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4 Seiten

Im Dunkeln

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
© Aurora
Ich ging gerade eine dunkle Seitenstraße entlang, als ich ein lautes Poltern hörte. Ich folgte dem Geräusch, bis ich schließlich vor einem großen Mann stand, der sich keuchend vor Verzweiflung gegen eine Wand lehnte und dann auf den kalten Boden sank.
„Was ist los?“, wollte ich wissen. Doch er antwortete nicht. Mit seinem starren Blick
schaute er in die Dunkelheit der Nacht. Ich drehte mich um, um zu gehen. Da stand er
plötzlich auf. „Hast du Zeit?“, fragte er mich und seine traurigen Augen sahen einer
schwarzen Katze hinterher, die gerade an uns vorbei lief. „Ich kann mir Zeit nehmen“,
antwortete ich und blickte ihm direkt in seine verzweifelten, braunen Augen. „Komm
lass uns in das Café dort drüben gehen und etwas trinken.“ Ich deutete auf eines der
zahlreichen Straßencafés, von denen in der Dunkelheit ein weißer Schein ausging.
„Nein, wir bleiben besser hier.“ Seine Augen versanken im dunklem Grau der Straße.
Dann begann er zögernd zu erzählen.
„Ich wohne nur wenige Straßen von hier entfernt, aber trotzdem werde ich in diesen Straßen wie ein Fremder angesehen. Ich bin wie viele andere auch, ein Aussätziger in dieser Gesellschaft. Auch wenn es die Politiker nicht wahr haben wollen, es ist zum Teil ihre Schuld. Sie versuchen nichts zu ändern, bei denen ist alles in Ordnung. Vor 20 Jahren wurde ich dort hinten geboren.“ Er deutete auf eines der schäbigen, abbruchreifen Gebäude in einer nahegelegenen Seitenstraße. Die Glühbirne der Laterne ist gerade durchgebrannt und von dem vorherigen leichten Schein der Laterne bleibt jetzt nur noch ein Schatten in der Dunkelheit übrig. „Und damit wurde mein Schicksal damals bestimmt. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht darauf hingewiesen werde, auf den Unterschied. Meine Laufbahn unterscheidet sich nicht sehr von den anderen Menschen aus meinem Viertel. Ich war der typische Durchschnittsschüler, wollte sogar studieren, aber immer wurde ich abgelehnt. Immer wurden fadenscheinige Gründe genannt, aber von ihren Gesichtern, von denen konnte ich den wirklichen Grund ablesen.“ Seine Stimme verstummte. Sein schwerer Körper sank erneut zu Boden. Dann fand er seine Worte wieder. „Einmal sagte mir sogar jemand, dass Leute wie ich nicht auf eine Universität passen würden. Es traf mich wie ein Schlag. Als ob ich die Pest hätte. Auch bei anderen Schulen hatte ich einfach keine Chance, nur einmal, da wurde ich angenommen. Aber schon nach wenigen Wochen musste ich die Schule verlassen. Angeblich war ich nicht gut genug, doch ich habe die Arbeiten der anderen gesehen, und die waren zum Teil schlechter als meine. Darauf begann ich mich bei zahlreichen Stellen zu bewerben. Immer und immer wieder folgte eine Ablehnung. Das Schlimmste sagte ein Manager einer Fabrik, die Hundefutter produziert, zu mir. Ich solle mich doch dahin verziehen, wo ich hergekommen bin und dort zugrunde gehen.“ „Dann bist du arbeitslos?“ „Nicht mehr“, sagte er mit einem tiefen Seufzer. „Seit einer Woche arbeite ich bei einem Unternehmen. Eigentlich wollte ich an einer Maschine arbeiten, aber mir wurde eine andere Stelle angeboten. ‚Jemanden wie sie können wir wirklich gut gebrauchen‘ sagten sie zu mir. Ich machte mir schon Hoffnungen, doch dann erfuhr ich, was ich tun sollte. Es ist die Hölle, doch ich musste annehmen. Ich habe schließlich eine Frau und einen kleinen Sohn. So wurde ich also Raumpfleger des Männer-WCs. Dort werde ich täglich wie Dreck angesehen, wie Dreck behandelt. Ich scheine wohl dazu bestimmt zu sein, das zu sein, womit ich zu tun habe. Es muss so sein, schließlich bekomme ich das täglich von jedem zu hören. Ich fühle mich wie ein Sklave der Gesellschaft. Ich mach nur das, wofür ihr euch zu fein seid. Niemand will etwas mit mir zu tun haben. Früher, als kleiner Junge, hatte ich noch Hoffnung, Hoffnung auf Gerechtigkeit. Aber heute nicht mehr. Wenn ich abends, nach einem dreckigen, schweren Arbeitstag durch die grauen Straßen gehe, erkenne ich die Furcht anderer in ihren Gesichtern, mit der Verachtung in den Augen. Sie wechseln die Straßenseite und blicken mit ihren erkalteten Augen auf meine Haut. Ich drehe mich im Kreis. Ein Kreis, dem keiner von uns entgehen kann. Weder ich noch mein Sohn, noch meine zukünftigen Enkelkinder. Der Kreis bestimmt unweigerlich unser Leben.