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6 Seiten

With or without you - 5. Entscheidungen

Romane/Serien · Romantisches
© Conva
Zwei Tage waren vergangen, seit Linária mich besucht hatte. Ich hatte seitdem nichts von ihr gehört und machte mit ernsthaft Sorgen um sie.
Da ich seit meinem Beinbruch keinen Zimmerarrest mehr hatte (ich konnte ja ohnehin nicht weit humpeln mit dem bandagierten Bein), beschloss ich nun, sie zu besuchen. Mühsam und viel zu langsam machte ich mich auf den Weg in den Stall, wo Massai mich freudig wiehernd begrüßte. Der arme Junge war schon viel zu lange nicht mehr von mir besucht worden und hatte mich sichtlich vermisst.
“Hallo Massai!“ begrüßte ich ihn flüsternd. Er rieb seinen Kopf an mir, so dass ich fast umgefallen wäre. „Sei ein braver Junge und benimm dich heute, ja?“

Mit einigen Schwierigkeiten und vielen (sehr undamenhaften!) Flüchen gelang es mir schließlich, ihn zu satteln. Ich hatte den Damensattel gewählt in der Hoffnung, darauf mit dem gebrochenen Bein besser zu sitzen. Leicht außer Atem kletterte ich auf einen Hocker und von dort auf einen großen Holzstoß und irgendwie gelang es mir dann, in den Sattel zu kommen. Massai tänzelte ein wenig ob der ungewohnt langwierigen Prozedur, doch einige Worte von mir beruhigten ihn bald wieder.
Meine Mutter hatte mir nicht verboten, wieder auszureiten, aber ich wollte ihr auch nicht begegnen, deshalb hatte ich mit dem Ritt gewartet, bis sie in ihrer Kapelle war und betete.
Nun ritt ich im Schritt langsam über unseren Hof und auf die Straße, die unser Anwesen und das der Nájas miteinander verband. Es dauerte wesentlich länger als sonst, bis ich endlich mein Ziel erreichte, da ich nicht wie sonst querfeldein reiten konnte und es nach einem missglückten Versuch aufgab, mit meinem Bein schneller als im Schritt reiten zu wollen.

