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108 Seiten

Pearl

Romane/Serien · Fantastisches
© Patrick K
Pearl

Es war später Nachmittag. Thomé hielt kurz inne und sah sich um. Die meisten Weg oder Strassen, die er beschritt veränderten sich im Laufe der Zeit. Aber hier schien es ihm so, als wäre die Zeit einfach stehen geblieben. Eine karge, felsige Landschaft, trocken und unerbittlich. Er versuchte sich zu erinnern wann er das letzte Mal diesen Weg beschritten hatte. 5 Jahre oder waren es doch schon länger her?
Mit zunehmendem Alter verschwimmt die Erinnerung an die Zeit, alles vergeht schneller. Wochen werden zu Tage und Jahre zu Monaten. Er musste sich immer selber daran erinnern, dass er seinen letzten Lebensabschnitt schon begonnen hatte. Er setzte sich wieder in Bewegung und sah zum fernen Horizont, hinter der Felsformation, die wie eine riesige Hand aussah, teile sich der Weg.
Sein Ziel war eines dieser kleinen, vergessenen, namenlosen Dörfer.
Weitab von allen bekannten Handelswegen lag es in einem Teil des Landes, in den sich nur selten jemand verirrte. Der steinige, trockene Boden bot nur wenigen Pflanzen Lebensraum. Die Menschen, die hier ihr Leben fristeten waren aus einem besonderen Holz geschnitzt, und obwohl nur wenige Tagesreisen von hier bereits fruchtbarer Boden lag, konnte niemand sie dazu bewegen ihre Heimat aufzugeben. Die Meisten von ihnen arbeiteten in den endlos langen Stollen, die in Friedenzeiten zum Erzabbau genutzt wurden und in Kriegszeiten als sicheres Versteck genutzt wurden, denn kein Fremder würde es wagen, sich in das endlose Labyrinth zu begeben. Eine weitere Einnahmequelle waren seltene Edelsteine, wobei der Grossteil des Geldes wie so oft an die Händler ging.

Kurz nach Sonnenuntergang erreichte er das Dorf, es bestand aus 60 -70 Steinhäuser. Sie waren so angeordnet, dass sie einen Kreis bildeten; nur im Zentrum gab es einen großen freien Platz. Auf diesem hatten sich alle Bewohner versammelt. Die Sonne war schon vor vielen Stunden vom Himmel verschwunden und das sonst so klare Licht der beiden Monde wurde von weißen Wolken gedämpft.
Thomé sah sich um, eines der Kinder warf neues Holz ins Feuer; gierig umschlungen die züngelnden Flammen die schweren Holzscheite. Dann setzte sich der ältere Mann auf eine der aus Fels gemeißelten Sitzbänke, die einen Kreis um die große Feuerstelle bildeten. Seine weiten Gewänder legte er mit wenigen Handgriffen wieder zurecht. Trotz des nun wieder lodernden Feuers fühlte er wie sich die Kälte der Nacht weiter ausbreitete; den anderen Anwesenden schien sie aber nichts auszumachen.
Während einige Kinder ihm gegenüber vor dem knisternden Feuer saßen und Steine in die Flammen warfen, standen die Erwachsenen in kleinen Gruppen herum. Ihre Gesichter wirkten müde, wahrscheinlich hatten sie bis kurz nach Einbruch der Dunkelheit noch in den Stollen gearbeitet.
Einer der Männer löste sich aus seiner Gruppe und reichte ihm einen Trinkbecher mit dem für diese Gegend sehr beliebten, süßen Wein. Es war der gleiche Mann bei dem Thomé Unterkunft gefunden hatte. Es schien schon eine Weile hergewesen zu sein, dass ein Fremder das Dorf besucht hatte; er bemerkte dies an der Art wie sie ihn bewirtet hatten, höflich, freundlich und trotzdem mit einem gewissen Maß von Mißtrauen. An der Art seiner Bekleidung und auch wegen dem großen silbernen Schmuckstück in Form eines Auges, hatte ihn der Dorfbewohner schnell als Erzähler erkannt.
