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4 Seiten

Hans Dampf

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
Er ist der Hans Dampf, den alle hassen. Ein stark beschriebenes Blatt im Künstlerdschungel. Hans Dampf, der zeit seines Lebens dummen Anfeindungen offensiv gegenüberstand. Wie oft musste er sich diesen Vergleich mit dem Typen aus diesem Spruch „….in allen Gassen“ anhören und wie oft hat er dann erwidert:

„Ha, ha, ja, ja ist ja alles ganz lustig, aber ich schneid Dir gleich Deine Augenlider ab und werfe sie ins nächste Hundemäulchen“

Geboren wurde Hans Dampf 1969 im wunderschönen Spreewald. Hier besaßen seine Eltern ein Häuschen auf einer Viertelinsel. Erst wurde er zwangsläufig Pionier, dann zwangsläufig FDJler und dann trat er 1989 zwangsläufig aus der Partei wieder aus. Das war damals so. War man nach dem Zusammenfall der DDR noch in der Partei, wurde man schief angeguckt und das missfiel dem Dampf.
Durch die geöffneten Mauern kamen dann die ersten westlichen Kulturgüter in den Osten geschwappt. Kunst ohne Hammer und Sichel. Gemälde, die nicht auf Honeckers Haut gespachtelt wurden. Skulpturen, die nicht aus festem Nasensekret Wilhelm Piecks gemeißelt waren.
Und er fing an, sich für diese Lebensrichtung zu interessieren. Er lieh sich ganz viel Bücher aus, schaute durch Galeriefensterscheiben und unterhielt sich mit Bekannten übers Malen. Ein Dialog ging so:

Du bist doch nicht betrunken oder?

Ich, betrunken?

Ja, Du siehst irgendwie so aus.

Nee Danke. Nee, bin ich nicht.

Schade.

Wieso schade?

Na weil ich gerade vorhatte ein Bild mit dem Titel „Der Betrunkene“ zu malen. Und da wärst Du genau der Richtige.

Ich bin aber nicht betrunken.

Ja, hast Du schon gesagt, aber vielleicht lässt Du Dich einfach malen und ich tu so als wenn Du besoffen bist…

Für eine Schachtel Pralinen und eine CD der Prinzen ließ er sich malen und Hans Dampf erschuf sein erstes Bild. Das bunkerte er hinter seiner Schlafcouch. An die Öffentlichkeit gelangte dieses Bild nie. Hans war noch nicht so weit. Doch er hatte großen Gefallen an der Malerei gefunden und das ließ ihn nicht mehr los.
Überall, wo er sich befand, schuf er bald kleine Kunstbilder. Bevor zum Beispiel ein Passant stolperte und seinen Einkaufstüteninhalt über die Teerstraße verteilte, hatte Hans diese Szene schon gezeichnet. Manchmal noch genauer als die Realität es wiedergeben zu versuchte. Atmen war für ihn dasselbe wie Bilder zeichnen. Es kam sogar vor, dass er in seinen Nächten von Farben träumte und diese dann versuchte am nächsten Tag durchs mischen herzustellen.

Weil Hans Dampf seine gesamte Energie nur noch in die Malerei steckte, kapselte er sich von anderen Menschen völlig ab. Er wurde einsam und konnte sich davon nichts kaufen. Irgendwie schaffte diese Einsamkeit aber einen hintergründigen Seelenschmerz, der eine Rettungszentrale aktivierte, die wiederum dann neue Energie produzierte. Die wanderte dann auch noch in die Bilder. In dieser Phase, später sollte sie Eremitenperiode genannt werden, malt er Werke mit so vortrefflichen Namen wie: „Kippenloser Chromaschenbecher“, „Mit Sekt gefülltes Weizenbierglas“ und „Hurra, die Straße schneit Schnee“.

Dampf hatte keinen definierbaren Stil. Mal malte er kubistisch abstrakt und dann wunderschöne Stillleben. „Bananenhaut im Gewehrlauf“ oder „Registrierkasse mit Räucheraal“. Man konnte ihn nicht greifen und hätte es auch nicht können, wenn er anders gemalt hätte, denn er malte ja immer noch nur für sich. Die Eltern drängten auf eine ordentliche, das Arbeitsamt auf eine unordentliche Arbeit und er hatte irgendwie schon das Richtige gefunden.

Eines Tages, das Geld war knapp, fuhr er auf den regionalen Flohmarkt und wollte seine Schlafcouch verkaufen. Beim Abladen auf den Platz klatschte das Bild „Der Betrunkene“ auf den Asphalt und Hans drapierte es dann nur so als Scherz auf die Couch. Es wurde verkauft. An einen ganz anderen Maler, der aber leider nur die Leinwand haben wollte und später einfach ein anderes Bild drübermalte. Doch dieser Verkauf änderte irgendwas in seiner Innenwelt. Er bekam Selbstbewusstsein. Es war auch völlig egal, dass dieses Bild nur 2 Mark eingebracht hatte. Eigentlich hatte Dampf sowieso nur 20 Pfennig verlangt, aber wurde dann halt hoch geboten. Außerdem hätte er auch gar keine 2 Mark wechseln können. So arm war er.
Die Couch, keiner wollte die haben, ließ er übrigens stehen und irgendwann wurde sie von viel Regen in einen undefinierbaren Brei verwandelt.

