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14 Seiten

Gedanken um einen Kuss

Erotisches · Kurzgeschichten
© MRK
Vicky fühlte sich ein wenig gestresst. Die ersten Tagen in der neuen Stadt, in dem neuen Leben hatten sie doch etwas mitgenommen. "Wenn der Umzug erstmal vorbei ist, wird's besser", sagte sie sich.

Vicky hatte gerade die ersten Tage ihres Studiums hinter sich. Nach dem Abitur hatte sie sich wie die meisten für ein Studium entschieden. -Germanistik. Ihre Heimatstadt hatte keine Universität zu bieten und so musste sie natürlich umziehen. Natürlich hätte sie auch mit dem Zug pendeln können, doch trotz aller Ängste auf sich allein gestellt zu sein, freute sie sich auch auf ihr neues Leben.
Doch dieses begann stressiger als gedacht. Die ersten Tage der Uni waren von großen Schlachten geprägt: Einschreiben für die Kurse. Zu viele Anfänger für zu wenig Plätze. Aber sie kämpfte sich durch und konnte einige Kurse ergattern.
Auch die Umstellung auf den Uni-Betrieb fiel ihr nicht leicht. Nach dem ersten richtigen Vorlesungstag dachte sie, sie würde das Tempo nicht lange durchhalten können. Und, dass ihre Wohnung bei weitem noch nicht fertig eingerichtet war, tat sein übrigens. Alles in allem also Stress. Sie sehnte sich nach einer Pause.

Einige Tage später quälte sie sich immernoch durch den Uni-Alltag. Bisher war es ihr noch nicht gelungen, sich einer Clique anzuschließen. Klar hatte sie schon viele Leute kennengelernt, aber irgenwie gehörte sie noch nirgendswo dazu.
Aber immerhin gelang es ihr inzwischen leichter mit dem Fachlichen umzugehen. "Langsam wird's besser, bald habe ich den Dreh raus", dachte sie als sie sich von der letzten Vorlesung langsam auf dem Heimweg machte. Plötzlich entdeckte sie einen Zettel und die 5 Buchstaben darauf, erheiterten ihre Miene sofort: PARTY. Endlich würde sie eine der berühmt-berüchtigten Studentenpartys miterleben. Sie freute sich. Auf einmal schien alles wesentlich leichter zu sein. Und am Wochenende sollte es bereits soweit sein.

Die Tage vergingen wie im Flug. Sie kam immer besser an der Uni zurecht. Doch in ihrem Uni-Eifer hatte sie ihren Umzug vernachlässigt. Zwar waren die meisten Dinge inzwischen in ihrer Wohnung, doch vieles befand sich immer noch in Kartons und wartete auf ihr Eingreifen. Doch Vicky störte das erstmal nicht. Ihr Schreibtisch war frei, die Küche begehbar und zwischen den Kartons noch eine Lücke frei für ihren Fernseher. Alles kein Problem also.
Sie hatte ohnehin andere Dinge im Kopf. Sie wollte die Party nutzen um ein paar Kontakte zu knüpfen oder zu vertiefen. "Mal seh'n was sich so ergibt".

Das Wochenende war da und Vicky machte sich fertig. Naja, sie wollte sich fertig machen. Vicky durchstöberte ihre Kleiderschrank und viele Kisten um etwas brauchbares... nein... etwas hübsches zu finden. Sie wollte Eindruck machen. Sie hoffte sehr darauf, ein paar Freundschaften mit andern Mädels zu starten und natürlich auch ein paar nette Studenten kennenzulernen. Nach einer Weile und etlichen Entscheidungsprozessen gelang es ihr einen Kompromiss mit den vorhandenen Klamotten und ihrem gewünschten Spiegelbild auszuhandeln. Noch schnell ins Bad (kämpfen) und etwas zurecht machen, und dann auf zur Party.

Als sie ankam, war die Party schon im vollen Gange. Sie sah einige ihrer Komillitionen, aber haufenweise neue Gesichter. Sie fragte sich, ob die wohl alle ebenfalls Germanistik studieren, oder vielleicht was anderes machen. Sie wusste es nicht und konnte es auch nur schwer einschätzen. Sie sah sich weiter um. Überall unterhielten sich die Leute. Meistens in größeren oder kleineren Gruppen. Aber es waren Gruppen. Und sie war allein. Ihr Stimmung fiel wieder auf einen Tiefpunkt. Aber so schnell würde sie nicht aufgeben. Sie startete einige Versuche und stellte sich einfach zu irgendwelchen Gruppen und versuchte ins Gespräch einzusteigen. Doch irgendwie nahm man keine wirkliche Notiz von ihr. "Vielleicht hätte ich doch den anderen Rock anziehen sollen", fragte sie sich. Vicky war gefrustet und ging erstmal an eine Theke und bestellte sich etwas zu trinken. Sie verweilte dort und versuchte ihr immer stärker aufkommenden Selbstmitleid mit dem Studentenfusel zu ertränken.

