14


20 Seiten

Das Land des mittelmäßigen Hasses

Trauriges · Kurzgeschichten
Dort, auf der anderen Seite der Welt, liegt das Land des Schmerzes und der Trauer, der Unglückseligkeit und des Hasses, weit weg von aller Gerechtigkeit, die in Bergen in der Welt diesseits ihre mächtigen Gipfel auftürmen lässt. Diese sind von weithin aus zu sehen, sie haben weiße Kappen aus Schnee, die sie aussehen lassen wie große Zwerge, die sich unter ihren weißen Mützen verstecken, weithin beherrschen sie das Land, das eigentlich einmal so schön war, doch mit der Zeit wurde es zu dem, was es heute ist. Jeder kann den Gebirgszug sehen, doch niemand hat es jemals gewagt, auch nicht die Mutigsten, den Weg dorthin anzutreten, denn die Gerechtigkeit ist soweit weg, dass es niemand wagen mag, den Weg dorthin zu beschreiten. Da stehen diese riesigen Gipfel also, weiß in ihrer Größe und weithin sichtbar, und sie bleiben ein ewiges Mahnmal für das, was dieses Land sein könnte, ein friedliches Tal, in dem die Menschen der Welt ein gutes Leben führen, ohne all diese Grausamkeiten, die jeden Tag geschehen. Der größte der steinernen Riesen mit den weißen Kappen wird von den Bewohnern des Tals der Stürmer genannt, er ist gleichbedeutend mit einem Gott, denn er beherrscht seine um ihn stehenden Kameraden, und sein weißer Gletscher leuchtet am hellsten von allen, jeden Tag ermahnt er die Menschen dessen, was sie sein könnten, und was sie erreichen könnten, würden sie den Egoismus fahren lassen und die Menschlichkeit regieren lassen. Doch kaum einer hat es jemals durchgeführt, was der große Stürmer ihm einflüsterte, denn wer als erster menschlich ist, der wird vom Rest der Unmenschlichen aufgefressen, und das ist dann gleichbedeutend mit seinem Untergang. Jetzt mag man sich fragen, gibt es denn keine guten Menschen in diesem Tal, doch, sie gibt es, doch wenn es auf dem Dorfplatz eine Hinrichtung gibt, dann eilen viele von ihnen hin um sich dieses Spektakel nicht entgehen zu lassen, denn schließlich hat es sich dieser Verbrecher ja verdient, und viele von ihnen beten zwar in der Kirche, doch nicht für die anderen, sondern für sich, und wer für die anderen betet, der ignoriert den Bettler an der Türe, und wer den Bettler nicht ignoriert, der schlägt seine Frau, denn dies ist sein gottgegebenes Recht, und die misshandelte Frau schläft als heimliche Rache mit dem Stallknecht, dieser verführt dann all die Jungfrauen, die ihm unter die Finger kommen, nur um darüber hinwegzukommen, dass die Bauersfrau, die ihn nicht liebt, der aber seine Liebe gehört, sein Flehen keine zweites Mal erhört, und so setzt sich die Kette fort. Wieder nichts Schlimmes, mag man sich jetzt denken, nicht schlimmer als in der gewöhnlichen Welt, auf jeden Fall. Doch es gibt einen Unterschied, den man nicht verachten sollte. Die Menschen dieses Tales kennen die wahre Gerechtigkeit, sie wird ihnen jeden Tag von den weißen Schneezwergen so groß wie Riesen gezeigt, eingeflüstert, im Schlaf träumen sie davon, und sie handeln nicht danach, was richtig und gut wäre, sondern leben in einer Welt, die zu schlecht ist, um darin gut zu sein. Doch Stürmer und seine Gefolgschaft sind stark, sie leuchten weithin, und langsam sickert ihre Botschaft ein, Jahrhunderte schon bewohnen Menschen dieses Tal, und nun endlich scheint die Zeit gekommen, die Wiesen grünen, Leute sitzen in fröhlichen Runden und lachen ob der Herrlichkeit des Lebens, es freut sie einfach nur, am Leben zu sein, was kann es schon besseres geben? Wer böse Gedanken hegt, dem wird verziehen, und bald schwinden sein schlechtes Denken und seine bösen Taten wie Schnee in der Sonne, denn er fühlt sich absolut fehl am Platze, und er passt sich an, und nun geht das Schicksal einmal einen anderen Weg, denn das Schlechte gibt dem Guten nach, wo es doch meist in die andere Richtung verläuft, und die Sonne scheint heller als sie es jemals zuvor getan hat, zumindest erscheint es den Leuten so. Diese Entwicklung, die hier beschrieben wird, ist nicht so schnell vor sich gegangen, wie man nun vielleicht glauben mag, nein, es hat Jahre um Jahre gebraucht, um so weit zu kommen, zuerst ist es nur ein Hof, dass ein kleines Dorf, dann ein zweites in der Nachbarschaft gewesen, dann wieder ein Bauer in einem weit weg liegenden Städtchen, der die Weber um sich beeinflusst hat, und so hat das Gut Sein um sich gegriffen, es sind schon ganze Landstriche betroffen gewesen, und der Prozess hat sich immer mehr beschleunigt. Für die Menschen in den von guten Gedanken angesteckten Gebieten ist diese Zeit eine Freude gewesen, es hat Verbrechen gegeben, ja, und es ist auch bestraft worden, doch meistens ist es aus Armut und Notwendigkeit geschehen, und die Anzahl der Morde und Gewalttaten ist rapide zurückgegangen, denn wozu sollte man sich hassen, wenn man doch miteinander lachen kann? Das Leben hat sich nicht so radikal geändert, wie man nun vielleicht annehmen möchte, denn es ist nur ein ganz klein bisschen anders als sonst, das Dasein der Bewohner des Tals gestaltet sich einfach freier, fröhlicher, von Sonnenschein erfüllt, auch wenn es so hart und arbeitsam wie eh und je ist, denn die Felder wollen bestellt und das Vieh gefüttert werden. Doch die Einstellung hat sich geändert, und das hat ausgereicht, um ganze Tausendschaften von Talbewohnern zum Glück zu führen.
Nun leben die Völker des Tales, denn es sind ihrer nicht wenige, ein Leben, das zunehmend den gar nicht so strengen Maßstäben der Gerechtigkeit entspricht, und man grüßt sich ehrlich freundlich auf der Straße mit erhobenem Hut, man kann es nicht mehr ertragen, eine gar liebende Ehefrau zu schlagen, und diese im Gegenzug weisen die Jungen Stallburschen von sich, Kinder spielen froh im Sonnenschein, Ritter essen und trinken bei Turnieren anstatt sich zu streiten, und ihre Rüstungen liegen daneben im Sonnenschein und glänzen silbrig, als wären sie dafür gemacht worden. Alles perfekt, fragt man sich da, wo ist denn der mittelmäßige Hass? Und gibt es überhaupt mittelmäßigen Hass, denn wie bitte kann Hass denn mittelmäßig sein, es muss doch erst ein wirklich starkes Gefühl das Herz verlassen, sodass es Hass genannt werden darf.
