314


9 Seiten

Alconia im Bann der Dämonen - 2.Teil - ein fantastischer Roman

Romane/Serien · Trauriges
© doska
"Hase - immer nur Hase!", nörgelte König Leopold von Ronganien. "Warum gibt es nicht endlich mal etwas anderes? Fasan zum Beispiel, oder noch besser einen leckeren Schwan. Ich bin hier schon so lange zu Besuch und will endlich mehr Abwechslung, bevor ich wieder abreiiiiise!" Das Ende des Satzes hatte König Leopold regelrecht hinausgebrüllt.
Der Graf von Alaxis bekam vor Schreck und Empörung einen roten Kopf und alle Anwesenden wurden schlagartig leise. „Aber Hoheit, zur Zeit sucht eine gewaltige Hungersnot das gesamte Ronganien heim. Wegen des ständigen Regens verschimmelte das Korn und nun ist es zu trocken. Da ist es schon erstaunlich, dass wir überhaupt so viele Speisen anbieten können, dass wir hier alle satt werden.“
„Wenn ihr mich fragt, mir ist das egal“, meldete sich nun auch der rote Fürst mit Namen Darakas und Herrscher über das Fürstentum Tulkmont, zu Worte. Er hatte dereinst sein Land für besondere Verdienste von König Leopold erhalten. „Hase kann sehr gut schmecken, das haben wir ja an dem Braten gesehen, welchen wir vor etwa einer Woche gegessen haben- Lecker! Der war ganz besonders gewürzt. Wie wurde das nur gemacht?“
Abermals errötete der Graf von Alaxis, diesmal vor Scham. „Ach, irgendwelche Kräuter die wild auf den Wiesen wachsen. Nun ...äh ...so richtig weiß ich es nicht. Eine Leibeigene hatte wohl damals den Hasen zubereitet.“
„Muss eine gute Köchin sein.“, bemerkte rote Fürst Darakas anerkennend.
„Nun ...hm ...ich glaube, sie ist inzwischen verstorben.“
„Nanu, warum?“
„Entschuldigt mein Fürst, aber ich werde erst einmal etwas anderes auftischen lassen, damit unser König zufrieden ist!“ König Leopold der I. seufzte erleichtert und der Graf klatschte in die Hände und sofort rannten die Diener emsig wie die Bienen um die Tische herum, um alles wieder abzuräumen. Wenn der König unzufrieden war und auch dem Grafen das Essen nicht schmeckte, war das sehr unangenehm für den Küchenchef. Die Speisen wurden an das Burgvolk gegeben und was die nicht aßen, an die Schweine verfüttert.
Im großen Burgsaal wurde nach einem Weilchen verschämt auf großen, silbernen Tellern schon jetzt der zweite Gang gereicht, gebratene Pfauen. Den Wunsch des Königs nach einem Schwan konnte man begreiflicherweise nicht sofort erfüllen, aber beim Anblick der prächtigen Pfauen erhellte sich die Miene in seinem feisten, rotglänzenden Gesicht.
"Gebratener Pfau! Das ist schon besser!", rief der König verzückt und alle anderen nickten.
Schon wurde gierig danach gegriffen und anschließend musterte jeder kritisch den gefüllten Teller des anderen. Schweigen erfüllte die große Halle und die Messer klapperten. Nur Berthold der dürre Minnesänger war noch zu hören, der noch immer hungrig an der Harfe zupfte. Er würde erst am späten Abend die Reste bekommen. Als die Edelleute alle genug gegessen und wieder miteinander plauderten, konnte sich der Fürst doch nicht verkneifen noch einmal auf den leckeren Hasenbraten von damals zurückzukommen.
„Schade, dass die begabte Leibeigene so rasch zu Tode gekommen ist....äußerst schade!“ Er tupfte sich mit einer schön bestickten Serviette das Fett vom Kinn. „Man hätte sie als Küchenhilfe an den Hof holen können und die Pfauen hätten heute besser geschmeckt.“
Für einen Moment huschte wieder Röte über des Grafens Gesicht. „Ja, ich finde das auch bedauerlich.“, räumte er ein. „Sie starb wohl bald, gleich nachdem auch ihr Gatte das Zeitliche segnen musste.“
