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6 Seiten

Preis der Lust/Kapitel 31

Romane/Serien · Erotisches
© rosmarin
31. Kapitel
__________
Die Anrufe hörten nicht auf. Wenn ich von meinen Streifzügen nach Hause kam, waren zig stumme Anrufe, Geräusche, Tuten, unverständliche Laute auf dem Anrufbeantworter.

„Schluss“, röchelte eines Tages die verstellte Stimme, „jetzt bist du dran. Mach dein Testament.“
Vor Schreck ließ ich den Hörer fallen, flüchtete in eine Ecke, kauerte mich angstvoll zusammen, als könne mich niemand sehen, wenn ich mich ganz klein machte.
Ich traute mich nur noch auf die Straße, wenn es nicht zu vermeiden war. Ängstlich spähte ich in alle Richtungen, wagte nicht mehr, aufrecht zu gehen. Überall witterte ich Beobachter und Verfolger.

*

Eines Nachts stürmten zwei Männer in weißen Kitteln in meinen Schlaf. Ärzte, dachte ich, sie wollen mich retten. Doch ich irrte. Die weißen Kittel waren Tarnung. Unter den Kitteln trugen die Männer T-Shirts und Jeans. Die Kerle packten mich, griffen in meine langen Haare, schleiften mich über steinigen Boden einen endlos langen dunklen Gang entlang zu einem Raum, an dessen Ende ein Baum stand, der aussah wie die Marterhölle. Die Männer fesselten mich mit dicken Stricken an den Stamm. Umwickelten mich bis zu meinem Bauch. In ihren Händen hielten sie überlange Kanülen, aus denen eine dunkle Flüssigkeit in die Luft spritzte.
Blut!, dachte ich entsetzt, die wollen mich töten!
„Keinen Mucks“, befahl der größere der Männer, „wage nicht zu schreien.“ Roh steckte er einen Knebel in meinen Mund, verband mir die Augen. „Damit deine Sinne sich schärfen“, höhnte er.
„Die laute Lust gehört mir“, grunzte der Kleinere und zerriss mein weißes Kleid. „Oh, sie hat nichts drunter“, freute er sich.
Die Hände tasteten gierig über meinen Bauch, zwischen meine Beine, drangen brutal in mich.
„Wir spüren deine Lust“, keuchten die Männer und spritzten die rote Flüssigkeit in meine Vagina, rammelten mich abwechselnd wie wild gewordene Böcke.
Ich schrie und schrie hinter dem Knebel. Als ich endlich erwachte, schrie ich noch immer.

*

Im Verlaufe des Tages verwischte der Traum etwas. Doch die Bedrohung blieb. Und das Entsetzen. Den ganzen Tag hetzte ich ziellos durch die Straßen der Stadt, gelangte gegen Abend in Gigans Nähe.

Es war Markttag. Überall entlang der Holzmarktstraße waren Stände aufgebaut. Händler priesen lautstark ihre Produkte an, überschrieen sich gegenseitig mit ihren schrillen Stimmen.

Frische Ware aus dem Brandenburgischen!

Bio-Äpfel, Birnen, Kartoffeln!

Frischer Knoblauch! Neue Möhren! Knackiger Salat!

Übergrößen an BHs! CDs im Dreierpack! Einmalige Sonderangebote! Udo Lindenberg! Roy Black! Heimatmelodien!

Greifen Sie zu! Melonen! Heute billig! Melonen! Heute billig! Greifen Sie zu! Kohle raus!“

Alles mitnehmen! Einmaliges Angebot! Für nur fünf Mark Messersets! Fensterwischer!

Habt Ihr kein Kleingeld in der Tasche!? Heute neue Klobürsten! Greift zu! Greift zu!

Wer kauft Sand! Wer kauft Sand? Für nur fünf Mark! Kauft Zaubersand! Kauft Zaubersand!

