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Das Problem des Ladenbesitzers

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Das passt nicht in mein Konzept! Wo bleibt da meine Grundlage, wenn man sie an den Seiten anzündet? Das werde ich niemals mitmachen und wenn ich niemals sage, meine ich auch niemals. Wie lange führe ich diesen Laden schon?
40 oder sind es schon 50 Jahre? Und wie sah dieser Laden aus, bevor ich kam? Ich war es doch, der all die Ideen zusammengetragen hat und sie sind doch alle aufgegangen. Wie die Kresse aus dem Samen, die Sonne am Horizont und auch wie die tauben, die den Rädern der Autos ausweichen.
Warum soll jetzt alles umgeworfen werden? Einem blühenden Baum kratzt man doch nicht das hölzerne Mark heraus. Schon gar nicht, wenn er Früchte trägt und man Hunger hat.
Schauen sie einmal über die Straße. Sehen sie den Bäcker? Seit 250 Jahren führt ein und die selbe Familie dieses Geschäft und es läuft fantastisch. Und das liegt daran, dass alles beim Alten geblieben ist. Da gibt es einen, der backen kann, einen der den Verkauf macht und irgendwer macht den Laden dann am Abend wieder sauber. Diese traditionelle Einfachheit genügt und die Kunden trudeln wie Heuschrecken ein, kaufen sich die Brieftaschen leer, alles floriert und alle sind zufrieden.
Können sie sich vorstellen, das sich der Bäcker auf einmal entschließt; „Ach ich mal eben aus meiner gutgehenden Bäckerei eine Werkstatt für Barbiepuppen“? Nein, das würde er niemals machen.
Also warum sollte ich so negativ agieren? Meine Prinzipien nicht ver- sondern zertreten? Zertreten auf meiner geschaffenen Grundlage. Genau, sie fordern, dass ich die Prinzipien auf der Grundlage zertrete, die ich erst durch meine Prinzipien geschaffen habe.
Man will mir meinen Teppich aus Grundlagenstoff mit Prinzipienmuster unter dem Arsch wegziehen. Und dann?
Mir ist durchaus bewusst, dass sie nur ihrem Job nachgehen und wahrscheinlich gar nichts dafür können, aber wo soll ich jetzt hin mit meinen Sorgen, wenn ich mich vor Sorgen nicht mehr bewegen kann? Schauen sie her! Meine Nägel sind brüchig und verschmutzt, die Haare frisch ungewaschen und ich habe es seit Wochen nicht aus dieser Kleidung geschafft. Das können sie den hohen Herren ruhig zwischen Kaviarspeisung und Champagnertrunk mal nahe bringen.
Da rackert, rackert und rackert man. Hat seit Jahren aus seinen Ideen und Idealen den Idealladen gezimmert, sieht, wie sich der Traum langsam in die Realität schleicht und dann kommen sie. Ich spüre, fürchte und weiß, dass ich mich auf dem richtigen Weg befinde.
Sie werden sich wundern, aber die Leute, die hier einkaufen, haben sogar schon Spitznamen für mich. Manche kommen nur herein, um mir einen schönen Tag zu wünschen. Das werden sie als Geschäftsmann nicht verstehen, aber mir ist das viel lieber, als das Münzenscheppern in der Kasse und gerade weil mir das egal ist, scheppert es doch. Das ist wohl das Geheimnis.
Jeder, wirklich jeder Kunde gehört für mich in den Himmel gehoben. Egal wie viel das Lächeln kostet und so manch Gast ist mir wichtiger als so manche Mutter. Quatsch, sie machen mich ja ganz konfus. Ich meine natürlich als meine Mutter.
Eine dieser Kunden ist Elschkaschbeschawusch. Nach dem ersten Höreinfluss, was den Namen betrifft, denkt man, dass es sich bei dieser Kundin um eine fette, alte, durchgedrehte Person handeln würde, aber dem ist nicht so. Elschkaschbeschawusch ist 40 Jahre alt, lebt in der Innenstadt und arbeitet als Bürofachkraft in einem großen Unternehmen. Sie mag alles, was mit Hunden und Waschmittel zu tun hat und mag es nicht, wenn man ihr auf den Po schaut.
Wenn sie den Laden betritt, gibt es ein „Ahh“ und „Ohh“. Ich weiß nicht, wer wen zuerst umarmt, aber am Ende liegen wir uns Beiden in diesen. Jeden Tag aufs Neue. So ist das hier bei mir und nun mit der bevorstehenden Veränderung droht genau diese Harmony zu zerbrechen. Einfach so. Sie kommen hier rein, legen ihren schwarzen Koffer auf diesen Tisch, auf dem ich meine 2 Kinder gezeugt und meine Frau sie geboren hat und unterbreiten, verbreiten, breiten mich mit ihren Forderungen zu.
Denken sie und ich frag sie als Menschen, das dies alles diesem Laden zugute kommt? Wen muss ich entlassen? Muss ich erst Personal einstellen um es dann entlassen zu können? Schützt dies meine eigene Stellung?
Denken sie doch bitte auch an die vielen Kinder. Glauben Sie, dass die noch vor meiner Schaufensterscheibe spielen? Die werden sich hüten, weil sie nämlich Dresche bekommen, wenn sie bei mir erwischt werden. Gut, die Kinder lassen kein bis wenig Geld hier, aber ich mag sie und sie gehören genau so zu diesem Laden, wie die große Zypresse vor der Tür. Nicht alles kann sich im Geldkarussell drehen. Manches labt das Herz allein. Geld gehört „not“ dazu. Dieses „not“ sollte meine Rede verstärken und wenn es nicht funktioniert hat, dann nur weil es nicht geklappt hat.
Was soll bloß mit der Elschkaschbeschawusch werden? Wo soll sie hin, wenn ich nicht mehr der Alte bin? Den Bäcker in allen Ehren, aber drücken wird er sie nicht. An dem wird sie sich die Nägel auskrallen. Er mag nett sein, aber wer jeden Morgen zentnerweise Teig knetet, wird wohl wenig Lust haben, am Nachmittag dann noch seine Arme um eine zarte Elschkaschbeschawusch zu legen. Mich hat er auf jeden Fall noch nie gedrückt.
Bevor ich wusste mit welcher Nachricht sie kommen, hatte ich wieder dieses Drückgefühl in mir. Jetzt aber, verzeihen sie mir meine Offenheit, würde ich ihnen am liebsten die Augenlider mit einer Nagelschere löchrig machen. Auf dass sie niemals Schlaf finden sollen.
Wieso kann nicht alles so bleiben wie es ist? Wieso müssen sie nun meine Wegkabelung sein? Soll ich aufgeben und unterschreiben oder nicht unterschreiben und zugrunde gehen?

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Kommentare  

Eine Kritik an den Rationalisierungen in der Arbeitswelt, die das Vertraute zerstören, in einen durchgehenden Monolog zu packen, ist recht originell. Manchmal geht's allerdings etwas in Klamauk über!

Gruss


Ingo Gärtner (14.07.2004)

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