Der Stallknecht der Nájas blickte mich erstaunt an, als er mein Bein erblickte, doch sagte er nichts sondern half mir nur zuvorkommend von Massai runter. Als er Massai jedoch für mich absatteln wollte, schnappte dieser drohend nach ihm.
“Schon gut,“ sagte ich hastig „ich sattele Massai lieber selbst ab. Wenn du mir nur den Sattel abnehmen würdest?“
Endlich war mein Pferd zufrieden in seiner Box untergebracht und ich humpelte zu Linárias Zimmer. Ich klopfte an ihre Zimmertür, doch nichts rührte sich. Noch einmal klopfte ich, diesmal etwas lauter, doch ich bekam keine Antwort. Als ich die Klinke runterdrückte stellte ich zu meiner Überraschung fest, dass die Tür abgeschlossen war.
“Linária?“ rief ich leise und klopfte noch einmal. „Ich bin es, Núphar. Bist du da drin?“ Doch noch immer blieb es in dem Zimmer still.
Hinter mir klappte eine Tür und als ich mich erschrocken umdrehte erblickte ich Linárias Zofe Arenária.
Sie knickste vor mir und sagte: „Wie gut, dass Ihr hier seid, Mylady. Vielleicht könnt Ihr Miss Linária dazu überreden, ihr Zimmer zu verlassen. Mich wollte sie gestern nicht hinein lassen und heute hat sie mir noch nicht einmal mehr geantwortet. Ich mache mir schreckliche Sorgen um sie und sie muss ja auch endlich wieder etwas essen!“
“Nun,“ sagte ich zweifelnd, „mir wollte Linária eben auch nicht antworten. Aber vielleicht schläft sie ja auch gerade? Wie lange hat sie sich denn schon eingeschlossen?“
“Seit sie vorgestern abend von Euch zurück kehrte, Mylady. Sie wollte mir nicht erlauben, ihr beim Auskleiden zu helfen oder ihr ihre abendliche Milch zu bringen.“
“Vorgestern abend? Aber sie war nur nachmittags bei mir...“ In mir keimte ein Verdacht. „Wann hast du das letzte mal mir Linária gesprochen?“ fragte ich die Zofe.
“Das muss gestern Vormittag gewesen sein. Ich wollte ihr wie üblich beim Ankleiden helfen, doch war die Tür noch immer verschlossen. Sie sagte, sie wolle allein sein und niemanden sehen.“ Die Augen Arenárias waren nun schreckgeweitet. „Sie wird doch nicht... ich meine, ich kann es mir nicht vorstellen, aber wenn doch? Sie wird doch keine Dummheit begangen haben“
“Ich fürchte doch!“ erwiderte ich düster.
“Nein! Das glaube ich nicht! Kein Mann ist es wert, dass man seinetwegen das Leben wegwirft! Oh meine arme Herrin!“ schluchzte die Zofe auf.
“Sei ruhig! Das meinte ich nicht mit einer Dummheit. Nein, ich denke, sie ist davon gelaufen.“
“Davon gelaufen?“ schniefte Arenária. „Seid Ihr sicher?“
Ich nickte und beruhigte die Zofe damit anscheinend, denn sie trocknete ihre Tränen an einem Schürzenzipfel.
“Sie muss sich abends noch mit Lord Órchis getroffen haben.“ überlegte ich laut. „Und dann haben sie möglicherweise beschlossen, zu fliehen.“ Ich wandte mich wieder an Arenária. „Gibt es einen zweiten Schlüssel zu dieser Tür?“
“Nein, ich glaube nicht.“
“In Ordnung. Linária weiß, dass du ihr treu zugetan bist. Schaue in der nächsten Stunde noch einmal, ob sie nicht vielleicht doch geschlafen hat. Wenn du wieder keine Antwort erhältst, behältst du das am Besten für dich. Sollte sie tatsächlich mit Lord Órchis geflohen sein, dann soll ihr Vorsprung so groß wie möglich sein, bevor ihr Vater davon erfährt und sie verfolgen lässt.“
Die Zofe nickte und ich machte mich wieder auf den Weg in den Stall. Ich wusste nicht, ob ich mich über meine Freundin ärgern sollte, weil sie ohne ein Wort an mich verschwunden war, oder ob ich mich für sie freuen sollte. Letzten Endes hielt ich ihr jedoch die Daumen, dass sie und Lord Órchis in Sicherheit waren und sich ein glückliches gemeinsames Leben aufbauen konnten. Bei dem Gedanken daran, wie groß ihre Liebe doch sein musste, dass sie bereit waren, allen Regeln der Gesellschaft zu trotzen, wurde ich fast ein wenig neidisch. Nie hätte ich gedacht, dass ausgerechnet sie ein so romantisches Abenteuer erleben würde. Doch ich gönnte Linária ihr Glück und wünschte mir nur, dass wir uns dadurch nicht aus den Augen verloren.

Im Stall sattelte ich Massai und der Reitknecht half mir auf das Pferd. Massai war ein wenig ungeduldig, weil er nur Schritt gehen durfte und ich beschloss, einen Umweg zu machen, um ihm wenigstens etwas mehr Bewegung zu verschaffen.
“So wie es aussieht, sind wir jetzt allein, mein Süßer. Keine gemeinsamen Ausritte mehr mit Linária und Kíckxia.“ Kíckxia war Linárias geliebte Stute. Die Ausritte mit den beiden waren stets etwas anstrengend aber auch sehr lustig gewesen. Massai fühlte sich nämlich – naja – zu Kíckxia hingezogen und es war nicht immer einfach, ihn zurückzuhalten. Linária ritt eigentlich nicht besonders gerne, da sie auf einem Pferd immer etwas ängstlich war. Ihre Stute mit dem zungenbrecherischen Namen war jedoch mehr als lieb (temperamentlos wie ein Stofftier, hatte ich oft gescherzt) und ihr vertraute sie.

Während wir über grüne Wiesen und entlang der Felder ritten, erzählte ich Massai von Linária und Lord Órchis.
Einige Vögel zwischerten in der Nähe und ich fühlte mich trotz der (hoffentlich nur vorübergehenden) Trennung von meiner Freundin so glücklich wie lange nicht mehr. Ich hatte das Reiten doch sehr vermisst und so konnte ich mich einfach nicht dazu überwinden, umzukehren und zurück nach Hause zu reiten.
Statt dessen bummelte ich mit Massai immer weiter Richtung Süden, der mittäglichen Sonne entgegen. Mein geliebtes Pferd hatte sich inzwischen damit abgefunden, nicht galoppieren zu dürfen, und schritt manierlich aus.
Eine kaum merkliche Steigung deutete die Anfänge des Ócimum an, eines bescheidenen Berges, der zu einer Kette kleiner Berge gehörte. Massai suchte sich seinen Weg zwischen den hier wachsenden Büschen und ich ließ ihn gewähren. Der Berg war nach gut einer Stunde erklommen und ich genoß die Aussicht, die sich mir nun bot. Auf der einen Seite konnte ich die Gegend um mein Heim betrachten und auf der anderen Seite des Berges, der hier recht steil abfiel, lag Cer, die Hauptstadt. Ich ließ meinen Blick über die vielen steinernen Häuser schweifen, und freute mich, dass ich nicht dort wohnen musste.
Doch langsam musste ich wieder an den Rückweg denken. Ich seufzte, hoffentlich vermisste meine Mutter mich noch nicht.