„Wieso das?“ Der Fürst füllte sich etwas Soße auf, denn er liebte es Brot darin zu stippen.
„Nun, ihr Gemahl hatte gewildert und ihr wisst ja, dass man gerade solch ein Vergehen zu diesen Zeiten äußerst streng bestrafen sollte!“
„Wie wahr, da kann man nicht streng genug sein!“, murmelte Fürst Darakas zornig und ihm stimmte König Leopold nickend zu. Beide teilten sich eine Scheibe trockenes Brot.
Der Graf knabberte an der Apfelscheibe, die er sich soeben geholt hatte und räusperte sich, ehe er weitersprach „Wir haben den Wilderer vor allen Leibeigenen, die in seiner Nähe zu tun hatten, hingerichtet um ein Exempel zu statuieren.“
„Sehr richtig, das ist immer gut und schreckt ab! “König Leopold und stopfte sich ein wenig gelangweilt eine weitere Weintraube in den immer noch hungrigen Mund. Fürst Darakas hingegen war erst einmal satt und griff lieber nach seinem Weinkelch.
„Mein Neffe Dietmar von Bedolm sollte für diese Hinrichtung sorgen.“ Der Graf machte eine lässige Bewegung mit dem Kinn in jene Richtung, wo der Jüngling inmitten zweier vornehmer Damen an der Tafel saß. Dieser blickte bei seiner Namensnennung scheu – ja, fast schuldbewusst - auf.
„Der ist nicht euer Sohn, sondern euer Neffe?“, rief der rote Fürst überrascht. Er hatte sich, ob dieser neuen Erkenntnis beinahe an dem Rotwein verschluckt.
„Ja, leider, was blieb mir anderes übrig, als den Sohn meines verarmten Bruders an meinen Hof bringen zu lassen. Ich selbst bin kinderlos und brauche einen Erben.“
„Und? Hat er nun diesen frechen Dieb möglichst aufsehenerregend hinrichten lassen?“
„Nein!“, erwiderte der Graf zähneknirschend und diesmal flog sein Blick, wie ein vernichtender Pfeil zu dem jungen Burschen, der sogleich den Kopf hängen ließ. „Der da ist kein Mann!“, fauchte der Graf und der Jüngling zuckte bei diesen Worten so heftig zusammen, als hätte man ihn geschlagen. „Er ist nichts als ein Waschlappen, ein Weichei!“, fuhr der Graf ungerührt fort. Dietmars Gesicht wurde blass und über die großen unergründlichen Augen legte sich ein matter Schleier. „Dietmar kann eine Sense besser nutzen, als ein Schwert.“, meinte der Graf seufzend und der Junge kämpfte mit den Tränen. „Wohl weil er von Kindesbeinen an mitten im Pöbel aufgewachsen ist. Und ich sagte noch zu meinem Bruder, bevor er starb: Das wird nicht gutgehen, mit deinem Sohn, aber er hörte nicht auf mich und so ist es eben passiert! Dietmar kann nichts ....rein gar nichts, was für das Leben eines Adeligen wichtig, wäre. „Der Graf holte tief Atem. „Dieser Waschlappen war damals gerade dabei, den Wilderer zu begnadigen, als ich glücklicherweise hinzukam. Ich ließ den Mann nun erst recht ganz nahe vor ihm hinrichten und was sage ich euch, Dietmar wurde schlecht. Ja, er heulte sogar.“
„Nein, so was gibt`s doch gar nicht!“, entfuhr es dem roten Fürsten fassungslos und viele der Anwesenden hörten auf zu kauen und schauten verdutzt.
„Entsetzlich!“, riefen einige Damen aus dem Hofstaat und etliche Männer schüttelten empört die Köpfe.
„Na ja, mir ist das egal!“, hörte man König Leopold dazwischen beschwichtigend. „Wir haben ohnehin keinen Krieg mehr.“
„Keinen Krieg? Aber ich bitte euch!“, empörte sich der rote Fürst. „Dabistan verletzt ständig die Grenzrechte. Man hat das Gefühl König Bilmor will sein Land von Jahr zu Jahr um ein gutes Stück erweitern. Er lässt plündernde Horden durch die Grenzgebiete ziehen. Das können wir uns doch nicht länger gefallen lassen. Wir müssen wieder mit den Grafschaften und Fürstentümern von Ronganien ein neues Bündnis schließen. Ihr, König Leopold, solltet endlich zum Krieg gegen Dabistan aufrufen, so wie damals, als wir das Land Barania unterworfen haben.“