Will man überhaupt wissen, wo der mittelmäßige Hass ist, denn wäre es nicht viel schöner, in dieser Vision von der Gerechtigkeit zu schwelgen, bewohnt von glücklichen Menschen, umgeben von erstummten, weißbekappten Mahnmälern des Gerechten? Denn noch hat die Gerechtigkeit noch nicht alle Menschen erfasst, es gibt noch Hinrichtungen, es wird noch gejohlt, wenn beim Turnier ein gar tapferer Recke vom Rücken seines Pferdes fällt und sich dabei ein Bein bricht, es wird gestohlen und gemordet, doch es wird weniger, und das reicht ja eigentlich fast schon, denn wenn die Ungerechtigkeit und das Unrecht kaum noch fühlbar sind, dann sind sie ja fast schon verschwunden.
Nun gehört aber, und das ist der Clou des Ganzen, das Tal zu den weitläufigen Besitzungen des Grafes, aus dem Hause der doppelköpfigen Adler, und diese kommen jedes Jahrzehnt herbei, um ihre Ländereien und Untertanen im Tal zu besichtigen, denn es ist ein weiter Weg aus dem Kernland der Grafschaft, und selten kann man die Mühe, das Geld und die Zeit aufbringen, um aus dem weit entfernten Herrschaftsgebiet anzureisen. Graf Mormon, Größter der Adler, nun hat es an der Zeit gefunden, dem Tal einen Besuch abzustatten, und er und seine vielköpfige Armee beziehen ihr Quartier in der schwarzen Burg, die mattschwarz weithin schimmert und fast schon einen Gegensatz zu den mahnenden Bergen der Gerechtigkeit bildet. Diese Feste liegt gleich an der rechten Seite des Brigadiers, jenes großen Flusses, der das Tal in seiner gesamten Länge durchzieht. Sein Wasser ist kurz nach seinem Ursprung in den weißbeschneiten Bergen der Gerechtigkeit von einer meergrünen Farbe, wie das schöne, tiefe Wasser der See, doch je länger er fließt, desto mehr Schlamm sammelt er auf seinem Lauf, und er wird immer grauer, unreiner, wenn man so will, und sobald er das Tal verlässt und in Richtung des Kernlandes der Grafschaft fließt, hat er eine rostbraune Farbe, gesättigt mit dem vielen Eisenoxid, das die Ufer des Flussbetts im Umland der schwarzen Burg ziert, und es zu einem gar begehrlichen Gebiet für die Rüstungsindustrie des Grafen macht. Die Burg selbst, die also neben diesem nun schmutzig rotbraunen Strom liegt, hat die Struktur eines Baumes, der, von einem gewaltigen Geschöpf ausgerissen, auf seinen Kopf gedreht worden und dann ohne Gnade in der Boden gerammt worden sein muss. Nun recken sich also die Wurzeln in die Luft, es ist ein wildes Durcheinander, hunderte von Strängen und Armen, die einander überkreuzen und überlagern, die dicksten zu Wachtürmen ausgebildet, und auf all diesen Stegen, die zwischen diese Wurzeln gelegt worden sind, da tummeln sich die hell silbrig glänzenden Recken des Grafen, und bereiten sich auf den nächsten Krieg, der ja jederzeit kommen könnte, vor. Der Graf selbst sitzt im sogenannten Stamm der Burg, in einer riesigen Kammer, die in diesen riesigen schwarzen Pfeiler geschlagen worden ist. Dort nimmt der jeweilige Beherrscher der Grafschaft dann seine Residenz, und betrachtet sein Tal durch das weit ausgebreitete Panoramafenster, das beinahe schon den halben Bogen der Baumes überspannt, und hängt seinen meist düsteren Gedanken nach, denn sein Reich erstreckt sich über den halben Kontinent der bekannten Welt, und wird von allen Seiten bedroht, denn jeder, der Macht will, muss zuerst an dem Imperium der Adler vorbei. Nun blickt er in dieser Zeit einmal auf seine Besitztümer, durch eine Glasscheibe fast so groß und weit wie der Regenbogen, vor ihm zieht sich das weite Tal hin, und es ist ein gutes Land, es produziert genug Korn, um mehr als die Hälfte seiner Soldaten in den Kämpfen gegen die Aufständischen im Norden des Eismeers zu erhalten, die sich nicht so leicht in sein Reich eingliedern lassen wollen. Es wird das goldene Land der Ähre im Volksmund genannt, und seine Untertanen hier akzeptieren seine von Gott gegebenen Rechte, ihm allein steht es zu, sie zu beherrschen, und Unruhen hat es hier seit hunderten von Jahren nicht mehr gegeben. Dies war eines der ersten Länder gewesen, in denen die Grafschaft der hundert Köpfe und ihr Adler jenen großartigen Siegeszug angetreten hat, von dem man sich heute noch überall erzählt, jedes Kind kennt die Legende auswendig, und niemand wird es wohl jemals vergessen.
Er gedenkt nun dem Ruhm seiner Familie, und sein Herz erhebt sich, doch dann wendet er seinen Kopf in Richtung der weißen Berge, die die Gerechtigkeit weit hinten, an der Linie des Horizontes, in den Himmel stellen. Da wird er unruhig, sein Herz beginnt zu zittern, denn Gerechtigkeit zu leben ist den Grafen von Adler nicht eigen, wer ein Reich so groß wie die Welt zu beherrschen hat, der kann auf Recht und Unrecht nicht viel Rücksicht nehmen. Die Berge werfen ihm in einem stummen Gewissen all die Menschen vor, die er dem Tode zugeführt hat, legen ihm all diese Greueltaten zu Fuße, die er für die Erhaltung seiner Macht begangen hat, die weißen Spitzen leuchten weithin in den Himmel hinein, ein stummes Denkmal an alles Schlechte in der Welt, dass nie mehr geschehen darf, und die Grafschaft zu erhalten hat so viel Böses und so viel Leid gefordert, denn mehr als ein Volk ist daran zugrunde gegangen, dass es sich nicht dem Joch der gräflichen Macht unterwerfen hat wollen, und folglich verlangen diese stummen weißen Zwerge mit ihren gewaltigen Kappen nach dem Ende dieser Gewaltherrschaft. Das geht dem Grafen sehr nahe, sein Gesicht wird weiß, und das trotz seiner eindeutig mongolischen Abstammung, denn derer von Adler sind aus dem weiten, unbekannte Osten gekommen, das Gebiet, das jenes weltumspannende Imperium niemals beherrschen würde können, denn dieser ist unbekannt und wird von wilden Kreaturen und Mensche beseelt. Seine Pupillen weiten sich, sein Blick wird glasig und tränengetrübt, seine sonst so harten Gesichtskonturen verschwimmen im Sonnenlicht, dass aus dieser großen Fensterscheibe hineinfällt, und der große starke Graf wankt, er ist nahe daran, sich ob all seiner Untaten aus der schrecklichen schwarzen Burg mit ihren langen Armen zu stürzen. Doch seine böse Seele, die nicht immer böse war, sondern durch das Bedürfnis nach Macht, das derer von Adler eigen ist, korrumpiert worden ist, ist stark, sehr stark, stärker als die Gerechtigkeit, und da beschließt er, und hier soll diese Erzählung ansetzen, diesem stummen Vorwurf mit der weißen Haube aus Schnee ein Ende zu machen.
