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Die Nachricht

Schauriges · Kurzgeschichten
Julia joggt jeden Tag. Auch im Wald. Geniesst die frische Luft. Hört Musik. Hört nicht viel um sich herum. An einem Januartag ist sie wieder unterwegs. Wenig Schnee liegt auf den Strassen, den Feldern und den Feldwegen. Plötzlich joggt ein Mann neben ihr. Sie hat ihn nicht kommen gehört. Er sagt nichts, trägt eine Sonnenbrille trotz des trüben Wetters und eine Kapuze, schaut Julia ab und zu an. Eine Zeitlang joggt er auf gleicher Höhe neben ihr, biegt später in einen Waldweg ein. Julia denkt sich nichts dabei, geht nach Hause, duscht. Eine Woche später ist sie wieder unterwegs, auf einer anderen Route, als der Mann mit Brille und Kapuze wieder neben ihr auftaucht und plötzlich wieder in einem Waldweg verschwindet. Julia fühlt sich unwohl, nimmt die Kopfhörerstöpsel aus ihren Ohren, biegt ab, möglichst schnell in die Zivilisation zurück. Duscht sich, versucht, sich abzulenken, stellt den Fernseher ein, denkt an etwas anderes.

Einige Wochen später ruft die Schwester an, sie habe sich verliebt. Schön, denkt Julia, dann wird sie ihn ja bald einmal vorstellen. Tatsächlich, einige Tage später schaut die Schwester mit ihrem neuen Freund überraschend vorbei, er trägt dieselbe Brille und dieselbe Kapuze wie der Jogger von einst. Ihre Schwester stellt ihn Julia vor. Antonio heisst er, spricht nicht viel, hört vor allem zu. Julia hat ein ungutes Gefühl. Für ihre Schwester, für sich. Sie sagt nichts vom Joggen, stellt Antonio keine Fragen. Sagt irgendwann: "Schön, dass ihr vorbeigeschaut habt, ich muss jetzt noch in die Stadt fahren." Die Schwester und Antonio verabschieden sich.

Ein paar Wochen später ruft die Schwester bei Julia an. "Antonio verhält sich so eigenartig", sagt sie, "er wirkt auch immer so verschlossen, ich glaube, ich werde mich von ihm trennen müssen." 2 Tage später ist die Schwester von Julia verschwunden, jede Spur von ihr fehlt. Julia und ihre Eltern sind verzweifelt. Wochen später findet die Polizei in einem Waldstück nahe der Autobahn zwischen Nürnberg und Regensburg die Leiche von Julias Schwester. Verdächtigt wird ihr Freund, er wird verhört, man kann ihm aber nichts nachweisen, die Indizien sind zu schwach, obwohl das Alibi nicht wasserdicht ist.

Julia ist traumatisiert. Sie geht eine Zeitlang nicht mehr aus dem Haus, Joggen geht nicht mehr, sie nimmt zu, fährt ab und zu zu ihren Eltern und vergräbt sich sonst zuhause. Bis sie eines Tages einen netten Herrn kennenlernt, in einer Bar, sich in ihn verliebt, ihn zu sich nach Hause einlädt. Die beiden werden später ein Paar, gehen aus, machen Sachen, die Paare so machen. Der Mann zieht bei ihr ein, Julia freut sich, die Schatten der Vergangenheit lichten sich langsam.

Eines Tages schläft ihr Freund auf dem Sofa ein, sie schaut noch ein wenig fern. Das iPhone ihres Freundes liegt auf dem Stubentisch, es kommt eine Nachricht herein. Ihr Freund reagiert nicht, schläft weiter. Julia nimmt das Handy, schaut das Bild der Person an, von dem die Nachricht gekommen ist. Es ist das Bild des Ex-Freundes ihrer toten Schwester. Und als Meldung steht: "Kannst Du mich anrufen, es ist dringend."
 
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Kommentare  

Hui, das hat Potential für einen fantastischen Thriller.

Frank Bao Carter (08.02.2022)

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