Er suchte sich gerne solch kleine, weiter abgelegene Ortschaften aus, hier war der Besuch eines Erzählers wirklich noch etwas besonderes, nicht so wie in den großen Städten, wo nicht selten sogar mehrere Vertreter seines Berufsstandes um die Gunst der Zuhörer, und natürlich auch die entsprechende Bezahlung stritten. Jeder versuchte dann seine Erzählung möglichst spektakulär zu gestalten, und leider unterlag dabei allzuoft der Wahrheitsgehalt der Geschichten dem soeben Dazugedichtetem. Vielleicht auch deswegen kam es vor das er und seinesgleichen auch nicht immer auf offene Türen und Ohren stießen.
Doch solche Vorfälle waren schnell vergessen wenn er in die Gesichter deren sah die sich noch wirklich für das Vergangene interessierten und tief in seine Erzählungen eintauchten. Auch heute Abend würde er wieder sein Bestes geben. Die Menschen wussten genau was sie nun erwartete; auch wenn seit dem letzten Besuch eines Erzählers neue Generationen herangewachsen waren. Sie wussten von der Fähigkeit ihre Zuhörer an dem Geschilderten teilhaben zu lassen. Sie wurden Zeugen des Geschehenen und je nach den Fähigkeiten des Erzählers, konnten sie sogar die Gefühle der Figuren dieser Geschichten spüren.
Mit einem Kopfnicken gab Thomé den Erwachsenen ein Zeichen, sie setzten sich zügig zu ihm um das Feuer herum. In ihren dunklen Augen spiegelte sich die Neugierde, und ein leichtes Lächeln ging durch das Gesicht des Erzählers. Er würde weit in der Zeit zurückgehen und ihnen eine Geschichte erzählen, die ihnen den Atem rauben würde und an die sie sich ihr ganzes Leben lang erinnern sollten.
Bestimmt würden sie sie an ihre Kinder und vielleicht auch an ihre Enkel weitergeben, wenn auch in leicht veränderter Form. Mit den Jahren käme einiges hinzu oder manches andere würde weggelassen, aber in ihrer Erinnerung würden Freddy, Quassel und auch Kriecher für immer weiterleben.
Er nahm einen tiefen Schluck, der süßliche Geschmack verwöhnte seinen Gaumen immer wieder aufs Neue, und stellte den Becher ab. Die Kinder ließen von ihrem Spiel ab und rückten zusammen. Auch die Älteren verstummten und sahen ihn neugierig an. Nur das ständige Knistern des brennenden Holzes durchschnitt die plötzliche Stille.
Thomé nahm einen tiefen Atemzug und begann mit seiner Geschichte.
Wie immer fing er mit dem gleichen Satz an, und sofort verströmte seine Magie und zog seine Zuhörer in einen tiefen Bann, und durch sie konnten die Dorfbewohner nun durch ihre Augen, an den Abenteuern längst vergessener Helden teilhaben.
Im Schein des Feuers begann er mit tiefer Stimme die Nacht mit Leben zu erfüllen.

"Hört mit gut zu, denn alles was ich euch jetzt erzähle hat sich genau so zugetragen, nichts wurde im Laufe der Zeit vergessen, nichts verändert…“, dann atmete er tief durch, und seine Worte erfüllten die Nacht.
„Es waren die Jahre der Veränderungen, der Streit der Elfen mit den restlichen Bewohnern Pearls war auf seinem Höhepunkt angelangt und die Zivilisation der Menschen auf der ersten Welt stand kurz vor ihrem Zusammenbruch. Die Natur hatte den Kampf mit dem Fortschritt verloren und zeigte bereits erste Anzeichen ihres langsamen Sterbens. Niemand achtete darauf oder wollte es vielleicht auch nicht sehen. Es war eine schlimme Zeit, und keiner von uns hätte sie gerne erleben wollen. Aber genau dort begann alles."

