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Die Angst vor der Waschmaschine (exklusivtext mit kommentar)

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
Der Morgen wischt mit seinen Sonnenstrahlen die Kälte aus dem Haus. Der warme Toast weckt Andreas, er stolpert mit halbgeöffneten Augen die Treppe hinunter, setzt sich an den Tisch, hält sein Glas hin, führt es zum Mund und bemerkt, dass es leer ist. Erschrocken spannen sich seine Lider, ihm bleibt die Spucke irgendwo zwischen Hals und Kopf kleben und er flüstert leise „Mama?“. Man sieht ihn vorsichtig lauschen, er überlegt und öffnet noch einmal zaghaft die Lippen „Papa?“. Wieder horcht er in die Stille hinein. Nichts.
Nur das bekannte Rattern der Waschmaschine ist zu hören. Andreas hat ein paar Geldstücke in den Taschen der schmutzigen Hose gelassen. Sogar das hört er aus dem Rattern heraus. Seine Eltern hört er nicht.
Wie angewurzelt, wie verschweißt und wie ohne Beine sitzt er nun auf dem Küchenstuhl. Müde ist er nicht. Das Zittern, dass sich über seinen gesamten Hautpanzer zieht, hat ihn auf natürliche Weise geweckt. Das kann doch nicht sein?
Die sind doch sonst da und außerdem ist der Toast noch warm. Auch die Waschmaschine muss angestellt worden sein.
Eine Waschmaschine, die sich selbst die dreckige Wäsche aus der Wäschetruhe holt und danach Toasts macht, gibt es ja nicht und würde es sie geben, hätte sie sicher das Geld vorher aus den Taschen geholt. Das ist nämlich nur eine Unart der Mama. Eine Waschmaschine würde ja schon alleine die Taschen umstülpen, weil es ja sicher weh tut, wenn Metallgegenstände in ihrem Bauch anschlagen. Am Ende hat sogar die Waschmaschine was mit dem Verschwinden zu tun.
Andreas wird ganz kraus. Hat er nicht mal einen Horrorfilm gesehen, indem eine Waschmaschine Leute umgebracht hat? Ach nein, er erinnert sich. Es war dann doch eher ein Solarium und ein Kühlschrank. Er kann sich sogar noch an das Filmplakat erinnern. Darauf hat sich ein Kühlschrank auf einen Kühlschrankmagnaten gestürzt. Man muss es gesehen haben.
Gerne würde er, nur so zur Sicherheit, mal in die Waschtrommel schauen gehen. Ob das Wasser blutig ist und Knochen drin schwimmen. So in einem MischMasch aus Hautfetzen, abgerissenes Adergeflecht und anderen Körperbestandteilen. Vielleicht ist es ja Mutters Schmuck, der da gegen das Blech der Trommel schlägt.
Das Problem ist nur, dass er nicht aufstehen kann. Sein Arsch ist zu einem Teil Stuhl mutiert. Eine fühlbare Symbiose, die sich nicht auseinanderreißen lässt. Man könnte sogar einen Kranz aus kleinen Atombomben um seinen Po legen und zünden. Er würde weiter da sitzen, wo er sitzt. Kurz er hat Angst. Fürchterliche Angst. Panik.
Ein Herzkardiologe würde, wenn er jetzt untersuchen könnte, die Hände über den Kopf zusammenschlagen und heulend in die Welt schreien „Der Junge müsste längst tot sein. Seht sein Gesicht. Es strahlt Leben und das Herz ist doch längst tot. Ein Wunder!!“. Dann würde er auf der Stelle umfallen, weil sein Herz aufgehört hat zu schlagen. Es hat ihn überfordert. Also den Herzkardiologen.

„Noch niemals hat er so etwas gefühlt. Es ist so eine starke Angst, dass selbst seine Gedanken zittern. Die kann man nicht greifen. Sie sind verschwommen. Es ist so eine große Angst, dass er sein Denken nicht mehr kontrollieren kann. Da kommen Gedanken von fürchterlicher Abstrusität. Der Andreas, den wir hier vor uns haben, der stellt sich vor, dass eine Waschmaschine seine Eltern gefressen hat. So sieht es aus liebe Pädagogen und Soziologen und wieso ist das so? Wieso kann er in so einer Welt auf so etwas kommen? Wieso kann die Jugend auf so unwirtliche Weise solche Gehirnspasten entwickeln? Sie da hinten? Haben Sie ne Ahnung? Also wenn sie dem Unterricht etwas beizutragen haben, können sie es ruhig sagen“.

Eine Lehrerin in einer Dimension, in der unsere Erde als Lehrfilmproduzent herhält.

