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Preis der Lust/Kapitel 11

Romane/Serien · Erotisches
© rosmarin
11. Kapitel
___________
Die Sachbearbeiterin der Wohnungsbaugenossenschaft überflog noch mal die Bewerbungsunterlagen.
„In Ordnung“, sagte sie freundlich, „ich werde die Papiere sofort dem Chef zur Unterschrift vorlegen. Moment.“ Sie verschwand durch eine Glastür in das angrenzende Zimmer.
Ich saß auf dem Besucherstuhl, wippte nervös mit dem Fuß, wartete ungeduldig, bis sie zurückkam.
„Es wird klappen“, sagte sie, „Ihr Mann kann sich freuen. Wir wählen sorgsam aus. Wir brauchen Mitarbeiter, die vielseitig und flexibel sind.“ Sie lächelte mich wieder freundlich an, „und Ihr Mann hat in D. bestimmt viel hinzugelernt.“ Sie reichte mir die Hand. „Bis bald.“

Ihr Mann blieb in meinem Kopf hängen. Gigan mein Mann? Nie und nimmer. Diesem Stress würde ich nicht gewachsen sein.
Gigan bekam die Stelle und sollte am ersten Januar anfangen.
„Ich freue mich für dich“, sagte ich, „du hast immer Glück.“
„Stimmt“, stimmte Gigan zu, „nur mit dir nicht.“
„Wie meinst du das?“, fragte ich überrascht.
„Weil ich dich nicht habe. Nicht richtig.“
„Du hast mich doch richtig“, erwiderte ich leicht gereizt, „richtiger geht es schon nicht mehr.“
„Mach dich nur lustig über mich.“
„Mach ich doch nicht.“
„Machst du doch!“
Jetzt reichte es mir. Wie konnte sich ein Mensch nur von einer Minute zur anderen in sein Gegenteil verwandeln?

Wir standen vor dem Kino am Zoo. Einige Leute schauten schon neugierig in unsere Richtung.
„Ich will dich heira - ten!“, schrie Gigan plötzlich los.
„Ich dich aber nicht!“, sagte ich ganz leise, aber deutlich, „hör auf damit. Komm. Wir gehen.“
„Ich will dich aber hei - raten!“
Die Menschen waren neugierig näher gekommen, bildeten einen Kreis um uns und riefen, während sie in die Hände klatschten: „Hei - raten! Hei - raten!“
Ich hatte nie gemocht, im Mittelpunkt zu stehen und schämte mich entsetzlich.
„Hei - ratet Ihr ihn doch!“, schrie ich zurück, bahnte mir einen Weg durch die Menge und rannte zur U-Bahn.

Diesmal ist Schluss, für immer, nahm ich mir fest vor. Liebe hin, Liebe her. Solche Szenen raubten mir die Kraft.
Ich ging nicht mehr als Telefon, öffnete auch nicht mehr die Tür, wenn Gigan mit seiner roten Rose davorstand, sie dann vor die Tür legte und ging, um am nächsten Tag das gleiche Spiel zu spielen. So ging das den ganzen Monat.
Eisig kalt war er. Dieser Dezember. Seit Wochen hatte es nicht mehr geschneit. Kristallene Eisflocken wirbelten unruhig von einem trüben Himmel. Die Welt hatte sich in kaltes Schweigen gehüllt. Wie Gigan und Zappi und ich.