Er ruft seinen Kanzler, gibt eine Volksversammlung in Auftrag, die Völker des Tales haben sich zu Sonnenaufgang des nächsten Tages vor dem Tor und der Balustrade der schwarzen Burg einzufinden, er würde in seiner Herrlichkeit zu ihnen sprechen, jeder, der es bis zu dieser Zeit mit seinem schnellsten Pferd noch schaffen könne, habe hier zu sein, es winke die Belohnung, nicht dafür bestraft zu werden, nicht zu kommen. Der Kanzler nimmt den Befehl auf, das Volk habe zu und werde gehorchen, und entfernt sich aus der gräflichen Kammer, nach einer demütigen Verbeugung. Der Graf bleibt zurück, blickt nachdenklich auf seinen Waffenschrank, besinnt sich einen Augenblick, dann öffnet er ihn und entnimmt ihm zwei Gegenstände, deren Geschichte die gesamte bekannte Welt schon umlaufen hat. Es sind zwei Streitäxte, zusammen bilden sie eine Einheit und heißen dann die Götterdämmerung, mit ihnen hatte der erste derer von Adler, mit einer Truppe von Reitern aus dem Fernen Osten, den Grundstein für jenes riesige Reich gelegt, das nun den Kontinent umspannt, indem er die großen Könige der damaligen Welt, die nebeneinander in Frieden existiert hatte, in der größten Schlacht der bisherigen Welt mit seiner Armee von Reitern besiegt hatte. Doch das ist eine andere Geschichte. Nun betrachtet er diese Meisterwerke der Waffenkunst, niemand weiß bis jetzt, wer sie in diese Welt gesetzt hat, sie haben die Gestalt von der gebräuchlichen Streitaxt der damaligen Zeit, doch das Metall ändert immer seine Farbe, spiegelt das Licht und verzerrt es, macht hell dunkel und dunkel hell. Dieses Konstrukt strahlt Macht aus und spiegelt sich in ihr, und es ist Symbol und Kraft der gräflichen Herrschaft, und niemand wagt es, ihm entgegenzutreten. Mormon lässt seine Äxte ein paarmal in und aus der Hand springen, dann verstaut er sie hinter seinem Rücken, in eigens dafür vorgesehenen Ledergurten, nun kann er seine eigene Macht spüren, das wird im helfen, Entscheidungen zu fällen und diese dann auch umzusetzen. Hierauf lässt er den Sprengmeister kommen, ein Mann aus dem Norden, Björn, denn sein Verstand sagt ihm, dass ein großes Feuerwerk der einzige Weg sein würde, diesen weißbedeckten Mahnern der Gerechtigkeit das Licht auszublasen. Der gräfliche Sprengmeister, blass in seiner Hautfarbe, von aber eher schmächtiger Statur für einen Nordländer, eilt ehrfürchtig herbei, erweist seinem Herrscher seine Ehrerbietung, und wird konsultiert. Ob es denn möglich sei, mit dem, was die Burg der schwarzen Schrecken zu bieten habe, diese Berge in die Luft zu jagen. Nicht wenig erstaunt gibt der Sprengmeister die Antwort, ja, es sei möglich, und will noch ansetzen, zu erfragen, warum denn seine Majestät dies wünsche, doch vorher wird er angewiesen, gut, wenn dies möglich sein, dann habe er bis morgen Sonnenaufgang die Sprengung dieser Beleidigungen des gesunden Auges und Blockaden eines direkten Weges in die Grafschaft vorzubereiten. Der Graf ist allmächtig, und seine Armeen und Mittel unendlich, und es würde so geschehen, wie er verfügt, auch wenn der Sprengmeister sich schon im Wirkungsbereich des Gebirges der Gerechtigkeit befunden hat, und bekehrt worden ist, und er nimmt sich doch des Befehls des Herrschers an und wird gehorchen, denn der Einfluss des Grafen scheint stärker zu sein. Hängenden Kopfes verlässt der geschickteste Techniker des Mormon die gräfliche Kammer, und herein wird der Oberbefehlshaber der Leibgarde, vielzählig wie Sand am Meer, geführt, ein großer, starker Mann in Kampfausrüstung, mit kleinen, harten und intelligent blickenden Augen. Sein bester Mann, sein bester Stratege, fast so gut wie er, doch niemand übertrifft die Grafen. Auch er beugt seinen Kopf demütig, und empfängt den gräflichen Erlass, bis morgen eine Truppe von 20 000 Mann aufzustellen, mit Tross und Lebensmitteln für zwei Wochen, und der zusätzlichen Verpflegung für ungefähr 10 000 Bauern aus diesem Sektor der Grafschaft. Ein hartes Unterfangen, das wisse er, der Herrscher, doch machbar. Natürlich machbar, Eure Majestät, lautet die Rückmeldung, bis morgen, aber die Männer werden müde sein, wir werden die ganz Nacht durcharbeiten und vorbereiten müssen, gegen wen ginge es denn, er als Befehlshaber der Streitkräfte hätte noch keine Feindesmeldungen erhalten.
"Wir werden diese gotteslästerlichen Berge in die Luft sprengen, Farin, mein Treuer," informiert ihn der Graf, er habe sich mit Björn zu besprechen wegen des Dynamits, und nun könne er sich entfernen, er als mächtigster Mann der bekannten Welt habe nachzudenken. Der beste Mann des mächtigsten Mannes hat den Einfluss der Berge auch schon gespürt, und nur mühsam widerstanden, er weiß also, gegen was es geht, gegen die Gerechtigkeit, die die göttliche Macht des Grafen gefährdet, und er hätte in keinem Falle Fragen gestellt, er hat immer schon bedingungslos gehorcht, und nun, wo auch sein Geist dahinter steht, wird er das nicht gerade Leichte zuwege bringen, etwa 20 000 Mann in einer Nacht auf die Beine zu stellen. Er verbeugt sich in Demut, und begibt sich aus der Kammer, wirft noch einen Blick auf seinen Meister, der, in Gedanken versunken, die Götterdämmerung streichelnd, an seinem großen Fenster steht, und hinter ihm erscheint das weite Tal in der untergehenden Sonne, und breitet sich bis an den Horizont ohne Morgen aus, und das Licht wird von den strahlenden Äxten in die Perversion geführt.
Am nächsten Morgen dann, ganz unvermutet, wacht der große Mormon auf, und das Licht der fahlen Sonne kitzelt seinen langen Schnurrbart in seinem asiatisch geschnittenen Gesicht, und die Ausstrahlung der weißbedeckten Hüter der Gerechtigkeit macht sein Herz schwer. Er weiß, was er zu tun hat, das Volk wartet auf ihn, und er wird es führen. Er springt auf, neben seinem Himmelbett liegt sein Kampfrüstung bereit, und er legt sie über seinen Körper. Sie besteht aus demselben Material wie die Beile der Götterdämmerung, ein Metall von unbestimmbarer Farbe, es führt das Licht ad absurdum, verkrümmt es sowie seine Helligkeit, und es lässt die Macht von sich auswirken, und wer gegen diese Waffen schon hat kämpfen müssen, der weiß, was wahrer Schrecken ist. Nun ist der Graf voll ausgestattet, gemächlich verlässt er seine Kammer, was wartet schon draußen vor der Burg als ein ganzes Volk, sein Kammerdiener und der Sprengmeister empfangen ihn draußen vor seiner Tür, sie hätten es nie gewagt, ihn zu wecken, denn der Graf herrscht absolut in seiner Herrlichkeit, und sie begleiten ihn zu der Plattform über dem großen Tor der Burg, das den Brigadier überspannen muss, denn dieser teilt sich vor der schwarzen Burg in zwei separate, schmutzigbraune Arme, und umschließt sie so in einer Insel. Dort wird die Völkerschaft des Tales warten, hunderttausende von Menschen, zumindest die, die nahe genug wohnen, um dem Aufruf des Grafen Folge zu leisten. In seiner göttlichen