„Tja, das war eine schöne Zeit!“, bemerkte König Leopold wehmütig. „Damals war ich noch jung und konnte sehr gut reiten und kämpfen. Heute schmerzt mir der Rücken.
„Aber Prinzessin Alconia kann reiten, wie wir gehört haben.“, rief Luise von Tüben, jene der adeligen Damen, die direkt neben Dietmar saßen, die andere mit Namen Gudrun – eine enge Verwandte König Leopolds hatte inzwischen tröstend den Arm um Dietmar gelegt. „... und zwar sehr gut sogar!“
„Richtig“, bestätigte der König, schien aber nicht besonders glücklich über diese Veranlagung seiner Tochter zu sein, denn eine derartige Freude am Reiten zu haben, geziemte sich eher für einen Mann. Um schnell davon abzulenken holte König Leopold ein Medaillon aus seinem Wams hervor, das ein frisch gemaltes Bild seiner Tochter enthielt. „Alconia wird jetzt siebzehn.“ , verkündete er stolz und sie ist noch schöner geworden, findet ich nicht?“ Er reichte die Kette mit dem Medaillon gleich weiter und je mehr Augen das Bild betrachteten, umso lauter und begeisterter wurde das Stimmengemurmel am Tisch. Schließlich gelangte das winzige Bild auch zu Dietmar. Gerade als der Jüngling es betrachten und Gudrun von Trauenfels etwas Erklärendes dazu sagen wollte, da sie die Prinzessin sehr genau kannte, fing sein Onkel erneut über ihn zu schimpfen an.
„He, ich frage euch, wie will jemand Herr einer Burg sein, wenn er jeden Verbrecher begnadigt. Wie will er einen Krieg führen, wenn ihm schlecht wird, wenn er jeden Erschlagenen beweinen muss. Seht euch diesen Jammerlappen doch an. Dieser Mann, ist keiner- er ist ein Mädchen!“
Dietmar war so verstört, dass er das Medaillon nicht mehr an seine Nachbarin Luise von Tüben weiterreichte. Fahrig wie er war, ließ er es in seiner Hosentasche gemeinsam mit einem Taschentuch verschwinden.
„Jedoch ist er sehr belesen, wie ich gehört habe und beherrscht mehrere Sprachen“, warf diesmal Gudrun von Trauenfels ein, denn irgendwie hatte sie das Bedürfnis, ebenfalls diesen hochsensiblen Burschen zu beschützen. Die Tischnachbarin nickte ihr auch sogleich aufmunternd zu
„Aber was sollen Sprachen in einem Krieg nutzen, he?“, grollte der Graf. „Da helfen keine Worte nur das Schwert! Der Mann ist praktisch wertlos. Was soll ich mit dem?“
„Er ist erst zwanzig!“, hielt Gudrun abermals entgegen und strich sich dabei mit einer nervösen Geste eine Strähne ihres feuerroten Haares aus dem Gesicht. „…nur zwei Jahre älter als meine Tochter. Was macht man da nicht alles in diesem Alter!“
„Er ist erwachsen genug, um zu Verstande zu kommen!“, brüllte der Graf.
Da hörte man wieder ein aufgeregtes Stimmengemurmel, denn der Jüngling hatte sich wortlos vom Tisch erhoben. Er zitterte am ganzen Körper, als er sich durch die Reihen der Sitzenden schob. Irgendetwas hatte er vor, aber was? Jemand wollte ihn schließlich am Arm zurückhalten, als er sich losriss und den Saal hoch erhobenen Hauptes verließ.
„Lasst ihn gehen! Nun ist der junge Herr eingeschnappt!“, Der Graf machte eine wegwerfende Handbewegung in dessen Richtung. „Das ist er öfter! Und jedes Mal droht er Selbstmord zu machen! Macht ihn dann doch nicht, die Pfeife. Nicht mal dazu reicht es. Ich bin völlig genervt von dem, aber irgendeinen Erben muss ich ja haben und rechnen und lesen kann der gut. Das Wirtschaftliche beherrscht er, hat er gelernt im Kloster. Wo er wohl ein erstaunlich guter Schüler gewesen ist. Aber er ist eben kein richtiger Mann. Das ist das Problem.“
