rief er aufgeregt, während er in dem Krug mit großer Konzentration herumrührte. „Das wird heute wieder lecker, das sehe ich schon. Xorr, es ist soooo nurrfi, sage ich dir! Hiat Ubeka, leider haben wir dir diese Kostlichkeit schon viel zu lange vorenthalten. Tinninnin!“, jammerte er schuldbewusst. „Dafür bekommst du jetzt aber auch die besten Stücke!“ Er hob die krallenartige Kelle an und schaute nach, schüttelte den Kopf und suchte weiter in dem Topf.
„Sicher berstest du bereits vor Neugierde. Zaiii, ich gebe zu, dass auch ich gespannt bin, wie dir das schmecken wird. Ich kenn` das ja. Auch ich war und bin noch heute stets für alles Neue aufgeschlossen!“, setzte er ein wenig verschämt hinzu. Seine Zunge fuhr genießerisch über seine Lippen, als er abermals die merkwürdige Kelle anhob und schnüffelte. „Nemm, nemm, nemm!“, ächzte er und sein Stuhl schwebte, nachdem er ein kleines Sensorenfeld an dessen Lehne betätigt hatte, ganz in die Nähe von Margrit.
„Immer, wenn wir ein neues, fremdes Volk erobert hatten, interessierten mich zuerst dessen seltsamige Nahrungsmittel und Gerichte, sofern sie für uns Hajeps genießbar waren. Da wurde ich ganz kribbelig vor lauter Interesse, oder wie nennt ihr das? Hm, hm ... hmmm, wie soll ich dir das jetzt erklären? Also ... es ist so eine Art Mischung aus Appetit und ... und Ekel! Akir, das ist es ... keee? Worauf wartest du?“
Er hielt ihr schon seit einem ganzen Weilchen die gefüllte Kelle entgegen, vermutlich, um deren Inhalt auf Margrits Teller zu kippen. Sie bemerkte das erst jetzt und noch etwas anderes ... aus der Kelle hatte sich inzwischen etwas längliches, wurmartiges selbständig gemacht.
Oworlotep bemerkte das schließlich auch. Er zeigte sich jedoch deshalb keineswegs betroffen.
„Nein, nein, nein, du bleibest jetzt daa drin!“, herrschte er fast väterlich-erzieherisch das gut gefettete madenähnliche Getier an und schob es dabei vorsichtig mit dem Finger in die Kelle zurück.
„Schramm, zaiii ... was ist?“ Er blickte in Margrits erblasstes Gesicht, wippte dabei ein wenig auf den Knien in seinem Stuhl und dieser wankte mit ihm mit. „Wie langer soll ich denn noch warten, keeee? Reiche mir deinen Joste rüber, damit ich dir entelich Birifun über das Pamo gießen kann, chesso?“ Letzteres sagte er ausgesprochen geduldig, was eigentlich recht erstaunlich für ihn war.
Sie schluckte. „Och, ich kann ruhig abwarten!“, sagte sie extrem leise und bescheiden. „Sieh mal, ich bin doch nur eine einfache, niedere Lumanti und du der Große Wächter Pasuas. Nimm dir daher zuerst davon und ordentlich viel. Mir gebührt nur ein winziger Rest!“
„Xorr, aber nicht doch“, widersprach er geschmeichelt. „So geht das ja nun nicht. Obschon ich zugeben muss, dass du mit der Bemerkung, nur eine kleine, niedere Lumanti zu sein und ich etwas ganz Besonderes, nämlich etwas Großartiges und Wunderbares, nicht so ganz falsch liegst, aber du bist mein Gast und daher hast du heute den Vortritt!“ Er nickte ihr aufopfernd zu.
Sie blickte wieder auf ihren Teller. Dieser Joste hatte leider nur sehr entfernte Ähnlichkeiten mit Lumantitellern, denn zum einen Teil besaß er einen ziemlich hohen, schüsselartigen Rand, zum anderen fast gar keinen. Margrit hatte Furcht, dass ihr alles auf den Tisch klatschen würde, wollte sie Oworlotep den Teller reichen. Essen würde sie von diesen Speisen auf gar keinen Fall. Sie musste sich nur eine passende Ausrede einfallen lassen und zwar schleunigst!
Zu spät! Oworlotep hatte mit einer einzigen gönnerhaften Bewegung Margrits Teller ergriffen und schon ergoss sich der bewegliche Brei über die inzwischen starr gewordene knusprige Masse und dann stellte er den reichlich gefüllten Teller direkt unter Margrits Nase und schwebte mit seinem Stuhl zur anderen Seite des Tisches zurück.
Oh Gott, oh Gott, hatte diese verrückte Speise vielleicht einen scharfen Geruch! Oder konnte man dazu sagen
Gestank? Margrit drehte den Kopf leicht zu Seite. In der Hand hielt sie jetzt ein Gerät, das ihr im ersten Augenblick wie eine Gabel vorgekommen war, statt des Stäbchens, denn einer der Sajane hatte es ihr zuvor frech aus den Fingern gezogen, mit der fadenscheinigen Begründung, dass sie damit fortwährend in das Pamo gestippt hätte, wo es doch zum Zähnereinigen nach dem Essen gedacht sei.
„Nemm, nemm, nemm!“ hörte sie wieder von der anderen Seite des Tisches her Oworloteps helle Vorfreude, während er seinen inzwischen reichlich gefüllten Joste drehte und sehr ausführlich von allen Seiten in Augenschein nahm.
„Schwamm, fang entelich an, damit ich auch essen kann, chesso?“, schnaufte er ungeduldig.
Margrit kannte inzwischen die meisten der umfangreichen Sitten und Gebräuche der Hajeps und wusste daher, dass es unhöflich war, wenn sie jetzt nichts aß.
