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Rotkäppchen und der abgrundtief langweilige Wolf featuring

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
Es war einmal ein kleines, bitterböses Mädchen, das hatte jedermann lieb, aber nur wenn man ihm ausreichend Geschenke machte. Am allerliebsten hatte es ihre Großmutter, die sie bei jedem Besuch mit einer Fülle an Puppen, Süßigkeiten und einem stattlichen Taschengeld überschüttete, weil sie unermeßlich reich war und dank ihrem erbärmlich aussehenden Haus auch so gut wie keine Steuern zahlte. Von ihrer steinreichen Oma hatte das Mädchen einst eine mit Rubinen gezierte Kappe bekommen, weswegen sie alle von da an Rotkäppchen nannten. Natürlich nur, wenn sie in der Nähe war, sonst nannten sie sie Teufelskind.

Eines Tages sprach die Mutter zu Rotkäppchen: „Komm, Rotkäppchen, da hast du einen Kuchen und eine Flasche Limonade. Du kannst das auf dem Weg zu deiner Großmutter verzehren. Ihr habe ich ihre Steuererklärung und ihren Kontoauszug in den Korb gepackt. Darüber wird sie sich bestimmt freuen. Mach dich auf, bevor es zu heiß zum Golfen wird, komm nicht vom Weg ab, sonst sprechen dich irgendwelche Zeugen Jehovas an und du erreichst deine Oma nicht rechtzeitig auf dem Grün.“
„Ja ja“, sagte Rotkäppchen und machte sich auf den Weg.
Die Großmutter wohnte eine halbe Stunde von dem Kuhdorf entfernt, indem Rotkäppchen und seine Eltern lebten. Wie nun Rotkäppchen durch den Wald kam, begegnete ihm ein Wolf. Besser gesagt es stolperte über ihn und ließ den Kuchen und die Limonade fallen, so dass beides unansehnlich auf der Straße lag, inmitten von Glasscherben.
„Hey... wer weckt mich... aus meinem Schlaf?“, brummte der Wolf müde.
„Du blöder Wolf, sieh was wegen dir geschehen ist! Mein schöner Kuchen und die Limonade sind mir auf den Boden gefallen!“, kreischte Rotkäppchen den aufgeweckten Wolf an.
„Nur die Ruhe... junges Fräulein...“, gab er noch von sich, bevor er wieder einschlief.
Mit einem 'Hmpf' ging das Rotkäppchen wieder seines Weges und kam bei der Großmutter an. Es klopfte und die Großmutter rief: „Wer ist dort?“
„Ich bin es, das Rotkäppchen!“, rief es freudig.
„Komm nur herein, ich bin gerade beschäftigt!“
Es trat hinein und sah durch die Hintertür des Hauses ihre Großmutter beim Golfen. Rotkäppchen stellte den Korb mit den Papieren auf den Tisch im Haus und ging zu ihr.
„Geh in den Keller und such dir deine Geschenke aus, mein Kind“, sagte die Großmutter, bevor sie zum Schlag ausholte und den Golfball über die große Lichtung hinter ihrem Haus schoss.
„Ist gut“, antwortete Rotkäppchen und verschwand durch eine getarnte Bodenluke in den Keller, der mit allem angefüllt war, was sich ihr Herz wünschte. Und das war nicht gerade wenig.

Indessen lag der Wolf immer noch auf der Straße und schlief, als plötzlich jemand auf seinen Schwanz trat, worauf er schrecklich aufheulte.
„Erwache!!!“
„Jetzt bin ich wach...“, murmelte der Wolf, seinen Schweif haltend.
„Ich bin hier um dich Gott näher zu bringen.“
„Was will die Welt von mir, ich möchte doch nur schlafen! Heute früh diese alte Frau, dann dieses freche Mädchen und nun auch noch ein Zeuge Jehovas. Mir reicht's, ich gehe woanders hin.“
„Sagtest du alte Frau?“
„Ja, so eine alte Frau, die mich mit ihrem Golfschläger fast todgeprügelt hat, nur weil ich auf ihrem Ball lag.“
Der Wolf trottete die Straße entlang, den Mann in der weißen Kutte unbeachtet lassend. Er kam zu dem brüchig erscheinenden Haus der Großmutter und dachte sich: „Dort wohnt bestimmt keiner mehr, da kann ich in Ruhe dösen.“ Mit leisen Schritten betrat der Wolf das Haus und legte sich in das klapprige Bett der Großmutter. Sofort war er eingeschlafen und kümmerte sich nicht um die Schlaggeräusche aus dem Garten.