„Warum soll es nicht auch sensible, friedliche Menschen geben? He, was haben wir vom letzten Krieg gegen Barania gehabt? Nichts! “, rief König Leopold in die Runde und nahm sich noch ein Scheibchen Brot. Dann jedoch stoppte er mitten in der Bewegung und schaute verdutzt zu einem der vielen Fenster, die nicht verglast waren und welche nur ein Gitter schützen konnte. „Diese Krähe da…die mit dem weißen Fleck auf der Brust. Also, die wirkt so, als beobachte sie uns alle und zwar schon die ganze Zeit. Wie sie da auf dem Simms hockt und den Kopf schief hält…die hört ja richtig zu!“ Er biss in das Brot, kaute genüsslich und begann dann plötzlich schallend zu lachen.
„Stört euch nicht an dieser Krähe, meine Hoheit.“, meinte der Graf peinlich berührt. „Wir haben in letzter Zeit hier recht viele davon. Das ist leider so!“ Er gab aber seinen Dienern ein Zeichen, dass sie die verscheuchen sollten. Einer von ihnen nahm auch sofort seinen Gürtel und schlug damit gegen das Gitter. Die Krähe flatterte zwar erschreckt auf, jedoch nur um wenig später in einem anderen der acht Fenster zu landen.
Der Graf schien dennoch zufrieden zu sein. „Nun, aber zurück zu unserem letzten Krieg.“, fuhr er einfach fort. „Es war doch gut, dass wir Barania dem Erdboden gleich gemacht haben. Wir besitzen noch immer dieses Land, das einst sehr reich und fruchtbar war!“,
„Ja, wir machten sagenhaft viel Beute und hatten Sklaven!“, fügte der rote Fürst ein wenig lüstern hinzu. „schöne dunkelhäutige Sklaven!“
„ ...die uns weggestorben sind, wie die Fliegen!“, bemerkte König Leopold trocken.
„Tja, sie waren eben nicht an unser Klima ...na....äh...eigentlich nicht daran gewöhnt, wie man hierzulande Leibeigene behandelt!“, räumte der Graf ein.
„Und wir hatten viel, viel Gold!“, schnurrte der rote Fürst zufrieden.
„Das konnten wir allerdings nicht essen! Es war eben zu viel Gold!“, meinte König Leopold leise.
„Nun ja, deswegen trieben wir ja Handel mit Dabinstan.“, sagte der rote Fürst nachdenklich Das ist immer noch ein fruchtbares, reiches Land. Denen geht es inzwischen besser als uns und nun wird uns König Bilmor auch noch frech!“
„Richtig, aber ich frage mich, wie ein ausgehungertes Volk kämpfen soll?“ König Leopold nahm sich noch ein Keulchen
„Unsere Soldaten sind gut genährt und der Hunger des Volkes kann einen Zorn entfachen, den wir nur richtig zu lenken verstehen sollten.“, schlug der rote Fürst seltsam grinsend vor. Man könnte zum Beispiel Lügengeschichten über König Bilmor im ganzen Land verbreiten. Niemand kann uns kontrollieren, niemand wird die Wahrheit herausfinden. Es hat doch alles auch damals mit der Königin von Barania so gut geklappt. Leore haben wir schließlich mit vielen ihrer Getreuen vor aller Augen hingerichtet und man hat uns all ihre Untaten abgenommen, so als wären sie tatsächlich passiert.“ Der rote Fürst nahm sich nun auch eine Keule und tunkte sie in die Soße.
„Und diesmal brauchen wir gar nicht mal so viel zu dichten.“, rief der Graf begeistert, „König Bilmor fängt tatsächlich Streit mit uns an, indem er die Grenzen missachtet.“
„Da wir gerade bei der Wahrheit sind,“ merkte der König an, „ ...unser Land ist sehr groß, es dauert lange bis die Boten die Grenzen abgeritten und Meldung gegeben haben. Woher wisst Ihr also so sicher, dass König Bilmor grenzverletzend handelt, mein lieber Graf von Alaxis?“
„Von den Boten meiner Grafschaft, mein König!“
„Und das ist die Wahrheit?“
„Ich kann das auch berichten!“, half rasch der rote Fürst dem Grafen.
„Ach, du...“ Der König machte eine wegwerfende Handbewegung.
„He, was soll jetzt diese Bemerkung?“, fuhr der rote Fürst ihn wütend an.