Sie blickte wieder auf das Gerät in ihrer Hand, welches ihr kurz mit dem Wort Diatar vorgestellt worden war und das sie noch immer steil erhoben hielt wie eine Waffe. Etwa auf der Hälfte dessen elegant geformten Stils befand sich eine Taste, die man nur mit dem Daumen hinunter zu schieben brauchte, hatte ihr der Sajan vorhin flüsternd erklärt, und schon sollten sich die Zacken der Gabel zu einem Löffel zusammenklappen, schob man die Taste wieder hoch, öffneten sie sich erneut, drückte man allerdings kurz auf diese Taste, krochen aus den Enden der gespreizten Zacken kleine, spitze Widerhäkchen hervor, sodass man selbst die winzigsten Krümelchen damit aufpicken und mit den Lippen von den zuvor wieder in einen Löffel zurückverwandelten Zacken nehmen konnte, in dessen Mulde die Krumen gerutscht waren. Man konnte das Ding aber auch zu einem Messer umfunktionieren, indem man nur die geschlossenen Zacken seitwärts hielt und nuur mit dem Zeigefinger auf den hübsch verzierten Rand im unteren Teil des Griffes drückte. Dadurch schob sich eine scharfe Klinge auf der einen Seite der Zacken hinaus und man konnte sich damit mundgerechte Stückchen zurechtsäbeln. Margrit war Oworlotep dankbar, dass er auf Zuschauer verzichtet hatte, wie es damals beim ersten gemeinsamen Lumantifrühstück gewesen war.
Ihr Blick wanderte von dem Gerät wieder zurück zur wabbeligen Speise, die inzwischen derartige Geräusche fabrizierte, die den Magen auf den Gedanken einer erlösenden Entleerung bringen konnten.
Sie hielt den Kopf schief und lauschte angespannt. Tatsächlich, es knisterte und raschelte dort so, als befänden sich ganze Armeen von Käfern und Würmern in einer offensichtlich turbulenten Auseinandersetzung.
„Alsoo ... das sieht nett aus!“, log sie, um die ganze Angelegenheit doch noch ein wenig hinauszuzögern.
„Und du kannst dir nicht vorstellen, wie das erst schmeckt!“, verkündete er begeistert.
„Doch, das kann ich mir schon vorstellen!“, ächzte sie. „Das ist es ja gerade!“
Er nickte zufrieden.
„Und ...“ Sie brach ab.
„Was ... und?“, hakte er genervt nach. „Lumantis sind immer so umständerlich ... viel zu umständerlich!“
„Und woher kommt dieses merkwürdige Kn … Knistern und Knacksen?“, erkundigte sie sich ziemlich kurzatmig.
„Xorr, das ist nur Mimbra, Stickstoff, der durch eine besondere Behandlung, die ich jetzt nicht näher erläutern möchte, diesen länglich gerollten Blätterschinn und schwarzen Körnerschinn ziemlich spontan entweicht. Dadurch wird auch die eigenständige Bewegung hervorgerufen und ...“
„Es sind nur BLÄTTER?“, unterbrach sie ihn verdutzt.
„Akir, und Körner! Sehr vitaminreich übrigens! Was dachtest denn du?“, fragte er jetzt ebenso erstaunt zurück.
„Och, ich dachte nur, dass es ...“ Sie tippte vorsichtig mit dem Gerät, dem Diatar, in ihrer Hand dagegen. „Also, dass es ...!“ Verdammt, jetzt hatte sich das Gabeldings in einer dieser Schlangendinger festgehakt. „Also, es sieht doch ganz so aus ...“, keuchte sie, „... wie ... igitt!“ Sie ließ die grünlich rote Raupe, die sie eben noch tapfer empor gehalten hatte, samt Gerät auf den Teller knallen, sprang vom Stuhl auf und schüttelte sich am ganzen Körper.
„Aber Stramm!“, rief er verärgert und verblüfft zugleich. „Wer wird sich denn derart ekeln?“ Doch dann zuckte sein Gesicht amüsiert, denn die Lumanti sah zu drollig dabei aus. Da Margrit einen rückenfreies Kleid aus vielen kleinen seidig schimmernden Schuppen trug, konnte er recht gut erkennen, dass sie eine Gänsehaut hatte.
„Ich … hm ... habe mich nur erschreckt!“, log sie mit hoch erhobener Nase, nachdem sie gemerkt hatte, wie sie ihn mit ihrem Ekel erheitert hatte und sie kniete sich wieder tapfer in ihrem korbähnlichem Stuhl hin. Der ganze Korb schwankte dabei ein bisschen hin und her.
„Das lob ich mir!“", sagte er feixend. „Und nun isst du ein kleines Häppchen davon, damit auch ich beginnen kann, chesso?“
Leichter gesagt als getan. Hajeps waren ja vermutlich schon von Kindesbeinen an ihre komischen Diatars gewöhnt. Sie hantierten garantiert fast spielerisch damit herum wie wahre Künstler, doch Margrit hatte einige Schwierigkeiten, sich das Ding, das sich in den Würm ... na ... Blättern verwickelt hatte, zu ergreifen. Sie hatte den Eindruck, dass Oworlotep und die Diener deshalb schon am frühen Morgen bald recht viel ´Spaßig´ mit ihr haben würden.
Doch Oworlotep zeigte sich überraschend charmant. Er ließ seinen Sessel leicht nach unten kippen und entstieg dem sonderbaren Gebilde. Er eilte jetzt sogar um die leicht transparente Tischplatte herum, stellte sich hinter Margrit und führte ihre Hand mit dem Diatar. Er erklärte ihr dabei alles nochmals leise, aber auch er stellte sich kaum geschickter an.
Freilich nicht, was die Handhabung des Diatars anbetraf, sondern eher was die Beförderung der Speise zwischen Margrits Lippen anbelangte. Das lag nicht etwa daran, dass Margrit schummelte, wenn sich ihr Oworlotep mit der stark riechenden Pampe näherte, die im übrigen inzwischen völlig bewegungslos, jedoch immer noch etwas glibberig war, indem sie den zuvor geöffneten Mund rein instinktiv wieder schloss, sondern weil er immer wieder ihre Nase statt ihre Lippen anvisierte.
Margrit war zunächst darüber verärgert, da sie an einen der für Oworloteps typischen ´Scherzerschinn´ glaubte, doch dann meinte sie, Anzeichen einer stetig stärker werdenden Betroffenheit in diesem scheinbar erstarrten Hajepgesicht zu entdecken.
„Chedai, Stramm!“, brabbelte er jedes mal aufgeregt und wischte Margrit die gelbe Sauce mit dem Brukinatio, an einem Stäbchen befestigter feuchter Wattebausch, von der Nase und versuchte es aufs Neue.
Das wachsende Erstaunen in den zuvor mit Mühe reglos gehaltenen Gesichtern der umstehenden Diener bewies Margrit endgültig, dass es offensichtlich, das erste Mal war, dass ein Hajep - und noch dazu der große Wächter Pasuas - jemanden fütterte.