*

Wir hatten von der Teubert eine Einladung zu einer Silvesterparty bekommen. Doch ich wollte nicht mit.
„Du kannst gehen“, hatte ich zu Zappi gesagt, „ich mache es mir vorm Fernseher gemütlich“, und hinzugefügt, als ich Zappis Zögern bemerkte, „die Teubert freut sich bestimmt.“
Zappi war gegangen. Ich saß einsam und verlassen auf meiner Couch und bedauerte mich selbst.
„Mal was anderes“, tröstete ich mich nach einer Weile, holte eine Flasche Sekt aus dem Kühlschrank, schaltete den Fernseher ein. Überall ausgelassene Silvesterstimmung. Da konnte ich ja wohl mithalten. Ich drehte den Ton lauter, stand auf, tanzte mit der Flasche im Arm zu der rockigen Musik und hätte fast das Klingeln des Telefons überhört.
Bestimmt Gigan. Ich war ja kein Unmensch. Heute war Silvester. Also nahm ich den Hörer ab.
„Ich habe Silvesterkarten“, freute sich Gigan, als wäre nichts geschehen, „bitte sag jetzt nicht nein.“

Natürlich sagte ich nicht nein. Die Karten, die Gigan schon vor Wochen gekauft hatte, mussten sündhaft teuer gewesen sein nach dem Ambiente des Hauses zu urteilen.
Echt Gigan. Immer das Teuerste. Beste. Seiner Meinung nach.
Für dich ist mir nichts zu teuer“, sagte er, als ich ihn damit aufzog, „außerdem habe ich einige Bilder verkauft.“
„Bilder verkauft?“
„Ja. Und eine eigene Ausstellung bekomme ich auch in einer Galerie.“
„Eigene Bilder? Eigene Galerie“, fragte ich hellhörig, „erzähl.“
„Später.“ Gigan küsste mich. „Jetzt wird erstmal gefeiert.“

Wie ein Prinzenpaar schritten wir Hand in Hand zu unseren Sitzplätzen am Ende einer langen Tafel.
„Guten Abend“, grüßten wir freundlich, wie aus einem Mund.
„Guten Abend“, murmelten die Gäste, die stumm auf ihre Teller geblickt und auf das Essen gewartet hatten, und schauten kurz auf.
Teures Geschirr und kostbare Gläser schmückten die weiße Damasttischdecke, Kerzen leuchteten aus Porzellanleuchtern, unechte Tannenzweiglein ragten aus weißen kleinen Vasen. Eine Dreimannkapelle bereitete sich geräuschvoll auf ihren Auftritt auf der kleinen Bühne vor.

Gigan hatte wieder seinen Spenseranzug an. Ich ein minirockkurzes schwarzes Kostüm. Der Kragen des Blazers bestickt mit silbrig schillernden Pailletten, darunter eine Weste mit roten Pailletten bestickt. Gigans Geschenk, auch die schwarzen halterlosen Strümpfe, das rote Strumpfband, die roten High Heels. Eine Silberspange hielt meine langen roten Haare in Form.

„Du siehst zum Anbeißen aus“, sagte Gigan stolz und küsste mich vor aller Augen, „meine wunderschöne wilde Blume.“

Die Kellner servierten ein auserlesenes Menü, schenkten Champagner in die Gläser, wünschten einen wundervollen Jahresausklang. Und wie auf Befehl begann die Kapelle zu spielen.
„Darf ich bitten?“
Verwundert stellte ich fest, dass ich noch nie mit Gigan getanzt hatte. Mit Zappi sehr oft. Wir hatten sogar Preise gewonnen auf verschiedenen Empfängen, organisiert von seinen Außenhandelsgesellschaften zu Zeiten der DDR. Zappi war ein ausgezeichneter Tänzer und harmonierte wunderbar mit mir. Wenn wir so dahinschwebten, war es immer, als seien wir ein Körper. Alles war perfekt.
Und nun stellte ich erstaunt fest, dass Gigan nicht tanzen konnte.
„Warst du nicht in der Tanzstunde?“, fragte ich etwas
enttäuscht.
„Doch“, lächelte Gigan unsicher, „ich habe es aber nicht gescheckt.“
„Was hast du nicht gescheckt“
„Das Tanzen, wie du siehst.“
„Und merke“. lachte ich, weil er mir gerade auf die High Heels getreten hatte.
„Entschuldige.“
„Was gibt es daran zu schecken?“, nahm ich den Faden wieder auf, „tanzen kann doch jeder.“
„Ich aber nicht.“ Gigan machte ein zerknirschtes Gesicht.
„Wichtig ist die Musik“, belehrte ich ihn, „man lauscht ihr und schon bewegen sich die Beine im richtigen Rhythmus ganz von selbst.“
Wieder trat mir Gigan auf den Fuß.
„Pardon“, entschuldigte er sich wieder, „du hast eben Musik im Blut.“
„Und du nicht“, erwiderte ich genervt. Die ganze schöne Stimmung war hin. „Dann tanze ich eben mit mir selbst.“