Macht tritt der Oberste der Familie von den Adlern des Ostens auf den Vorsprung, der aus dem schwarzen Baum herausragt, die Sonne lässt seine Rüstung und seine Äxte in ihrem matten und gleichzeitig so starken Glanz erstrahlen. Dort, im gelben Lichte, erwartet ihn dann sein bester Mann, um ihm mitzuteilen, dass in der Mindestzeit von einer Stunde 20 000 seiner besten Männer aufbruchbereit seien, mit Sprengstoff beladen und jedwedem Feinde tödlich. Daraufhin blickt der Graf auf sein Land herab, und dort, vor seiner Burg, scharen sich Menschen wie Ameisen, lustig anzusehen, sie bilden sich schwarz auf dem hellen, fast schon weißem, hölzernen Hintergrund des riesigen Tors ab, das herabgelassen den gewaltigen Fluss überqueren muss. Dort warten sie, all diese guten Menschen, von den weißen Bergen zum Guten geführt, und jubeln diesem schwarz leuchtenden Herrscher zu, wie in alten Zeiten, so wie es immer war, wie schon Millionen von Menschen den Adlern zugejubelt haben, es wird sich wohl nie ändern. Mormon ist feinfühlig, die Menge unter ihm, so klein wie Insekten, und doch so mächtig, ist nicht für einen mutwilligen Akt der Zerstörung bereit, denn diese verachtenswerten Zwerge mit den weißen Kappen haben auch hier ihr Werk schon weit gebracht, seine eigene Macht nimmt ab hier, und das spürt er, die Gerechtigkeit will siegen hier, und da beginnt er zu sprechen, und seine Worte fallen noch heute, wenn man sich über die Grafschaft erzählt, und er wird die Menge umstimmen, das weiß er, denn seine Rede klingt mächtig bis in die Weiten des blaugrünen Horizonts und noch weiter:
"Bürger dieses Tales, dieser Städte,
Euer Graf will zu euch sprechen,
Ich zeige euch ein Gottesverbrechen
Das aller Beschreibung spottet
Ein paar weißbehaubte Berge
Auf deren Spitzen weiße Asche rottet,
Nichts als machtlose Zwerge
Flüstern euch ein Leben ein
Das verderbend ist allein
Denn Gerechtigkeit ist Hauch in den Wind,
Blasser Sonnenschein, wenn wir alleine sind,
Doch sobald wir sind viele oder mehr,
Ist gerecht sein gar schwer,
Denn wer die Gerechtigkeit verachtet,
Später sein eigen Glück betrachtet,
Und sich leise seine Hände reibt,
Seine Gegner liegen am Boden, betäubt,
Also war das Gute nur Fahler Schein,
Und das vielgelobte Gut Sein,
War dann doch nur Verderben,
Mit dem unsere Feinde für uns werben,
Um uns dann zu vernichten,
So ist's mit diesen Wichten,
Die dort drüben thronen,
Vernichten wir unsere Feinde, weißbekappte Berge,
Wir, wir wollen sie nicht verschonen,
Jene mittellosen weißen Zwerge,
Wir, die Bürger dieses Tales, Bürger dieser Städte."
Und so spricht der Graf, und weit erschallt seine Stimme in den grünblauen Himmel, den nur diese unsichtbare Linie des Horizonts begrenzt, die unser aller Sichtfeld begrenzt, ziemlich eingeschränkt in seiner Perspektive. Und er nimmt seine Streitäxte aus ihrer Halfterung, lässt sie in ihrem Ruhm leuchten, und rammt sie links und rechts von sich in einer flüssigen Bewegung seiner Arme in die Burgzinnen. Und die Menge jubelt, die Gabeln fliegen, die Kinder schreien, die Männer grölen, die Frauen sind froh, denn der Graf ist mächtig, der Graf ist gut, auf in den Kampf, auf in die Schlacht, das Dynamit steht bereit, die Pferde sind gesattelt, die weißen Riesenzwerge haben keine Macht mehr, auf zum Kampf, auf zum Kampf gegen die Gerechtigkeit.
Und so setzt sich ein großer Tross in Bewegung, zwei mal zehntausend Soldaten und zehntausend Bauersmänner, denn Frauen und Kinder müssen Zuhause bleiben und die Felder bestellen, doch gar mancher Jüngling und auch so manche hübsche Maid schleicht sich in den Zug, um dem Graf zu folgen. Und so marschieren sie vorwärts, den Brigadier entlang in Richtung des Stürmers, dessen Farbe immer schöner wird, marschieren in den Sonnenschein, durch Nebel, durch Regen und dann durch den Schnee am Fuße der Berge, sie sollten drei Wochen brauchen, bis sie bei den Bergen der Gerechtigkeit anlangen würden. An der Spitze, an der Front, auf schwarzglänzenden Pferden, in absteigender Größe, ziehen der Graf, Farin, und Björn, der Sprengmeister, und dahinter, demütig gebeugt, der Kanzler auf seiner Stute, sie führen eine Truppe, die der Anmaßung des Gerechten ein Ende bereiten wird. Der Rest der Armee besteht aus einer Unzahl von Packpferden, die alle nur mit einer Sache beladen sind, nämlich Dynamit, das rot an allen Ecken und Enden dieser vielfachen Tausendschaft an Menschen leuchtet. Und es ist genug Proviant da, und der Zug bewegt sich gemütlich, denn wie sollte der Feind denn weglaufen, und zu den Festen der heiligen Darbietung und der Mitte des Frühlings wird gefeiert, und der Zug ist geeint in seiner göttlichen Aufgabe, diese Frevler gegen alle Werte, die zählen, diese weißbedeckten Ketzer, vom Antlitz dieser Welt zu tilgen. In jener Gefolgschaft ist nur einer, der die Rede des Grafen nicht gehört hat, er ist gerade bei harter Feldarbeit gewesen, hat gelbe Ähren geerntet, als ihn sein geliebter Bruder aufgesucht hat, um ihn zu einem Gefährten dieses Kreuzzugs zu machen, denn bis jetzt hätten sie alles, aber auch wirklich alles Wichtige in ihrem Leben gemeinsam vollbracht. Und Josef hat seinen Bruder Kain begleitet, denn er ist eine gute Seele, also der ideale Nährboden für Stürmer und seine Gefährten, und er hat nicht gewusst, um was es sich bei dieser Unternehmung dreht, und als er es erfährt, dreht er beinahe um, doch er bleibt bei seinem Bruder, er wird ihn nicht verlassen, und vielleicht kann er all diese Menschen von einer Dummheit abhalten. Ein einzelner mag Großes zu vollbringen, denkt er sich, daran glaubt er, und er wird sein Möglichstes versuchen.