Thomés Magie begann stärker zu verströmen, sie breitete sich aus wie ein immer breiter werdender Fluss und erfüllte die Herzen seiner Zuhörer. Nun konnten sie seine Worte nicht nur hören, nein, sie würden es miterleben und in die Geschichte der längst von der Zeit verschlungenen Guten und Bösen eintauchen, sie alle wurden zu stillen Zuschauern und Zeugen.

Alles begann mit den ersten Fragen eines neuen Helden:


Gedanken formten sich, Fragen kamen auf.
Was war geschehen?
Wo war er?
Aus seinem Innersten drangen Bruchstücke von Erinnerungen, er war ein Plüschtier, ein Teddybär und jemand hatte ihm den Namen Freddy gegeben.
Eine Flut von neuen Eindrücken schien seinen Kopf sprengen zu wollen, und, obwohl er seine Augen immer noch geschlossen hatte, kniff er sie fester zusammen. Er konnte seinen Körper fühlen, seine Arme und Beine, und wie die wärmenden Sonnenstrahlen langsam das Leben in ihm weckten. Hätte jetzt jemand nach diesem überwältigendem Gefühl gefragt, es wäre ihm unmöglich gewesen es zu beschreiben.
Freddy atmete tief ein und übelriechender, beißender Geruch strömte in seine Nase.
Erschrocken öffnete der Teddy seine Augen, das grelle Licht des gelbweißen Feuerballs über ihn blendete so sehr daß er mehrmals blinzeln mußte.
Die Welt um ihn herum nahm nur langsam Gestalt an. Als erstes aber blickte er auf seinen Körper. Dieses kurze, hellbraune Fell, er spürte wie der Wind leicht über die feinen Härchen fuhr, dann hob er seine rechte Hand und drehte sie. Er besaß drei Finger und einen Daumen.
Wie war das nur möglich? Ungläubig betrachtete er sie und schloß sie zur Faust, Erinnerungen an die Zeit als er noch in diesem leblosen Körper gefangen war nahmen Gestalt an, doch sie waren zu unklar, schienen Ewigkeiten weit weg zu sein. Nur eines wußte er sicher, dieser Ort hier war bestimmt nicht sein Zuhause. Da Freddy immer noch auf dem Rücken lag, versuchte er sich aufzurichten, und geriet mit seiner rechten Hand in etwas Weiches. Schnell zog er die Finger aus einer faulenden Frucht und wischte seine Hand an einem Stück Metall ab. Sitzend stellte er dann entsetzt fest wo genau er sich befand.
Rings um ihn türmten sich Berge aus beschädigten und kaputten Sachen. Angst mischte sich unter das Gefühl der Neugierde, wie konnte er nur an einen solchen Ort gelangen? Was sollte er hier?
Auf einmal kam er sich sehr allein gelassen vor, wer würde ihm zeigen wie man mit dem Geschenk des Lebens umgehen sollte?
In der Ferne bewegten sich bedrohlich aussehende Maschinen, ihr grollendes Geräusch verängstigte ihn zusehend mehr. Ein nichtendender Strom aus Müll und Abfall quoll aus ihrem Innersten.
Freddy mußte von hier fort, doch plötzlich griffen zwei kräftige Hände nach ihm und hoben ihn in die Höhe. Von hinten war unbemerkt eine Gestalt an ihn herangetreten. Verängstigt sah Freddy in die Augen eines alten Mannes, seine langen grauen Haare wehten im Wind und trotz der tiefen, geheimnisvollen Falten in seinem Gesicht faßte Freddy sofort großes Vertrauen zu ihm.
"Na, mein Kleiner, alles in Ordnung mit dir?" fragte der Unbekannte und Freddy antwortete mit einem zögerlichen Kopfnicken.
Sachte nahm der Mann ihn in den Arm und verließ mit schnellen Schritten den Fundfort. "Da bin ich ja noch mal zur rechten Zeit gekommen."
Reflexartig drehte Freddy seinen Kopf nach hinten und konnte gerade noch sehen wie eine der Maschinen aus dem Nichts auftauchte und einen schweren Haufen Abfall genau auf die Stelle kippte wo er eben noch gelegen hatte.