"Bist du nicht mit mir im gleichen Kurs?", wurde Vicky plötzlich von einer Stimme neben ihr gefragt. Sie schaute auf und sah ein anders Mädel, dass ihr auch irgendwie bekannt vor kam.
"Du machst doch auch Germanistik, oder?", kam direkt die nächste Frage. Vicky öffnete den Mund, pausierte dann aber, als müsste sie erst darüber nachdenken und nickte dann schließlich.
"Ich bin Sophie", sagte die jetzt als Sophie erkannte Person.
"Ich bin Vicky", endlich kamen ein paar Wörter aus ihr heraus.
Wieder eine Pause. Sophie sah sich nach hinten um, als würde sie wieder zu einer dieser Gruppen gehen wollen.
Doch Vicky ergriff das Wort: "Stimmt, ich mach' auch Germanistik. Ich hab dich da auch schonmal gesehen."
Sophie drehte sich wieder zu Vicky um.
"Bist du auch gerade erst her gezogen?", fragte Vicky.
"Nee, ich wohne hier. Noch bei meinen Eltern. Du dann aber offensichtlich nicht, oder? Seit wann hast du denn deine Wohnung hier?", entgegnete Sophie.
"Huhh", dachte Vicky und freute sich, dass sie mit Sophie ein richtiges Gespräch begann.

Und so unterhielten sich sich die beiden eine ganze Weile und tauschten sich über die Wohnung, ihre Vorlesungen, die Stadt, die Party, usw. aus. Es sah nicht so aus, als wollte Sophie zu einer Gruppe andriften.
"Eine kleine Gruppe, aber eine Gruppe", freute sich Vicky in Gedanken.
Sophie und Vicky verstanden sich gut und nach einige Zeit checkten sie gemeinsam die Jungs auf der Party ab.
Und wie gerufen kamen zwei Typen auf sie zu. Doch leider entsprachen die beiden weder Vickys noch Sophies Geschmack, wie die beiden schnell abklärten. Doch die Jungs kamen näher und sprachen die beiden an. Und legten auch gleich mit etlichen Anmachsprüchen los.
"Was für Armleuchter", dachte sich Vicky. "Ob die überhaupt Studenten sind?", flüsterte sie Sophie ins Ohr.
Die beiden Mädels versuchten den Typen klar zu machen, dass sie kein Interesse hatten. Doch die Typen ließen nicht ab. Vicky beteuerte ihnen wieder und wieder, dass nichts geh'n wird.
"Ach, warum denn nicht?", kriegten sie darauf immer wieder zu hören.
"Wir sind bereits vergeben!", versuchte Sophie die Situation ein für alle mal zu klären.
"Ja klar, und wo sind eure Macker dann?". "Verdammt", dachte Sophie und blieb still.
"Die würden euch zwei hübschen wohl kaum alleine auf eine Party gehen lassen."
Das leuchtete Sophie ein. Sie dachte nach.
"Also ihr seid nicht vergeben, dann könnt ihr doch auch mit uns abhängen"
Sophie hatte eine Idee: "Wir sind aber vergeben, aber nur nicht wie ihr denkt."
Vicky spürte wie Sophie ihre Hand nahm und sie fest drückte.
Die Jungs verstanden offenbar nicht, oder fühlten sich wohl verarscht. Sie zeigten sich zumindest unbeeindruckt.
Da löste Sophie ihren Griff um Vickys Hand und näherte sich Vicky. Sie zog sie an sich ran und...

"Was macht sie denn jetzt?", fragte sich Vicky. Als Sophie ihre Hand nahm, schaltete sie recht schnell, was Sophie damit beabsichtigte. Sie sollten ein Pärchen spielen. Doch nun, "Sie will doch nicht auch noch..."
Vicky konnte ihren Gedanken nicht mehr zu Ende bringen. Sie wurde von Sophie geküsst. Richtig geküsst. Auf dem Mund.
Vicky war sprachlos (mit Sophies Lippen an ihren, wäre ihr auch kein Wort rausgekommen). Aber auch gedankenlos. Sie dachte an nichts. Aber dennoch erschienen ihr die paar Sekunden ewig lang.
"Bah, Lesben", hörte sie auf einmal.
"Lass uns abhauen, und uns richtige Mädels suchen", sagte der Typ weiter.
"Nee, ich will das sehen", sagte der andere.
Sophie hörte auf Vicky zu küssen und löste ihre Lippen von Vickys.
"Hier gibt's keine Show für euch!", sagte Sophie deutlich. "Jetzt haut schon ab!"
Die Typen gaben sich geschlagen und zogen weiter.
"Wäre das Licht besser und die hätten dein verdutztes Gesicht gesehen, hätten die uns das nie geglaubt", sagte Sophie zu Vicky. Vicky erwachte aus ihrer Gedankenleere.
"Ja... stimmt", sagte sie.
"Naja, hauptsache jetzt sind sie weg", stellte Sophie fest.
"Jetzt haben wir hier schon die ganze Zeit rumgequatscht. Magst du vielleicht mit dahinten hin kommen. Da sind so ein paar Freunde von mir. Ich stell dich denen mal vor."
"Ja...ja klar", sagte Vicky nur.