Und dann langt der Heereszug schlussendlich am Fuße der Weißen Hüter der Gerechtigkeit an, und der Graf blickt auf ihre gewaltigen, schneebedeckten Hänge hinauf, die sich in das Gewölbe des graublauen, von Schneestürmen durchzogenen Himmels und noch weiter erstrecken, und die Ehrfurcht will ihm das Herz verdrehen, er will schon fast kehrt machen, denn die Macht dieser Riesen mit der Kappe ist stark, und sein dunkles Herz nicht so fest wie er es gern hätte. Und doch setzt sich sein schwarzer Wille wieder durch, während seine Gefolgschaft wankt und die Berge ihre Wirkung entfalten, er nimmt eine Stange dieses unheilvollen Dynamits, setzt es in Brand und wirft es auf die Schneebedeckten zu, als eine Kampfansage, und es explodiert laut in das monotone Pfeifen des Schneesturms, und die Menge wird aus ihrem Bann gerissen, und die Masse jubelt und tost, Wut auf die anmaßende Gerechtigkeit wird frei, unkoordiniert rennen die Menschen zu den Packeseln mit dem Sprengstoff, erste Stangen werden den Soldaten entrissen, der Hass wird frei, er muss nur mehr genutzt werden, all diese Gefühle müssen in die richtige Bahn gelenkt werden, und dann wird der Berg fallen, und seine Brüder mit ihm. Und die Soldaten des Grafen besorgen diese Aufgabe schon, sie teilen die Masse in Teams mit verschiedenem Betätigungsfeld, das Chaos wird organisiert, Dynamit wird den wütenden Bauern wieder entrissen, denn es sei Verschwendung, dies so ohne Plan irgendwo zu plazieren, es müssten erst Stollen an den statisch richtigen Stellen gebaut werden, dafür gäbe es einen gräflichen Plan, ausgearbeitet von Björn, dem besten Sprengmeister der Bekannten Welt, und die Bauern fügen sich, helfen den Soldaten, und das geplante Ende der Gerechtigkeit rückt nahe. Und der einzige, der sich nun auf die Seite des Gerechten schlägt, ist Josef, der Bauer, er hat die Rede nicht gehört, er ist unverdorben, seine Mission ist vorgegeben, und er stellt sich auf einen spitzen Felsen mitten im Getümmel, und erhebt seine Stimme, und auf einmal ist es ruhig, das eifrige Hin und Her um ihn herum kommt zum Stillstand, denn seine Stimme ist weithin hörbar; und er ist ein großer Redner, auch wenn ihm das wohl nicht so im Bewusstsein steht, und durch ihn spricht eine Macht, die Gerechtigkeit der Berge, die diese Welt wohl so schnell nicht wieder sehen wird. Und er redet von den guten Zeiten, die diese Botschafter mit den weißen Hüten gebracht haben, er erzählt von dem Lachen, der Freundschaft, der Ehrlichkeit, die das Tal erfasst hatten, er redet vom beginnenden Ende alles Hasses, das diese Berge darstellen könnten, das hier zerstört werden soll, denn der steinerne Gipfel sei der Schlüssel zu allem, warum wüssten sie alle das nicht? Der Stürmer der Gerechtigkeit werde Frieden auf Erden bringen, so spricht er, und wir hier im Tal seien die ersten, um diesen Segen zu erfahren, wir könnten in die Welt hinausziehen, um diese Botschaft zu verbreiten, wir seien das auserwählte Volk, und diese Berge unsere Führer auf dem Weg in den Himmel, warum sähen sie denn alle diese unendliche Gnade nicht, fragt er. Und die Menge wankt wieder, und fast wären die Weißbekappten Zwerge der Bergwelt gerettet gewesen, denn sie sind stark, und ihre Macht groß. Doch der Hass ist stärker, und Kain, der Bruder Josefs, kann dieses Gerede nicht ertragen, er steht links zu Füßen seines großen Bruders, der Graf hat ihn tief beeinflusst, und jener ist am anderen Ende der Heeres, und er weiß nichts von dieser Bedrohung. Und von Kain wird er es erfahren, denn dieser verrät seinen Bruder im absoluten Glauben an eine Mission, die ihm eingepflanzt worden ist. Er verständigt seinen Zugführer, denn Josef predigt inmitten von Bauern, und kaum ein Soldat ist in der Nähe, der ihn stoppen könnte. Bald darauf eilen dann die Schergen des Grafen herbei, und das Haupt des Josef wird im Triumph durch die Menge getragen, und bei diesem Anblick verfällt Kain in Wahnsinn, denn sein schwacher Geist kann mit seinem Verrat nicht umgehen, und er ist ja doch kein schlechter Mensch.
Schnell wird dieser Vorfall vergessen, gleich den Worten des Josef, und bald sind alle Stollen gegraben, an den richtigen Stellen, nach wenigen Wochen, und die schneebedeckten Flanken jenes mächtigen Gebirges sehen aus wie Schweizer Käse, mit rot leuchtenden Kerzen aus Dynamit gefüllt. Am großen Tag dann, genau zwei Monate vor dem heiligen Fest der Gründung der Grafschaft, steht Graf Mormon vor dem Auslöser, der die Weißbekappten in die Luft jagen wird, und 20 000 Soldaten und 10 000 Bauern stehen hinter ihm, begeistert, bereit zu jubeln, und den Bergen wird es schlecht ergehen, und ihre Macht wird im Staub versinken. Und dann betätigt er den Hebel, das Herz von Björn, dem Sprengmeister, hebt sich, denn alles funktioniert, und die rechte Hand des Grafen ist zufrieden und erleichtert. Die Weißbehaubten Ketzer sind nun vernichtet, der schleimerische Kanzler gratuliert seinem großen Herren voreilig, die Menge ist außer sich.
Ein peitschender Knall, und mehrere orangerote Feuerbündel sind zu sehen, und auf ein mächtiges Grollen hin erhebt sich eine riesenhafte, weiße Staubwolke aus den Trümmern dessen, was einmal die Gerechtigkeit war. Das Grollen steigert sich zu einem dumpfen Schrei, so scheint es zumindest manchen Leuten, der vom blauen Himmel zurückgeworfen wird, und das Gebirge bricht in sich zusammen, es war hohl geworden, und alles was es noch ausstoßen kann ist dieser große Pilz aus Staub. Hätte es schon Atombomben gegeben, hätten sich wohl viele Leute in Sicherheit begeben, denn es sieht gefährlich ähnlich nach einer Explosion gleich jener im Becken von Hiroshima aus. Doch es ist nur harmloses Pulver, die Asche eines toten Riesen, der in sich selbst zusammengefallen ist, trotz all dieser Arbeit, die er in die Menschen investiert hat, vergebens, wie es scheint. Er hatte sein Inneres gegeben, die Steinmassen, die seinen Bauch bewohnt haben, die hat Stürmer geopfert, um die Gerechtigkeit zu verbreiten, er hat sich selbst ausgehöhlt, um etwas zu bewirken, und die Menschen haben es ihm mit der Vernichtung gedankt.
Diese verachtenswerten Wesen ziehen nun davon, jubelnd in ihrer Blindheit, und lassen die positivste Kraft ihre Tales in sich zusammengefallen zurück, zerbröselt, und niemand sorgt sich um die immense Staubwolke, die hinter ihnen am Horizont aufsteigt. Der Anblick ist majestätisch, wer von der Gefolgschaft der 30 000 zurückblickt, der sieht diesen Atompilz, der sich weiß und gewaltig gegen den tiefblauen Himmel abhebt, seinen Stengel, wenn man ihn so bezeichnen kann, der immer dicker wird, und vom Wind schon zerrissen ist, und seine Kappe, die sich langsam aber beständig ausdehnt und aufbläht und sich den Horizont entlang ausbreitet . Schon hat sie fast alles, was vom Gebirge noch übrig geblieben ist, in Schatten gehüllt, doch das Heer das Grafen hat nichts zu fürchten, kaum einer dreht sich um, und wem es dennoch einfällt, der wendet seinen Kopf sehr schnell wieder nach vorn. Die Armee begibt sich nun zu der grünen und saftige Wiese, die ihr als Lager dient, und feiert dort den großen Triumph. Ihre Krönung finden die Feierlichkeiten in einer großen Rede des Grafen, die die Vernichtung der anmaßenden Feinde aller Werte lobpreist, und in den frühen Morgenstunden dann legt sich auch der letzte betrunkene Soldat zur Ruhe, und auch der letzte Bauer fällt bewusstlos um, und als dann in den nächsten Tagen die gesamte Gefolgschaft zu den heimatlichen Feldern und Burgen aufbricht, herrscht eine gute Stimmung, die jedoch nicht echt sein kann, den der schmerzliche Verlust, den sich die Menschen des Tales durch die Sprengung der Gerechtigkeit zugefügt haben, sitzt tief, und wird sich erst später bemerkbar machen.