Ohne sich bewußt zu sein das dies die ersten Worte waren die er je sprach, fragte er mit leiser Stimme, "Was ist das alles hier?"
Der Mann blieb stehen und sah sich um, "Tja mein kleiner Freund, hier bringen die Menschen all die Dinge hin, die beschädigt sind oder an denen sie keinen Spaß mehr haben. Es ist ein Ort des Vergessens." Dann ging er weiter. Als sie an den Rand der Müllhalde kamen sah er sich nochmals um, doch bis auf einige Raben die schreiend über ihnen kreisten, achtete niemand auf sie.
Als sich die Vögel auf den frisch abgeladenen Haufen stürzten und mit ihren spitzen Schnäbeln darin herumstocherten, wandte sich der Mann wieder an Freddy.
"Mein Name ist Gabriel, ich werde dich jetzt dorthin bringen wo dir all dieses hier wie ein böser Traum vorkommen wird."
Aus den Fingern seiner ausgestreckten Hand strömte helles Licht, es breitete sich aus und umflutete beide.
Freddy schloß ängstlich seine Augen, der dröhnende Lärm der Maschinen verschwand, er drückte sich fest an Gabriels Arm und als er wieder einatmete war der Gestank plötzlich verflogen.
"Du kannst deine Augen ruhig wieder öffnen."
Freddy tat wie ihm geheißen und erschrak. Die Sonne blendete ihn immer noch ein wenig, doch alles war anders.
Sie befanden sich inmitten eines Waldes, riesige Bäume ragten in den wolkenlosen Himmel, die Luft war angenehm warm und erfüllt von Singen vieler Vögel. Auf dem mit Gräsern dicht bewachsenen Waldboden streckten sich langstielige, mit gelbroten Blüten versehene Blumen dem Licht der Sonne entgegen. In einer Baumkrone über ihnen entdeckte Freddy ein Eichhörnchen, flink sprang es davon als es die beiden unter sich bemerkte. Aus einer dunklen Baumhöhle, die sich etwas tiefer befand starrten zwei leuchtende Augen auf sie herab.
Freddy wußte überhaupt nicht wohin er als erstes schauen sollte, soviel neues gab es hier zu sehen.
Auch Gabriel blickte sich um, sein letzter Besuch lag schon lange zurück. Beinahe tat es ihm leid, und wie schon so oft davor, wünschte er sich doch mehr Zeit hier verbracht zu haben. Alles schien so friedlich, so zerbrechlich, vor allem dann, wenn man über solche Macht verfügte wie er. Dennoch konnte hier selbst der kleinste Fehler die verheerernsten Folgen nach sich ziehen.
Aber bald würde er keine Gefahr mehr darstellen, weder für diese, noch für seine eigene Welt. Ohne weiter aufzublicken folgte er einem kleinen Pfad, der sich durch den grünen Wald schlängelte, es war an der Zeit den Teddy zu den anderen zu bringen.
Dieser wiederum bemerkte den besorgten Gesichtausdruck des Mannes nicht, Freddy bewunderte die hohen Bäume, er fragt sich wie alt sie wohl sein mochten? Bestimmt hätten sie eine Menge zu erzählen, wenn sie reden könnten.
Erst jetzt entdeckte er das Tier das ihnen auf dem Pfad entgegen kam. Es schien nicht sehr groß zu sein und war vollkommen rund. Anscheinend hatte es die beiden nicht bemerkt, denn es rollte direkt auf sie zu. Erst als Gabriel auf einen morschen Ast trat, hielt es an. Zwei Augen schauten aus dem kurzen, grauen Pelz, und blitzschnell wechselte es die Richtung. Es rollte geradewegs auf einem Baum zu und dann zu Freddys Verwunderung, an demselbigen hoch.
Der schaute ihm fasziniert nach bis es in dem dichten Astgewirr verschwunden war. In diesem Wald lebten wirklich die sonderlichsten Tiere.
