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5 Seiten

Meine Ohren

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
Ich liebe meine kleinen Ohren. Sie sind nicht abstehend, verkrüppelt oder zerbissen. Das ist schon mal sehr viel wert. Die Schallwellen kommen gut hinein, sicher weil alles gut ausgeschildert ist, und kein Loch hat man in meine Läppchen hineingeschossen.
Natürliche, astreine und quicklebendige Ohren. Wenn ich in der Straßenbahn sitze und meine Haare so liegen, dass sie Blick auf meine Ohren geben, werde ich beneidet. Die Blicke sehe ich genau und auch die Zungen, die über Lippen fahren. Frauen sind aufgrund meiner Ohren sehr hinter mir her.

Ich konnte meine Ohren belasten wie ich wollte, sie hörten niemals auf zu hören. In der Schule war ich der Erste der sich meldete, wenn die Lehrerin eine Nadel fallen ließ. Übrigens ein guter Trick von so einer Lehrerin. Einfach mal eine Nadel fallen lassen und die blöden Katzen, Hunde, Katzen, ähh Kinder sind für eine Minute still. Hier konnte die Lehrerin auch variieren. Wenn sie zum Beispiel sehr empfindlich war und die ganze Stunde ihre Ruhe haben wollte, ließ sie die Nadel hunderte Male fallen oder wartete vom Anfang der Stunde bis Ende und ließ erst mit dem Schulklingeln die Nadel fallen. Dann hörte zwar keiner der Kinder die Nadel, weil das Klingeln das Aufkommen der Nadel übertönte, aber es machte die Kinder Hörgierig und sie würden auch die nächste Stunde gebannt lauschen.
Manche Lehrer sollen sogar Preise ausgeschrieben haben. Wenn dann ein Kind sich meldete, weil es die Nadel zuerst gehört hatte, bekam es eine Woche Schulfrei oder eine 1 in Musik.
Meine Lehrerin hat keine Preise ausgeschrieben.

Das Einzige, was meinen Ohren einen Makel gibt, ist, dass sie vollkommen unvollkommen verschieden sind. Mein rechtes Ohr sieht ganz normal aus. Das Läppchen ist schön rund und die Knorpelverbindungen gut verbunden. Das linke Ohr aber, ist ein Elbenohr. Es läuft nach oben hin spitz zusammen und ich hoffe mit diesem Ohr einmal in „Herr der Ringe 5“ mitspielen zu können. Vielleicht als eine Mischung zwischen Mensch und Elbe, der halt nur ein Elbenohr hat und mit dem natürlich viel besser hören kann.
Mein Glück ist, dass man meine Ohren nie zusammensieht. So erkennt keiner die Verschiedenheit. Hätte ich ein ovales Auge und ein Schlitzauge wäre das ganz anders. So jedoch erkennt man meine fürchterliche Mutation nicht, denn stehe ich vor einem, sieht man nur die Vorderseiten der Seiten und die sagen nichts aus. Sieht man mich von der Seite, egal von welcher, sieht man nur ein Ohr. Ich danke Gott, dass die Ohren nicht genau neben meiner Nase gewachsen sind. Denn das würde meine Frauenfangmethoden völlig einschränken. Das Netz wäre leer, die aufgestellten Fallen wären noch beködert, mein Bett würde verstauben und meine Armmuskeln zu Bergen anwachsen.
Die einzigen Frauen, die diesen Unterschied bemerkt haben, sind Friseusen. Die schneiden mir nämlich immer wieder gerne in das linke Ohr hinein. Irgendwie fangen die immer erst rechts an zu schneiden, gewöhnen sich an das dort liegende Ohr, gehen mit den Maßen zum anderen und schneiden hinein. Das bringt mir dann einen kostenlosen Haarschnitt, aber auch ein blutendes Ohr. Wenn’s gut läuft auch den erschrockenen Blick der Friseuse. Ihre vielen Entschuldigungen laben dann mein Aufmerksamkeitsdefizit und ich gehe gestärkt nach Hause, aber ich habe eine Narbe mehr am Ohr.
Manchmal piepen mein Ohren ganz komisch. Dass ist kein Tinitus, weil es dann häufiger kommen würde. Es ist mehr ein Alarm in meinem Kopf. Ausgelöst durch eine unterbewusste Vorahnung. Spidermann hat auch so einen Sinn. Immer wenn irgendwo, irgendwer auf ihn schießt läuten seine Glocken. Mich hat dieser Alarm noch nie geschützt. Das heißt, vielleicht weiß ich es gar nicht, denn wenn der Alarm kommt verhalte ich mich vielleicht unmerklich anders und gehe so der Gefahr aus dem Weg. Ich weiß es nicht.

Nun wird der Leser sich denken, fragen, beratschlagen, warum ich meine Ohren betexte. Die Antwort ist ganz einfach, das linke Ohr ist im Arsch.
Ich höre wie ein junger Gott auf Beiden Ohren, aber wenn ich etwas esse oder meinen Mund aufmache rumpelt es im linken. Als würde da eine kleine hölzerne Raupe aus dem Bett fallen und sich dann am Boden, in der Gehörmuschel, wälzen. Erst wenn ich dann ein paar Mal gegen mein Ohr schlage, hört es auf. Meist beim fünften Schlag. Die anderen vier, verschlimmern die Geräusche sogar, aber bei Fünf ist Ruhe.