Margrit musste schließlich lachen und dann fanden beide diese merkwürdige Angelegenheit dermaßen komisch, dass auch Oworloteps Gesicht in feine Zuckungen der Heiterkeit verfiel. Bald waren sie so aufgedreht, dass es ihnen nicht einmal gelang, das merkwürdige Essgerät gemeinschaftlich still zu halten, geschweige denn hochzuheben. Doch im Laufe des Handgemenges kam es letztendlich doch noch dazu, dass - von Oworlotep unbeabsichtigt oder beabsichtigt? - etwas von der Speise in Margrits Mund gelangte.
Sofort stutzte die Lumanti erschrocken und Oworlotep hielt den Atem an.
Margrit verzog das Gesicht, wollte sofort alles wieder ausspucken, doch dann spürte ihre Zunge den eigenartigen Geschmack. Sie war völlig überrascht, denn der war hervorragend! Sie senkte die dichten Wimpern genießerisch, und schluckte den Happen nicht herunter, um vorerst den Geschmack dieses einzigartigen und köstlichen Gerichts ganz auszukosten. Ihre Angst vor außerirdischen Speisen war also völlig unbegründet gewesen. Hajeps waren nicht nur hochtechnisiert und wahnsinnig intelligent, sie hatten auch eine ungewöhnlich gute Küche! Aber sie wollte Oworlotep den Gefallen nicht tun und voller Behagen mit den Augen rollen und dabei vielleicht auch noch aufstöhnen, was bei Hajeps üblich war, denn Oworlotep war schon eingebildet genug.
Also schluckte sie das Häppchen ohne besondere Reaktionen hinunter und sagte dann möglichst lässig:
„Also ganz so seltsam, wie ich zunächst gedacht hatte, schmeckt es nicht. Ich werde ruhig noch ein paar Happen essen, Oworlotep, wenn du es unbedingt willst.“ Sie öffnete rasch die Augen, forschte aufmerksam in seinem Gesicht, um darin Enttäuschung noch rechtzeitig entdecken zu können.
Zwar zeigte seine Miene keinerlei Anzeichen von Betroffenheit, jedoch war er so nervös geworden, dass der Ärmel seiner Jacke in die Sauce gekommen war. Margrit grinste hämisch, doch schon sprang einer der Achtlinge herbei und reinigte den Zipfel mit Hilfe eines winzigen rüsselartigen, leise vor sich hin schmatzenden Gerätes. Gerade als Margrit freudevoll anmerken wollte, dass diese Achtlinge wohl doch nicht immer ganz genau das Gleiche tun würden, da nur einer von ihnen das Gerät betätigte, hörte sie Oworloteps tieftraurige Stimme: „Schwamm, es wäre höflich von dir gewesen, wenn du zumindest ein wenig gerülpst hättest, um etwas mehr Begeisterung wegen unserer prächtigen Nationalspeise kund zu tun, aber Mensch bleibt eben Mensch!“ Letzteres hatte er mit sanftem Zähnknirschen gesagt und nun wendete er sich gesenkten Hauptes von Margrit ab.
Margrit schaute ihm mit einer tiefen Furche zwischen den Augenbrauen hinterher, denn er trottete mit derart tief hängenden Schultern nun einfach in den Raum hinein, dass es einem das Herz brechen konnte. Was hatte er vor? Wollte er sich etwa ins Bett werfen und weinen? Sie nagte schuldbewusst an der Unterlippe, doch dann riss sie sich zusammen. Weinen konnten ja Hajeps nicht. Warum vergaß sie nur immer wieder? Dennoch, sie war gewiss wieder zu hart zu ihm gewesen. Er hatte doch so eine zarte Seele! Nach einigem Ringen mit sich selbst rülpste Margrit leise. Erst leise - oh Gott, war das peinlich - aber dann ganz laut. Als immer noch keine Reaktion von Oworlotep kam, bettelte sie:
„Ach, Oworlotep, würdest du mich bitte weiter füttern, ja?“
Er blieb stehen, schaute sich langsam nach ihr um. Na bitte, seine Miene wirkte schon etwas zufriedener, so weit Hajeps überhaupt zufrieden drein schauen konnten. Dennoch atmete Margrit erleichtert aus.
Plötzlich fetzte sich Oworlotep die Jacke von seinem durchtrainierten Oberkörper, und sie sah dabei, dass er eine Waffe in seinem Gürtel trug. Er schnipste mit den Fingernn, woraufhin die Vorhänge über der eigenartigen Liegestatt bereitwillig auseinander fuhren. Mit einer eleganten, katzenhaften Bewegung warf er die Jacke in die gemütliche Fellkuhle.
„Zaiii.“ Seine Stimme klang ein wenig verschämt, als er sich wieder zu Margrit umdrehte. „So kann nichts mehr passieren, wenn ich dich weiter füttere, chesso?“ Selbstverständlich hatte er den Waffengürtel nicht abgelegt. Oworlotep schien sich nur ungern von seinen Waffen zu trennen, aber er trug jetzt nur noch die silbergraue Hose, welche sich dermaßen an seinen Körper schmiegte, dass Margrit das Gefühl hatte, er wäre völlig nackt!
Margrit verbarg ihr Gesicht hinter einer der zwei Teekannen, die einer der Diener eben auf den Tisch gestellt hatte, damit Oworlotep die Röte ihrer Wangen nicht sehen konnte. „He, warum gibt`s hier eigentlich so ein ... äh ... Bett?“, stieß sie leider viel zu kurzatmig hervor.
„Ein Äbett?“, wiederholte Oworlotep irritiert und wendete sich mit einer geschmeidigen Bewegung danach um.
„Nein, Bett meinte ich natürlich!“ Sie schaute jetzt sicherheitshalber nur mit einem Auge hinter der Kanne hervor.
„Zai dandu?“ Er zuckte die breiten Schultern und sämtliche Muskeln spielten dabei. „Warum sollte hier keins sein?“
„Na ja, weil ...!“ Sie brach ab. Himmel, war das peinlich, warum redete sie plötzlich solch einen hirnrissigen Quatsch?
„Hast du etwas daran auszusetzen, Ninschinn?“, hakte er nach und versuchte in ihrem Gesicht zu forschen, während er langsamen Schrittes zurück kam.
„Hab ich nicht!“, ächzte sie, schaute schnell weg und betrachtete angestrengt ihren Teller. „A ... aaber das ist doch hier ein Esszimmer, oder?“, sagte sie nun doch.
„Xorr, das ist auch ein Schlafraum!“, widersprach er hartnäckig und stellte sich hinter sie.