Sie gingen zu einer der größeren Gruppen und gesellten sich dazu. Sophie stellte Vicky den anderen vor, unterhielt sich dann aber auch recht schnell mit einigen ihrer Bekannten dort.
Vicky kam zwar mit den anderen ins Gespräch, aber über Smalltalk hinaus kam sie nicht mehr.
Sie beschäftigte der Vorfall wenige Minuten zuvor noch immer sehr heftig.
Sie war sich gar nicht im klaren warum eigentlich. War sie einfach nur so überrascht und erschrocken von der plötzlichen Situation. Oder war es ihr so unbehaglich eine Frau zu küssen. Sie hatte noch nie zuvor jemals ein anderes Mädel geküsst. Irgendwie war sie sich unsicher.
Der Abend zog sich langsam dahin. Sie unterhielt sich weiter und inzwischen auch recht angeregt.
Zwischendurch, so ab und zu ging der Großteil der Gruppe tanzen und Vicky machte natürlich mit. Sie war froh über Sophie Anschluß gefunden zu haben. Doch noch immer kreisten ihre Gedanken um den Kuss. Beim Tanzen beäugte sie Sophie, versuchte aber sich das nicht anmerken zu lassen.

Sie fragte sich, wie lange der Kuss wohl gedauert haben muss. Klar, es waren nur wenige Sekungen, aber sie wollte es genau wissen. Aus irgendeinem ihr verborgenen Grund, wollte sie genau wissen, wie lange sich geküsst haben. Wie lange sich ihre Lippen berührten. "Vielleicht möchte ich ja nur wissen, dass der Kuss nur sehr kurz war", versuchte sie sich selbst zu analysieren. Sie fühlte sich konfus. Jetzt versuchte sie mit aller Macht nicht mehr darüber nachzudenken und den restlichen Abend noch nett zu verbringen.

So verging der Abend und die Party und zum größten Teil hatte es Vicky geschafft, nicht mehr über ihren ersten Mädelskuss nachzudenken. Nur ab und zu blitzte die Erinnerung daran auf.
Sie verabschiedete sich von allen und dankte Sophie dann dafür, dass sie sie den anderen vorgestellt hatte.
"Alles kein Problem. War doch ein lustiger und schöner Abend, oder?", sagte Sophie zuletzt.

Auf dem Nachhauseweg waren ihre komischen Gedanken wieder da. Nichts war da, was sie ablenken konnte, keine Musik, keine Leute. Und auch als sie endlich zu Hause in ihrem kleinen persönlichen Chaos angekommen war und sich langsam Bettfein machte, schossen ihr Gedanken über den Kuss durch den Kopf.
Inzwischen fragte sie sich, ob es ihr gefallen hat.
Hatte es ihr gefallen? Sie wusch sich das Gesicht.
Was würde es bedeuten, wenn es ihr gefallen hätte. Hatte sie dann lesbische Tendenzen oder hatte sie einfach nur zu lange nicht mehr geküsst?
Sie fragte sich immer wieder: "Hat es mir gefallen? Wollte ich es vielleicht sogar?".
Doch sie gab sich keine Antwort darauf. Nur die Fragen waren in ihrem Kopf. Keine Antworten.

Vicky ging zu ihrem Bett und stolperte über eine ihren Kartons. War sie so von der Rolle oder wollte sie einfach nur nicht bei klarem Verstand sein.
Sie legte sich hin. Sie wollte schlafen. Plötzlich hatte sie Angst davor, von dem Kuss zu träumen.
Was würde es bedeuten wenn sie von dem Kuss träumt. "Möchte ich nochmal geküsst werden oder ist das einfach die normale Art des Gehirn die Erlebnisse des Tags zu verarbeiten?". Wieder nur Fragen. Keine Antworten.
Sie fragte sich mittlerweile sogar, ob die Tatsache, dass sie sich so viele Gedanken macht, sich so viele Fragen stellt, etwas aussagt. Machte sie sich etwa zu viele Gedanken. Maß sie dem Kuss zu viel Bedeutung zu?
Dafür hatte sie eine Antwort. Der Kuss hatte einen deutlichen Einfluss auf sie gehabt. -Sonst hätte sie sich wohl kaum so viele Gedanken gemacht. Das war ihr klar.
Mit dieser einen einzelnen Antwort im Kopf, schlief sie letztendlich doch noch ein.

