31


5 Seiten

*Ich find deine Stimme schön* - Der Slip auf dem Küchentisch

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Es ist nun einmal so, dass das Leben die weibliche Unterwäsche als Slip bezeichnet - bei Männern nennt man das seit Gründung der Bundeswehr "Liebestöter". Wie dem auch sei, es kam der Tag des Zerwürfnisses zwischen mir und 'Ich find deine Stimme schön'. Es war ein Mittwoch soweit ich mich erinnern kann und meine Mutter war zu Besuch gewesen, hatte aber die Stätte des üblichen Wahnsinns längst verlassen, genau wie die Kinder. Aber alle der Reihe nach, jeder für sich. Und so will ich auch der Reihe nach berichten, wie sich die Wandlung in meiner Einstellung zur Waschmaschinenmörderin vollzog.

Laut hustend kündigte sich das Wiener Fahrzeug am Freitag vor dem Mittwoch an, den defekten Auspuff über die Strasse vor unserem Haus schleifend. "Was ist denn das?" Meine Mutter bemerkte das fremdartige Geräusch als erste. Ich schaute aus dem Fenster und konnte gerade noch sehen, wie es in unsere Einfahrt bog, das Fahrzeug aus Wien. "Das ist sie", antwortete ich, meine Mutter auf den ersten realen Kontakt mit der Dame meines Herzens vorbereitend. "Ach so", erwiderte sie, meine Mutter, beiläufig als auch schon ein fröhliches "Guten Abend, lieber Manfred von der Hintertür erklang. Zugegeben, ihre Stimme war nicht mit jenem Kratzen des Auspuffs zu vergleichen und so schöpfte meine Mutter auch keinen Verdacht. Unvorbereitet stolperte sie in die Geschehnisse des kommenden Tages. "Kuckuck, mein Auspuff ist kaputt, den musst du heile machen". Unwillkürlich musste ich an den Waschmaschinenverkäufer denken. "Den Griff zum Wegschmeißen bekommen sie gratis", hörte ich ihn in meiner Phantasie sagen. Und wirklich, dass dieses Gefährt die 900 Kilometer überhaupt durchhielt, erstaunte mich auch bei diesem Besuch ihrer Lieblichkeit. Vorsorglich hatte ich den Geschäftsführer des Rewe in Urlaub geschickt und alle Chips Tüten Bestände aufgekauft. Die Kellertür hatte ein neues Schloss und vor den Schränken klebte ein großes Schild: "Weichspüler müssen draußen bleiben". So ergab ich mich den Dingen, die tags darauf ihren Anfang nahmen.

In aller Frühe fuhren wir zu meiner Vertragswerkstatt und bestellten einen Auspuff, legten den Austauschtermin fest und kauften noch ein paar Semmeln zum Frühstück. Die Wohnung betretend blickten wir etwas überrascht in das vorwurfsvolle Gesicht meiner Mutter. "So geht das aber nicht", ließ sie sich vernehmen, die Semmeln ignorierend. "Unterwäsche gehört nicht auf den Küchentisch." Einen Slip von 'Ich find deine Stimme schön in der Rechten schwingend erreichten ihre Vorwürfe das Ohr der Übeltäterin. "Wie können Sie es wagen, meine Unterwäsche anzufassen?" Die Eigentümerin des Gegenstandes streckte sich mit all ihrer geringen Körpergröße so weit sie konnte und blies zum Angriff während der Cockerspaniel leise aus der Küche schlich. Die Kinder waren noch in ihren Zimmer und so blieb diese Unterhaltung unter uns. Die beiden Kontrahenten standen einander in nichts nach und so verlagerte sich der Gefechtsschwerpunkt auf mich. Bezeichnenderweise teilte mir 'Ich find deine Stimme schön' ihre Meinung im Schlafzimmer mit, während meine Mutter in der Küche kochte. "Entweder geht sie oder ich fahre." Hier galt es eine Weise Entscheidung zu treffen. Nach kurzer Überlegung, natürlich spielte der Auspuff in meinen Gedanken eine Rolle, entschied ich mich für das letztere. Und das letztere war das Gespräch mit meiner Mutter. Zurück in der Küche erklärte ich ihr den Zusammenhang zwischen Verwandtschaft und Zugereißten. Einsichtig packte meine Mutter ihre Koffer und verzichtete auf einen Abschiedsgruß. Unser Schlafzimmer ist oben und der Weg zur Haustür führt dort nicht vorbei.