Meine Freundin, meine Mutter und ich selber habe mir geraten, zum Ohrenarzt zu gehen, aber mir ist peinlich, dass ich mir nie die Ohren gewaschen habe und weil man selber in ein Ohr schlecht schauen kann, ich hab’s mit zwei Spiegeln versucht, weiß man auch nicht, was sich da angesammelt hat. Kann ja sein, dass der Schmalz da schon Meterhoch liegt, ein paar Insekten sich darin verirrt haben und dass auch meine verlorenen Schlüssel dort verrosten.
Das wäre so schlimm, wenn der Ohrenarzt sein komisches Leuchtinstrument in meine Muschel schiebt und dann „Oh oh“ sagt, mich mit einer schnell gezückten Spritze ins künstliche Koma legt und dann mein Ohr abschneidet, damit er all den Kram herauspulen kann.
Wie würde das denn aussehen? Ein wieder angenähtes Ohr. Die Narben wären für immer sehbar. Dann muss ich mir Puder kaufen, das kostet und all meine Freunde, die mich besuchen, denken ich bin schwul, wenn sie im Bad kacken, pullern oder einfach schnöckern. Keine Frau will ein Narbenohr besäuseln, keine Frau ein Narbenläppchen zwischen ihre Lippen nehmen. Durch das Narbenohr würde man sich auch das andere Ohr genauer besehen und dann wäre ich doppelt am Arsch. Ein halber Elbe mit Narbenohr. In „Herr der Ringe Teil 5“ könnte ich wegen meiner Behinderung auch nur noch als Komparse auftreten und meine eigentliche Rolle bekommt einer, der sich immer die Ohren gewaschen hat. Wenn das so passiert, würde ich sicher so geknickt sein, dass ich Vincent van Gogh nacheifere.

Es gibt aber noch Hoffnung. Hab nämlich gehört, dass das auch ne Erkältung sein kann, wenn es eine ist, dann hat mein Ohr Schnupfen. Also produziert Schnotter, für alle, die dies Wort nicht mögen Sekret, und dieses Zeugs verklebt meinen Gehörgang. Wenn ich nun esse, spreche oder anderweitig meinen Mund bewege, dehnt sich mein Gehörgang aus und wieder zusammen, der Schleim blubbert durch diese Bewegung und so gibt es rumpelnde Geräusche.
Man müsste also nur eine kleine Nadel in den unteren Teil des Ohres stechen und das Sekret würde auslaufen.
Das ist ein Gedanke, den ich nie in die Tat umsetzen würde. Noch nicht.
Dieses Problem währt ja erst eine Woche und vielleicht ist das Poltern nächste Woche schon wieder weg.

Um mich abzusichern, habe ich aber schon einmal überlegt, was ich denn machen würde, wenn ich jetzt vollkommen taub wäre. Erst einmal würde ich eine Feier veranstalten, wenn ich merke, dass ich taub werde. Mit ganz lauter Musik, weil dann sowieso alles egal ist und ich lade ganz viele Friseusen ein, die mir alle die Haare schneiden könnten. Die dadurch entstehenden Entschuldigungen sind ein schöner Abschied meines Hörsinns. Es wäre eine Art Applaus wür die Ohren und ich würde mir wünschen, dass noch auf dieser Party dann die Taubheit auftritt.
Was wäre anders? Erst einmal müsste ich mich wohl im Call Center ganz schön umstellen. Die Kunden würden mit mir nicht mehr zufrieden sein. Meine CDs könnte ich als Untersetzer benutzen und meine Musikanlagen würde ich dem Roten Kreuz sponsern, damit die, diese an Blinde verschenken können. Vielleicht könnte ich aber auch mit einem Blinden tauschen. Er bekommt meine CDs, Platten und DVDs und ich seine Bücher, Zeitschriften und so weiter. Nur auch blöd, ich könnte gar keine Anzeige aufgeben. Telefonisch sowieso nicht, aber es wäre ganz umsonst, denn es gibt wenige Blinde die Zeitung lesen.
Meine Besuche würden mich nicht mehr besuchen können, weil ich die Klingel nicht höre, meine Lesungen würde ich nicht mehr machen können, weil ich mich ja selbst nicht mehr höre und auch Frauen anmachen ginge nicht mehr. Is ja blöd, wenn man sie fragt, ob sie mit aufs Zimmer kommen will und dabei das „Ja“ nicht versteht. Einzige Möglichkeit ist hier das Lippenlesen, aber das heißt ja wieder in die Schule und dafür hab ich keine Zeit. Muss doch telefonieren.

Mittlerweile hab ich mir auch darüber Gedanken gemacht, dass komischerweise gerade das nicht elbische Ohr so rumspinnt. Meine Denkwege führten mich zu einer recht einleuchtenden Erklärung. Das nicht elbische Ohr strukturiert sich um und wird auch elbisch. Das würde so manches erklären. Das Knacken und Poltern zeigt die langsame Verwandlung an. Vielleicht werde ich nächste Woche schon ein richtiger Elbe sein. Dann brauch ich auch keine Friseusen mehr, weil Elben ja lange Haare haben. Aber Blond? Wobei, meine Freundin hat mir heute im Bett erzählt, dass ich wunderschöne, natürliche Haare habe und das meine Haare alle verschiedene Farben haben. Das klingt doch geradezu, wie eien Umwandlung. Die Haare können doch nicht einfach so auf Schlag Blond werden. Nein, dass geht ganz langsam. Genau wie mit meinen Ohren. Und weil das Ohr hört, hört es die Bewegungen.
Eine Erklärung die mir gefällt. Also alles am Ende ein Happy End und ich bin von alleine drauf gekommen. Nun brauch ich nicht zum Arzt, werde Elbe und alle Frauen, die „Herr der Ringe“ geschaut haben, werden mich loven.
 
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