Vicky wachte auf. Sie blickte auf ihre Uhr. Sie hatte lange geschlafen. "Aber am Wochenende ist das ja auch erlaubt", sagte sie zu sich selber. Sie stand auf und ging ins Bad. Langsam bohrten sich die Erinnerungen des gestrigen Tages ihren Weg in Vickys Bewußtsein. Die Erinnerung daran, warum sie solange geschlafen hat. -Warum sie solange weg war und noch lange danach wach war. Der Kuss.
Sie befürchtete sich wieder in endlosen Gedanken und Fragen zu verlieren, sobald es dem Kuss gelänge wieder in ihr Beweußtsein zu drängen. Es war zu spät. Sie dachte wieder darüber nach. Doch diesmal war etwas anders. Sie fühlte sie ausgeschlafen, ausgeruht, irgndwie frischer. Heute würde sie jede einzelne Frage mit Antworten erschlagen. Jede ihrer Fragen sollte sich 'geschlagen' geben.

"Also dann", sagte sie mit einer Aufbruchstimmung.
"Finden wir die Antworten, damit wir das Thema abhaken können."
Doch als hätten ihre Fragen zugehört und Angst bekommen, trat jetzt keine vor und wollte gelöst werden.
Sie dachte nach.
"Was hat der Kuss wohl für Sophie bedeutet?"
Diese Frage war gemein. Diese Frage konnte sie nicht beantworten. Eine Frage um Sophie.
Sie wollte doch ihre Fragen lösen, und jetzt dachte sie über Sophies Gefühlswelt nach.
Schlagartig wurde ihr bewußt, dass sie das bisher gar nicht getan hatte. Sie hatte sich bisher immer nur Gedanken um sich selber gemacht. Wie sie mit dem Kuss umgeht.
"Aber was dachte Sophie?"
"Warum hat sie mich gestern geküsst?"
"War das wirklich nur ein Ausweg um mit diesen Typen fertig zu werden? Einfach eine Masche, die sie vielleicht schon oft angewandt hatte? -Mit irgendwelchen Freundinnen?"
"War das alles nur eine spontante Aktion?"

"Oje", dachte Vicky. Noch mehr blöde Fragen.

"Hätte man die Jungs nicht auch anders vertreiben können? Musste sie mich küssen? Oder wollte sie mich küssen?"
Vicky fühlte sich wieder wie ein kleines Mädchen, dass kleine Zettelchen mit "Willst du mit mir gehn?" verteilt hat.
Sie war erwachsen. "Und doch kann ich damit nicht erwachsen umgehen", versuchte sie sich klein zu machen.
"Erstmal den Tag beginnen, der Rest kommt später", sagte sie laut. Ihre vollgestellte aber doch leere Wohnung nahm dies hallend zur Kenntnis.

Sie begann den Tag. Sie duschte, frühstückte, machte sich fertig. Als sie ihre normale Tageskleidung anzog, entdeckte sie ihr Outfit von gestern. Sie betrachtete es. Hat sie vielleicht irgendetwas provoziert?
Haben ihre Klamotten gesagt, "Hey Sophie, Küss mich!" ?
Sie war verwirrt und sah ein, dass sie sich jetzt schon wieder zu viele Gedanken machte.
Vicky beschloß bei ihren Eltern anzurufen. Ein bißchen Heimat. Uni-Berichte im Tausch gegen den neusten Klatsch aus der Heimat. Das würde helfen.

Und das tat es. Nach ihrem Gespräch viel es Vicky leichter ihrem normalen Tagesgeschäft nachzugehen.
Die Wohnung saubermachen, Uni-Kram erledigen, einige Kartons auspacken, etwas einkaufen und fernsehen. Sie möchte das Fernsehen, sie liebte es gerade zu. Für einen Moment in eine andere Welt eintauchen. Andere Geschichten, die nicht die eigenen sind. Das kam ihr gerade jetzt wie gerufen.