Vorerst aber zieht das größte Heer, das die Grafschaft jemals aufgebaut hat, jubelnd und bejubelt, in das Tal ein, die Menschen stehen an den Straßenrändern und huldigen den großen Kriegern, die es zuwege gebracht haben, sie von dem Joch der weißbedeckten Berge zu befreien. Auf dem Weg zurück zur schwarzen Burg zerstreut sich das Volk, das den Graf begleitet hat, um Zuhause dann von all jenen Ruhmestaten zu berichten, die notwendig waren, um den weißbestreuten Feind aller Menschen in die Luft zu jagen. Eine seltsame Begeisterung scheint alle Bewohner des Tals erfasst zu haben, man könnte meinen, die Gerechtigkeit habe gesiegt, und sei nicht in die Luft gesprengt worden, so überzeugt sind alle Bauern, Soldaten, Handwerker, Frauen und Kinder von der Richtigkeit ihres Tuns, so dass man die wahre Natur der Menschheit nicht allzu schwer erfassen kann. Die Macht Stürmers, so groß sie auch gewesen ist, hat wohl nicht ausgereicht, um diese Leute gut zu machen, er ist ihr erstes Opfer geworden, und das Tal schwelgt in Freude, und seltsamerweise herrscht wieder eine ähnlich euphorische Stimmung wie zu Beginn unserer Erzählung, als der Graf noch nicht im Lande gewesen ist, und als die Menschen gerecht wurden, langsam, aber sicher.
Doch anderweitige Effekte des Angriffs auf die Berge lassen nicht lange auf sich warten. Manch einer erinnert sich vielleicht noch an diese gewaltige Wolke aus weißem Staub, teils bestehend aus Gestein, teils aus Schnee, der die weiße Haube des Gebirges der Gerechtigkeit gebildet hat. Nun, dieser Pilz aus feinem Pulver wurde wie gesagt vom Wind verweht, und wie die Gerechtigkeit es halt so will, treibt diese starke Brise das feine Material in Richtung des Tals und seiner Menschen, und verteilt es relativ gleichmäßig, entlang des Brigadiers in seiner vollen Länge, so dass es fast über dem ganzen Tal steht, eine unheilvolle Wolke, die den Menschen mehr als Angst einflößt, als sie das Tal in Schatten taucht. Die Bewohner des Tals schauen auf, und sehen keinen blauen Himmel, wie es sein sollte, denn die Regenzeit ist schon lange vorbei, aber auch keine Schlechtwetterfront, denn es geht kein Regen nieder. Und die Wolke scheint einige Zeit über dem Tal zu verharren, wie um den Menschen das Fürchten zu lehren, und der einzige, der sich keine Sorgen macht, ist der Graf. Doch in Wahrheit sinkt sie nieder, und dieser Vorgang ist für die Menschen dort unten aufgrund der immensen Höhe nicht zu erkennen. Doch das Herabsinken des Staubes der Gerechtigkeit macht sich noch früh genug bemerkbar, denn nach ungefähr einer Woche geht er als eine Art feiner weißer Regen über den Feldern und den Häusern der Leute des Tales nieder, und gibt dem Brigadier eine weiße Kappe aus Pulver, die langsam vom Wasser hinweggespült wird.
Nun, dass diese weiße Asche die Siedlungen der Menschen bedeckt, ist nicht allzu katastrophal, obwohl so manches Kleinkind daran erstickt, denn als glitzerndes, schönes Pulver lädt sie geradezu dazu ein, in den Mund gesteckt zu werden. Doch die bei weitem schlimmste Auswirkung dieses feinen Niederschlags ist die Zerstörung jeglicher Ernte, die das Tal bieten kann, denn einerseits nimmt die lange Periode des Schattens den Pflanzen jegliches Licht und damit auch Leben, und andererseits werden ihre Blätter und Wurzeln durch einen Überzug mit diesem weißen Pulver des Sauerstoffs beraubt und damit erstickt. Viele, viele Bewohner des Tales werden dadurch den Hungertod sterben müssen, viele mehr werden ihre Existenzgrundlage verlieren, und das Tal als ganzes würde wohl nie wieder die Getreidekammer der Grafschaft werden, die es zur Zeit ist, denn wer wusste denn, ob dieser Staub den Boden nicht auf Dauer unfruchtbar machen würde. Für den Grafen ist diese Entwicklung wohl ein Ärgernis, doch aufgrund der schier unfassbaren Größe seines Reiches nicht weiter gravierend. Doch für die Bewohner des Tals und für die Versammlung der Bürgermeister des Tales, was wohl so eine Art Parlament für das Tal darstellt, bedeutet es die größte Katastrophe aller Zeiten, die Bedrohung der Existenz des Tales, und es wird nach einem Schuldigen gesucht, wie in solchen Zeiten üblich. Wer habe denn unsere Berge vernichtet, unsere Hüter des Gerechten mit ihren weißen Kappen, in denen wir jetzt ersticken, wird gefragt, im Volke, aber auch unter den führenden Politikern. Und auf einmal ist die Gerechtigkeit wieder da, vielleicht durch das Pulver der Gerechtigkeit, vielleicht durch die Menschen, sie wird sogar eingefordert, das Graf müsse für das bezahlen, was er angerichtet habe, schreien die Bürgermeister und auch das Volk. Der Große Mormon, mittlerweile, sitzt sorglos in seiner Burg, er hält sich für zu mächtig, um angetastet zu werden, außerdem kann er sich nicht in das Gefühl eines Weltuntergangs hineinversetzen, das das Tal erfasst hat, für ihn ist das alles nicht so wichtig.
Und jene 20 000 Mann, die zur Expedition zum Stürmer der Gerechtigkeit bereitgestellt worden sind und zum Großteil aus dem Tal rekrutiert worden sind, fragen sich, warum denn ihr Land so leiden muss, warum ihre Familien sterben und ihre Heimat zugrunde geht, und im Nachhinein wird die Wirkung der Berge wieder als positiv beurteilt, sie sind den Märtyrertod gestorben, getötet von dieser Bestie mit dem Namen Graf. Und alle Menschen des Tales vergessen, dass sie bei der Zerstörung des weißbestreuten Gebirges der Gerechtigkeit mitgewirkt habe, besonders gründlich jene, die tatsächlich dabeigewesen sind. Und im Volke und unter den zwanzigtausend Soldaten, unter den führenden Bürgermeistern, die gleichzeitig Abgeordnete einer Art von Parlament sind, erhebt sich eine Saat der Rebellion, die sich mit blitzartiger Geschwindigkeit ausbreitet, denn die Bewohner des Tales sind stolz, mutig, und rigoros in der Ausführung ihrer Pläne. Das ist nun einmalig in der neueren Geschichte der Grafschaft, denn niemand in der Nähe des Kernlandes hat es für eine lange Zeit von Jahrhunderten gewagt, gegen die schrecklichen Burgen und Streitkräfte derer von Adler, die aus dem Osten