Ich kaufte keinen Zaubersand. Keine Übergrößen. Ich bummelte benommen weiter, bemüht, nicht besonders aufzufallen, trotz meines aufreizenden Outfits, das im krassen Gegensatz zu meiner inneren Befindlichkeit stand.
Die Stände boten Textilien neben Fleisch, Wurst, Broten. Brötchen neben Büstenhaltern in Übergrößen und Slips in allen nur möglichen und unmöglichen Formen und Farben. Haushaltsgegenstände zwischen Bio-Eiern, Gurken und Tomaten. Knoblauchgurken, Knoblauchhonig, Knoblauchfisch zwischen Hausschuhen und Socken. Alles im friedlichen Wettstreit.

Frische Ware aus dem Brandenburgischen! Greift zu! Greift zu!

Ich kaufte ein Pfund Sauerkraut. Da sah ich Gigan. Jedenfalls glaubte ich ihn zu sehen, denn etwas anders als mein Gigan sah er schon aus.
Bestimmt spinne ich, dachte ich, Gigan hat doch hinten keine Glatze? Wohin ist denn sein Zopf?
Aber der Gang stimmte. Er musste es sein. So folgte ich ihm. Er lief zu unserem roten Suzuki, holte einige kleine Päckchen aus seinem Rucksack, verstaute sie im Kofferraum. Zwei Päckchen steckte er in die Taschen seiner Lederjacke. Er schlug die Haube zu, wartete. Ich wartete auch, natürlich in gebührender Entfernung. Er sollte mich ja nicht entdecken. Ich musste unbedingt wissen, auf wenn er wartete. Nach fünf Minuten kam ihm sein Meister entgegen. Sie redeten ein paar Worte. Gigan holte ein Päckchen aus seiner Jackentasche und gab es dem Meister. Der überreichte ihm ein paar Scheinchen, die Gigan in seinem Rucksatz verstaute.

Alles klar. Deshalb keine Anzeigen. Die dealten alle. Hatten alle Dreck am Stecken. Müssten alle in den Knast, wenn das herauskäme. Ich hatte sie in der Hand. Doch es war mir egal. Die krummen Geschäfte interessierten mich nicht die Bohne. Mich interessierte nur Gigan. Ich wollte ihn. Alles andere konnte verschwinden. Am liebsten hätte ich mich mit ihm auf einer einsamen Insel verkrochen und nur unserer Liebe gelebt. Doch er wollte nicht. Er wollte nicht einmal hier mit mir leben. Und der Grund war die Kitschfrau. Also musste ich sie auseinanderbringen. Bei diesem Gedanken wurde ich etwas ruhiger.

Der Meister war hinter der blauen Arbeitstür verschwunden. Gigan fuhr mit dem roten Suzuki davon. Zu gerne hätte ich gewusst wohin und besonders, wem er das zweite Päckchen geben würde.

Ich hatte keine Lust mehr auf Sauerkraut, hängte den Beutel an die Türklinke der blauen Arbeitstür, flanierte noch eine Weile planlos auf dem Markt umher, lief zurück zu dem Gebäude. Das Sauerkraut war verschwunden.

*

Es war schon fast dunkel, als ich zu Hause ankam. Vor der Haustür stand ein Mann, den ich nicht kannte und der mich ganz offensichtlich fixierte.
Sofort beschlich mich ein unbehagliches Gefühl. Die Bedrohung aus dem Traum war gegenwärtig. Ich entschied mich für die Flucht nach vorn, schloss betont langsam die Haustür auf. Nur keine Panik. Der Mann war schon neben mir, zwängte sich durch die noch nicht ganz geöffnete Tür den Flur entlang, an den Briefkästen vorbei zur Tür zum Treppenaufgang.
„Suchen Sie jemanden?“
„Ja. Frenske.“ Der Mann stierte mich frech an.
„Hier wohnt kein Frenske.“ Der Mann sollte nicht merken, dass ich Angst hatte. „Vielleicht im Nebenaufgang“, sagte ich unruhig ruhig und stieg die wenigen Treppen zu meiner Wohnung hinauf. Der Kerl hinter mir. Vor der Wohnungstür blieben wir stehen.
„Ich habe doch gesagt“, sagte ich wütend, „hier wohnt kein Frenske. Ich kenne alle Mieter in diesem Aufgang. Fremde haben hier nichts zu suchen. Also verschwinden Sie!“
„Vielleicht eine Treppe höher.“ Der Kerl nahm zwei Stufen mit einmal. „Und seien Sie nicht gleich so aufgebracht!“

