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3 Seiten

Sinnloses Wissen

Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten
© ThiloS
Ich habe einen Freund. Walter heisst der. Walter ist 37 Jahre alt, hat ziemlich große Hände, ist verheiratet mit einer Ex-Polin oder so, auf jeden Fall eine Rübergemachte, er nennt ein Fertighaus sein eigen, das er mit Hilfe seiner Tante und seines grenzdebilen Schwiegervaters, diesem kettenrauchenden Zombie, gebaut hat. Und Walter ist Banker.

Bis hierher ist das noch nichts aufregendes. Aufregend ist, daß Walter mit Sicherheit und großem Abstand der dümmste Banker ist, den ich kenne.

Irgendwie kam das so: Walter ist eigentlich ein Landei. Ein Typ, der prima für die Erntehilfe und als Kassenwart der örtlichen CSU zu gebrauchen ist, aber definitiv nicht für einen Einsatz bei Kunden, die Geld anlegen wollen. Aber jeder in Walters weit inzestuös gezeugten Familie ist irgendwie akademisch (was die gläubige Landbevölkerung hier immer noch vor Ehrfurcht in die Knie sinken lässt) oder hat wenigstens Abitur.

Schon früh stellte sich jedoch heraus, daß Walter mehr am Erschiessen von Katzen mit einem Luftgewehr gelegen war, als am seriösen Studium lateinischer Verben. Und so kams, daß er kein Abitur und auch kein Studium hat und damit er nicht als ganz allerverblödetster Sproß der Family endet, wurde er irgendwie auf die örtliche Raiffeisenbank geprügelt, weil Vatern da ein ziemlich fettes Darlehen zu laufen hatte und seinen Sproß quasi als Faustpfand gab. Und außerdem ist Banker immer noch besser als Bauer. Haben die gedacht.

Die Raiffeisenbank hat ziemlich fix gemerkt, was für eine Pfeife sie da für das Darlehen bekommen haben, aber da war es zu spät. Walter war nicht mehr kündbar und sein Vater wollte verständlicherweise nicht einmal den Erlaß des Darlehens haben, wenn er nur seinen Sohn zurücknähme. "Nix da" hat er gesagt "der Bupp muß was Anständiges lernen."

Und so kam es, daß Walter, mittelmässig begabt, aber hervorragend im "mit der Motorsense eine Wiese mähen" Banker wurde.

Es ist nicht so, daß Walter doof wäre. Isser nicht. Aber Walter lernt die falschen Sachen. Sachen, die normale Menschen in einem normalen Leben einfach nicht brauchen.

Beispielsweise, welches Kaliber ein Luftgewehr hat. Und wieviel Schuß es mit Diabolos braucht, um eine Katze umzunieten, die Sauviecher.

Oder wie man einen T34 mt einer Flasche Benzin knackt.
Oder wie groß die Spannweite einer Ju88 war.
Oder was die Amerikaner genau aus den Lippisch-Flugzeugen bei Kriegsende rausgeklaut haben. Und daß da heute noch was von in den F16 verwandt wird.

Damit wir uns nicht falsch verstehen. Ich interessiere mich auch für Geschichte. Keine Frage. Aber Walter steckt mit seinem Detailwissen über die Breite der Spannfedern in einer Mauser-Maschinenpistole jeden Waffenkundigen in den Sack.

Ich dachte ja schon als Teenie, daß sich Walters Begeisterung für kleinste militärische Detailfragen in dem Moment legt, in dem er mitbekommt, daß man aus einem Penis nicht nur pullern kann. Aber weit gefehlt. Walter hat mehr als eine Frau durch stundenlangen Vortrag über die genaue Motorisierung der deutschen Luftwaffe von 1939 bis 1945 zur Lesbe gemacht. Walter ist in dieser Beziehung einfach eine Sprengranate (2,5 Zoll, Abzugszünder, gerippt). Frag ihn irgendwas über Wekazwo-waffen, er wird es wissen.

Nun wäre ja auch dieser Waffenfetischismus noch verzeihbar. ´s könnte ja sein, daß irgendein Politiker mit einem K98-Scharfschützengewehr mit Rampamuffen und Schlitzkreuzapplikationen umgeblasen wird. Dann könnte sich die Polizei an Walter, den Bankkaufmann wenden und eine umfassende Auskunft bekommen.

Was mich aber hell entsetzt hat, war folgender Dialog: irgendwann habe ich Walter ein Star-Trek-Computerspiel geliehen und wollte dies gelegentlich zurückhaben, als er mich ganz harmlos fragte: "Wieviele Schiffe hast Du im Cygnus-Szenario gegen die Borg eingesetzt?"
Offen gestanden ist mir das scheissegal, weil, hey, its a game, aber ich wollte halt Walter eine Freude machen: "vielleicht so zehn".
"Galaxy oder Oberth-Klasse?"
"Mann, keine Ahnung"
"Ich habs mit 6 Galaxy-Klasse Schiffen geschafft. Aufgerüstete vordere Torpedobänke und Phaserphasenimpulsvariation, Die blasen ja alles weg."
"Walter..."
"...total geil. Ich hab das auch mal mit Endeavour-Klasse probiert. Da musst Du die Schildmodulation verstellen"
"Walter, das ist nur ein Spiel"
"...warte, ich zeig Dir was:"
Und dann hat er irgendein Star-Trek-Fanbuch herausgekramt.
"Da, Seite 31: "Die Schiffe der Endeavour-Klasse können mit Schildmodulation oder Phasenimpulsvariation ausgerüstet werden, diese können jedoch nur auf einer Utopia Planitia Raumschiffwerft gebaut werden". Voll geil, sag ich Dir. Damit knackst Du sogar Bird-of-Preys"

Walter war hin und weg von der Waffentechnik, die sich irgendein Drehbuchautor ausgedacht hat. Ich wette 10:1, er hat sich innerlich schon gefreut, seinen Phaser von "betäuben" auf "vaporisieren" zu stellen, um die Nachbarskatze zu grillen.

Ich bin dann weg. Ich hätte es nicht verkraftet, Walter wirklich intensiv zu erklären, daß es keine Föderationsraumschiffe gibt und die Borg nicht unsere Feinde, sondern die Bewohner eines kleinen Dorfes in der Nähe von Rostock sind und mitnichten alles assimlieren wolle, was vorbeirauscht.

Ich habe ihn anderntags in der Bank gesehen, wo er einem Kunden einen Vortrag über den Wert von goldgepresstem Latinum hielt.

Seitdem habe ich ihn aber schon lange nicht mehr besucht. Ich ertrags einfach nicht mehr. Ich bin für diese Kinderscheisse zu alt.
 
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Kommentare  

hi
Der Satz:"aber da war es zu spät. Walter war nicht mehr kündbar", hat mich gestört. Wenn er so schlecht ist, kann man ihm auch künden!
Sonst fand ichs wirklich amüsant und du hast nen sehr guten Schreibstil
gruss pascal


Pascal Gut (17.07.2004)

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