kamen, anzutreten, der einzige Unruheherd ist immer nur der hohe Norden gewesen. Nun, vor der Schwarzen Burg des Schreckens lagern 20 000 Soldaten, von denen der Großteil sich schon fast über Nacht zu einer Rebellion schon mehr oder weniger entschlossen hat, 10 000 Bauern halten schon die Mistgabeln oder sonstige Waffen in der Hand, die sie für einen Sturm auf die Burg gebrauchen könnten, und mehr als 4 mal 10000 Bauern, wütender als ein Eber, den man in den Bauch gestochen hat, sind unterwegs, um den Grafen zu stürzen. Jener ist schlecht informiert, seiner besten und treuesten Männer zu weit von dem einfachen Soldaten entfernt und zu hoch in ihrer vielarmigen Burg oben, um diesen beginnenden Aufstand zu realisieren. Er fühlt sich zu groß und entrückt, um angegriffen zu werden, das hat noch niemand gewagt und wird auch niemand wagen, und auch wenn er jene sich wild aufbauende Stimmung im Volke spürt, denn er ist sehr feinfühlig, will er sie aufgrund seines Größenwahns nicht wahrhaben. Und doch, der Volksaufstand zieht heran, viel Dynamit ist noch im Umlauf von der Zerstörung der Berge, die Krieger vor der Burg kennen diese außergewöhnlich gut, die Bauern haben sich erhoben, und alle sind von einem Hass beseelt, der fast schon nicht mehr mittelmäßig ist, und die Burg ist nur mit etwas 4000 grafestreuen Männern besetzt. Nun wird das Dynamit des nachts herangekarrt, an der Basis des Turmes des Schreckens angebracht, und Verräter oben im Geäst des umgedrehten Baumes befestigen armdicke Taue an den Armen, die dazu dienen sollen, das ganze mattschwarze Konstrukt durch einen starken Zug zu stürzen. Und bevor die Wachmannschaft der Burg die Ereignisse erfasst, explodiert im frühen Morgengrauen der Sprengstoff am Fuß der Festung des Grafen, die ja einem umgedrehten Baum, mit den Wurzeln in der Luft gleicht, und der Turm des Schreckens ächzt, und durch den Zug von zig-tausenden wütenden Männern biegt er sich stark, und fällt schließlich. Wie ein Schwarm Heuschrecken läuft die Mannschaft der Feste durcheinander, hält sich fest, wo sie kann, und viele von den Männern gehen beim Sturz zugrunde. Als der Graf realisiert, was soeben geschehen ist, hält er es für unmöglich, denn die Burgen derer von Adler wurden noch nie zerstört, das Material, aus dem sie bestehen, gilt als härter als Stahl, und doch ist sie gefallen, und er mit ihr, und nun gilt es, sich und sein nacktes Leben zu retten, was wohl eindeutig unter der Würde eines von Adler ist.
Doch warum ist die Burg gefallen? Als die Streitmacht des Tales all ihren Hass eingesetzt hat und an den vielen Tauen gezogen hat, hat die Burg gestöhnt und gequietscht, und schließlich ist sie gebrochen, ihr Material hat dem immensen Druck nachgegeben, und die Zacken der gebrochenen Rinde des Baumes haben in die Luft gestochen, und eine scharfe Silhouette gegen die einsetzende Morgenröte gebildet. Auch die schwarze Burg des Schreckens hat sich ausgehöhlt, hat ihr Innerstes gegeben, im Kampf gegen die Gerechtigkeit, gegen die Macht der weißbehaubten Berge, hat das Duell der Giganten aufgenommen. Aus diesem Grund hat das Gerechte nie ganz das Tal erfassen können, deswegen ist es dem Grafen so leicht gefallen, diese Menschenmasse auf seine Seite zu ziehen, denn seine Stärke und die Macht der Burg haben zusammen gewirkt. Schwarze Flüssigkeit quillt aus ihren Überresten, fast könnte es Blut sein, ihre Äste nun sind gebrochen, ihre Mannschaft zu einem Großteil tot, ihr Graf auf der Flucht. Sie hätte nie gestürzt werden können, wäre sie voll im Inneren gewesen, doch die Gerechtigkeit fordert ihren Preis. Was von den Bewachern der Burg ihren Sturz überlebt hat, wird hinweggeschlachtet, obwohl diese Leute sie die ganze Zeit hinweg bewacht haben und am wenigsten mit der Sprengung der Berge zu tun gehabt haben. Doch die Gerechtigkeit hat dieses Tal verlassen. Der Graf, inzwischen, der einzig wahre Schuldige, hat eine kleine Schar von Getreuen um sich gesammelt, darunter Björn, den Sprengmeister, und Farin, seine Rechte Hand. Sie reiten auf schwarzen Pferden, fürchterlich anzusehen in ihrer Rüstung und mit ihren gefährlich geblähten Nüstern, und die Götterdämmerung wütet gar furchtbar unter den Streitern aus dem Tal, sie fallen ohne merklichen Widerstand, und die Streitäxte glänzen im Licht des frühen Morgens, sie scheinen wirklich dazu imstande zu sein, Götter zu vernichten. Und so kämpf sich die kleine Truppe des Grafs, denn dieser ist mächtig, ihren Weg durch die gewaltige Streitmacht des Tales, bevor sie richtig von den Heeresführern dieser Armee bemerkt werden, und die Rache des Mormon wird fürchterlich sein, denn diesen Frevel kann er nicht ungestraft lassen. Die Sprengung der Berge hat ihm einen breiten Weg für seine Armeen, die groß und ohne Zahl sind, freigemacht, und er wird Gerechtigkeit in seinem Sinne walten lassen, ohne Zweifel. So ist der einzig wahre Schuldige der Rache der Bewohner das Tals entkommen, und der Gerechtigkeit wurde in keinster Weise genüge getan, auch wenn die Burg des Schreckens gestürzt worden ist. Nur Unschuldige sind gestorben, und noch viele mehr werden sterben, denn der Winter, der durch den Staub ausgelöst wurde, und der damit verbundene Hunger, werden so schnell nicht vorbei sein, und viele Menschen des Tales werden ihr Leben lassen müssen, während der Brigadier das Blut der durch die Rebellion Gefallenen langsam mit sich trägt und ins Meer spülen wird, in die See des Vergessens, die gleich neben dem Meer der Farben liegt. Fast könnte man es Gerechtigkeit für die zu Unrecht vernichteten Berge nennen, doch diese ist gut von Natur, und was sich nun im Tal abspielt, ist alles andere als gut, also kann es unmöglich Gerechtigkeit sein, sondern muss so etwas wie die Menschlichkeit der Menschheit darstellen. Leute sterben, die Natur und die Landwirtschaft ersticken, kurz gesagt, die Gerechtigkeit und das damit verbundene Glück sind gewichen, und es herrscht der mittelmäßige Hass. Mittelmäßig deswegen, da die Menschen zuviel Angst vor der unzweifelhaft grausamen Rache des Grafen haben, um ihn ganz und voll zu hassen, und schon an Aufgabe denken. Nun versinkt dieses Land also in seinem von Angst erdrückten, nur mehr mittelmäßigen Hass auf den Grafen, und auch seine Bewohner hassen sich selbst und einander mittelmäßig, und man wird sehen müssen, wie es weitergeht, dort, auf der anderen Seite der Welt, wo die schwarze Burg des Schreckens ausblutet und der Stürmer still in seinem Grabe ruht.
 