„Na ja“, versuchte der König zu beschwichtigen, ohne von der Wahrheit abzuschweifen. „Ihr mögt den Krieg! Nicht umsonst nennt man euch den Roten, wegen des vielen Blutes, das ihr bereits vergossen habt.“
„Das ...das ist eine Unverschämtheit, was Ihr da sagt. Auch wenn ihr mein König seid, solche Äußerungen verbitte ich mir...“
„Warum wollt ihr das nicht hören?“, knurrte der König.
„Nur ruhig Blut!“, legte nun der Graf ein witziges und vermittelndes Wort ein. „Damals war es ja auch notwendig, sich mal als Fürst durchzusetzen! Besser, man ist zu hart als zu weich sein, wie zum Beispiel mein Neffe.“
„Wohin ist der eigentlich entschwunden?“, fragte ihn der König.
„Mir egal! Wir streiten uns nur, wenn wir uns sehen. Das heißt, nur einer streitet und der bin ich, häha!“
„Und so geht das schon seit Monaten“, mischte sich wieder die Gräfin Luise von Tüben ein. „Wirklich?“, rief ihre Nachbarin Gudrun von Trauenfels. „Das ist ja entsetzlich!“
„Eigentlich so lange schon, wie der arme Kerl an unserem Hofe weilt.“, verriet ihr Luise. „Conradt richtet seinen Neffen mit Worten zugrunde, wie es schlimmer mit Schlägen nicht sein könnte!“
„Pah, Weibergeschwätz!“ Der Graf machte eine wegwerfende Handbewegung.
„Und warum geht der Junge nicht einfach nach dorthin zurück woher er gekommen ist?“, wollte König Leopold, neugierig wie er war, wissen.
„Stellt euch vor“, erzählte Luise. „Seine Hütte wurde, als er auf dem Feld war, von vermummten Reitern angezündet und das wenige Vieh getötet.“ Sie war noch immer darüber tief erschüttert.
„Oh, das ist ja schrecklich!“, hörte man wieder Gudrun von Trauenfels entsetzt ausrufen. Sie steckte sich endlich, das lästige offene Haar mit einem Knoten im Nacken fest.
Der Graf grinste, während er sich mit vertrauter Geste wieder an Luise von Tüben wandte. “Schwesterchen…“ säuselte er hämisch, „Ich hab`s dir zwar nie verraten, aber das war ich mit einigen meiner Getreuen. Ja, ICH, liebe Luise, denn sonst wäre der Bengel ja niemals zu mir gekommen!“
„Oh, so gemein bist du? Pfui, ich könnte vor dir ausspucken!“
„Das würde ich dir nicht raten, Schwesterchen, denn auch du bist sehr abhängig von meiner Gunst!“
„ICH jedoch nicht.“, mischte sich wieder Gudrun ungefragt ein, die endlich mit ihrem feuerroten Haar fertig war. „Ich kann nur sagen, gut, dass ich meine Tochter nicht mit auf diese Reise mitgenommen habe. Sie ist zu Hause geblieben und leistet wieder einmal Prinzessin Alconia Gesellschaft.“ Gudrun von Trauenfels hüstelte nervös, ehe sie hinzufügte: Wie ihr wisst, konnte die Prinzessin wegen einer schweren Erkältung ihren Vater nicht begleiten. Ja, wieder einmal …“ räumte sie ein. „Aber ich sage euch, wenn meine Tochter hier wäre, würde sie gewiss von nun an, bestimmt nicht mehr still sein können.“
„Mit der kleinen frechen Göre, würde ich es auch noch aufnehmen!“, fauchte der Graf zornesrot im Gesicht.“ Ich kenne die junge Dame, ja leider. Du hast eine ziemlich vorlaute Tochter, liebste Gudrun. Man merkt, dass sie ohne Vater aufgewachsen ist. Sie ist so ganz anders als Prinzessin Alconia, die sich immer fügt, sittsam und ruhig ist.“
„Danke!“, sagte der König geschmeichelt. „Aber wie euch bekannt sein dürfte, leben meine Schwägerin und deren Tochter schon seit etlichen Jahren unter meinem Dach - seit dem letzten Krieg eigentlich - wo ihr tapferer Mann Graf Ganholm von Trauenfels gefallen ist. In dieser langen Zeit hatte ich mit der kleinen Lea noch nie Ärger!“
„Ach ja?“, der Graf zeigte sich unangenehm überrascht. „Tja, das freut mich, dann ja auch.“

