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3 Seiten

60 Minuten

Trauriges · Experimentelles
© Barrois
Sie hatten es wirklich getan. Fassungslos starrte ich auf die riesige Videowand und beobachtete den Präsidenten wie er versuchte mit ruhiger Mine seinem Volk die Lage zu erklären. Die Menschen um mich herum hielten den Atem an und lauschten den letzten Worten ihres Führers.
«Dies ist unsere dunkelste Stunde. Der Geheimdienst hat so eben bestätigt das unsere Feinde mehrere Atomsprengköpfe gezündet haben. Wir haben unsererseits mit einem Gegenschlag begonnen...»
Ich konnte nicht mehr hinhören. Noch sechzig Minuten hatten wir, dann war alles vorbei. Niemand hatte jemals daran geglaubt das wir es tun würden. Doch jetzt waren die Reiter der Apokalypse auf dem Weg und der Tag des jüngsten Gerichts war angebrochen. Und ich, mir blieb noch eine einzelne Stunde.
Um mich herum herrschte Chaos, die Menschen versuchten in ihrer verzweifelten Panik mit ihren Familien die Stadt zu verlassen. Hinaus aufs Land wollten sie, in der Hoffnung dort vor dem Erstschlag sicher zu sein. Diese Narren, selbst in den aller entlegensten Gegenden war es nur eine Frage der Zeit. Zeit...
Ich bahnte mir einen Weg durch die hysterische Menge und betrat die erste Kneippe die ich finden konnte. Sie war verlassen, wie alles andere in dieser verfluchten Stadt. Eine Scheibe war eingeschlagen und überall lagen umgeworfene Bierflaschen. Jemand hatte die Kasse geöffnet und das Geld genommen. Die Musikbox lief noch und spielte ein Lied von den Doors. Ich genehmigte mir einen doppelten und blickte lange auf den Münzfernsprecher an der Wand.
«Sie sollten anrufen», hörte ich eine Stimme hinter mir sagen. Ohne große Eile drehte ich mich zu ihr um und blickte auf einen alten Penner hinab. Er hatte sich an einen der Tische gesetzt und Blickte gierig zu den Spirituosen hinauf. Stumm reichte ich ihm eine Flasche Wiskey. Dem Besitzer dürfte es egal sein.
«Wen sollte ich anrufen», fragte ich wie beiläufig.
«Nun, sie haben das Telefon eine ganze Weile angestarrt. Irgendjemand schein es zu geben, oder Sir», sagte der Penner.
«Ja, irgendjemanden gibt es immer.»
Ihr Name war Susanne. Sie war meine Frau. Sieben Jahre lang hatte sie es mit mir ausgehalten und kaum hatten wir geheiratet ging alles den Bach hinunter. Heute lebte sie mit meinem früheren Freund Brian Palmer zusammen. Ich glaube sie haben sogar Kinder. Seit fünf Jahren hatte ich nichts mehr von ihr gehört. Sicher sind sie auch aufgebrochen. Flüchteten vor der Gefahr wie die Lemminge. Auf der anderen Seite, was hatte ich schon besseres zu tun. Ein Blick auf die Uhr. Noch zweiundvierzig Minuten bis zum großen Showdown.
«haben Sie vielleicht ein wenig Kleingeld», fragte ich den Penner. Er grinste mich breit an, mit seinem Zahnlosen Mund und reicht mir einen alten Filzhut. Darin lagen etwa drei Dollar in Münzen.
«Danke», sagte ich knapp und ging zu dem Telefonapparat. Ich nahm den Hörer ab und eine Elektronische Stimme teilte mir freundlich mit das alle Leitungen besetzt wären aber wenn ich am Apparat bleiben würde, würde ich sobald als möglich mit einem Mitarbeiter der Telefongesellschaft verbunden werden. Ich hängte wieder auf.
«Niemand da, was», sagte der Penner. Ich nickte. «Ja, niemand da.»