Nicht so aufgebracht. Der hatte gut reden. Den wollte ich mal sehen, wie er reagieren würde, wenn dauernd Verfolger hinter ihm her wären.
Hastig kramte ich die Wohnungsschlüssel aus meiner Handtasche, wollte aufschließen, hielt aber, einer Eingebung folgend, inne. Das Licht im Treppenhaus war auch ausgegangen. Da fühlte ich den Fremden neben mir. Ich hatte ihn nicht gehört. Doch er war da und starrte mich an.
„Ich habe doch gesagt, hier wohnt kein Frenske.“ Der unheimliche Kerl musste verschwinden. Mein Herz schlug mir sprichwörtlich im Halse. „Gehen Sie endlich weiter“, sagte ich laut. Vielleicht würde mich ein Mieter im Haus hören. Doch keine Tür öffnete sich.
„Sie.“ Mit einer Hand fasste der Mann nach meinen Schlüsseln, während die andere blitzschnell in meinen Ausschnitt fuhr, meine Brust umklammerte.
„Bist du verrückt?“, schrie ich los. Reflexhaft gab ich dem Kerl einen kräftigen Tritt zwischen die Beine. Der schrie auf, ließ meine Brust los, stolperte, kullerte die Treppe hinunter, stand auf dem ersten Absatz wieder auf, verschwand hohnlachend in den Kellergängen.

Ich zitterte ganzen Leibe, öffnete die Tür, rief sofort, noch immer in panischer Angst, der miese Typ könne zurückkommen, die 110 an.

Nach zwanzig Minuten kam die Streife mit fünf Mann.
„Wir haben alles durchsucht“, sagte ein Polizist in Zivil, „doch den von Ihnen beschriebenen Typ konnten wir nicht ausfindig machen.“
„Es wäre sehr hilfreich“, sagte ein Polizist in Uniform, „wenn Sie den Mann noch einmal ganz genau beschreiben könnten.“
„Er ist etwa fünfunddreißig Jahre alt. Ein Meter achtzig groß. Dunkles glattes kurzes Haar. Schmale verquollene Augen. Die sind mir gleich unangenehm aufgefallen.“
„Können Sie sich erinnern, was er anhatte?“
„Mitteldunkle Jeans. Ein helles Sporthemd. Mit kurzen Ärmeln. Ein Motiv eingestickt auf der linken Seitentasche.“
„Das haben Sie bei all Ihrer Angst so genau gesehen?“
„Ich bin eine gute Beobachterin“, sagte ich gereizt. Glaubte mir der Polizist etwa nicht?
Ein anderer Beamter telefonierte mit seiner Dienststelle.
„Was sollen wir nun schreiben?“, fragte er ins Telefon.
„Es ist Beleidigung auf sexueller Basis“, klärte er mich nach fünf Minuten auf. „Sie bekommen Bescheid. Mehr können wir leider im Moment nicht tun.“

*

Das Verfahren wurde wegen nicht öffentlichen Interesses eingestellt, obwohl ich den Kerl in der Verbrecherkartei erkannt hatte, weil er wegen dieses Deliktes nicht vorbestraft sei und bisher Frauen nur an den Po gefasst hätte. Nicht an die Brust. Vielleicht hätte ich ihn ja auch provoziert, so wie ich gekleidet sei und ich könne ja ein Zivilverfahren anstreben.