Jedoch blieb ihm kaum Zeit um weiter darüber nachzudenken, brummend flog ein dickes Insekt direkt neben ihm. Sein Leib schimmerte in einem tiefen Rot und die kleinen Flügel schienen kaum kräftig genug um es zu tragen. Es flog dicht neben Freddys Kopf, und beschleunigte dann so stark das er den Luftzug in seinem Gesicht spürte. Im Nu war es weg, erstaunt sah er zu Gabriel herauf.
"Scheint dir hier ja zu gefallen?", fragte der, "aber warte bis wir erst mal im Dorf ankommen."
"Ein Dorf, was denn für ein Dorf?"
Freddys Frage blieb unbeantwortet, stattdessen deutete Gabriel auf den Wegesrand. Dort saß auf einem Stein ein langer Tausendfüßler und sonnte sich. Er hatte die Dicke von Freddys Arm und sein Körper glänzte dunkelblau.
Er bemerkte die herannahenden, doch anstatt zu flüchten, wie Freddy es erwartet hatte, blieb er ganz ruhig. Dann, langsam verschwammen seine Konturen, er löste sich auf, verschwand einfach.
"Er besitzt die Fähigkeit sich bei Gefahr unsichtbar zu machen", klärte Gabriel ihn auf, "vieles auf dieser Welt ist nicht immer das was es zu sein scheint."
Sie kamen immer tiefer in den Wald, das dichte Blattwerk verdeckte die Sonne und in den Strahlen die doch noch einen Weg hindurch fanden, tanzten kleine Mücken umher. Wie von einer Musik begleitet, die nur sie zu hören vermochten, drehten sie sich, flogen Pirouetten und stießen hinauf bis in die Wipfel der Bäume.
Freddy vernahm das leise Plätschern von Wasser, suchte aber vergebens nach einem Fluß oder Bach. Als er wieder vor sich schaute, waren sie mit einem Male an eine Lichtung gekommen. Vor ihnen lag das Dorf.
Er war schon die ganze Zeit über sehr gespannt gewesen, und hatte sich alles Mögliche vorgestellt, aber so etwas?
Die Überraschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Die Häuser waren klein, hatten die verschiedensten Formen und Farben. Manche waren rund mit einem spitzen Dach, andere eckig, einige waren aus Holz, andere wiederum aus Stein oder Lehm. Vor fast allen waren Gärten oder Blumenbeete angelegt worden.
Schmale Wege führten durchs Dorf und als sie sich näherten konnte Freddy endlich auch die Bewohner erkennen.
Er rieb sich verwundert die Augen, das waren ja alles Stofftiere, genau wie er.
Nachdem sie die ersten Häuser hinter sich gelassen hatten, stürmten viele von ihnen auf sie zu. Er entdeckte auch einige Porzellanpuppen und Plastikfiguren unter ihnen. Sie waren alle aufgeregt und riefen laut durcheinander.
"Gabriel ist wieder da, und er hat wieder jemanden neues mitgebracht."
Der Mann setzte Freddy vorsichtig ab, "Willkommen in Walddorf."
Sofort versammelten sich die Bewohner um ihn herum.
Freddy wußte nicht so recht was er überhaupt machen sollte. Verschüchtert sah er zu Gabriel hinauf.
"Nur Mut, es sind deine neuen Freunde. Stelle dich doch einfach mal vor."
Sich einfach mal vorstellen, dachte Freddy, aber nur wie, er hatte doch so was noch nie gemacht.
Von hinten drängelte sich lautstark jemand durch die Menge, "Ich, ich, ich zuerst."
Ein bunter Clown trat nach vorne, ergriff die Hand des Teddys und schüttelte sie heftig. "Ich bin Quassel, ich freue mich sehr dich kennenzulernen. Und wie heißt du?"
"Ich bin Freddy", antwortete dieser höflich, "und ich freue mich auch."
Einige schoben den Clown zur Seite, jemand schimpfte, "Typisch Quassel; muß sich immer vordrängeln."
Dann stellten sich alle anderen vor, sie gaben ihm die Hand oder klopften einfach nur auf seine Schulter.
