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4 Seiten

… oder einfach mal auf IneS hören (Teil 1)

Romane/Serien · Amüsantes/Satirisches
© Middel
Es gibt Tage, da sollte man einfach nicht aufstehen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Decke über den Kopf und warten, bis das Elend (sprich: der Tag) ein Ende hat. Denn da weiß man schon morgens, dass das nichts wird. Irgendwie hat man sowas im Urin oder so. Man steht auf und denkt sich: „Nee! Oder?“ Irgendeine innere Stimme flüstert einem *erst säuselnd* zu: „Wenn du, mein lieber Freund, heute aufstehst, dann bist du *dann energischer* verdammt nocheins selber Schuld! *Dann wieder säuselnd* Und wage ja nicht zu behaupten, ICH hätte dich ja nicht gewarnt!“

Und zwar geschieht dies, noch bevor der Wecker eigentlich klingelt. Normalerweise, dem gesunden Menschenverstand folgend, sollte man ihn auch in genau diesem Moment mit den Füßen im Liegen vom Tisch durchs Fenster über den Balkon in den Garten der Nachbarn schießen (die man eh nicht mehr leiden kann, seit ihr total dämlicher Rottweiler sein Geschäft immer genau da verrichtet, wo man im Halbschlaf morgens herläuft).Aber wahrscheinlich bricht man sich eher den Fuß oder trifft anstelle des Weckers das Aquarium mit dem Goldfisch. Bitte fragt jetzt nicht, warum ich das im Schlafzimmer stehen habe. Sagen wir einfach, es beruhigt mich, wenn sich jemand im Raum befindet, der mich nicht die ganze Zeit zuquatscht, wie meine Exfreundin, oder jaulende Geräusche macht, wie ihre doofe Katze. Obwohl sie auch ganz gut jaulen konnte, aber ich schweife ab.

Diese Tage, von denen ich anfing zu berichten, begegnen einem ebenso unvermittelt wie hart und konsequent, und selbst wenn man sich jedes Mal von neuem einredet, dass es sowas wie Vorhersehung oder Fügung nicht gibt, weiß man schon von vornherein: „Dieser Tag wird nicht deiner!“

An eben so einem Tag habe ich, schon bevor meine innere Stimme (nennen wir sie der Einfachheit halber IneS: „Innere negative Stimme“) mir mitzuteilen gedachte, dass heute einer jener Tage wird, an denen ich wohl besser nicht das Bett, geschweige denn das Zimmer und unter gar keinen Umständen das Haus verlassen sollte, gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Nachdem ich so langsam aus dem Tiefschlaf erwacht war und ganz nebenbei festgestellt hatte, dass der Wecker, den ich garantiert und hundertprozentig am Abend zuvor auf 7 Uhr gestellt hatte, nicht geklingelt hatte, wurde mir langsam klar: „Dir bleiben noch 12 Minuten, um aufzustehen, zu duschen, dich anzuziehen und ohne Frühstück und Kaffee im Laufschritt Richtung S-Bahn zu spurten.“ „Oder“, warf IneS ein, „einfach liegen zu bleiben und der Dinge zu harren, die da kommen.“ „An jedem anderen Tag gerne“, erwiderte ich, „aber heute habe ich Zwischenprüfung.“ „Und?“ „Na, wenn ich die nicht bestehe, war's das mit dem BAföG, tutto a posto?“ „Oh, ich vergaß, du sprichst ja gar kein italienisch. Ob dir das klar ist?“ IneS schwieg. Punktsieg für mich.

Dieser wechselseitige innere Quasi-Monolog hatte mich nun auch noch das Duschen gekostet. Also nur Zähne geputzt und den Rest der Nacht mit dem Axe-Effekt übersprayt. Fünfdreiviertel Minuten später trat ich unverhofft in Rottweilers Hinterlassenschaft und fragte mich ernsthaft, ob ich nicht irgendetwas Entscheidendes vergessen hatte. In der S-Bahn ganz hinten sitzend (der Hundekot und das versagende Deo zwangen mich zu dieser Maßnahme) entschied sich selbst der Zeuge Jehovas nach kurzer Riechprobe für ein anderes Abteil und so fiel mir langsam aber sicher wieder ein, was ich vergessen hatte. „Die Fahrkarten bitte“, erschallte es auch just in diesem äußerst ärgerlichen Moment vom vorderen Eingang des Abteils.