Gesagt. Getan. Ich legte ein Solo auf die Tanzfläche, als hätte ich mein Lebtag nichts anderes getan. Begeistert bildeten die Zuschauer einen Kreis um mich. Klatschten im Rhythmus der Musik. Wie damals vor dem Kino. Nur diesmal machte es mir nichts aus, spornte mich sogar an. Ich hatte ja auch ein Glas Champgner im Blut. Und vertrug keinen Alkohol.
Wie durch Nebel wollten plötzlich die Geister der Vergangenheit, die Kellertrinkergeister, wieder zu mir dringen.
Weg mit euch!

Übermütig warf ich meinen Blazer auf die Tanzfläche. Die Kapelle spielte gerade einen schönen Rock and Roll. Meinen geliebten Elvis. Ein Tänzer musste her. Ich fixierte einen nicht mehr ganz jungen Mann aus dem Kreis der immer noch klatschenden Leute und hatte Glück. Der Mann verstand. Und konnte tanzen. Mir war, als schwebe ich schnurstracks in den siebenten Himmel des Glücks. Des Tanzglücks. An das andere wollte ich jetzt nicht denken. Mein Tänzer wirbelte mich temperamentvoll über sich, unter sich, drehte, kreiste, schob, schwenkte, warf. Immer im Rhythmus dieser Wahnsinnsrhythmen. Alles um mich herum war vergessen. Auch Gigan. Ich tanzte.
Plötzlich spürte ich seine Eisblicke. Etwas abseits des Treibens stand er unbeweglich und beobachtete mich. Über der Schulter meinen Blazer, in den Händen die High Heels.

„Danke“, sagte ich zu meinem Tänzer und ging wie hypnotisiert zu Gigan.
Als er mir höflich den Stuhl hinschieben wollte, bemerkte ich ein Loch in meinem rechten Strumpf und gleichzeitig etwas reißen. O je.
„Da ist was gerissen“, lachte ich und stellte fest: „Ein BH - Träger. Ungeniert zog ich meinen Blazer wieder aus, knöpfte langsam die Weste auf, um den BH abzulegen.“
Gigan stellte sich schützend vor mich.
„Was soll denn das schon wieder?“ Er sah mich an, als sei ich nicht ganz da. „Was soll das?"
„Ich ziehe meinen BH aus“, lachte ich, „so kann ich doch nicht rumlaufen, da hätte ich doch zwei ungleiche Brüste.“
Kichernd nestelte ich meinen BH aus den Armlöchern der Weste.
„Den ziehst du wieder an“, bestimmte Gigan, „du hast aber auch nur Blödsinn im Kopf, komm, ich begleite dich zur Toilette.“
„Ich habe Durst. Danach.“
Wir tranken noch ein Glas Champagner und waren ganz schön angegangen.
„Und jetzt ziehst du den BH wieder an“, lallte Gigan.
„Zu Befehl“, lallte ich zurück, „auf dem Klo. Und die Strümpfe aus.“
„Den Slip auch."
In diesem Moment spielte die Kapelle einen Tusch.

Mit vollen melodischen Klängen läuteten die Glocken von der nahen Kirche das neue Jahr ein.

Neunzehnhundertdreiundneunzig!