Freddy überlegte wie er die vielen Namen behalten sollte, da war Anton der Pinguin, Yina die Stoffpuppe und ihre Freundin Fleur, Ulfi das Monchhichiäffchen, ein anderer Clown namens Bob und ein großer weißer Hund.
"Hallo ich bin Kater", stellte der sich vor und noch bevor Freddy nach dem Grund für diesen ungewöhnlichen Namen fragen konnte, fuhr dieser auch schon fort, "Kater, weil das Kind, dem ich einst gehörte sich immer eine Katze gewünscht hatte."
Er zog Freddy von der Menge weg, "Nun laßt ihn doch Mal in Ruhe, ihr habt später noch genug Gelegenheit ihn besser kennenzulernen. Und außerdem, wie soll er sich die vielen Namen auf einmal merken?"
Dann wandte er sich wieder an Freddy, "Du kannst für die erste Zeit schon mal bei mir wohnen. Ich werde auch versuchen dir einige der Fragen zu beantworten die du dir ja inzwischen bestimmt stellst."
Freddy sah ihn an; ja, das stimmte, Fragen hatte er wirklich genügende.
Die Menge löste sich auf, manche gingen zu ihren Häusern, andere diskutierten noch etwas. Nur ein weiterer Stoffhund gesellte sich noch schnell zu ihnen. "Ich bin Bell, wenn du willst kannst du mich mal besuchen kommen."
Im Gegensatz zu Kater, der genau wie Freddy auf zwei Beinen ging, lief Bell auf vier Pfoten, und eigentlich sah Kater auch eher wie ein anderer Teddy aus, wenn er nicht diese langen Schlappohren und das typische Hundegesicht gehabt hätte.
Währendessen hatte Gabriel sich mit einem Clown unterhalten, aber auch ein Plüschschwein hatte sich dazugestellt. Nach einer Weile sprach Gabriel mit ruhiger Stimme zu den Verbliebenen, "So, ich muß euch jetzt leider wieder verlassen, seit nett zu Freddy uns benehmt euch."
Er drehte sich um und verließ das Dorf auf dem kleinen Pfad der sie auch hergebracht hatte. Die Dorfbewohner winkten ihm hinterher, aber er drehte sich nicht wieder um. Sie sollten seine Tränen nicht sehen. Erst als er außer Sichtweite war, warf er einen letzten Blick zurück. Dort in diesem kleinen Dorf lebte ein Teil seiner selbst. Die Magie die er seit frühester Kindheit immer als einen Fluch empfunden hatte war aufgebraucht. Sie lebte nun in diesen Wesen weiter. In der Menschenwelt wurde er durch sie zum Außenseiter und hier konnte ein falscher Zauber ebenfalls schlimme Folgen haben. Die Sache mit der Frucht kam ihm wieder in den Sinn. Er war noch sehr jung gewesen und sein Vater nahm ihn manchmal mit hierhin. Irgendwie kam er auf die Idee eine Frucht versteinern zu lassen die er sich eben von einem Ast gepflückt hatte.
Aber statt des roten Apfels verwandelte sich der gesamte Baum zu Stein, und mit ihm alles was in seinen Ästen lebte und kroch. Niemals würde er den Anblick dieser versteinerten Vögel vergessen, die Magie hatte sie bei der Fütterung der Jungen überrascht. Sein Vater war damals fürchterlich böse auf ihn gewesen, aber selbst er schaffte es nicht, den Baum in wider seinen natürlichen Zustand zurückzuversetzen. Noch Jahre nach diesem Vorfall traute er sich nicht mehr in diesen Teil des Waldes.
Aber nun war endlich alles vorbei, er gehörte zur Menschenwelt, war einer von ihnen. Die paar Male in denen er noch hier gewesen war, dienten nur dazu dem Dorf einen Besuch abzustatten. Wie alt mochte er wohl gewesen sein als er das erste Stofftier zum Leben erweckte? Gabriel wußte es nicht mehr genau. Aber an das Gefühl diesen alten Stoffbären und dessen Seele mit Leben zu erfüllen würde er wohl nie vergessen. Bevor er eigentlich wußte was überhaupt geschehen war, lief dieser auch schon munter in seinem Zimmer herum. Sein Vater brachte sein Kuscheltier dann hierhin und erklärte ihm was er da gemacht hatte.