„Ach, du schläfst ja in diesem Bett nicht wirklich!“ Sie schüttelte so wild den Kopf, dass ihr Haar, welches die Diener zu einem mit Perlen geschmückten Pferdeschwanz hochgebunden hatten, ihn dabei an der Nase kitzelte.
Er hielt ihr Haar von hinten fest. „Woher willst du das wissen?“
Ihre Wimpern flatterten ziemlich hektisch auf und nieder. „Na, weil ich gehört habe, dass der großmächtige Wächter Pasuas ein ganz spezielles geheimes Leben führt!“ Sie zupfte dabei mit einer kleinen, schnellen Bewegung ihren Pferdeschwanz aus seinen Händen. „Dein Schlafgemach befindet sich nicht hier und nur wenige Vertraute kennen es. Ich gehöre wohl nicht dazu!“, fügte sie, ohne es zu wollen, irgendwie beleidigt hinzu.
Er hatte den feinen Unterton sehr wohl gehört. „Warum willst du denn dieses Schlafgemacht unbedingt kennen, Ninschinn?“, hörte sie ihn jetzt ganz dicht an ihrem Ohr.
„Och, nur so!“, ächzte sie.
„Sehr verdäschtig, würgelisch! Du willst darin schlafen und zwar mit mir, chesso?“
„N ... nein ... äh, ja!“
„Ja?“, keuchte er überrascht und seine Hand legte sich auf ihre nackte Schulter.
„He, v ... vielleicht würde ich d … das ruhig tun!“, schnaufte sie.
„Keee! Du würdest es tun und auch noch ganz ruhig!“ Seine Hand begann ihre Schulter sanft zu massieren. „Ich hab`s ja gewusst! Die ganze Zeit schon gewusst! Es ist schon komik, alle wollen mit mir schlafen, weil ich so ... wie sagt ihr ... sexy bin! Ich bin sexy, wau, wau!“
„Einmal wow genügt, Oworlotep!“, stöhnte sie. Verdammt, er konnte wirklich sehr gut massieren. Margrit lief dabei ein Gänseschauer nach dem anderen den Rücken hinunter. „Ich meine natürlich, wenn es dabei ums wirkliche Schlafen geht, Oworlotep!“ Seine Hand wanderte zu ihrem Nacken. „ Hach, du bringst mich jetzt ganz durcheinander.“
„Ich bringe dich durcheinander!“, hörte sie ihn dicht an ihrem Ohr.
„Seit gestern bin ich nämlich deine Freundin!“, fuhr sie schnaufend fort.
„Das ist nicht das Allerschlechtestete!“, vernahm sie ihn.
„Deine kameradschaftliche Freundin natürlich!“, erklärte sie etwas genauer und schob dabei seine Finger weg.
„Betrachte mich also als Mann!“ Margrit schob das Kinn vor, um das besser zu veranschaulichen, und warf sich in die Brust.
Er sah auf ihre Brüste und fand, dass die sich unter dem engen Schuppenkleid recht erfreulich rundeten. „Wird mir irgendwiechen schwer fallen!“, verkündete er wahrheitsgemäß und legte jetzt seine Hand einfach auf ihre andere Schulter.
„Unsinn!“, ächzte sie. „Ich bin also dein Mann und ...“ Sie entfernte seine Finger auch von dort.
„Xorr, haben wir denn geheiratet?“, erkundigte er sich und rieb seine Wange dicht an ihrer.
„Ach, du kannst nie ernst sein.“ Sie kletterte jetzt einfach aus dem Schwebestuhl. „Ich meinte es platonisch, weißt du, nämlich, dass ich dein bester Freund bin und nichts anderes.“
„Hich, du meintest es ironisch?“, wiederholte Oworlotep mit enttäuschtem Unterton in seiner rauen Stimme.
„Nein, äh ... ja! “ Sie hatte gerade entdeckt, dass auf dem Tisch noch ein schalenartiger Behälter mit Brot stand. „Ist ja auch egal! Jedenfalls musst du nicht mehr füttern. Ich werde mir nämlich dieses Fladenbrot ... äh … Pamo nehmen, weil ich noch etwas Hunger habe. Mehr brauche ich für heute nicht.“
Sie lief damit quer durch die kleine Grotte, nagte an dem Pamo. Feine Schnüre, dünn wie Spinnenweben streiften dabei ihr Gesicht, ihre Schultern und Hände. Sie hörte den leisen Schritt seiner weichen Sandalen, denn er kam ihr hinterher.
„Immer werde ich verspottet!“, vernahm sie ihn traurig. „Jeder hält mich für einen Faikenbar ... einen Clown!“ Seine Stimme wurde zornig. „Nun gut, bin ich eben einer!“ Jetzt stand er dicht hinter ihr. „Kennst du Xedazua?“, fragte er, während er sich einfach ein Stück von ihrem Brot abbrach. Sie blickte sich um und schüttelte den Kopf.
Oworlotep setzte den Brotkrumen auf seinen Handrücken und befahl: „Gib ihm einen Namen!“
„Dem Krumen?“, fragte Margrit ungläubig, während sie an ihrem Brot kaute.
Oworlotep seufzte. „Tinninninn, dass Lumantis mit ihren kleinlichen Gehirnschinn immer und erwin fragen müssen, statt einfach nur zu gehorchen!“
„Mir fällt aber nichts ein!“, erklärte sie knapp.
„Dann heißt er Markitt“, rief Oworlotep begeistert.
„Wenn, dann schon richtig Margrit, aber warum?“, erkundigte sie sich neugierig.
„Weil dieser Krumen tun muss, was ich will!“
Margrit runzelte die Stirn. Hajeps waren eben echte Fieslinge, da konnte man nichts machen.
„Hier her Margrit!“, rief Oworlotep das Brotstück und es gehorchte, wanderte durch leichte Zuckungen seines Armes wie von selbst seinen Unterarm hinauf, hüpfte über die beachtlichen Muskeln, sprang auf seine Schulter - doch da kam das Stück ins Rutschen. Ehe es zu Boden fallen konnte, schnappten Oworloteps prächtige Zähne zu.
„Xorr“, meinte er entschuldigend. „Das ist ein altes hajeptisches Kinderspiel und ... zaiii ... so geht es halt allen, die in meine Nähe kommen; sie werden früher oder später von mir aufgefressen!“ Seine roten Augen zwinkerten, nachdem er das Brot mit großem Behagen herunter geschluckt hatte.
Margrit schaute in sein Gesicht, sah seinen herausfordernden Blick und plötzlich blitzte auch in ihren Augen der Schalk. Sie kam ihm ganz absichtlich so nahe, dass er überrascht keuchte.