Fast alle Gäste stürmten in die Winternacht ihre Knaller loszuwerden. Wir blieben sitzen.
Die Nacht war kalt. Die Menschen gingen uns nichts mehr an. Stumm saßen wir auf unseren Stühlen, küssten uns, stießen auf das neue Jahr und unsere unvergängliche Liebe an.
„Du bist die schönste Frau der Welt.“ Gigan küsste mich zärtlich.

Allmählich füllte sich der Saal wieder. Alle redeten und lachten wild durcheinander. Es war, als hätten sie nur auf das neue Jahr gewartet, um endlich aus sich herausgehen zu dürfen. Die Stimmung näherte sich unaufhaltsam ihrem prozentualen Höhepunkt.
Wir schauten uns tief in die Augen. „Wollen wir?“, drängte Gigan, „ich habe große Lust.“
Hand in Hand schwankten wir zur Toilette. Die Leute hatten keinen Blick mehr für uns, waren mit sich selbst beschäftigt.
Die Damentoiletten waren leer. Die Damen hatten sich noch im alten Jahr entleert. Erregt zog ich Gigan in eine Kabine.
„Hier?“
„Nicht?“
„Doch!“
Unser Verlangen war so groß wie unser Übermut. Gigan drückte meinen Oberkörper mit beiden Händen über das Becken. Ungeduldig rollte er mit seinem stark erigierten Penis meinen roten Slip über meine Hüften, das Strumpfband bis zum Ende meines Oberschenkels und stieß schnell und hart in mich hinein, meine Perle zärtlich mit einer Hand stimulierend. Mit einem unterdrückten Schrei kam Gigan als Erster, streichelte weiter, bis auch ich mich entspannte.

Etwas zittrig setzten wir uns wieder artig auf unsere Plätze, schmusten weiter, tranken weiter.
Ein Schornsteinfeger gesellte sich zu uns, bürstete leicht über mein Kostüm, gab mir einen feurigen Schmatz auf den Mund.
„Ihr seid ein wunderschönes Paar, ihr liebt euch“, sagte er und drückte einen Pfennig in meine Hand, „auf dass euer Glück niemals ende.“
„Danke“, freute ich mich, gab ihm spontan einen Schmatz auf seinen Schornsteinfegermund und wunderte mich, dass Gigan so ruhig blieb.

Wieder spielte die Kapelle zum Tanz. Ohne BH, ohne Strümpfe, ohne Slip, aber mit dem roten Strumpfband,
schaukelte ich noch eine Weile mit Gigan über die Tanzfläche, die sich allmählich leerte.
So gegen vier Uhr gingen auch wir. Der neue rote Suzuki stand auf einem kleinen Parkplatz in der Nähe zwischen anderen inzwischen weiß verschneiten Autos, die der Vollmond in sein kaltes Licht getaucht hatte.
„Ich will der Erste sein, ich will der Erste sein“, stöhnte Gigan auf den nach hinten geklappten Sitzen über mir.
„Das bist du doch“, neckte ich, „oder denkst du, ich habe es zwischendurch mit dem Schornsteinfeger getrieben?“
Wir spürten nicht die Kälte. Wir spürten uns. Vergaßen Zeit und Raum und waren erst gesättigt, als der Tag die Nacht verbannte und die ersten Autofahrer die Motoren anließen.

***


Fortsetzung folgt
 
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Kommentare  

ja, eine schöne liebesgeschichte, wenn nur die verdammte eifersucht nicht wäre, bestimmt würde dann immer alles gutgehen mit den beiden. denn sie lieben sich wirklich. und liebe kann wahrhaftig keine sünde sein. da hast du recht. das lied auch.
gruß von


rosmarin (12.01.2013)

Also eigentlich müsste deine Heldin momentan ganz zufrieden sein, mit ihrer jetzigen Situation. Gigan tut nichts böses, als seine wilde Blume in einem fort zu lieben. Dazu kann man nur das schöne Liebeslied singen: Kann denn Liebe Sünde sein ...?

Else08 (12.01.2013)

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