“ „Aber ich sah euch schon öfters als Leibwächter in Boutiquen. Wäre das nichts für dich?“ „Nein. Hast du dir jemals Gedanken darüber gemacht, wieso wir dort oft eingestellt werden?“ Ich schwieg. Er ballte eine Faust. Wir verbreiten Furcht. Die Menschen gehen auf Distanz, sie sind ängstlich“, rief er. Seine Stimme hallte durch die engen Straßen und das Schwarze der Nacht. Er wurde wieder ruhiger. Seine Hände zitterten. Dann sprach er weiter. „Ich will aber nicht, dass sie Angst vor mir haben.“ Seine Stimme versank in einem schluchzenden Seufzer. „Ich will es nicht. Ich will es einfach nicht.“ Immer und immer wieder wiederholte er die Worte, die im Lärm der Großstadt langsam verloren zu gehen schienen. „Ich bin wertlos“, stellte er mit einer klaren Stimme der Verzweiflung fest. „Nein, auf der ganzen Welt gibt es keinen wertlosen Menschen. Jeder hat seine Aufgabe, jeder seine Bedeutung.“ Er schaute mich unglaubwürdig an. „Denk doch `mal an deine Familie, deinen Sohn. Glaubst du wirklich, du bedeutest ihnen nichts?“ Er schwieg. Er schaute zum Himmel auf. Die vorbei ziehenden Wolken verdeckten die sonst so funkelnden Sterne. „Aber mein kleiner Sohn wird das selbe Schicksal wie ich erleiden.“ „Nur wenn du es zulässt. Erinnere dich zum Beispiel an Martin Luther King. Er erreichte viel. Er gab nie auf. Und weiß Gott, es war bestimmt nicht einfach. Du kannst deinem Sohn helfen, seine Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. Es ist mit Sicherheit nicht leicht, aber möglich wenn du es wirklich willst.“ Er schien von meinen Worten nicht überzeugt zusein. „Es war damals eine ganz andere Zeit.“ „Ja“, erwiderte ich, „eine viel schwierigere Zeit als heute.“ „ Aber die Meinungen von damals sind immer noch in den Köpfen der Menschen von heute.“ „Nicht bei allen. Ich bin nicht so.“ „Leider gibt es in meinen Augen zu wenige mit deiner Einstellung.“ „Ich kenne einige, die so denken. Und von Jahr zu Jahr verliert sich die Ansicht der Menschen. Das ist es, worauf ich meine Hoffnung aufbaue, dass wir irgendwann alle an einen Strang ziehen, um ohne Angst leben zu können.“ „Glaubst du wirklich, dass es so passieren wird?“ „Ich glaube und hoffe es, denn wenn wir so weiter machen wie bisher, uns aufgrund des Glaubens, unserer Hautfarbe, und verschiedener Ansichten bekriegen, werden wir uns irgendwann selbst zerstören.“ „Ich glaube, du hast Recht“, sagte er und schaute mir direkt in die Augen. Seine Augen blitzten auf. Der Morgen brach mittlerweile herein. Die Wolken hatten sich verzogen und die Sonne erstrahlte im Morgenrot am Horizont. Ein paar Vögel flogen in den Himmel hinauf, wo sie sich scheinbar mit dem blauen Firmament vereinigten. Die Lichter der Straßenlaternen erloschen. „Ich muss gleich zur Arbeit. Aber kann ich dich vielleicht vorher auf einen Kaffee einladen?“ „Gern“, gab ich als Antwort. Wir gingen zusammen in das Straßencafé an der Ecke. Es hat 24 Stunden täglich geöffnet. Dort tranken wir gemeinsam Kaffee, Kaffee mit Milch.
 
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Kommentare  

die aussage finde ich gut, du hast auch einen schönen schreibstil, aber es gibt keine wirkliche handlung. das finde ich schade, aber vllt ahst du das ja so bezweckt...
aufgefallen ist mir:
Er schaute mich unglaubwürdig an.
...das muss wohl ungläubig heißen^^
ansonsten...jaaa... die story gefällt mir ganz gut aber mehr auch nicht...
ich geb dir mal 3p:)
lg darkangel


darkangel (10.02.2007)

mmm...die Message des Ganzen ist ja klar, aber irgendwie fehlt der Rahmen. Was ich damit sagen will: Jeder versteht was damit gemeint ist, aber deswegen ist es noch lange keine Geschichte. Ansonsten find ich allerdings nicht schlecht.

Eden (27.06.2004)

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