„So-oh?“, fragte sie leise. „Bist du denn derart gefährlich? “ Ach, sie hatte plötzlich das Bedürfnis, es ihm nachzutun. Auch Menschen kannten solche Spiele, daher konnte es doch wohl nicht weiter schwer sein, solch einen kleinen Krumen den Arm irgendwie hinaufzubefördern. Sie brach sich ein Stückchen vom Brot ab, setzte es auf ihren Handrücken. „Meines heißt Owor!“, erklärte sie verschmitzt lächelnd.
„Hich, ausgerechnet Owor?“, knurrte er verwirrt. „Warum sollte solch ein Wesen – du kennst nicht dessen Macht! - einen mühseligen Weg zu einer armseligen Lumanti wählen, wenn es mit dieser auch ganz leicht und sofort spaßig haben kann?“ Seine Augen funkelten jetzt Margrit drohend an.
„Ich glaube eben“, sagte sie leise und gab sich dabei Mühe nicht hektisch zu atmen, „dass Oworlotep keinen Weg, keine Gefahr scheuen wird, um mit mir verbunden zu sein!“
Er schnaufte für einen Moment aufgebracht gleich durch sämtliche seiner drei Nasenlöcher und fauchte dann: „Bei Ubeka, man sollte am besten an gar nichts glauben, dann wird man auch nie enttäuscht werden!“
„Lieber lasse ich mich enttäuschen, als aufzuhören an das Gute zu glauben, Oworlotep!“ Der Brotkrumen zuckte, wenn auch langsam, auf Margrits Arm vorwärts, fiel aber bald hinunter, in eine von Oworloteps Händen, die er, jeweils rechts und links von ihrem Arm, auffangbereit hielt.
„Zai ... zaiii!“ Oworlotep warf seinen hübschen Kopf sehr nachdenklich von einer Seite zur anderen. „Du siehst also, es nutzt nicht, an das Gute zu glauben! Gib auf! Das Böse ist dir heute so nahe wie nie zuvor.“ Oworlotep führte dabei seine Hand mit dem Krumen ganz langsam hinauf bis zu Margrits Mund. „Und es ist verführerisch! Vernasche es sofort, verbinde dich mit ihm, denn das Böse ist willig und du bist hungrig!“
Sie drückte seine Hand wortlos hinunter, ergriff sich dabei das kleine Stückchen Brot. „Ich pflege nicht aufzugeben, Oworlotep. Ich kann auf das Gute warten!“, wisperte sie angespannt und setzte den Krumen abermals auf ihren Handrücken.
„Kühne Worte!“, hörte sie Oworlotep sarkastisch.
Viele Versuche folgten und Oworlotep stand dabei, sah Margrit mit begeisterten Blicken zu. Sie bemerkte kaum das sonderbare Funkeln dieser roten Augen, auch wusste sie nicht, wie lieblich sie bei diesem Spiel aussah. Sie ahnte nicht, wie aufreizend ihre Bewegungen waren, um das Brot auf ihre zuckende Schulter zu befördern, denn der Krumen rutschte mal hier, mal dort die zarten Rundungen ihres Menschenkörpers hinab. Mit einem Male gehorchte das Stückchen Brot wirklich. Vor lauter Anspannung hatten beide den Atem angehalten und nun lachte Margrit erleichtert, warf den Kopf in den Nacken. Diese Bewegung war jedoch zu leichtsinnig gewesen, das Brot wollte schon wieder weg! Rasch versuchte es Margrit noch mit ihren Lippen einzufangen. Oworlotep hatte sich eng an Margrit gedrückt, um das Stück mit seinem Körper aufzufangen. Da es nicht gelang, schnappte er ebenfalls mit seinem Mund danach und so berührten sich seine und Margrits Lippen. Für einen Moment verharrten sie verblüfft, waren sie wie erstarrt. Sie schauten einander tief in die Augen und schnauften leise, dann aber fuhren sie wie elektrisiert auseinander und das einzige, was man nun hören konnte, war das Malmen ihrer Zähne, denn jeder kaute an einer Hälfte des Krumens.
Als Oworlotep sein Brot hinunter hatte, tastete sein Finger zitternd über die kleine Verletzung an seiner Unterlippe, denn Margrit hatte ihn ganz leicht gebissen.
„Hich?“, keuchte er leise.
„Ha .. at es sehr weh getan?“, stieß sie kaum hörbar hervor.
„Tu mir noch einmal weh!“, vernahm sie ihn rau.
Sie schaute in diese rätselhaften Augen und sagte: „Nein!“
Da beugte er sich zu ihr hinunter und rieb seine Nasenspitze sanft gegen ihre. „So wird bei uns gekusst“, hauchte er.
„So kusst ... äh ... küsst ihr?“, flüsterte sie verblüfft. Erst hatte sie darüber lachen wollen, doch er war ja sooo süß! Sie hielt still und genoss diese ungewohnte Zärtlichkeit, denn seine Nase rieb nun ganz zart ihre Wange. „Solche Küsse sind mir zwar fremd“, keuchte sie, „aber es gibt einige Völker bei uns, die es auch so machen!“
„Das machen sie genauso?“, hörte sie ihn erstaunt. „Wie kann das sein?“
„Ich weiß es nicht!“ Margrits Hand fuhr durch sein dichtes Haar und sie fühlte wie seine Nasespitze erst scheu und dann ganz zärtlich gegen ihr Ohrläppchen stupste.
„Nurrfi, nurrfi! So waisch!“, schnurrte er. Plötzlich hörte er auf. „Und nun du!“, verlangte er.
„Iiiich?“, keuchte sie verwirrt.
„Akir, du!“
Die Sajane tuschelten miteinander, schienen inzwischen zu wissen, worum es ging und wollten daher schleunigst verschwinden.
Da keine Reaktion von Margrit kam, wanderte Oworloteps Nase schnuppernd Margrits Hals hinab. Er schien den Duft ihrer Haut sehr zu genießen. Margrit senkte die dichten Wimpern. Aaach, warum hatte sie vorhin nur diese Angst vor ihm gehabt, er war doch gar nicht das Böse, nur ein kleiner, zärtlicher Panther. Dennoch musste sie die Augen wieder aufreißen, sie wusste auch nicht warum. Dabei sah sie, dass einer der Diener vor einem besonders breiten Vorhang stehen geblieben war. Er schnippte kurz mit den Fingern, damit sich der Vorhang öffnen sollte. Die Perlschnüre schoben sich auch sofort wie von selbst auseinander, erhoben sich sogar ein wenig und gaben den Blick auf die wunderschöne schneeweiße Treppe frei, welche in den riesigen Saal hinab führte, denn Vogelstimmen waren von dort zu hören und die Stimmen von Sklaven und Robotern in der Ferne. Schnell liefen die Achtlinge die Treppe hinunter und der Vorhang schloss sich hinter ihnen wieder