Wenn du registriert und angemeldet bist und selbst eine Story veröffentlicht hast, kannst du die Stories bewerten, oder Kommentieren. Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diese Story kommentieren.
Weitere Aktionen
Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diesen Autoren abonnieren (zu deinen Favouriten hinzufügen) und / oder per Email weiterempfehlen.
Ausdrucken
Kommentare  

Mein lieber alter Kollege,
schön dich endlich auch hier anzutreffen! Und allen übereifrigen Kritikern (und eigentlich bin ich ja einer deiner schlimmsten): Schreibt mal eine so schön konzipierte Story! Kommt, versucht es!


Frittbert von Narrenthal (13.01.2003)

Ich bin nicht einmal zur Hälfte gekommen, das ist mir zu hölzern und zu nichtssagend. Solch einen Schreibstil hat man im Mittelalter benutzt, ich kann damit nichts anfangen.
[Sabine Buchmann]

Gute Story! Gefällt mir!
[Ingo Löchel]


Jurorenkommentare (03.05.2002)

Ich glaube, es sind nicht die fehlenden Absätze, sonders das Fehlen von wörtlicher Rede, die das Lesen dieser Geschichte so erschweren. Ansonsten ist sie gut gelungen.

Stefan Steinmetz (28.04.2002)

schließe mich der werwölfin an und Absätze hätten den Text auch leichter lesbar gemacht.

christine (11.04.2002)

Die Situation mit dem "mittelmaessigen Hass" ist gut beschrieben. Fast schon ein wenig zu breit erklaert Ein paar Staetze haetten weggelassen werden koennen dann waere es interessanter fuer den Leser gewesen. Trotzdem hat mich deine Geschichte zum Denken angeregt. weiter so!

werwölfin (07.04.2002)

Login
Username: 
Passwort:   
 
Permanent 
Registrieren · Passwort anfordern
Mehr vom Autor
Empfehlungen
Andere Leser dieser Story haben auch folgende gelesen:
---
Das Kleingedruckte | Kontakt © 2000-2006 www.webstories.eu
www.gratis-besucherzaehler.de

Counter Web De