*

„Eingestellt“, sagte ich zu Gila, „Männer können sich alles erlauben.“
Wir saßen in der Melodie in der Brückenstraße. Die Flasche Rotwein auf dem runden Glasstisch war schon halb geleert.
„Du erlaubst dir ja auch so einiges“, kicherte Gila, „denk mal daran, was du schon alles angestellt hast.“
„Stimmt“, gab ich zu, „und stell dir vor, Gila, die blöde Kuh hat mich wieder angezeigt. Ich soll am Dienstag zur erkennungsdienstlichen Behandlung kommen.“
„Oh jemine. Warum denn dieses?“
„Die hätten eine Fingerabdruckspur gesichert und wollen mich als Täterin ausschließen oder bestätigen können.“
„Dann Prost!“ Gila stieß mit mir an. „Auf diesen köstlichen Wein und die Rotgefärbte.“
„Mach mal noch deine Witze“, sagte ich beleidigt, „die wollen mich wie eine gemeine Verbrecherin ablichten. Vielleicht noch mit einem Schild um den Hals ‚Hier, seht alle her, das bin ich. Ich renne wie eine Verrückte durch die Straßen und zersteche Autoreifen!‘“
„Und schreibe Drohbriefe. Hast du doch. Oder?“
„Ich soll meine Fingerkuppen in schwarze Tinte tauchen“, überhörte ich Gilas Einwand, „auf weißes Papier drehen.“
„Wenn sie Fingerabdrücke brauchen“, sagte Gila, wieder ernst, „könnten sie diese doch von den Briefen und Karten nehmen, die du Gigan geschickt hast.“
„Und die die liebe Frau Nesselhof in ihrem Wahn zur Polizei gebracht hat.“
„Die Rotgefärbte muss sich ja sehr unsicher fühlen“, kicherte Gila in ihr Weinglas, „wenn sie zu solchen Mitteln greifen muss. Prost Marie!“ Gila hob wieder ihr Glas, bevor sie weitersprach: „Aber eigentlich ist die Polizei nicht berechtigt, dir solche Dinge anzudrohen.“
„Reine Schikane“, empörte ich mich. „Eine Unverfrorenheit. Darauf stoße ich nicht an.“
„Wahrscheinlich kennt das Weib den Bearbeiter, einen gewissen Herrn Barrass, wie du sagst, ja persönlich näher“, vermutete Gila.
„Zuzutrauen wäre es der schon. Darauf stoße ich an.“
„Klar. Sie könnte ja mit dem das Bett geteilt haben.“
„Klar. Gefickt hat die mit dem. Die sieht schon aus wie ne Matratze.“
„Aber Marie! Solch obszöne Worte aus deinem Mund?“, lachte Gila. „Wo bleibt dein gepflegter Wortschatz?“
„Auf dem Scheißhaufen. Wo sonst? Prost!“
„Prost! Auf alle Scheißkerle dieser schönen Welt.“
„Prost! Auf alle blöden Weiber!“, lachte ich.
„Bestimmt hat sie...“, nahm Gila den Faden wieder auf. „Wie könnte es sonst sein, dass sie dir nicht einmal Frist auf Widerspruch einräumen wollen?“
„Mist. Das alles. Und wenn die mich noch wegen des Scheißhaufens und der Kondome anzeigen“, sinnierte ich, „kann ich mein Testament machen. Aber das machen die nicht, weil sie Dreck am Stecken haben."
"Dreck am Stecken?"
"Ja." Ich erzählte Gila, was ich beobachtet hatte.
"Krass", staunte sie, "da werden die sich natürlich hüten, dich anzuzeigen."
"Und das kleinere Übel wählen", lachte ich.
„Deine Taten haben aber auch pathologische Züge.“ Gila sah mich vorwurfsvoll an. „Was hast du dir nur dabei gedacht? Und Zappi macht da noch mit.“
„Er liebt mich eben richtig. Gigan hat immer nur geplappert. Zappi lässt Taten sprechen.“ Weil ich ihn mit dem Bier erpresse, dachte ich. Davon hatte ich Gila nichts erzählt. Vielleicht misstraute ich ja sogar ihr.
„Na ich weiß nicht“, zweifelte sie tatsächlich, „komm, wir zahlen. Ich will noch zum Friseur.“
Nachdenklich verließen wir das gemütliche Melodie an der Ecke.
„Ich würde dir raten“, verabschiedete sich Gila, „noch mal einen Psychiater aufzusuchen. Einen guten natürlich. Ich kenne da einen. Soll ich einen Termin für dich machen?“
„Nein, lass mal“, sagte ich, „das hatte ich schon. Muss ich mir nicht noch mal antun. Ich suche mir lieber einen guten Anwalt.“

***

Fortsetzung folgt
 
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Kommentare  

Na ob Marie da auf dem richtigen Wege ist? Sie sollte besser einen Psychiater UND eine Anwalt aufsuchen.

Else08 (06.02.2013)

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