Stolz betrat die Siegerin erneut die Küche, legte demonstrativ ihren Slip neben die Semmeln während ich den Tisch deckte. Inzwischen waren auch die Kinder erwacht, denen der artfremde Gegenstand Gott sie Dank nicht auffiel. Schön ist es samstags morgens bei, das muss man schon zugeben. Alles strahlt eine gewisse Gemütlichkeit aus und so verbrachten wir den Tag mit schönen Dingen. Die Hunde unternahmen einen kleinen Spaziergang und riefen die Nachbarschaft auf den Plan. Der Cocker, also mein Hund, sei unsittlich mit einer Schäferhündin, also ihr Hund, durch die Strasse stolziert und habe die spielenden Kinder belästigt. Um eine Anzeige zu vermeiden sollten wir doch auf die Leinenpflicht Acht geben - es war die Zeit, wo der Pitbull das Kind tot gebissen hatte. Verständnis brachte auch diese Situation unter Kontrolle, mein Verständnis. 'Ich find deine Stimme schön' hatte schon wieder Gefecht gerochen, das ich gerade noch verhindern konnte. Erst sollte der Auspuff unter ihrem Wagen angebracht sein, dann waren neue Bedingungen gegeben. Natürlich fiel es mir nicht leicht, all diese Leute zu beruhigen. Aber inzwischen hatte ich ja Übung darin. Und so wurde es Sonntag.

Sonntags arbeiten Vertragswerkstätten nicht, also würde ich auch diesen Tag irgendwie überstehen müssen. Aber viele Gefechtsfelder waren ja nicht mehr übrig, wie gesagt, der Geschäftsführer vom Rewe hat auch sonntags frei und war eh in Urlaub, die Kellertür fest verschlossen und die Kinder neutral gegenüber Unterwäsche auf Küchentischen eingestellt. Auch die Nachbarn rufen sonntags keine Polizei. Unbewusst begann ich zu begreifen, warum dieser Tag von Gott eingerichtet wurde und das erste mal im Leben machte er einen Sinn, der Sonntag. Friede hatte sich über die Wirkungsstätte von 'Ich find deine Stimme schön' gelegt, ein trügerischer Friede, denn ihrer Meinung nach ist Gott eine Frau und somit mein Glaube nichtig. Und sie hatte Recht, nicht damit, dass Gott eine Frau ist, nein, sonder damit, dass es immer Unruhe geben wird, solange man sich in ihrer Nähe befindet. Es war der dritte Tag und während Gott Land vom Wasser trennte, spielte sie nach dem Frühstück mit meinem jüngeren Sohn Karten, Da kann nichts passieren, dachte ich vergeblich. An meinem Schreibtisch sitzend bemerkte ich eine negative Stimmung im Raum, die mit jedem verlorenen Kartenspiel anstieg. Eine Art subtropisches Klima erfüllte den Raum wie damals, als die Waschmaschine verendet war. Als ich mir der Gefahr bewusst wurde, war es schon zu spät. Ihre Hand erhob sich gegen den Kleinen, der geschickt auswich: Er ist halt keine Waschmaschine und kann sich wehren. Instinktiv die Hände schützend erhebend traf er sie am linken Ohr und verließ mein Arbeitszimmer, während ich Angst um meinen Fernseher bekam oder was sonst noch übrig blieb.

"Fahr mich sofort zum Krankenhaus, ich kann nichts mehr hören" riss sie mich aus meinen Gedanken. Ich schaute auf, konnte aber keine Verletzung entdecken und ersparte mir einen weiteren Konflikt mit dem diensthabenden Notfallarzt. Wie bei Karl Mey gelesen legte ich meine rechte Hand liebevoll auf ihr linkes Ohr und folgte gespannt der schnellen Heilung ihrer Wunde. Noch war ich in der Lage, sie mit meinem Charme zu verzaubern. Aber wie lange würde das noch gut gehen? Es musste 'gut gehen' bis der Auspuff angeschraubt war und das würde frühestens am Montag passieren. Die Kinder sah ich den ganzen Montag nicht. Sie verzichteten auf jegliche Art von Kommunikation mit ihrem Vater der 'Irren'. Es war der vierte Tag und die Fische schwammen im Meer. Auch gelang es mir, sie davon abzuhalten mit dem Jugendamt über die Einweisung meines Jüngsten in eine Besserungsanstalt zu verhandeln. Ehrlich gesagt begann ich mich selbst zu bewundern, als die Kinder dienstags Richtung Ferienlager das Haus verließen. Nun waren wir endlich alleine. Bis Donnerstag, dann wollten wir zusammen nach Wien fahren, hatte ich Zeit mir über meine Beziehung klar zu werden. Fleißig arbeitete die Werkstatt am Auspuff und ich erwartete den Tag ihrer Abfahrt. Auf diese Weise wurde es Mittwoch, der sechste Tag, und Gott schaute sein Werk an und siehe, es war gut.