Der listige Mann, er hieß übrigens Walter, dachte sich: Die Alte kannst du leicht überzeugen. Und er folgte dem Wolf bis zu dem Haus und klopfte an der Tür.
„Wer ist dort?“, brummte es aus dem Haus.
„Ein Mann Gottes!“, rief Walter.
„Das muss ein Traum sein“, brummte es zurück, „Kommt doch herein, ich schlafe wohl.“
So trat der Zeuge Jehovas in das Haus, sah jemanden im Bette liegen und trat zu dem verhangenen Gelege.
Der Wolf, der dachte, er träume immer noch, atmete schwer und klang wie eine alte Frau.
„Wollt ihr, meine Dame, die wahren Lehren Gottes empfangen, bevor ihr euren letzten Atem tut?“
Vom Bett her grummelte es, der Wolf gähnte kurz, worauf Walter erfreut seine Mappe präsentierte.
„Sind sie nun gewillt, uns beizutreten, meine Dame?“, sagte er nach einer halbstündigen Predigt und beugte sich dafür über den Wolf.
Dieser roch das Fleisch des Mannes und immer noch im Traume verschlang er Walter mit Haut und Haar.

Das Rotkäppchen, dass sich inzwischen vollgefressen hatte, kam mit einem Berg an Puppen und anderem Spielkram aus dem Keller und sah zugleich seine Großmutter erschöpft vom Golfen durch die Hintertür treten.
„Na mein Liebes, hast du dir deine Geschenke zusammengesucht?“
„Ja, Großmutter“, antwortete das Rotkäppchen strahlend.
Die Großmutter sah den Korb auf dem Tisch und überprüfte die Zettel in diesem.
„Vielen Dank, das du mir den Korb gebracht hast, mein Kind. Ich werde mich jetzt ein wenig schlafen legen.“
Rotkäppchen begleitete ihre Großmutter zu Bette und als diese sich legen wollte, verschlang sie der Wolf ebenso. Das Rotkäppchen schrie auf und wollte davonlaufen, doch da es zu viel gegessen hatte und über ihr fallengelassenes Spielzeug stolperte, konnte sie nicht mehr davon.
Der Wolf stand mit geschlossenen Augen auf und schlafwandelte einige Meter dem Geruch des saftigen Rotkäppchens nach und fraß sie auch. Dann legte er sich wieder und schlief bis in die Nacht.

Dort kam ein armer italienischer Straßensänger des Weges und beschloss vor dem Haus der Großmutter, also jetzt das Haus des Wolfes, zu singen. Sein Gesang war so schrecklich, dass der Wolf erwachte und auf der Stelle erbrach. In dem Erbrochenen sah man eine rote Kappe, einen weißen Umhang und einen Golfball, denn die Menschen hatte der Wolf natürlich schon verdaut.

Und die Moral von der Geschicht: Störe schlafende Wölfe nicht. Oder: Zeugen Jehovas haben es verdient aufgefressen zu werden, genauso wie gierige Mädchen und betrügende Großmütter. Gute Nacht.
 
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Kommentare  

Ich fand es sehr gut

anonym (27.10.2008)

Dieser geschichte war einer der beste geschichte die ich gelesen hab.

sagor (29.01.2008)

ich finde diese geschichte schon gut aber ich möchte eins das vom wolf erzählt wird by

betül (20.03.2007)

allein der zeuge jehovas tut mir leid..
ansonsten: super! (4,5pkt ~ 5 pkt.)


jaana (28.11.2004)

super!
deine Version scheint mir wirklich zeitgerechter und viel unterhaltsamer zu sein als das Original.
besonders gefallen hat mir die Schlußbemerkung !
5 Punkte und schöne Grüße.


Heidi StN (11.01.2004)

ein schön fies geschriebenes Anti-Märchen. :)

Nikolai Nowaczyk (21.09.2003)

Mir gefällt die Geschichte. Besonders gefällt mir das der
lästige Jehova Typ verspeist wird.
Einer weniger von diesen Menschen die nie ein Ende
finden. Rotkappe und Oma mal anders darzustellen ist
auch sehr gut. 4 Punkte


NewWolz (01.09.2003)

Na, das gefällt mir! Da bin ich grad ausm urlaub zurück und les sofort sowas...GUTES!..tja, alles gerettet!

Ich find die Idee ganz gut...Rotkäppchen als verzoge Göre, der wolf , der nur schlafen will, die oma am golfen und, meiner meinung nach das beste, der Zeuge jehovas. Genial geschrieben ( wie gewöhnlich), tolle idee..unterhaltsam vom ersten satz bis zur Moral ( die mir übrigens seeehhhr gut gefällt...).

Echt gut, gibt auch 5 punkte.

Ach, und ich finds auch schön, mal n Foto im Autorenprofil zu sehen...*g*

bis dann.


sMiThY (30.08.2003)

Höhöhöööö...
Ich habe ja schon viele Versionen des Rotkäppchens gelesen aber die hier ist echt geil! Foll kuhl!!!
Sind die ZJ in Berlin echt so schlimm? *grins*


Stefan Steinmetz (25.08.2003)

Du liebe Güte, was würden da wohl die Gebrüder Grimm dazu sagen? Ich fands auf jeden Fall sehr unterhaltsam. Alle Macht den Wölfen!

Tom (25.08.2003)

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