Doch abends dachte sie wieder nach. Sie war aufgestanden mit dem Mut und Willen das Thema durch Antworten zu beenden. Doch die weiteren Fragen, die sich jetzt hauptsächlich um Sophie drehten, hatten ihrem Plan ein frühes Ende beschert. "War Sophie lesbisch?", blitzte es in ihrem Kopf. So klar hatte sich sich das bisher nicht gefragt.
"Oder bi?", ergänzte sie in Gedanken. "Ich jedenfalls nicht", versicherte sie sich.
Plötzlich fiel ihr wieder die Furcht vor dem Träumen ein. Hatte sie die letzte Nacht geträumt? Hatte sie von dem Kuss geträumt? Sie erinnerte sich nicht. Und ihr war nicht klar, was das für sie bedeutete.

Ihr war generell nicht klar, was das alles bedeutete. -Was es für sie bedeutete.
"Was für Konsequenzen ziehe ich daraus?". Das war eine gute Frage. Und diese Frage werde ich beantworten. Jetzt.
Sie dachte nach. Sie versuchte es sachlich.
"1. Ich könnte die Sache einfach vergessen... (Wenn es doch nur so einfach wäre)"
"2. Ich könnte versuchen Sophies Reaktion beim nächsten Zusammentreffen zu deuten... Dann wüßte ich vielleicht, was sie fühlt."
"3. Ich könnte Sophie darauf ansprechen.... hmm... dass traue ich mich wohl eher nicht."
Vicky versuchte in sich hinein zu hören.
"Ich muss versuchen, rauszukriegen, wie ich dazu stehe. Wie ich fühle. -Oder ob ich überhaupt was fühle."
"Doch was genau heißt das jetzt? Was soll ich konkret machen?"
Sie wußte keine Antwort. Unzufrieden legte sie sich ins Bett und versuchte zu schlafen. Und tatsächlich gelang es ihr nach recht kurzer Zeit.

Der nächste Tag ging schnell herum. Vicky hatte beschlossen, den Montag (und damit ihr eventuelles Wiedersehen mit Sophie) auf sich zukommen zu lassen. Sie wollte nicht mehr länger nachdenken. Sie lenkte sich ab.
Als sie abends zu Bett ging, war zu davon überzeugt, dass der nächste Tag Klarheit bringen wird und der Spuk danach vorbei ist.

Sie wachte vor dem Klingeln ihres Weckers auf. Nicht viel, etwa eine halbe Stunde früher. Aber sie erinnerte sich.
Sie erinnerte sich, dass sie von dem Kuss mit Sophie geträumt hatte. -Nicht ganz.
Sie hatte geträumt, dass sie und Sophie auf der Party waren uns sich fragten, was der Kuss für sie bedeutete. Beide wußten keine Antwort. Und sie wollten sich küssen, um es herauszufinden. Doch so sehr sie sich bemühten, ihre Lippen kamen nicht zusammen. Sie konnten sich nicht küssen. Und blieben somit im Unklaren.
"Merkwürdiger Traum."
Vicky ging ins Bad und machte sich für die Uni fertig.

Der Weg zur Uni war ohne besondere Vorkommnisse. Es ging ihr gut. Sie kam dem Hörsaal näher. Von weitem erkannte sie Sophie draußen stehen. Mit ihrer Gruppe. Auf einmal klopfte Vickys Herz schneller und kräftiger. Sie wurde nervös. "Aber warum werde ich nervös, es gibt gar keinen Grund", belog sie sich.
Sie gesellte sich zur Gruppe und begrüßte alle und insbesondere Sophie.
Alle gingen zusammen in den Hörsaal und Sophie sorgte dafür, dass Vicky neben ihr saß. Sie benahm sich wie eine Freundin. "Dabei kennen wir uns erst seit gestern", dachte Vicky.
Hatte sie der Kuss verbunden, schoss es ihr durch den Kopf. Offensichtlich schon, doch auf welche Weise?
Freundschaftlich? Vicky wollte das klären. "Aber wie?"

Die Vorlesung verging und eine weitere folgte. Sie und Sophie unterhielten sich, schwätzten, benahmen sich als würden sie sich schon lange kennen. Doch Vicky dachte immernoch an ihren Kuss. Einmal erwischte sie sich, wie sie auf Sophies Lippen schaute. Nur kurz und niemand hatte es bemerkt, aber es war ihr irgendwie unangenehm und peinlich. Sie spürte fast, wie sie rot im Gesicht wurde. Aber auch diese Vorlesung ging zu Ende ohne, dass die "Sache" zwischen Sophie und Vicky geklärt wurde. Vor dem Hörsaal löste sich die Gruppe langsam auf und zuletzt standen noch Vicky und Sophie da und redeten.

