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3 Seiten

Institut "Erotische Venus"

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Das weibliche Gehirn ist irgendwie kaputt. Ich meine, alle Frauen handeln nach dem selben nicht nachvollziehbaren Schema. Mit 14 wollen sie unbedingt älter aussehen und suchen sich wesentlich ältere Freunde. Mit 20 sind sie zufrieden und erwählen gleichaltrige Partner. Kaum haben sie aber die 25 erreicht, explodiert die Bombe. Sie tun alles nur erdenkliche, um jung zu wirken und entwickeln eine penetrante Vorliebe für deutlich jüngere Männer. Dieses Phänomen steigert sich mit jedem weiteren Lebensjahr.
Nehmen wir beispielsweise einen Fall aus meiner Nachbarschaft. Nennen wir sie Misses X. Misses X feierte vor einem halben Jahr ihren 30. Geburtstag. Tagelang heulte sie sich die Augen aus dem Kopf. “Oh, jetzt ist alles vorbei. Ich bin alt. Was soll ich tun? Mein Freund wird mich bald nicht mehr lieben.” Seit sieben Jahren opferte sie jede freie Minute, um ins Fitnessstudio und zur Sauna zu gehen, ließ sich regelmäßig massieren und die Schlupflieder wegliften. Eine jährliche Dosis Nervengift sorgte dafür, dass sie keine Mimikfalten mehr bekam. Doch das war Misses X noch nicht genug. Irgendwie war ihr so, als wenn sich da neben dem rechten Auge ein kleiner Schatten gebildet hätte. Sie lief ins Bad. Panik befiel Misses X. Die ganzen Hormoncremes, die Liftingmasken, Augenpads und Anticellulite-peelings, die sich bei ihr türmten, reichten ihr nicht aus. Wirkung gleich Null, Tendenz abnehmend. Es musste etwas geschehen. Misses X fand in einer Zeitschrift eine Vorher-Nachher-Fotografie. Solch eine, wo links das achtzehnjährige Modell auf 50 Lenze computergealtert wurde und rechts auf dem Nachherfoto dann mit kindlich jugendlichem Strahlen verrät: “Das alles verdanke ich nur...!”
Misses X sah das und wurde ganz fleckig vor Neid. Sie rief die 0190er Nummer an. Eine wundervolle, tiefe Männerstimme verriet ihr, dass sie sich an der richtigen Adresse befand und sie machten einen Termin aus. Misses X fuhr hin. Mit von Highheels und rotem Ledermini gesäumten schlotternden Knien betrat sie das Institut von Dr. No. Rings umher liefen nur Mädchen um die 20. Superschlank, superchic, supersexy. Misses X war begeistert. So würde sie dann auch aussehen wollen. Man geleitete sie zur Privataudienz bei Dr. No. Bei seinem Anblick war Misses X einer Ohnmacht nahe. Er war der Inbegriff der Männlichkeit. Sinnliche Lippen, erotische tiefe Stimme, groß, sportlich, volles dunkles Haar mit grauen Schläfen, ein markantes Gesicht, hypnotische Augen und diese Hände...! Aber darum ging es ja gar nicht. “Ja, also aus ihnen lässt sich etwas machen. Da sind noch lange nicht alle Messen gelesen.”, verriet dieser bald und würzte seinen Standardtext mit Standardschmeicheleien und Standardgeflirte, denn das mögen doch alle. Oder? Misses X unterschrieb auf den gestrichelten Linien. Ja, sie wollte die ultimative Ganzkörperverjüngung. Sie wollte sie gleich! Die veranschlagten 46.000,- Euronen würde sie schon irgendwie beschaffen. Sie verkaufte ihren Zweitwagen, löste das Sparbuch auf, die Oma wurde angepumpt und noch ein Kredit aufgenommen. Nach einer Woche kam Misses X in das Institut “Erotische Venus” von Dr. No. Man beschmierte ihre Haut mit ätzenden Cremes, die die obere Schicht komplett ablösen sollen. Auch ihr Gesicht!!! Überall begann es zu brodeln. Die Haut löste sich sichtbar auf. Bevor es zu sehr riechen würde, wickelten die jungfräulichen Assistentinnen Misses X in Frischhaltefolie ein. Sie wurde in eine Brutröhre mit ultravioletter Strahlung geschoben und rotierend auf Nenntemperatur erhitzt. Nach 24 Stunden war Misses X gar. Man zog sie aus dem Loch. Misses X begann sich zu regen und wirkte etwas wie ein Regenwurm im Ganzkörperkondom. Doch jetzt musste sie still sein. Die Superbabs wickelten Misses X aus. An der Frischhaltefolie klebte die alte, schrumpelige, abgelöste Haut. Es stank nach Tod und Fäulnis. Sie zappelte schon wieder. Man gabt ihr eine Narkose. Dann wälzte man den nackten Körper von Misses X in Schwefelpuder. Ein bisschen sah sie aus wie ein chinesischer Christstollen, bloß sie duftete nicht so. Man bandagierte sie eng. Für die nächsten fünf Tage war Bettruhe angesagt. Man hatte ihr die Augen verbunden, legte ihr einen Katheder und ernährte sie intravenös.
Misses X schaute in sich hinein und grübelte. Nun, es könnte schon sein, dass sie hiernach für immer blind sein würde, sich sogar eine Reptilhaut gebildet hätte oder gar ganze Löcher eingeätzt wären. Wer weiß das schon?
Dann kam der Tag Nummer fünf. Doktor No persönlich spülte das Schwefelpuder von ihrer babyzarten noch leicht geröteten Pfirsichhaut. Jeder Wassertropfen legte eine neue bezaubernde Region ihres Körpers frei. Faltenlos, cellulitelos, markellos, straff, schön, strahlend, jung! Misses X jubelte und gab Dr. No den Scheck. Ja, genau so wollte sie es haben!
Misses X sah aus wie vor zehn Jahren. Nichts mehr mit 30 und Rente.
Sie sprang in ihr Mercedes Cabriolet und der Fahrtwind strich ihr durch das angeschweißte taillenlange blonde Spenderhaar, presste die weiße Bluse an ihre Silikon-Brüste Größe DD. Ein Lächeln ließ die perlweißen schnurgeraden Jackettkronen mit dem kleinen Strassstein am linken Eckzahn im Sonnenlicht glänzen. Sie benetzt die aufgespritzten Lippen ein wenig mit der Zunge und zwinkert dem Brummifahrer zu. Der beschleunigte sein Gefährt, um den Blick noch recht lange auf Misses X´s meterlangen ultaschallenthaarten Beinen ruhen zu lassen. Misses X fühlte sich toll. Alles war wie ein Traum, phantastisch. Kein Mann würde ihren erotischen Blicken aus den blauen lang bewimperten Augen widerstehen können. Sie schickte verheißungsvolle Blicke zu dem Brummifahrer und ihre Hand glitt verführerisch über ihren solariumgebräunten Körper.
Dann knallte es laut, Bremsen quietschten. Wenig später heulten Sirenen.
Der Polizeibeamte notierte: 14.25 Uhr, A19, Mercedesfahrerin ungebremst auf Kolonne aufgefahren, Wagen brannte vollständig aus, Fahrerin wurde auf Gegenfahrbahn geschleudert und von LKW überrollt.
 
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Kommentare  

*brüll*
Suuuuper dieser Schluss. Herrlich gehässig!
Das gefällt!!!
Alle Fünfe!


Stefan Steinmetz (23.01.2004)

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