Auf den Straßen herrschte offener Krieg. Jeder versuchte der erste zu sein der die Stadt verließ. Überall wurde geschossen und an vielen Teilen der Stadt konnte man Brände sehen. Hunderte Autos standen völlig demoliert und nutzlos auf den Straßen und vereinzelte Polizisten versuchten irgendwie dem Chaos Herr zu werden. Ich konnte keine Rettungshelfer ausmachen. Wahrscheinlich hatten die sich auch alle aus dem staub gemacht. Vielleicht sollte ich das auch tun, überlegte ich mir.
Noch siebenunddreißig Minuten. Ich lief durch die Straßen so schnell mich meine Beine trugen. Während alle Menschen versuchten die Stadt zu verlassen lief ich als einziger immer tiefer in sie hinein. Susannes Haus lag nur noch zwei Blocks entfernt. Mein Herz schlug immer stärker in meiner Brust, ob vor angst oder Erschöpfung konnte ich nicht sagen. Dann, an einem Elektronikladen blieb ich einen Moment stehen. In jedem Fernseher sah man Bilder aus aller Welt. Deutschland war bereits vernichtet worden. Ebenso Frankreich und die Schweiz. Bilder von toten Städten zeigten was auch uns nun unaufhaltsam bevor stand. Amerika, das Land der Freien, die Heimat der Tapferen war zum Tode verurteilt.
Eine einzelne Träne lief mir mein schmutziges Gesicht hinab. Vielleicht hatten wir es verdient. Vielleicht wussten wir es auch einfach nur nicht besser. Ich schüttelte die Lethargie ab die von mir Besitz ergriffen hatte und lief weiter, immer weiter.
Dann stand ich vor ihrem Haus. Ein kleines, ungewöhnliches Haus. An der Vorderseite stand ein Kinderrad und jede menge Spielzeug lag verstreut auf dem ungepflegten Rasen. Die Tür stand offen und ich ging vorsichtig die Treppe hinauf. Jeder Schritt kam mir schwerer und schwerer vor. Ich hatte bis heute die Trennung von ihr nicht überwunden. Vielleicht erklärte das auch die Tatsache das ich nun hier stand. Vor ihrem Haus. Nein, vor dem Haus ihres neuen Ehemanns. Ich hätte verschwinden sollen als ich noch die Chance dazu hatte.
Langsam betrat ich die Wohnung, von draußen drangen Schreie der Verzweiflung zu mir her. Noch vier Minuten, dann würde alles vorbei sein.
Das haus war gemütlich. So wie sie es sich immer gewünscht hatte. Überall hingen Bilder von der Familie und den Kindern. Im Wohnzimmer stand ein kleiner Kinderkäfig der übervoll mit Plüschtieren war. Der Fernseher lief noch und zeigte Bilder von Menschenmassen die voller Verzweiflung versuchten die Luftschutzbunker zu stürmen die schon seit Stunden verschlossen waren. Einige wenige waren hinter den Meterdicken Wänden in Sicherheit gelangt aber was wollten sie tun wenn ihre Vorräte zu ende gingen. Dann würden sie ebenso sterben wie alle für die kein Platzmehr gewesen war. Nein, dann lieber sofort sterben als später an der Strahlung langsam vor sich hin zufaulen.
Ich ging in das Schlafzimmer. Das Bett war gemacht. Susanne war eine gute Hausfrau. Ziellos öffnete ich einige Schubladen des Nachttisches und stöberte darin herum. Plötzlich hielt ich inne. In meiner Hand lagen Briefe. Ein gutes duzend. Ich hatte ihr öfter mal geschrieben aber immer geglaubt sie hätte sie nie geöffnet. Aber am verwunderlichsten war das ein Brief dabei war der an mich Adressiert war. Ich öffnete ihn. Er war von ihr. Mit schlagendem Herzen faltete ich das Papier auseinander. Und während vom Himmel die Bomben fielen las ich den Brief und war der glücklichste Mensch auf der Welt....
 
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Kommentare  

Der Anfangssatz gefällt mir nicht. Lässt zwar den weiteren Verlauf total offen, find ich aber zu abgedroschen.
Auch ohne zu wissen, welche Umstände diese Nuklearschläge ausgelöst haben, ist es doch besser, die Bevölkerung nicht zu warnen, sollte der Großteil sowieso nicht überleben. Auf der anderen Seite ist es ja dann sowieso egal, ob die Stadt nun zunächst durch Plünderer oder später dann durch die Bomben zerstört wird.
Aber gibt es denn keine Waffen, die diese "Atomsprengköpfe" (worunter ich mir eher den wirkenden Teil der Atombombe bzw. der Raketen vorstelle), bevor sie Schaden anrichten, zerstören können?
Und warum sollten sie auf dem Land nicht sicher sein? Das Szenario müsste dann ja darauf hinspielen, dass der "Feind" alles auf das Land wirft, was er noch in petto hat. Wär doch ziemlich sinnlos, außer es würde sich um einen Angriff von Außerirdischen handeln, oder?

Der Mittelteil gefällt mir gut. Aber auch hier stellen sich Fragen.
Was soll das mit dem Lemmingen? Die sind doch nur dafür bekannt, Selbstmord durch Ertrinken zu begehen (was übrigens eine natürliche Maßnahme zur Begrenzung der Population ist [soll heißen: sie versuchen weiteres Land zu erschließen und rennen in den Abgrund, weil sie vermuten, noch weiter zu gelangen]).
Warum versuchen die Polizisten der Lage Herr zu werden, wenn es sowieso aussichtslos ist, die Stadt zu halten? Es könnte natürlich auch wie bei den Fernsehsendern sein: Sie senden immer noch, hilft ja nichts, zu rennen.
Außerdem ist müsste der Protagonist sich in einer ziemlich kleinen Stadt befinden, wenn er, indem er weiter hinein kommt, noch auf ein Einfamilienhaus trifft. Oder er war sehr weit am Rand der Stadt und schafft es nicht bis zum CBS.
Wenn es sich um einen Atombunker handelte, wären die Leute da drin doch theoretisch vor der Strahlung geschützt geblieben. Und ich glaube auch nicht, dass bei solch einem Nuklearschlag die Regierung solche Bunker nicht vorbereitet und gut ausgestattet hat, damit eine gewisse Anzahl an Menschen darin lange genug überleben kann.

Das Ende ist sehr schön, natürlich mit ein bisschen Kitsch verbunden, aber immerhin schön.

Alles im allen etwas verschwommen mit Zweideutigkeiten. Immerhin gefällt es mir besser als meine Einsendung, nicht viel, aber dennoch.
Gut, aber an der Grenze zu Mittel.


Redfrettchen (21.03.2004)

Das ist wirklich mal ein sehr starkes Ende!
Da gebe ich auch gerne 5 Punkte. :)
Aber du hast ziemlich viele Fehler in der Geschichte, die du noch unbedingt korrigieren solltest.


Mes Calinum (29.02.2004)

Traurige, aber sehr hübsche Geschichte. Wenn du noch einige der Tippfehler beseitigst, würde das sogar noch das Lesevergnügen erhöhen. Gefällt mir aber auch so sehr gut.
5 Punkte.


Drachenlord (29.02.2004)

Schönes Ende in einem schrecklichen Ende.
Eigentlich war ich kein Leser mehr, sondern mittendrin. Storie hat gefallen 5 Punkte


NewWolz (27.02.2004)

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