Auf einmal wurden sie unterbrochen. Die beiden Typen von der Party liefen ganz langsam und nah an ihnen vorbei.
Einer sagte, "guck mal, da sind wieder die Möchtegern-Lesben".
Urplötzlich legte Vicky ihre Arme um Sophie und küsste sie.

Einer der Typen schaute demonstrativ weg uns zeigte den Vogel, der andere ließ den Blick auf die Szene gerichtet, als sie weitergingen.

Vicky handelte wie im Reflex. Sie hatte sich während der Vorlesung, als sie mal wieder abschweifte, gefragt was sie wohl tun würde, wenn eine solche Situation mit zwei Typen erneut passieren würde. Würden sie sich wieder küssen? Vicky glaubt nein. Allerdings hatte sich sich auch gefragt, ob es ihr nicht helfen würde Sophie nochmals zu küssen. Einfach um Gewissheit zu erlangen. Und als die beiden gleichen Typen wieder auftauchten, hat Vicky einfach gehandelt. -Wie im Reflex.

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Sophie war erschrocken. Zunächst hatten sie die beiden Typen überrascht. Und dann hat Vicky sie schon gepackt.
Sie küssten sich. -Wieder. Und diesmal war es Sophie, die keinen Gedanken festhalten konnte.

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Vicky spürte ein Kribbeln im Bauch. Sie spürte es bereits als sie ihre Arme und Sophies Hals legte.
Und nun küssten sie sich. Vicky gefiel es.

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Sophie spürte deutlich, dass der Kuss von Vicky leidenschaftlicher wurde. Sie wusste gar nicht, wie sie darauf reagieren sollte... und dann war es schon vorbei. Vicky hatte ihre Lippen zurückgezogen.

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Es war still zwischen den beiden.

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Das erste, was Sophie tat, als sie wieder einen Gedanken fassen konnte, war sich umzuschauen. Sie wollte sehen, ob sie jemand beobachtet hatte. "Hatte jemand mitgekriegt, dass sie sich geküsst haben?"

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Ihre Gedanken wurden von Vicky unterbrochen.
"Die sind wir jetzt aber endgültig los. Jetzt haben die sicher keine Zweifel mehr".
Vicky sagte dies mit voller Überzeugung. -Denn sie hatte jetzt keine Unsicherheit mehr.
Sie spürte während des Kusses etwas. Es gefiel ihr. Vielleicht lag es auch daran, dass sie diesmal die Initiative ergriffen hatte. Sie hatte geküsst. Und es kribbelte bei ihr. Sie möchte dieses Gefühl.
Sie empfand etwas für Sophie.
"Liebe auf den ersten Blick", dachte sie. "Nein, viel eher Liebe auf den ersten Kuss", korrigierte sie sich selber.
"Ich hab' mich verliebt..."

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Sich auf einer Party im Dunklen zu küssen ist eine Sache. Aber es ist etwas anderes es in aller Öffentlichkeit zu tun. Hier wo sie jeder sehen konnte. Sophie blickte um sich, sie schaute genau, aber konnte niemanden entdecken der ihr kleines Spiel bemerkt hatte. War es ein Spiel? Sie hatte deutlich gespürt, dass Vicky den Kuss ... naja anders anging. Leidenschaftlicher. Oder lag es nur daran, dass Vicky diesmal den Kuss begonnen hatte und sie selbst damit überrascht wurde.

Endlich sagte Sophie auch etwas.
"Ich muss jetzt los.", log sie, "Wir sehen uns ja dann morgen".

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"Aber...", versuchte Vicky noch einzuwerfen, doch Sophie brach eilig auf.
"Was hatte denn das jetzt zu bedeuten", fragte sich Vicky und schaute Sophie hinterher.
Vicky wurde bewußt, dass Sophie ihre neuen Gefühle eventuell nicht teilte.
Sie glaubte inzwischen sich klar über ihre eigenen Gefühle zu sein, doch was war mit Sophie?
Schlagartig kam Angst in ihr auf. Aber warum?
Eigentlich musste es ihr gut gehen. Sie war erleichtert, hatte alle quälenden Fragen auf einmal zum Schweigen gebracht. Sie hatte sich verliebt. Dies gefiel ihr. Sie war irgendwie auch richtig happy darüber.
Doch die Angst kletterte weiter in ihr hoch.
"Ich habe mich verliebt..."
Die Angst erreichte ihren Verstand.
"...in eine Frau".
-Das war der Punkt. Sie brachte solche Gefühle einer Frau entgegen.
"Sophie...", ging es ihr durch den Kopf.
Wenn ihre Gefühle nicht erwidert würden...
Wenn Sophie alle Leute vor 'dieser komischen Lesbe' warnen würde...
Sie fühlte sich auf einmal schrecklich allein.
Die Angst hatte sich inzwischen wieder runtergearbeitet und lies ihr Herz kräftiger und schneller schlagen.
Vicky wollte nur noch nach Hause. Sich verkriechen.