"Deine Magie, du hast sie übertragen, sie lebt nun in diesem neuen Wirt. Wenn du das zu oft machst wird irgendwann nicht mehr viel davon übrigbleiben."
Irgendwann, das war heute. Nach der Geschichte mit dem Baum und noch anderen Unfällen, die allerdings lange nicht so schlimm verlaufen waren, beschloß er genau auf die Art sich seiner Fähigkeit zu entledigen. Es dauerte aber fast sechzig Jahre bis alle Magie aufgebraucht war, in der letzten Zeit war es immer schwieriger geworden beseelte Stofftiere zu finden. Die Kinder interessierten sich heute eben mehr fürs Fernsehen, dem Internet und ihre Computerspiele.
Schließlich hatte er doch noch eines gefunden, und ironischerweise war es wieder ein Teddybär. Weggeworfen und auf einer Müllkippe gelandet, obwohl er bestimmt irgendwann mal jemandem viel bedeutet hatte.
Freddy würde sich wohlfühlen bei den anderen, es mußten jetzt wohl schon an die fünfzig sein die in dem Dorf lebten.
Er war sich sicher mit seiner Kraft Gutes bewirkt zu haben, sie kamen alle miteinander zurecht und hatten sogar Freundschaft mit den umliegenden Völkern geschlossen.
Und bei ihm selber würde sich nun auch einiges ändern, er brauchte keine Angst mehr zu haben bei einem Wutanfall oder auch nur aus Versehen mit seiner Magie jemandem Schaden zuzufügen. Ab jetzt war er wie all die anderen.
Gabriel hob seine Hand, mit dem letzten Rest seiner Kraft öffnete er das Tor, niemals wieder würde er diese Welt wieder betreten. Er zögerte kurz, hatte er auch richtig gehandelt?
Ach was, schnell vertrieb er diese Zweifel, schließlich hatte ihn niemand gefragt ob er diese Kraft überhaupt haben wollte. Es war an der Zeit an sich selber zu denken, und an seine Familie. Dazu kam auch noch das er nicht mehr der Jüngste war, und wer konnte schon sagen wieviel Zeit einem noch bliebe.
Mit einem Schritt trat er in das Licht und verschwand darin.

Weit ab von diesem Ort schallte das Gelächter eines Dämons durch die ewige Nacht. Nach Jahrhunderten der Gefangenschaft war sein Herr und Meister endlich wieder frei.


Kater führte den Neuankömmling durchs Dorf. Freddy warf im Vorbeigehen einen flüchtigen Blick auf die Häuser. Der Stoffhund erklärte ihm gerade was in der letzten Stunde überhaupt geschehen war.
"Du willst wissen wer Gabriel ist? Nun, wir glauben daß er einer der Nachfahren jener Magier ist die diese Welt miterschaffen haben.
Er behauptet daß er nur die von uns lebendig machen kann die über eine Seele verfügen. Eine Seele die wir durch die Liebe der Kinder erhalten haben, die uns einst besaßen."
Er unterbrach seine Erläuterungen und zeigte auf ein Haus das so gar nicht zu den anderen passen wollte. Beinahe sah es so aus als ob jemand auf einen großen Ball ein spitzes Dach aufgesetzt hatte. Die Außenwände waren bunt angestrichen und überall lag Spielzeug herum.
"Das ist das Clownhaus, hier leben Quassel und seine Freunde." Kater seufzte, "Das Haus gleich daneben gehört mir. Du kannst dir nicht vorstellen was ich da öfters mitmache."
Sie betraten das braune Steinhaus und Kater zeigte Freddy die verschiedenen Zimmer, sie waren alle sehr klein, bis auf das Wohnzimmer, es war sehr geräumig, und an den Wänden hingen viele Bilder. Auf den meisten waren Landschaften gemalt.