Oworlotep hatte indes Margrits Halskuhle erreicht. Margrits Brust hob und senkte sich heftig, denn sie atmete schnell. ´Ja´, schrie ihr Inneres. ´Jaa - ah, mache es mit ihm, denn es gibt gewiss nichts Herrlicheres, als Oworlotep mit den Lippen zu kosen.´
„Hiat Ubeka, kusse mich entelisch!“, verlangte Oworlotep ungeduldig. „Streichler mich überall!“ Er ergriff Margrits Hand und legte ihre zitternden Finger auf seine nackte Brust. Margrit ertastete seinen rasenden Herzschlag unter seiner feuchten Haut. „Xorr, spürst du mein Herz? Es schlägt heute nur für dich!“, keuchte er.
„Ja, es schlägt für mich!“, stöhnte sie. Aaach - sie fühlte sich wie berauscht.
„Spüre meine Sehnsucht!“, befahl er hart und führte ihre Hand noch weiter seinen Körper hinunter. Sämtliches Blut schoss mit einem Male hinauf in Margrits Gesicht. Wollte sie das wirklich? Mit letzter Kraft riss sie sich von ihm los.
„Nein“, stieß sie atemlos hervor, „denn ich weiß nicht, wer du wirklich bist, Oworlotep!“ Sie wich sogar einige Schritte vor ihm zurück. „Bist du der echte Oten, von dem alle sprechen?“ Sie schob sich das Haar aus der Stirn, denn die schöne Frisur, war dabei aufgegangen. „Waren die anderen alle nur billige Schablonen um dich zu schützen?“
„Ninnschinn ... tinninninn ... ist das denn heute für uns wichtick?“ Seine schönen Augen funkelten sie jetzt ziemlich böse und tief enttäuscht an.
„Ja, das ist es für mich, Oworlotep! Denn wenn du der höchste aller Hajeps sein solltest, musstest du schon viele Völker unterwerfen. Sei ehrlich! Bist du wirklich von Pasua zum Oten gewählt worden, diesen Dienern der Finsternis? Das behaupten jedenfalls die meisten aus der Kaste der Jastra. Warum hast du den Schoughs die drei Heiligtümer gestohlen? Auch das haben mir deine Freunde erzählt. Was willst du mit diesen Sachen, der Hand, der Schlange und Danox hier auf unserer Erde machen? Willst du am Ende gar nicht das Licht haben, sondern die Vernichtung der Menschheit erreichen und nur heute schnell dein Vergnügen? “
„Hiat Ubeka, ich kann und will dir diese vielen Fragen nicht beantworten.“ Er stemmte die Fäuste zu beiden Seiten zornig in seine Hüften. „Um auf die letzte deiner Fragen einzugehen.“ Seine Augen wurden jetzt zu gefährlichen Schlitzen. „Vielleicht bedeutet ja das Ende der Menschheit das Licht der Hajeps?“ Und dann lief er mit großen Schritten wieder auf Margrit zu.
„D ... das kann nicht dein Ernst sein!“ Margrit schüttelte fassungslos den Kopf, war aber nicht fähig vor ihm wegzulaufen. In ihrer Verzweiflung suchte sie abermals die kleine Grotte nach geheimen Überwachungsanlagen ab. Überall blinkte und funkelte es, hingen hier Vorhänge und Ketten. All und jedes konnte bei dieser hohen Technik ein winziger Abhörmechanismus sein.
„Akir, womöglich ist es auch keiner“, räumte Oworlotep plötzlich ein. „Zai, zaii.“ Er warf den Kopf von einer Seite zur anderen. „Vielleicht sagte ich das ja auch nur, weil ich ein kleines bisschen sehr ärgerlich geworden bin?“ Er hob dabei Margrit hoch. Völlig bewegungslos lag sie in seinen Armen und atmete heftig. Ihre Gedanken begannen sich zu jagen. Was war mit ihm nur heute los? Warum redete er all das? Aaach, sein Körper war so fest, so angenehm! Er war so wahnsinnig sexy! Nein, sie getraute sich dennoch nicht, sich dichter an ihn anzukuscheln.
„Ke, ke, ich weiß, dass du in Wahrheit unser kleines Vernügen haben willst! “, hörte sie wieder seine süße Stimme dicht an ihrem Ohr, während er mit ihr tiefer in den Raum hinein lief.
„Und morgen“, wisperte sie unsicher und musterte dabei die eigenartigen Vorhänge, die über dem Bett hingen, vor dem er jetzt stehen geblieben war, „werden mich diese wunderbaren Arme vielleicht in irgendeinen Abgrund werfen, ja?“
„Weiß ich, was morgen ist!“, fauchte er genervt. „Ich kann nicht voraus sehen, was mir der große Tungosta morgen befielt!“ Er zuckte die breiten Schultern.
„Tungosta?“, echote Margrit beklommen. „Ist das nicht der großartige und allgegenwärtige Nikrowai?“
„Riechtick! Der Großartige und Allmächtige! Jeder muss ihm und Pasua gehorchen und darum lebe ich im Jetzt! Das kann ich dir auch nur empfehlen. Tun wir nur, was erlaubt ist. Wir dürfen Jomjom, Sechs wie ihr das nennt, haben. Du darfst meine Chadusa werden, darum lasse dich nehmen von mir, du kleine, niedere Kreatur und du wirst diese Stunde sehr genießen!“
„Neiiiin“, Margrit strampelte plötzlich entschlossen mit beiden Beinen, „die niedere Kreatur plant keine Chadusa zu werden, denn sie denkt an Morgen und sogar noch an ein Übermorgen!“ Margrit wand sich jetzt so wild in seinen Armen, dass sie Oworlotep, wenn auch nur widerstrebend, auf die Füße kommen ließ.
„Und es stimmt mich traurig, dass du nicht lieben kannst!“ Wenn auch taumelnd, so lief ihm Margrit jetzt doch davon.
„Xorr, das macht dich taurick?“ Er kam ihr wütend hinterher. „Liebe ist nur eine Einbildung eurer schwachen, unterentwickelten Menschengehirne! Es gibt keine Liebe. Wenn du genauer hinter dieses Wort hakst, wirst auch du erkennen, dass sie nichts anderes ist als jedes andere rein egoistische Bedürfnis von Lebewesen. Wir trinken, wir essen, wir lieben!“
Margrit drehte sich langsam nach ihm um.