„... wenn Sie Ihre auf die Person ausgestellte Fahrkarte vergessen haben, dann können Sie binnen einer Woche diese nachträglich vorlegen, um nachzuweisen, dass Sie im Besitz einer gültigen Fahrkarte waren. Dann wird nur ein ermäßigtes "Erhöhtes Beförderungsentgelt" von 7 Euro fällig...“ Schuldbewusst hörte ich den Ausführungen des Bahnbeamten in allen Einzelheiten genaustens n i c h t zu, denn mich beschäftigten in diesem Moment signifikant andere Dinge. Unter anderem, dass ich in genau diesem Moment das Fahrzeug verlassen musste, um den Anschlussbus zur Uni zu bekommen und die Prüfung gerade noch rechtzeitig zu erreichen. Und während der pflichtversessene Paragraphenreiter gebetsmühlenartig bei „Wenn Sie statt dessen eine Fahrkarte kaufen und später Erstattung beantragen, wird die Bearbeitungsgebühr von 15 Euro nach dem Tarif fällig ...“ war, sprang ich mit einem Satz an ihm vorbei Richtung offener Tür und hätte diese auch fast gänzlich passiert, wenn sich nicht mein linker Fuß verheerenderweise in dem sich gerade schließenden Durchgang verheddert hätte. Ich flog achtkantig auf meine vier Buchstaben (auf's Maul) und der jetzt gar nicht mehr so redselig erscheinende Bahnbeamte schrie nur wortkarg: „Stehenbleiben!“ Ein lustiges Wortspiel, welches ich ihm gar nicht zugetraut hätte, aber selbst wenn ich gewollt hätte, so hatten die Schwerkraft und die sich gegen mich verschwörende Technik schon für andere Verhältnisse gesorgt.
Da sich die Tür nun wieder automatisch geöffnet hatte, blieb dem energischen Mann im städtischen Dienst nur eins. Hinter mir her sprintend verließ nun auch der dienstbeflissene und selbsternannte Robin Hood des mittleren Dienstes das Gefährt und hätte mich sicherlich auch erreicht, wenn sich nicht auch ihm die sich wieder schließende Tür unüberwindbar in den Weg gestellt hätte. Ich konnte, auf dem Boden liegend, noch erkennen, dass sein hochroter Kopf kraftvoll von innen gegen das Sicherheitsglas stieß und die Bahn mit ihm ihren Weg in Richtung des nächsten Bahnhofs fortsetzte.

Erst jetzt wurde mir bewusst, dass mich etwa zwei Dutzend verdutzte Menschen unverhohlen anstarrten. Die letzten drei Minuten müssen wohl auch ein Bild für die Götter gewesen sein, oder aber eine detailgetreue Kopie aus einem Slapstick-Film der Zwanziger Jahre. Wie dem auch sei, nachdem ich festgestellt hatte, dass mir nicht allzu viel passiert war, stand ich auf, verbeugte mich kurz, und rannte dann Richtung Ausgang und Bushaltestelle.

Leider war es meiner Jeans nicht so gut ergangen wie mir und mein ohnehin nicht allzu vorteilhaftes Äußeres erlitt einen weiteren empfindlichen Dämpfer. So stand ich mit am rechten Knie zerfetzter Jeans und dreckigem T-Shirt im völlig überfülltem Bus und hatte als Einziger immer noch genug Platz, um mich mit ausgestreckten Armen drehen zu können. Naserümpfend und voller Ekel standen meine lieben Mitkommilitonen um mich herum und überboten sich gegenseitig im Luftanhalten und Mir-verächtliche-Blicke-zuwerfen. Und als mich IneS, die bis hierhin eisern geschwiegen hatte, gerade daran erinnerte, dass mich eventuell der Eine oder Andere kennen könnte, standen meine Ex und ihr neuer Freund unvermittelt vor mir.

„Astrid … ähm … schön dich zu sehen?“, kam es mehr fragend aus mir heraus und ihr Blick verriet mir, dass das bisschen Restsympathie, das sie noch für mich empfand mit jedem Atemzug merklich schwand. Wir verständigten uns dann nonverbal darauf, uns den Rest der Fahrt zu ignorieren. Gott sei dank verließ sie dann auch bald den Bus, da ihr Neuer zur Sporthalle musste. IneS meinte dann auch frotzelnd: „Lieber Waschbrett als Waschlappen!“ Und irgendwie wusste ich, dass sie nicht ganz im Unrecht war.

(Fortsetzung folgt)
 
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Kommentare  

Sehr amüsant geschrieben und wie geht`s weiter?

doska (16.02.2010)

Hach, der Stil und die Geschichte gefallen mir. Und vor allem INES - innere negative Stimme - LOL. Und wie heißt das bei Frauen? Erinnert mich an Navigationsgeräte. Die Männer schalten immer die Frauenstimme ein und die Frauen die Männerstimme. Das sind dann Uschis und Kläuse.
Bin auf die Forsetzung gespannt.


Sabine Müller (15.02.2010)

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