Der Rückweg dauerte länger, als ich gedacht hatte. Ich war lange nicht mehr auf dem Ócimum gewesen und auf dem Hinweg hatte ich nicht auf die Zeit geachtet. Ich trieb Massai zu einem Galopp, die ruhigen Sprünge ließen sich leichter sitzen als der Trab, der einen stärker durchrüttelte. Doch ich spürte, wie mein Bein nach den Anstrengungen des Tages zu schmerzen begann, und so parierte ich nach kurzer Zeit wieder durch. Massai gehorchte nur widerwillig und ich versprach ihm einige Möhren als Trost.

Je näher wir unserem Zuhause kamen, desto langsamer wurden wir. Massai hatte genauso wenig Lust wie ich, unseren Ausritt zu beenden, doch die Vernunft siegte. Ich brachte ihn in den Stall und sattelte ihn ab. Dann putzte ich ihn noch einmal gründlich, was er sich gerne gefallen ließ. Als er sich wohlig an mich lehnen wollte, was er manchmal tat, wenn er schmusen wollte, lachte ich.
“Heute nicht, Junge. Du wirfst mich sonst um. Außerdem muss ich nun dringend ins Haus.“ Ich gab ihm wie versprochen seine Möhren und humpelte dann durch die Nebentür ins Haus. Gerade wollte ich mich auf mein Zimmer schleichen, als die Stimme meiner Mutter mich rief.
“Núphar, bist du wieder da? Kommst du bitte in den Salon?“
Der „Salon“ war das größte Zimmer im Haus und für den Besuchempfang gedacht. Er hatte jedoch keinerlei Ähnlichkeit mit dem Salon der Nájas, denn auch hier war genau wie im Rest des Hauses alles einfach und schlicht eingerichtet. Meine Mutter war eben durch und durch eine puritanische Gläubige geworden, nachdem sie sich von meinem Vater getrennt hatte!
Als ich nun den Salon betrat, erblickte ich meine Mutter und – den Comte di Drýas!