Am siebten Tag, Donnerstag, ruhte Gott von seinem Werk und es war wirklich auch nichts weiteres passiert seitdem alle das Haus verlassen hatten. Insgeheim nahm ich mir vor, die Zeitrechnung zu überprüfen. Vielleicht war der Sonntag ja in Wirklichkeit ein Donnerstag? Jedenfalls erwachte ich an diesem morgen 'frohgemut'. Und 'frohgemut' bin ich immer, wenn ich eine Entscheidung getroffen habe. Neben dem Slip auf dem Küchentisch nahm an diesem Morgen meine Entscheidung Platz. "Du, weißt du", begann ich Butter aufs Brot streichend das Gespräch. "Du, weißt du, ich werde nicht mit dir nach Wien fahren. Ich habe mich entschlossen, alleine zu leben." "Ach", erwiderte sie gekonnt. "Meinst du, mir geht dieses ewige Theater mit dir nicht auf die Nerven? Ich beende diese Beziehung und nicht du." Widerspruch zwecklos begleiteten meine Gedanken den Auszug aus dem Paradies. Dieser geschah jedoch nicht ganz unvermittelt. Meine Vertragswerkstatt füllte noch einmal alle Ersatzkanister - und davon hat 'Ich find deine Stimme schön' einige - auf meine Kosten auf. Ein letztes Mal klingelte es an meiner Haustür - inzwischen habe ich die Klingel abgestellt. "Ich habe noch einmal vollgetankt und wollte mich verabschieden", lächelte sie mich an. Dieses Lächeln ist mir und den Kindern, meiner Mutter, dem Waschmaschinenverkäufer, den Nachbarn und dem Geschäftsführer des Rewe begegnet. Er kam just am Freitag aus dem Urlaub zurück. Und manchmal sitzen wir zusammen und beten, denn nun ist unsere kleine Stadt wieder ein Paradies. Dass am Freitag mein Vermieter erschien und mich aufforderte diesen Schäferhund zu entfernen, ist nicht mehr erwähnenswert.

Erwähnenswert bleibt nur noch, dass alle zurückkehrten. Nur 'Ich find deine Stimme schön' habe ich seitdem nicht wieder gesehen. Wohl aber ihren Prachtbau mit den Kinderzimmern im Keller. Immerhin bin ich Wien treu geblieben, aber das ist ein anderes Kapitel.
 
Wenn du registriert und angemeldet bist und selbst eine Story veröffentlicht hast, kannst du die Stories bewerten, oder Kommentieren. Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diese Story kommentieren.
Weitere Aktionen
Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diesen Autoren abonnieren (zu deinen Favouriten hinzufügen) und / oder per Email weiterempfehlen.
Ausdrucken
Kommentare  

Und ich finde, dass Kommentare nicht anonym sein sollten -
Habe nun alle "Ich-find-deine-Stimme-schön" und "Kuckuck"-Geschichten gelesen und finde nicht nur Deine Stimme schön ... und die Tippfehler kann mann/frau ja verbessern (sollte es auch tun, nicht um die Geschichte besser zu machen, sondern um das zu würdigen, was jemand Dir schreibt)
=)
LG
Ursula
LG
Ursula


kalliope-ues (25.02.2007)

Ich fin das schonnn inn der Übeschrift zu fiele Fehle sind!

 (17.09.2004)

Login
Username: 
Passwort:   
 
Permanent 
Registrieren · Passwort anfordern
Mehr vom Autor
Keine Kindheit lang  
Die Tafel Schokolade  
Die Gummibärchen einer Ehe  
Der Uhrheilemacher  
Zwischen Wahrheit und Ordnung  
Empfehlungen
Andere Leser dieser Story haben auch folgende gelesen:
---
Das Kleingedruckte | Kontakt © 2000-2006 www.webstories.eu
www.gratis-besucherzaehler.de

Counter Web De