#

Nukjuk hüpfte durch den Flur der schlecht beleuchteten Maschinenräume Lakemes seinem Kameraden entgegen.
„Es ist nicht das Allerschlechteste, dass wir uns hier begegnen Nummer Fünfhundertdrei!“, jubelte er.
„Wieso?“ Der angesprochene Chilki stoppte überrascht, musterte Nukjuk mit einem sonderbaren Blick, doch dann winkelte er artig zwei seiner vier Arme an. „Fengi pa itun! Gelobt sei Pasua!“, fügte er noch schnell seinem Gruß zu. Vier Palastwachen kamen nämlich gerade an ihnen vorbei gelaufen und warfen den beiden Chilkis einen wachsamen Blick zu.
„Akir, Fengi! Pasua beherrsche uns ewig!“, rief nun auch Nukjuk besonders laut und wartete, bis die vier Murake endlich um die Ecke verschwanden. Leider hatte Nukjuk den typischen Gruß nicht korrekt erwidern können.
„Beneidet seiest du, Nukjuk“, sagte darum Fünfhundertdrei, „dass du als einziger von uns Chilkis einen Namen tragen darfst, aber ...“, der kleine Roboter betrachtete dabei seinen Kameraden noch etwas genauer, „... wieso hast du plötzlich keine Arme mehr?“
„Xorr, meine Arme hast doch du bekommen, Fünfhundertdrei!“, klärte Nukjuk seinen verdatterten Kameraden auf. „Ich erkenne sie ganz genau wieder, denn der eine von mir hatte am Oberarm ein Loch - verdammtes Quetgir, hält keine zwanzig Jahre durch, wenn man es nicht erneuert - der andere war am Handgelenk ziemlich ausgefranst.“
„Hich? Ich habe deine Arme? Das wusste ich nicht! Bei Ubeka, kann nicht dafür.“ Fünfhundertdrei hob abwehrend gleich alle vier Hände hoch. „Die verrückte Lumanti wollte ...“
„Du meinst die Kleinliche, chesso?“, warf Nukjuk ein.
„Chesso, also die wollte, dass ich wieder zu einem neuen Körper kommen soll. Mein alter war ja wegen einer Schießerei dermaßen verkohlt, dass ich schon dachte, es wäre mit mir aus für immer.“
„Hich? Also hat dir die Kleinliche das Leben gerettet!“, bemerkte Nukjuk.
„Nennt man das so?“
Nukjuk nickte.
„Jedenfalls kam Hirabut, du weißt, das ist doch dieser neue ...“
„Akir, der Kirtif ist ziemlich neu in Lakeme, und genau wie früher Atimok für unsere Reparaturen zuständig, ich weiß!“.
„Du weißt! Oworlotep wollte, dass ich diesmal nicht nur zwei, sondern vier Arme bekomme - weiß Ubeka warum!“ Er zuckte die kleinen grauen Schultern. „Hirabut hatte jedoch gerade keine weiteren Arme parat und da nahm er einfach diese, aus der Mülltonne!“ Fünfhundertdrei wedelte nun richtig schuldbewusst damit herum. „Die Lumanti fand das auch etwas seltsam. Oworlotep hingegen fand es ... na, wie heißt das doch gleich?“
„Wizzig!“, verriet ihm Nukjuk extrem leise, denn schon wieder kam eine der Wachen vorbei.
„Und warum hat man dich deiner Arme beraubt?“, wollte Fünfhundertdrei jetzt von Nukjuk wissen.
„Das hatte Uratschiro befohlen und zwar zur Strafe, dass ich ihm das Chubrat, das Befehlsgerät, welches er immer wie ein Schmuckstück an einer Kette um den Hals getragen hat, gestohlen habe.“
„Bei Ubeka und Anthsorr, das hast du gewagt?“ Fünfhundertdreis hässliche Blechstimme zitterte etwas. „Und wo hast du es versteckt?“
„Ich besitze es nicht mehr, das ist ja das Schlimme!“ Nukjuk trampelte nervös von einem Bein auf das andere.
„Jemand hat mich niedergeschlagen, gerade als ich es ausprobieren wollte.“
„Hich! So ein Pech aber auch!“, ächzte Fünfhundertdrei. „Und wie hat Uratschiro herausbekommen, dass gerade du ihm die Befehlszentrale für die Sklaven geklaut hattest?“
„Ich war der Einzige, der an diesem Tage Zugang zu seinen Räumen hatte! Er war nicht gut drauf und darum sollte ich ihn unterhalten.“
„Ich weiß, mit wizzig und so!“
„Nein, mit dem, was ich so alles an Gerede im Palast gehört habe! Schließlich ist er darüber eingeschlafen!“
„Bei Ubeka, du hast ein bisschen nachgeholfen bis er schlief?“
„Bei Anthsorr, habe ich!“
„Xorr, warum hat dich Uratschiro nicht dafür getötet?“
„Zai, er will von mir weiterhin unterhalten sein und wenn ich keine Arme habe, meint er, dass ich nichts mehr stehlen kann!“
„Bei Ubeka, da hat er Recht!“
„Hat er nicht!“
„Wieso?“
„Schau!“ Nukjuk öffnete sein breites Maul und klapperte mit seinen langen, spitzen Zähnchen. „Die habe ich noch und wozu sind die gut ... zaiii?“
„Pwi, damit kannst du nichts machen!“, winkte Fünfhundertdrei mit einem seiner vier Arme ab.
„Xech, oh doch, siehst diesen Gürtel, den ich um die Hüften trage?“
„Hich? Da hängt ja ein Beutel dran? Ke, hast du etwa eine Maus gefangen und das tote Tier darin versteckt?“
„So etwas ähnliches!“ Nukjuk vergewisserte sich, dass auch niemand mehr kam und dann beugte er sich bis zu seinem Beutel hinab. Nukjuk war sehr biegsam, wie alle Chilkis, und so konnte er mit Hilfe seiner Zähne nicht nur den Beutel öffnen sondern auch den kleinen, steinähnlichen Gegenstand daraus hervor holen. „No, wos is dos?“, nuschelte er stolz mit dem etwa mausgroßen Stückchen in seinem Maule.
Fünfhundertdrei zuckte schon wieder seine gummiartigen Schultern. „Pwi, keine Ahnung, was soll das außer einem dummen Steinstück sein?“
Nukjuk spuckte es auf den Boden. „Xorr, was sagst du jetzt?“
Fünfhundertdrei stolzierte nachdenklich, um das in einem sanften Braun schimmernde Ding herum, betrachtete die eigenartige Gravur auf dem Rücken des Stückes. „Bei Ubeka und Anthsorr, das Ding ist ja mit einer Schlange geschmückt?“
„Es ist nicht irgendeine Schlange, Fünfhundertdrei ... sondern Quenn!“, ächzte Nukjuk voller Stolz.
„Quenn, die rettende Schlange der Schoughs? Hich? Ist das Stück etwa ein Teil von Danox?“
„Es ist eines der drei Teile von Danox. Akir! Owor besitzt bereits zwei davon. Er hat sie zusammenfügen lassen! Es fehlt ihm nur noch dieses hier, um über Danox Pasua sämtliche Macht zu geben!“
„Wie interessant!“ Fünfhundertdrei rieb sich mit einem seiner vier Hände das Kinn. „Und wie bist du dazu gekommen?“
„Ich habe mich, als Unkalonk, einer der Diener der Kleinlichen, die Lumanti aufsuchte, in deren Zimmer geschlichen, denn ich hatte die Lumanti einmal mit eigenen Augen sehen wollen. Sie hat mich gar nicht bemerkt, selbst nachdem Unkalonk gegangen war, so nachdenklich war sie nach einem kurzen Gespräch mit ihm gewesen. So wurde ich Zeuge, wie sie plötzlich dieses kleine Stückchen von Danox hervorholte. Sie betrachtete es für ein Weilchen und dann versteckte sie es in dem untersten der Schubfächer jenes Schrankes, hinter welchem ich mich verborgen gehalten hatte. Als sie dann fort ging, um Oworlotep zu besuchen, zog ich das Schubfach mit meinen Zähnen auf und ...“, er hielt inne, „… den Rest kannst du dir denken!“
„Bei Ubeka, Nukjuk!“, rief Fünfhundertdrei mit großer Anerkennung aus. „Du bist wirklich nicht einer der Allerschlechtesten von uns diebischen Chilkis! Xorr, lass mich das Stück gründlicher betrachten!“ Sofort wollte Fünfhundertdrei zugreifen, doch Nukjuk konnte noch vorher seinen nackten Fuß darauf stellen. „Wage es nicht!“, fauchte Nukjuk.
„Ach, nein?“, entgegnete Fünfhundertdrei tückisch. „Ke, wie willst du dich wehren - ganz ohne Arme!“
„Hiat Ubeka, weil ich weiß, dass du inzwischen keine Zähne mehr hast. Barunonke, dein Gebieter, ließ sie dir entfernen, da du ihn gebissen hattest, als er mit Hilfe deiner Person eine Türritze stopfen wollte!“
Fünfhundertdrei erstarrte ertappt. „Nukjuk“, schimpfte er dennoch, „es ist zwar bekannt, dass du über fast alles, was in Lakeme passiert, Bescheid weißt ...“, er holte tief Atem, „... aber der Grund war ein anderer. Mich von meinem großmächtigen Gebieter Barunonke in eine Türspalte stopfen zu lassen ... pwi ... hätte ich mir schon gefallen lassen. Schließlich bin ich ein demütiger Diener meines Herrn, aber Barunonke wollte mich unter das Bein eines lumantischen ...“, Fünfhundertdrei brach ab, schnappte bei diesem Wort in seiner Empörung mehrmals nach Luft, „... Tisches legen, damit dieser nicht mehr wackeln sollte! Ke, wenn es denn ein senizischer Tisch gewesen wäre, aber ausgerechnet einer dieser primitiven Spezies, die wir erobert haben!“ Er schüttelte sich in seiner Verachtung nun am ganzen Körper.
„Xorr, Fünfhundertdrei, brauchst dich nicht bei mir zu entschuldigen! Jedenfalls hast du keine Zähne so wie ich keine Arme habe.“
„Keine falsche Feststellung!“, räumte Fünfhundertdrei ein. „Vielleicht kann ich dir deine Arme wiedergeben?“, schlug er jetzt einfach vor.
„Denda, behalte meinetwegen die Greifer, denn die waren schon alt und kaputt.“
„Hich? W ... willst du etwa gar keine mehr haben?“, fragte Fünfhundertdrei irritiert und die drei Sensoren an seinem kahlen Kopf wackelten dabei.
„Doch du Blindfisch. Danox wird uns zu neuen Körperteilen verhelfen, natürlich in erstklassiger Ausführung, kontriglusia!“ Und dann bückte sich Nukjuk, hob das Stück mit dem Mund wieder auf und ließ es geschickt in den Beutel fallen, den er am Gürtel hatte. Mit den Zähnen zog er die Schnur zu.
„Zaii, zaiii, aber wie soll Danox das machen? “, murrte indes Fünfhundertdrei.
„Xorr, doch nicht der, du Grauhuhn!“, knurrte Nukjuk. „Komm, wir gehen woanders hin, denn hier kommen immer wieder Wachen vorbei! “
„Hich? Hast Recht!“, wisperte Fünfhundertdrei und schon waren sie auf ihren kurzen Beinchen davon geflitzt.
 