„Mein lieber Comte, darf ich Euch meine Tochter Núphar vorstellen? Núphar, dies ist der Comte di Drýas.“
Letzterer stand auf, als er mich erblickte, und verbeugte sich. „Lady Núphar, wie schön, Euch zu sehen.“ Er gab nicht zu erkennen, dass er mich bereits kannte, und so knickste ich nur verwirrt.
Meine Mutter betrachtete meine zerzausten Haare, mein verstaubtes und leicht verdrecktes Kleid und wünschte offensichtlich, sie hätte mir Zeit gegeben, mich schnell für den Besuch herzurichten.
“Núphar,“ sagte sie, „der Comte di Drýas hat soeben um deine Hand angehalten.“
Nun, sie hätte kaum bessere Worte finden können, damit ich wie angewurzelt im Raum stehen blieb und blöd guckte.
“Um meine Hand angehalten?“ wiederholte ich stupide.
“Wir haben bereits alles besprochen, seine Eltern werden uns morgen besuchen, um dich auch kennen zu lernen und die Hochzeit wird in zwei Monaten stattfinden. Üblich wäre ja eine Verlobungszeit von vier Monaten, doch dann wäre bereits Winter und unter den besonderen Umständen der Eheschließung...“ Sie unterbrach sich. „Aber vielleicht sollte ich euch kurz alleine lassen, damit ihr euch besser kennen lernt.“ Sie knickste in Richtung des noch immer stehenden Comte und verließ das Zimmer. Die Tür ließ sie natürlich offen, denn auch wenn wir anscheinend verlobt waren (was, zum Teufel, sollte das eigentlich! Ich und verlobt?), wäre es unschicklich, in einem geschlossenen Raum alleine zu bleiben – obwohl ich mich immer fragte, was denn dann schlimmes passieren könnte.
Ich schaute den Comte fragend an.
“Mylady, ich bin sicher, Ihr seit erstaunt über diesen etwas abrupten Antrag, doch ich würde mich freuen, wenn Ihr ihn annehmt.“ sagte er ernst. Es war natürlich eine rhetorische Bitte, denn meine Mutter hatte, wie es in diesem Land üblich war, den Antrag bereits in meinem Namen angenommen. Mir schwindelte. Eigentlich hatte ich mir meinen Antrag romantischer vorgestellt. Doch keine feurigen Liebesschwüre kamen über die Lippen des Comte, ja er nahm nicht einmal meine Hand und blickte mir feierlich in die Augen. Ich starrte ihn an. Seit dem Maskenball hatte ich öfter an ihn und seine unglaublich grünen Augen denken müssen, als mir lieb war. Er war ein sehr gutaussehender junger Mann, aus bester Familie und mit viel Geld, auch wenn mir diese Dinge nicht wichtig waren. Das Herz schlug wie wild in meiner Brust, als ich mir vorstellte, wie es wohl sein würde, wenn ich seine Frau wäre.
“Ich weiß nicht was ich sagen soll...“ stammelte ich.
“Mir ist natürlich bewusst, dass dieses Ansinnen recht plötzlich kommt. Leider habe ich nicht die Zeit, Euch die näheren Umstände zu erklären, denn ich muss dringend wieder nach Hause, da ich noch heute Nacht nach Cer reisen muss. Ich werde Euch jedoch besuchen, sobald ich wieder da bin.“
Mama (ich bin sicher, sie hat gelauscht!) betrat wieder den Raum. „Ihr wollt wirklich schon gehen? Das ist aber schade.“
“Ja, leider geht es nicht anders.“ Er verbeugte sich über ihrer Hand und tat bei mir das gleiche. Als er sich wieder aufrichtete und meine Hand losließ umarmte ich ihn spontan zum Abschied. Hatte ich als seine Verlobte nicht das Recht dazu?! Doch er erwiderte meine Umarmung nicht, sondern stand stocksteif da. Verlegen lies ich ihn wieder los, sagte „Bis bald“ und flüchtete unter dem tadelnden Blick meiner Mutter aus dem Zimmer.





Arenária: Sandkraut
Kíckxia: Tännelkraut (ebenso wie Linária (Leinkraut) zur Familie der Braunwurzgewächse – Scrophulariáceae – gehörend.)
Ócimum: Basilienkraut (Basilikum)
 
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Kommentare  

Ich glaube wirklich, dass die Leute zu dieser Zeit, sich viel steifer und förmlicher verhalten haben als heute. Würden wir mit Hilfe einer Zeitmaschine in solch eine Zeit gelangen, würden wir wahrscheinlich mit unserer freien unbekümmerten Art überall anecken.

Petra (17.04.2009)

Hey, wieso verhält sich der Comte so kühl bei der Umarmung? Ist er etwa so ein sittenstrenger Schnösel, oder was??? Nuphár ist bestimmt verwirrt und enttäuscht wegen seines Verhaltens.
Mir kommt er ja wie jemand vor, der irgendwas verbirgt. Bin mal gespannt, ob dem so ist.
Werde gleich weiterlesen. Das wird 'ne lange Nacht :)


ISA (31.07.2005)

Oh,ohuu...puh! Mußte mich noch mal melden.*Schamerrötet* Meine unausgeschlafenen Äugelein sind wohl ein bisschen sehr schnell über die Zeilen deiner Geschichte gehuscht Selbstverständlich meinte ich vorhin nicht Lord Orchis, sondern den Comte di Dryas. So, jetzt ist das endlich geklärt, denn die könnten mir ja sonst böse sein, die beiden Adligen, puh!

Doska (13.11.2004)

Hehe, den schicken Lord mit den grünen Augen, würde ich auch nicht gerade weg schuppsen. Totzdem ist es richtig schlimm wie Nuphars Mutter die beiden einfach mit einander verkuppelt.Nuphar würde das wohl noch akzeptieren, wenn Lord Orchis dabei wenigstens etwas netter zu ihr wäre. Solch ein Murri dzzziss....Da hat es ja Linaria wohl doch im Moment besser oder? Na, das werde ich ja dann beim nächsten Kapitel erfahren.*Grins!* Sehr schön spannend!

Doska (13.11.2004)

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