Durch die neu erworbene Selbstsicherheit stellte sich Hans zwei Wochen später mit all seinen Werken auf diesen Markt. In seiner Biographie steht, dass er von 628 Werken damals 20 verkaufte. Ernstzunehmenden Leuten ist aber zu entlocken, dass er damals nur drei Bilder verkaufte. Diese Ölbilder befinden sich heute in Privatbesitz und es handelt sich natürlich um „Der grüne Halunke“, „Taufrische Taufe“ und „Unangeküsstes Teelicht“. Letzteres Bild gehört zu seiner kurzen schwulen Phase, aber darüber vielleicht nachher ein wenig mehr. Für jedes ungerahmte Bild nahm er wieder zwei Mark ein.
Frau Doreen Nagelwistel erwarb den grünen Halunken und kann sich noch jetzt an den Dialog mit dem Künstler erinnern:


Was ist das denn?

Verehrte Dame, dies ist der grüne Halunke. Erkennbar auch an der vielen grünen Farbe.

Ach fein. Ich hab da auf meinem Grundstück eine fürchterlich kahle Stelle im Rasen. Da könnte ich mir dieses grüne Gewebe gut drauflegen.

Natürlich.

Was wollen sie dafür haben?

Zwei Mark!

Ich geb Ihnen fünf!

Nein, soviel wert ist das ja nicht. Die Leinwand und die Farben haben zwar schon 12 Mark gekostet, aber ich hab ja auch drauf gemalt. Das darf man nicht vergessen.

Vier Mark?

Sagen wir 2,10!

Drei!

2,20!

Ok, 2,20!!

Toll.


Dem Dampf müssen hier die Scheuklappen weggesegelt sein. Er hatte innerhalb von zwei Wochen den Wert seiner Werke um 10 % gesteigert. Er sah sich schon in Sachen ohne Blutflecken und einer richtigen Wohnung mit gut gedecktem Dach.
Es folgten drei Jahre auf dem Markt. Die Preise seiner Bilder stiegen und stiegen und irgendwann gelangte der Galerist Noah Guschmen an den Stand und bekam große Augen. Ohrenzeugen berichten von einem Bewunderungsbrubbeln.


Sagen Sie einmal, kennen Sie den Künstler dieser Werke?

Den was?

Den Künstler!

Wenn sie das hier meinen. Die Farbe hab ich draufgemacht. Das Bild, was Sie da halten, heißt „Kommunistische Zettelwirtschaft im Schnabel einer Schildkröte“ und sie können das Bild für 4,30 Mark haben.

Sie sind der Künstler?

Ja, und dann unterhielten sich Guschmen und Dampf noch ein wenig weiter. Die Galerie Guschmen stellte dann auch die Werke Dampfs aus. Man nannte sich bald Hans und Noah und es dauerte eine ganze Weile und mehrere Preisetappen, bis der Künstler sich getraute 1000 Mark für ein Bild zu verlangen. Und das komische war, dass die Besucher auch gerne diesen Preis bezahlten. Das erste Bild, das für diesen Betrag über die Galerietheke ging, war das bekannte Werk „Amarettoarmee“. Abgebildet ist eine Armee aus Amarettoflaschen. Damit wollte er seinen eigenen Kampf gegen die Alkoholsucht darstellen.

Alles hätte so schön werden können, aber als er bemerkte, dass man mehr als die Materialkosten für ein Bild verlangen konnte, wurde er größenwahnsinnig. Irgendwann konnte sich keiner mehr die Bilder leisten.

So endete leider die Glanzzeit dieses Künstlers.

Heute, so hört man, malt er auf ganz anderem Wege. Eine ganz neue Kunstrichtung hat er initiiert. Leider gibt es dafür noch keinen speziellen Namen. Man könnte es aber als malerische Rodung bezeichnen. Seine filigranen Linien und fetten Tupfer kann man nur aus einem hoch fliegendem Flugzeug betrachten und derzeit tut man das am besten in Brasilien. Hier benutzt er den Regenwald als Leinwand, das Feuer als Pinsel und seinen Größenwahn als Antrieb.

Schade, dass es so mit ihm enden musste und kein Wunder, und da kann er noch so viele Klagen einreichen wie er will, dass man ihn nun „Hans Dampf, den alle hassen“ nennt.
 
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Kommentare  

Von mir kriegst du auch vier Punkte.
Nicht wegen DDR und so, sondern weil Du die "Künstlerszene" so treffend beschrieben hast.


Minotaurus (01.10.2005)

ich frage mich, warum du für diese geschichte als ausgangspunkt einen dampf aus der ddr gewählt hast. wenn ich jetzt bösartig und hinterhältig wäre, würde ich denken, du meinst, global gesehen, die menschen aus der ehemaligen ddr, die unschuldig und wissbegierig, wie sie damals waren, auch aufgeschlossen allem neuen und unbekannten gegenüber, größenwahnsinnig geworden sind, wie der arme, verrückte, reiche gehasste dampf.
warum also diesen ausgangspunkt, der später keine rolle mehr spielt?
irgendwie bin ich unangenehm berührt, obwohl ich die geschichte sonst gut geschrieben, witzig und humorvoll finde.
du weißt, das typische an prots entspricht einer verallgemeinerung. und niemand schreibt etwas nur so dahin. es ei denn, er ist ein idiot. sorry.
aber ich bemühe mich um objektivität und gebe dir schweren herzens vier punkte. grins.
lg
rosmarin


rosmarin (16.09.2005)

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