Zu Hause versteckte sich Vicky in ihrem Bett.
Was sollte sie jetzt nur tun.
Vielleicht war es besser die ganze Sache zu vergessen.
"War es das wirklich?"
Sie dachte an den ersten Kuss mit Sophie. Wie erschrocken sie war.
Die Bilder auf der Party wichen den Erlebnissen von heute. Der zweite Kuss.
In ihrem Bauch kribbelte es wieder. Sie startete den Film in ihrem Kopf immer wieder auf neue. Ihr Herz klopfte.
Sie versuchte diese schönen Gefühle beizubehalten. Ihr Herz klopfte stärker.
Doch diesmal war es die Angst, die sich anschickte die Schmetterlinge in ihrem Baum zu vertreiben.
Sie zog die Bettdecke über den Kopf.
Ihr pulsierendes Blut stieg in ihren Kopf und hätte sie in einen Spiegel gesehen, so hätte die unverkennbare Röte in ihrem Gesicht erkannt, die nur eines bedeutete: Sie schämte sich.
Sie schämte sich dafür, dass sie sich darauf eingelassen hatte.
"Was mach ich nur?", sagte sie leise.

Sie wachte auf. Irgendwie hatte sie es gestern geschafft den restlichen Tag rumzubringen. Erschöpft von ihrem inneren Kampf zwischen Verliebtsein und Angst, war sie letzlich eingeschlafen.
"Nun ist's soweit. Wieder ein neuer Tag"
Sie versuchte nicht mehr an ihre Sorgen zu denken und stolperte durch ihre Wohnung um sich fertig zu machen.
"Auf zur Uni", sprach sie als würde sie Soldaten in einen Krieg schicken.
Ihre Füße schleppten sie zur Uni.
Kurz davor wurde sie richtig nervös. Sie versuchte zu fliehen, doch ihr Verstand hielt sie auf Kurs.
Sie erreichte den Hörsaal.

Dort stand Sophie, Sie winkte Vicky.
Vicky atmete tief durch. Sie war etwas erleichtert. Sie ging zu ihr.
"Hi Vicky! Na, alles klar? Du bist ja spät dran. Lass uns mal reingehen", sagte Sophie.
Vicky nickte nur leicht. Zusammen gingen sie hinein. Und wieder saßen sie nebeneinander. So wie gestern.
"Alles so wie gestern, als wäre nichts geschehen", dachte Vicky.
Auf eine Art beruhigte sie das...
--"Ich hab' sie nicht verschreckt"--
...doch andererseits frustrierte sie das auch.
--"Machte Sophie das absichtlich? Oder war es ihr wirklich egal?"
Vicky versank wieder ins Grübeln.

Es schien als hätte sich nichts verändert. Aber sie hatte sich verändert.
Sie hatte sich offenbart, zumindest innerlich vor ihr selbst.
"Mir ist es egal, dass es eine Frau ist", hallte es ganz sachlich wie ein Echo durch ihren Kopf.
Schlummerte da etwas in ihr, die ganze Zeit, und wartete nur auf den richtigen Moment?

Dieser Stillstand machte sie verrückt. Der Mittelweg zwischen den Extremen...zwischen Ablehnung und Zuwendung.
Das wollte sie nicht. Jetzt wo sie in ihrem Inneren Klarheit hatte, wollte sie auch von Sophie eine klare Antwort.
Sie würde sie erzwingen. Vicky überlegte sich die nächsten Schritte, plante die nächsten Minuten wie ein Feldherr die nächste Schlacht.

Vicky schaute nach rechts. Sie betrachtete Sophie genau.
"Sie ist wirklich hübsch", erschrak sie fast vor ihrer eigenen Ehrlichkeit.
Es war beinah bedeutungslos geworden, dass sie sich in eine Frau verliebt hatte. Sie hatte sich verliebt.
Vicky schaute seitlich in Sophies Augen. Sie betrachtete sie lang.
Dann wanderte ihr Blick weiter über Sophies Gesicht. Strich mit ihren Augen über die fast weichgezeichnete Haut.
Sie wollte alle Details aufnehmen.

Sophie blickte sich plötzlich zu Vicky um. Vicky schaute wieder in ihre Augen.
"Merkst du denn nichts?", wollte sie hinausschreien, doch der Satz verharrte hinter ihren Lippen.
Vickys Augen verloren die Partnerschaft mit ihren Gegenübern, Sophie schaute wieder nach vorn.
"Ignorierst du mich?", sprach Vicky lautlos.

