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2 Seiten

Das Stillleben

Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten
Die Sonne durchflutete den Raum und ein leichtes Lächeln lag auf ihrem Gesicht, als sie die weiße Leinwand auf der Staffelei ansah. Endlich war es mal wieder so weit, dass sie die Ruhe hatte, sich dem Vergnügen des Malens hinzugeben. Ihr Ehemann war nicht im Haus, er konnte keine Vorderrungen stellen, sie nicht um dies und das bitten und wie sie nun einmal war, tat sie, worum er sie bat.

Den Blick auf die Leinwand gerichtet, hob sie langsam den Pinsel auf, tauchte ihn in das Wasserglas, welches neben der Aquarellfarbe stand, um darauf etwas zitronengelbe Farbe aus dem Napf zu lösen. Der Pinsel bewegte sich schnell über die Leinwand und hinterließ eine leichte Spur von Farbe; hier ein Kreis und noch einer, dort ein Oval. Es erschienen nur Umrisse. Erneut tauchte sie den Pinsel in das Wasser, wusch ihn aus und betrachtete, wie der Pinsel das Ocker aufsog, um darauf eine horizontale Linie in den Hintergrund zu ziehen, von dort einige weitere diagonale nach unten. Es entstanden weitere Umrisse: ein Krug, ein Teller und ein Becher.

Den Pinsel locker in der Hand haltend, stand sie vor der Leinwand, auf der mittlerweile ein Konzept für ein Stiellleben erkennbar war. Sie nickte leicht. Wieder wusch sie den Pinsel aus, um sich dem Orangeton zu widmen. Sicher führte ihre Hand den Pinsel entlang der gelben Lasur, die somit von einem warmen Orangeton verdeckt wurde. Am Rand war der Farbauftrag kräftig und wurde immer schwächer. Auf der rechten oberen Seite sollte die hellste Stelle sein, die Lichtquelle war rechtsseitig, wie sie beschlossen hatte, während sie die Umrisse malte. Die zuvor angedeuteten Kreise färbte sie auf der gleichen weiße in Orangetönen aus. Es entstanden Orangen.

Gerade als sie erneut einen Gelbton in dem Pinsel hatte, hörte sie wie die Wohnungstür aufging und sich wieder Schloss. Ihr Mann war zurück, kaum zu überhören. Ein schneller Blick zur Uhr. Es war viel zu früh. Er hätte noch nicht da sein sollen. „Sabine!“, rief er und stand schon in der Tür, als sie sich herumdrehte. „Du bist schon wieder da. Ich dachte du würdest später nach Hause kommen.“ Den Pinsel hielt sie immer noch in der nun gesenkten verkrampften Hand. „Tust du mal wieder so als könntest du malen.“ In seiner Stimme lag ein spöttischer Unterton, den sie kaum überhören konnte, an den sie sich jedoch gewöhnt hatte. „Mach dich lieber nützlich. Ich habe Hunger.“ Er starte sie an. „Ja ich koche uns gleich etwas.“ „Wie wäre es mit jetzt und nicht gleich. Du wirst mit dem Gekritzel eh nicht fertig.“ Sie wusste, dass er recht behalten würde. Sie drängte sich an ihm vorbei, und wehrend sie mit hängenden Schultern in Richtung Küche ging, hörte sie etwas Metallenes scheppern, als es auf den Boden aufschlug. Es musste der Aquarellkasten gewesen sein. Der Kummer stieg in ihr auf, als sie erneut die Tür hörte, und sie begann Zwiebeln zu schälen.
 
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