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Aus der neuen Anstalt

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Ich schreibe nun aus meiner neuen Anstalt. Schon ein paar
Tage ist es her, dass ich hier angekommen bin, nunja was soll ich schon gross schreiben, in der normalen psychosomatischen Klinik wollte man mich nicht mehr haben. Ich hatte eben gegen die Wände geschlagen und das alles. Nun bin ich halt hier. Hier ist es im allgemeinen ruhiger, alle sind ganz ruhig.
Ich krieg jetzt auch andere Medikamente, ich hatte mich ja
schon etwas an die Johanniskrautsachen und die schwachen Antidepressiva gewöhnt, jetzt muss ich mich schon wieder umstellen. Provac oder so heisst das wohl hier. Kleine Kapseln. Was soll ich schon gross aufschreiben, ich hab schon lange kein Tagebuch mehr geschrieben aber mein Therapeut meinte es wäre hilfreich. Was soll's, was soll
schein weiter passieren?. Heut früh bin ich aufgestanden
und hab meine Pillen genommen, dann ging ich mich duschen.
Es gab dann etwas frühstück aber ich hatte keinen Hunger. Dann hab ich bis mittag im Zimmer auf meinem Bett gehockt und gewartet das was passiert. Was soll ich sagen, Fernseher sind hier nicht erlaubt. Für Kreuzworträtsel fehlt mir schon lange die Konzentration.
Mittag war kurz Gruppentherapie, ich hab eigentlich garnichts von dem mitbekommen was Sache war, es betraf mich glaubich auch nicht.
Hab ständig das Gefühl gar nicht da zu sein. Wir haben dann gemeinsam Mittag gemacht, das ist so eine Massnahme, um wieder ins normale Leben zu finden. Dann haben wir das gegessen, ich habe mir ja schon etwas Sorgen gemacht, betreffends des Inhaltes. Danach sollten wir uns ausruhen. Inzwischen ist es dunkel und ich schreibe hier so vor mir hin. Mein Zimmernachbar ist grad draussen und raucht eine. Das ist erlaubt.

Zu meinem emotionalen Status, er ist nicht vorhanden. Ich kann mich über nichts aufregen, freuen, traurig sein usw.. Zum Teil wirken da auch die Medikamente mit aber was soll ich sagen, es ist ja schon seit Jahren so. Ich weiss nicht, bin ich nun verrückt?
Wenn ich die anderen Leute hier auf der Station so beobachte, dann denk ich "Ja, die haben schon irgendwie Probleme".
Aber so sonst? Ich hab mal ein Gedicht gelesen da kam so eine Zeile vor "Gefühle, diese grauen Stare über toter Landschaft".
So in etwa komm ich mir vor, ich hab keine Ahnung wozu irgendein Gefühl jetzt gut wäre. Es gibt einfach keinen einzigen Punkt mehr wo ich mein Leben jetzt irgendwie fest machen könnte. Von daher, ach was weiss ich. Jetzt gibt es bald Abendbrot. Vielleicht schreib ich später noch weiter ich verlier schon wieder meine Konzentration.
 
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Kommentare  

Erschreckend real und wirklich. Absolut zutreffende Beschreibung eines Menschen, der durch die automatische, beinah schon maschinelle Versorgung mit Psychomedikamenten langsam zu einem Zombie wird.
Realismus pur.


Regina Besting (05.07.2007)

Ich will doch wohl hoffen, dass diese Geschichte eine rein fiktive ist und der Autor Psychiatriepfleger oder sowas in der Richtung.
Gelungene Beschreibung eines Menschen mit dissoziativem Persönlichkeitsbild, der mit Medikamenten von seinem eigenen Leiden bis zur Schmerzgrenze "distanziert" wird. Beängstigend, bedrückend, berührend - trotz der Kürze läuft mir hier ein Schauer über den Rücken.
5 Punkte


Gwenhwyfar (03.07.2002)

Gelungener Ausschnitt aus einem Leben, dass eigentlich kein Leben mehr ist, oder?

Marco Frohberger (06.11.2001)

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