#


„Majestät, Hoheit, Herr Graf, etwas Schreckliches ist passiert.“, rief einer der Diener plötzlich mitten in den Saal hinein, nachdem er kurz die Flügeltür geöffnet hatte, um nachzusehen, wer dort draußen geklopft haben könnte. „Dürfen der Maier Ottman, der Reisig Hedrich und die drei Knechte Ulof, Tolek und Bulf zu Euch hereinkommen?“
„Meinethalben!“, meinte der Graf mürrisch.
„Aber ...“ Der Diener schluckte. „ ...die Knechte führen einen ....also ...äh ... einen Leichnam mit sich.“
„Nein, das lasst dann mal lieber! Was interessieren uns gerade jetzt Tote? Die gibt es doch zuhauf. Überall sterben irgendwelche Leute des Hungers oder an Krankheiten oder weiß ich an was sonst noch. “
„Nun, äh, wir glauben, dass es vielleicht gerade für euch von besonderer Wichtigkeit sein könnte, edler Herr, gerade diesen eben Verstorbenen in Augenschein zu nehmen.“ Der Reisig schob schon mal vorsichtig seinen Oberkörper durch den Türspalt und der Maier lugte über dessen Schulter ängstlich in den Saal. Beide waren aschfahl im Gesicht und man merkte, dass sie mit dem eben Erlebten noch immer hart zu kämpfen hatten.
„Na, dann kommt alle rein und zeigt mir den Toten!“, murrte Graf Conrath. „Zu schlimm wird`s ja schon nicht sein.“
„Da wäre ich mir nicht zu sicher!“, wisperte der Diener.