Vicky besann sich wieder auf ihren Plan. Sie schaute auf Sophies Hände, ihre linke Hand lag auf dem Tisch.
Vicky atmete ein paarmal tief ein und aus.
Langsam bewegte sie ihre eigene Hand zu Sophies Tisch. Gegen alle Hinternisse, gegen alle Zweifel kämpfte sich ihre Hand vorwärts. Kurz vor dem Ziel schaute Vicky schnell nach vorn, und dann legte sie ihre Hand auf Sophies.
Sophie zuckte kurz, wahrscheinlich weil sie sich erschreckte, doch sie zog ihre Hand nicht weg.

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"Huch...", durchfuhr es Sophie. Sie spürte eine warme Berührung auf ihrer Hand. Sie schaute hin, natürlich war es Vickys Hand. Sie schaute zu Vicky. Doch sie schien sich auf die Vorlesung zu konzentrieren.
Hatte sie ihre Hand nur nebenbei auf ihre gelegt?
"Einfach so?", fragte sich Sophie. "Nein wohl kaum..."
Die Hand war noch da. Sophie schaute Vicky weiter an. Sie versuchte aus ihrem Gesicht zu lesen.
Plötzlich drehte Vicky den Kopf zu ihr.

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"Sie schaut mich an", freute sich Vicky. "Mal sehn was sie so denkt". Vicky drehte ihren Kopf in Richtung Sophie.
Sophie blickte blitzschnell wieder nach vorne.
Aber ihre Hand lag immer noch unter ihrer. Vicky wartete. Sie hoffte noch auf eine weitere Reaktion von Sophie. Das sie sie wieder anschauen wurde. Dann würde sie wissen.
Vicky fasste sich ein Herz.

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Sophie spürte, wie sich Vickys Hand auf ihrer bewegte. Die Finger wanderte langsam zur Seite und dann teilweise unter Sophies Hand. Vicky drückte ihre Hand.
Das konnte Sophie nicht mehr ignorieren. Sie sah zu Vicky.

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"Ja... endlich", freute sich Vicky. "Sie schaut mich wieder an. Jetzt..."
Sie schaute in Sophies Augen. Und sie merkte, dass sie auch in ihre Augen schaute.
"Du mich auch?", versuchte Vicky durch ihren Blick an Sophie zu senden.

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Sophie schaute tief in Vickys Augen. Viele Gedanken schossen durch ihren Kopf, jeder davon bemüht die andere zu überholen.

Auf einmal wurde es laut. Vicky und Sophie lösten den Blick voneinander und schauten sich um. Die Leute um sie herum standen auf. Die beiden Mädels hatten das Ende der Vorlesung verpasst.
Ihre Hände berührten sich noch.
Sophie stand auf. Vicky hielt ihre Hand dennoch fest. Sie schauten sich wieder an.
Einen Moment lang geschah nichts. Dann gab Vicky die Hand frei.
Sophie fing an ihre Sachen zusammen zu räumen. Vicky tat es ihr gleich.
Beim Herausgehen sagte Sophie leise in Vickys Ohr: "Wir müssen uns mal unterhalten".

Draußen standen einige von Sophies Freunden und schienen auf sie zu warten.
"Haben sie uns gesehen?", fragte sich Vicky. Die ganze Zeit war ihre Aufmerksamkeit nur bei Sophie gewesen. Sie konnte nichtmal sagen, wo die einzelnen Leute gesessen haben, geschweige denn ob sie etwas von ihrem ...naja... Annäherungsversuch mitbekommen haben.
"Geht schonmal ohne uns vor. Ich muss noch kurz was mit Vicky bereden", rief Sophie der Gruppe zu, die sich daraufhin entfernte. Sophie wendete sich wieder Vicky zu.

Sie schauten sich wieder an. Einige Sekunden vergingen.
"Was machst du da?", fragte Sophie. "Ist das irgendein Spielchen für dich?". fuhr sie fort.
"Nein", entgegnete Vicky schnell. Sie ergriff wieder Sophies Hand.
"Ich...", stammelte sie. "Alles oder nichts...", sagte ihr eine innere Stimme.
"Ich glaub' ich hab mich in dich verliebt", sagte sie deutlich sicherer.
Sophie löste Vickys Griff.
Pause.
Stille.

Sophie legte ihre Arme und Vicky und küsste sie.
 
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Kommentare  

Sehr schön und beeindruckend ge - und beschrieben! Schade, dass es Deine einzige Geschichte ist... Wie Du schreibst: Da kann manch Anderer von lernen! (Mich nicht ausgenommen!!!)

Ano Nymos (08.05.2012)

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