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Kommentare  

Und noch mal zwei Dankeschöns für die nächsten guten Bewertungen. Wer es auch immer war. Ja, das macht ordentlich Dampf zum Weiterschreiben, hehe!

doska (18.10.2007)

Hallo Isa!
Danke für deinen lieben Kommentar und die gute Bewertung.Tja, aber man darf Oworlotep nicht trauen, denn wer weiß was der noch im Schilde führt *Zitter*


doska (11.10.2007)

Hach, doska, das hat ja so richtig geknistert zwischen Owor und Margrit. Sehr amüsant die beiden. Und Margrit hat noch nicht mal bemerkt, dass ihr das Danox-Teil gestohlen wurde ... na, das gibt bestimmt noch ein Nachspiel ...
Sehr schönes Kapitel, mach weiter so :)


ISA (11.10.2007)

An den schüchternen Bewerter ein Dankeschön!

doska (11.10.2007)

Hallo Helge!
Da strahlt ja richtig die Sonne, obwohl es heute so trübe war. Danke für den süßen Kommentar und die gute Bewertung.
Eure glückliche Doska


doska (09.10.2007)

Herzlichen Dank für die guten Bewertungen. Ich freue mich mächtig!

doska (09.10.2007)

Liebe Doska
Beim lesen dachte ich schon es klappt zwischen den beiden. Ansonsten wieder ein sehr gelungenes Kapitel, wirst hier in Neuseeland auch berühmt.
Den Rest schreibe ich Dir per Mail.
Liebe Grüsse
Helge


Helge (09.10.2007)

He,he, das jungt ja hier richtig. Zwei Dankeschöns für die guten Bewertungen.
Aaach, das erfreut ein Schreiberherz. *Schmunzel!*


doska (05.10.2007)

Ein Dankeschön an den unbekannten Bewerter.

doska (05.10.2007)

He,Holdriander!
Freut mich, dass es dir gefallen hat.


doska (04.10.2007)

Hallo Mcque!
Ich danke dir sehr für diesen schönen Kommentar.


doska (03.10.2007)

Und wieder eine super Fortsetzung.
Klasse!
lg


holdriander (03.10.2007)

Man Doska
Da hat es ja mächtig zwischen den beiden gefunkt :)
Wiedermal ein tolles Kapitel, Danke schön für das Lesevergnügen.
Liebe Grüsse
Mcgue


mcgue (03.10.2007)

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