Fortsetzung folgt:
 
Wenn du registriert und angemeldet bist und selbst eine Story veröffentlicht hast, kannst du die Stories bewerten, oder Kommentieren. Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diese Story kommentieren.
Weitere Aktionen
Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diesen Autoren abonnieren (zu deinen Favouriten hinzufügen) und / oder per Email weiterempfehlen.
Ausdrucken
Kommentare  

Hallo Anariel, der Meinung war ich damals auch. Der Mann behauptete, er würde seinen Sohn lieben und habe ihn immer geliebt und er war überrascht und tief erschüttert, als sein Kind sich dann doch - mit nur mit siebzehn Jahren - während einer großen Feier umbrachte. Da frage ich mich manchmal was so in den Menschen vorgeht. Denken sie nicht nach?

doska (17.06.2012)

hmm ... ja mag sein, dss ich da selber bisserl vorbelastet bin, da mich dieser Graf auf unschöne Weise an meinen eigenen Dad erinnert hat. Aber wenn ich jemanden mag, dann mach ich ihn nicht so in "aller Öffentlichkeit" fertig, Enttäuschung hin oder her.
Nicht mal mein Dad hat das gemacht und der hat mich immer sehr spüren lassen wie sehr ich ihn doch enttäucht habe.
Deshab denke ich auch, dass der Graf den Kleinen nicht so wirklich mag, zumindest hält er nicht viel auf den Jungen, denn wenn ich jemanden mag, dann mag ich ihn einfach und dann versuch ICH ihn so zu nehmen, wie er eben ist.

Wie immer nur meine Meinung.
Liebe Grüßean dich.


Tis-Anariel (17.06.2012)

Hallo ihr drei, ich freue mich sehr über eure Kommentare. Danke! Es ist ja eigentlich ein ganz altes Buch, das ich in Jugendjahren geschrieben habe, aber ich wollte es nicht in der Schublade liegen lassen. Einige Teile muss ich manchmal noch überarbeiten, darum dauert es manchmal etwas länger bis ein neues Kapitel erscheint.

Tis-Anariel, ich glaube der Graf mag den Neffen sogar. Ich habe da wieder etwas selbst Erlebtes verarbeitet.Er fühlt sich nur immer wieder von Dietmar enttäuscht.

Michael, es stimmt, der Graf ist innerlich völlig verhärtet. Solche Leute kenne ich leider.

Jingizu, freue mich immer über dein kritisches Auge. Du hast recht, ich neige dazu die Figuren ein wenig zu überzeichnen. Der Roman soll auch etwas satirisch und zum schmunzeln sein. Es freut mich, dass er dir dennoch gefällt.


doska (16.06.2012)

Besonders interessant an gerade diesem Kapitel ist, dass es hier und da von den eher genretypischen Beschreibungen abweicht und stilistisch mit seinen etwas überzeichneten Figuren eher einem Kinderbuch oder Märchen ähnelt.
Doch bleibt der Text ausdrucksstark, detailverliebt und charismatisch. Es war geradezu eine Freude ihn zu lesen.


Jingizu (16.06.2012)

Auch ich finde, dass dieser Graf überhaupt keine menschliche Ader zu haben scheint. Ein Teil deines Roman der beweist, dass es in dieser "feinen Gesellschaft" alles andere als fein zugeht.
Wieder sehr gut geschrieben!
LG. Michael


Michael Brushwood (15.06.2012)

Uii spannend am Schluß.
Na das ist ja eine "feine" Gesellschaft und dieser Graf scheint seinen Neffen überhaupt nicht zu mögen. Was für ein gemeiner Mann.

Da bin ich ja mal gespannt, wie das weitergeht.


Tis-Anariel (14.06.2012)

Login
Username: 
Passwort:   
 
Permanent 
Registrieren · Passwort anfordern
Mehr vom Autor
Eine kleine Zusatzgeschichte zu : Macht und Wahrheit  
Fletsch Fuchs und das Coronavirus   
Ach....Aaaach!  
Weihnachten ist vorbei ! (Eine Fletsch Fuchs Geschichte)   
Nicht so richtig  
Empfehlungen
Andere Leser dieser Story haben auch folgende gelesen:
---
Das Kleingedruckte | Kontakt © 2000-2006 www.webstories.eu
www.gratis-besucherzaehler.de

Counter Web De