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3 Seiten

So denke darüber nach

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Viele Lösungen wurden für viele Probleme gefunden. Staatliche Lösungen. Denn irgendwann einmal hat sich der Gedanke durchgesetzt, dass man den Menschen nicht alleine lassen kann. Er braucht Anleitung; man muss ihm den richtigen Weg weisen. Sonst ist er orientierungslos; geht die falschen Wege; schadet sich und der Gemeinschaft und damit seinen Mitmenschen.
Der Mensch hat die Verpflichtung all seine Kräfte und seine Talente dem Staat zur Verfügung zu stellen. Dafür bekommt er ja auch was vom Staat: ein Leben in Sicherheit mit Schutz nach Innen und nach Außen.
Lässt man den Menschen, den Bürger, frei wählen, woher soll dann der Staat wissen, dass sich der Bürger für das Richtige entscheidet? Wie kann er dies gewährleisten? Wie kann er dies sicherstellen? Wie kann der Staat den Bürger dazu bringen, dass er sich „frei“ für „das Richtige“ entscheidet?
Er muss dort ansetzen, wo der Mensch noch formbar ist: wenn der Mensch noch jung ist. Er muss den Menschen zu einem „freien Bürger“ erziehen.
Sollte dies mal nicht klappen, dann braucht er Methoden, um den Menschen doch noch in die richtige Spur zu bringen; braucht Methoden, um Fehlverhalten sanktionieren zu können. Er kann sie in Gefängnisse stecken, als Abschreckung. Er kann präventiv Sozialarbeiter auf sie loslassen, um sie bestenfalls schon vor dem Gefängnis in die richtige Spur zu bringen, weil dies billiger ist als der Knast. All dies tut der Staat, um seine Bürger dazu zu bringen, ihm zu dienen und ihm seine Kräfte nutzbar zu machen.
Doch wie kann er mit Kritik umgehen? Ist es aus Sicht des Staates sinnvoll, Bürger zuzulassen, die den eigenen Staat kritisieren? Läuft dies nicht der eigenen Zielsetzung zuwider? Und inwiefern könnte sich der Staat an dieser Stelle auf die Staatsräson berufen? Wie kann er dem braven Bürger seine Methoden verkaufen? Wie kann er gewährleisten, dass sich der Bürger anhand der gewählten Methoden nicht empört?
Der Staat muss seine Methoden vor seinen Bürgern legitimieren. Methoden, die er vor ihnen nicht legitimieren kann; die lediglich durch seine Staatsräson für sich selbst zu legitimieren sind, muss er vor seinen braven Bürgern geheim halten. Deshalb braucht jeder Staat einen Geheimdienst. Und ganz wichtig: er braucht Satiriker.
Satiriker sind nichts anderes, als das, was die Hofnarren früher am Hofe des Königs waren. Es waren die Einzigen, die die Wahrheit sagen durften. Und zwar so, dass auch der König darüber lachen konnte. Denn dann konnte auch das gemeine Volk mitlachen. Der Hofnarr sprach die Missstände an, die sowieso jeder im Lande wusste. Er griff damit die Empörung im Volk auf, die es angesichts der Missstände im Lande gab. Empörung war und ist eine nicht zu unterschätzende Energie. Eine Energie, die es vermochte und immer noch vermag, Könige zu stürzen.
Indem aber der Hofnarr die Missstände, von denen sowieso jeder wusste, ansprach, aktivierte er eben jene Energie im Volke und kanalisierte diese anschließend in das Lachen darüber. Dadurch nahm er ganz gezielt diese Energie aus dem Volke heraus, und stabilisierte so letztendlich das System, das er augenscheinlich eigentlich kritisierte.
Ein Spiel das bis heute wirksam ist. Nur in abgewandelter Form. Auf die Spitze getrieben im Rahmen des Karnevals.
Die Struktur ist vorgegeben, in die ein Mensch hineinwächst. Alles ist so angelegt, dass er später funktioniert. Die Ränder, also diejenigen, die nicht funktionieren können, oder wollen, versucht man, zum Funktionieren zu bewegen, entweder mit Sanktionen oder präventiv mit Sozialarbeitern.
Die systemgefährdende Macht der Empörung versucht man mit Satire und mit den Methoden des Geheimdienstes in den Griff zu bekommen. Alles, was geschieht, ist darauf ausgelegt, dass das Individuum im Sinne des Staates funktioniert; diesem dient; diesem all seine Fähigkeiten und Ressourcen möglichst „freiwillig“ zur Verfügung stellt. Was dabei nur gerne hin und wieder vergessen wird, ist folgendes: „(…) Der Staat selbst ist niemals Zweck, er ist nur wichtig als eine Bedingung, unter welcher der Zweck der Menschheit erfüllt werden kann, und dieser Zweck der Menschheit ist kein anderer, als Ausbildung aller Kräfte des Menschen, Fortschreitung. Hindert eine Staatsverfassung, dass alle Kräfte, die im Menschen liegen, sich entwickeln; hindert sie die Fortschreitung des Geistes, so ist sie verwerflich und schädlich, sie mag übrigens noch so durchdacht und in ihrer Art noch so vollkommen sein. (...)“ (Friedrich Schiller) Zieht man nun dieses Zitat von Schiller heran, sieht es schon wieder etwas anders aus: nicht der Mensch, der Bürger, das Individuum sollte dem Staat dienen, sondern es verhält sich gerade andersherum: der Staat ist nur so weit nützlich und legitimiert, so weit er dem einzelnen Bürger dienlich ist. Ist er dem einzelnen Bürger nicht dienlich, verliert der Staat im gleichen Augenblick seine Legitimation und muss korrigiert werden.
So denke stets nicht darüber nach, was du für den Staat tun kannst, sondern was der Staat für dich tun kann.
 
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