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Es war ein unbedeutender Abend: Erster Teil

Kurzgeschichten · Romantisches
Es war ein unbedeutender Abend.
Zumindest bis zu diesem einen, eigentlich immer noch recht unbedeutenden, Anruf. Die Augen zusammenkneifend starrte ich auf den viel zu hellen Display meines Smartphones. Lethargie und Lustlosigkeit lähmten meinen sich langsam in Bewegung setzenden Daumen. Ich versuchte mich tiefer in den Mantel aus Gleichgültigkeit, in den ich mich so sorgsam gehüllt hatte, zu verkriechen, doch das nervenaufreibende Klingeln zerriss ihn unaufhörlich. Der Name meines Freundes der dort, beim besten Willen unübersehbar und verurteilend prangte, löste eine Aufwallung von Pflichtbewusstsein aus. Gemeinsam mit einem Rest zusammengekratzter Lebensfreude, ließ sie die Lethargie und Gleichgültigkeit endgültig verblassen. Ich traf eine Entscheidung. Eine kleine unwichtige Entscheidung. Und wie die meisten, ursprünglich belanglos wirkenden Exemplare dieser Art, schuf sie eine Zukunft, einen Weg, der mich in, bis dahin, unbekannte Gefilde führen sollte. Glänzend goldene, silbrig schillernde , beinahe schmerzhaft schöne Weiten erwarteten mich. Doch der Weg dorthin war tückisch.

Erster Teil

Ich fand mich, schon leicht angetrunken, in einem ungewöhnlich dicht besiedelten Pfarrsaal wieder. Tische und Stühle, fast jeder von mindestens einer Gruppe angeheiterter Studenten beschlagnahmt, säumten den ansonsten schlicht eingerichteten, in weiß gehaltenen, Raum.
Ich ließ meinen Blick schweifen. Auf der Suche nach etwas Trinkbarem blieb er erst bei einer großzügig ausgestatteten Küche hängen. Erfolglos. Zügig wanderte er weiter, nur um an einer mit Flaschen gespickten Theke schockiert innezuhalten. Ein echter Bartresen. In einem Pfarrsaal. Meine Ansichten über Gott und die Welt überdenkend setzte ich mich in Bewegung.
Ich hatte kaum einen Schritt getan, da versperrte mir ein freundlich dreinblickender Lockenschopf den Weg. Sie lächelte, stellte sich als Hanna vor und fragte mit wem sie denn die Ehre hätte. Ich wollte schon zu einer langen weit ausgreifenden Erklärung ansetzten, schließlich war ich ein guter Freund, des Freundes einer ihrer besten Freundinnen, als mir Andi und Werner zur Hilfe eilten. “Er heißt Klemens. Wir kennen uns schon seit dem Kindergarten.“ Ich lächelte zurück und erinnerte mich gerade rechtzeitig an den Anlass der Feier, um ihr zu gratulieren. Selbstlos wie ich war, bot ich an, die 2 Flaschen Wein die ich mitgebracht hatte, artgerecht zu verstauen. Sofort fasste ich wieder den Tresen ins Auge. “Dort?“ fragte ich. Sie bejahte. Mit einem, vor Tatendrang nur so strotzenden, Nicken verabschiedete ich mich und setzte meinen Weg fort.
Schwer überfordert von der schieren Auswahl an ordentlich abgefüllter Leberzirrhose, griff ich blind nach einer Flasche, nahm einen Plastikbecher, und schenkte mir ein. Der erste Schluck brannte noch heiß in der Kehle, als ich meinen Blick langsam senkend, den Becher absetzte.

Grün. Das lebendigste, strahlendste Grün, erfüllte mein Blickfeld. Mittig durchzogen von glänzend goldenen Adern aus Sternenstaub, die im Rhythmus der Welt zu pulsieren schienen, nur um sich in eben jenem Grün zu verlieren, das mein Herz so schmerzhaft leicht werden ließ. All das schwebte, umarmt und beschützt, in einem Ring aus sattem, saftigen Spät-Frühling. Kein Atem verließ meine Lungen. Meine anderen Sinne vergaßen sich.
„Was?“ murmelte ich reflexartig, unfähig mich von diesen Augen zu lösen, während meine Gedanken langsam wieder zu fließen begannen. Da waren Lippen. Zart geschwungene, rosige Lippen die in ein schimmerndes, herzzerreißend leuchtendes Lächeln ausliefen. Und sie bewegten sich.

„........könntest du mir denn empfehlen?“. Musik.
Ich sagte etwas. Sie lachte.

Der Klang glich diesem einen Akkord, den man in jedem guten Lied findet. Der Akkord, der alle Vorangegangenen aufsammelt, einhüllt, sämtliche Lücken ausfüllt, um dann schließlich ein in sich perfektes Ganzes zu formen. Es war Nach-Hause-kommen.
„Denise.“
Den Namen sah ich ebenso, wie ich ihn hörte: In einem kurzen Aufblitzen des Grüns ihrer Seele, den leicht geöffneten anmutigen Lippen, und in den kleinen Lachgrübchen die sie einzurahmen schienen.
Ich nahm einen weiteren Becher, und wandte widerstrebend den Blick von ihr ab. Trotz all meiner Bemühungen, war der Name, den ich auf den Behälter krakelte, nichts weiter als ein schwacher Abklatsch. Leicht beschämt füllte ich auf und reichte ihn ihr. Ganz überraschend trat ein freudiger Ausdruck in ihre Züge, der meiner verdutzten Miene unwillkürlich ein breites Grinsen entlockte. Der Sonnenaufgang. Abrupt verschlungen, von einer wütenden Gewitterfront, als ich erfuhr, dass ihr Name regelmäßig falsch geschrieben wurde. Was für Idioten.
Ein weiteres Lachen und die Sonne strahlte wieder.
Als sie sich bei mir für diese, in meinen Augen recht fragwürdige, Mischung bedankte stand mein Herz bereits in Flammen. Sie drehte sich noch einmal mit einem Lächeln zu mir um, bevor sie sich mit dem hypnotisch wiegenden Gang einer Tänzerin, unter die Feiernden mischte.
In dem Sturm aus Faszination, Bewunderung, Ungläubigkeit und purer Glückseligkeit, begannen sich meine tief verwurzelten Selbstzweifel zu regen. Mein Verstand befreite sich gemächlich aus seiner Schockstarre und Angst ergriff Besitz von mir. Wie sollte ich sie auf ein Neues ansprechen? Lieber eine aufrechte oder eine lässige Körperhaltung? Und was zum Teufel sollte ich währenddessen mit meinen Händen machen?
Mit einem tiefen Zug leerte ich mein Getränk, nur um mir erneut etwas einzugießen. „Die Wissenschaft kann sagen was sie will“, schoss es mir durch den Kopf, als sich das Knäuel aus Furcht und Unsicherheit, welches meine Magengegend allumfassend ausfüllte, langsam auflöste. “Bei einer Vielzahl von Gelegenheiten ist der Alkohol ein wahrer Segen.“ Erneut schenkte ich mir nach.
Nur gehörte dieser Abend nicht zu jenen Gelegenheiten.
 
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