Doch es ertönt Musik. Der Himmel breitet seine schönste Bläue über Andreass Elternhaus aus. Eine göttliche Hand tupft nach dem kleinen Herz und ihn durchströmt Mut. Ein Zeh bewegt sich, der Fuß zieht nach, wird vom Bein überholt und dann stemmt sich der ganze Körper auf. Andreas hat gegen sich gewonnen. Fanfaren von lieblichen Tönen als liebliche Parasiten begleitet trällern Sonne. Überall im Haus klatscht das Geschirr, die Messer tanzen Tango und ein Colaglas ist aus Entzückung zersprungen. Peng.
Andreas ist auf dem richtigen Weg. Da vorne ist die Küche, in der die Maschine steht. Schon mal nicht schlecht, wenn die Nase direkt zum Ziel zeigt. „Das ist wirklich nicht mal schlecht“ flüstert er leis in sich hinein. Die Augen immer an den Wänden. Überall könnte ein Verbrecher stehen. An jedem Zentimeter der Wand. Das sollte man immer beachten. Man muss jeden Zentimeter untersuchen, denn auch ein Zentimeter Mörder ist ein Mörder. Viele die sich immer nur nach einen großen Verbrecher umgeschaut haben, schauen sich jetzt die Maulwürfe von oben an. Also schaut er wirklich jeden Zentimeter genau an. Das dauert. Ihn treibt natürliche das schreckliche Geräusch der Waschmaschine an, dass den Schmuck seiner Mutter bedeuten könnte, aber es nimmt trotzdem einen ungeheure Zeit in Anspruch. Zeit , die seinem Vater jetzt gerade die Beine wegweicht und wegrubbelt.
Doch trotzdem ist die Zeit gut genutzt, denn er hat nicht nur nach dem Verbrecher geschaut. Er hat auch nach einer guten Antiwaschmaschinenwaffe geguckt. Zuerst kamen da nur Ölbilder und Lampen in Frage, aber dann stand da dieses ziemlich leere, feste, kantige, abermorgensowiesowegschmeissendewolle Regal und das trägt er jetzt vor sich her. Immer nur kurz an der Seite vorbeischauen. Immer vorbereitet auf eine Waschmaschine, die diese Küchentür aufstößt und mit Messern wirft. Sie schleudert in ungefähr 15 m Entfernung und es trennt noch die geschlossene Tür. Sein Herz pocht wild in den Hals, er stellt das Regal auf den Boden, umfasst den Drücker, zögert noch ein wenig. Trommelwirbel, immer schneller. Er drückt nach unten, ein kleiner Türspalt schickt Licht aufs Regal und ein Stück Andreashand. Drinnen dröhnt die Waschmaschine. Sie rattert auf den Fliesen wie ein Panzer auf Feindeswirbelsäulen. Es knattert und knallt. Dazu dieses Kratzgeräusch tief aus dem Waschmaschinenbauch. Es kratzt auch einen Teil seines Muttes ab. Hier kann der kleine Andreas sich an Gottes Finger nicht mehr halten. Er will den Spalt schon wieder zumachen, als ihm der Drücker entgleitet. Nun ist alles in wie in Zeitlupe. Im Hintergrund singen Mönche leise Beschwörungsformeln. Mit sehr tiefen beruhigenden melodischen Stimmen. Die Tür öffnet sich, der Spalt wird zum Loch. Das Küchenfenster blendet im ersten Augenblick. Staub fliegt in der Luft und am Boden glänzt das Fenster.
Direkt neben dem Fenster: Die Waschmaschine.
Weit aufgerissene Lider, zwei zitternde Beine und ein offener Mund trifft „Blechgestanztes Wackelwasserding“.
Schon jetzt kann Andreas sehen, dass das Bullauge nicht rot ist. Aufkommende Erleichterung wird aber kurzerhand mit einem neuen Gedanken zurückgedrängt. Was ist, wenn das schon die zweite Spülung ist?
Er kann nicht länger warten. Er nimmt all seinen Mut zusammen, das puzzeln beherrscht er sehr gut und schnellt ab. Noch vor der Schwelle ist er abgesprungen. Sein kleiner stämmiger Körper ballt sich in der Luft zu einem Ball zusammen und landet dann perfekt wieder auf den Füßen. Blitzschnell neigt er den Kopf.
Ein Blick genügt. Wäsche.

Und genau in diesem Augenblick kommt ihm der unheimliche Gedanke, dass der Toaster mit der ganzen Elternverschwinderei etwas zu tun haben könnte. Er sieht entsetzliche Bilder.


Kommentar

Der Text, den sie gleich lesen werden, ist ein sehr sozialkritischer Text. Es verschwinden Eltern. Einfach so. Sie sind weg. Das steht fest. Da ist niemand, der diesem kleinen, erst mutlosen, Andreas die Milch ins Glas kippt. Und das dies sonst immer so ist, zeigt seine sofort aufkommende Panik. Ja es ist der Anfang der Angst, der sich dann in der Szene mit der Waschmaschine eintariert. So etwas gab es nicht und es war niemals für diesen Jungen denkbar das so etwas geschehen könnte. Die Gedanken, die er dann hat, stellen nur die Hilflosigkeit dar. Er ankert an einem Rettungsring an und auch wenn, es ein schmerzhafter Ring ist, hält er über Wasser. Und es macht schlussendlich Mut. Die Veränderung des Mutwandels, des Muterscheinens besser gesagt, lässt der Autor von Gottes Finger antippen. Das hat etwas von einer englischen Sitcom der frühen Jahre. Vielleicht hätte er das noch ausbauen können. Wobei es auch wieder einen Hauch von Hilfe in allerletzter Minute hat. Und dann durch Gott. Natürlich wird hier die Religiosität des Autors dargelegt. Regelrecht ausgebreitet wird sie.
Schauen wie auch auf das Regal, dass aus Holz ist. Aus Holz, dass auch für das Kreuz hätte da sein können.
Der Türspalt bringt Licht. Auf sich selbst, die Hand. Das Regal ist hier als Seele zu verstehen.
Sozialkritik schwebt in er Luft. Noch ist immer noch nicht klar, wo die Eltern sind. Andreas rechnet mit dem Schlimmsten, denn man muss heutzutage mit dem Schlimmsten rechnen. Und dann ist die Waschmaschine mit Wäsche gefüllt. Die Mutter hat das Geld nicht aus den Taschen genommen. Dies beweist auch, dass sie die Maschine noch angestellt hat. Man denkt. „Puhh noch mal Glück gehabt. Erstens brauch der Autor dann nicht weiter ins Eklige ausholen und zweitens „Schön, dass die Angst für Andreas vorbei ist“.

Doch sie fängt wieder an. Der Toaster.
 
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