Sie setzten sich an einen runden Tisch. Kater fuhr mit seinen Erklärungen fort. "Wir sind jetzt richtige lebende Wesen, wir können lachen und uns freuen, aber auch weinen und traurig sein."
"Was ist mit Essen und Trinken?", wollte Freddy wissen.
"Das müssen wir nicht, die Magie hält uns am Leben, wir können wohl aber riechen und schmecken."
"Ich habe Gärten vor einigen Häusern gesehen?"
"Ohh, die sind für den Fall dass wir mal Besuch bekommen, wie zum Beispiel die Tworf."
"Die Tworf?", wiederholte Freddy, mit diesem Begriff konnte er nicht anfangen.
"Ja, sie sind ein Volk das hinter dem Wald lebt. Manche besuchen uns um Waren einzutauschen."
"Wurden sie auch von der Magie erschaffen?", fragte Freddy zögernd.
"Nicht so direkt, eigentlich haben sie schon immer existiert, sie kamen mit auf diese Welt."
Freddy befürchtete er könnte Kater mit den vielen Fragen nerven, aber leider war es so daß er immer noch nicht alles verstand. "Warum kamen sie mit auf diese Welt?"
Kater stöhnte und kratzte sich hinter seinem rechten Ohr, "Puhh, du möchtest wohl alle Geheimnisse Pearls auf einmal erfahren. Also gut, dann werde ich von ganz vorne anfangen."
Er stand auf, ging zu einem Schränkchen und nahm einige Kerzen aus einer Schublade.
Freddy sah aus dem Fenster, erst jetzt bemerkte er dass draußen langsam der Abend hereinbrach.
Nachdem die drei Kerzen hell auf dem Tisch brannten, begann Kater mit dem Versuch dem neugierigen Teddy alles zu erklären.
"Als in der Menschenwelt der Glaube an die Magie verloren ging und jeder versuchte für alles eine logische Erklärung zu finden, verbündeten sich die Magier verschiedener Völker und beschlossen gemeinsam eine neue Welt zu erschaffen. Sie ahnten bereits wohin diese Zweifel an der Magie führen würden. Viele Arten von Lebewesen hatte der Mensch gejagt und ausgelöscht, selbst vor den wunderschönen Einhörnern machten sie nicht Halt. In ihrem Übermut glaubten sie auch ohne Magie überleben zu können. Nach vielen Versuchen schafften es die Magier eine geeignete Welt zu erschaffen. Sie wurde zu einer Kopie ihrer Alten. Sie nahmen alle Lebewesen mit die Magie in sich trugen, aber auch viele der natürlichen Tierarten fanden hier ein neues Zuhause. Damit sich die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholten erließen sie strenge Gesetze, so ist jede Art von Fortschritt hier verboten, genau wie das Anzweifeln der Magie. Heute, viele Jahrhunderte nach dem Verschwinden der Magier, sorgen die Wächter für die Einhaltung dieser Regeln."
Kater machte eine kurze Pause und entzündete eine der Kerzen neu, die erloschen war. Dazu nahm er einen unscheinbaren grauen Stein zu Hilfe, den er einfach an den Docht hielt.
"Die Magie paßte sich der neuen Umgebung an und veränderte manche Dinge. So wurden zum Beispiel aus den Zwergen die Tworf, sie verließen ihre tiefen Höhlen und lebten nun auf der Oberfläche. Die Elfen schufen sich ihr eigenes Gebiet und wollten mit niemandem mehr etwas zu tun haben, manche Stämme leben sogar in Feindschaft mit uns. Die Menschen die mit hierhin durften, lernten ihre Aggressionen zu beherrschen und verbannten Gefühle wie Neid und Habgier aus ihren Herzen; zumindest die meisten. Und so bestimmt die Magie unser aller Leben, egal ob wir wollen oder nicht. Sie ist in den Pflanzen und Tieren und umgibt uns alle. Einige haben sie sich zunutze gemacht und andere leben von ihr."
Freddy mußte an den Tausendfüßler denken den er gesehen hatte. Wie sich die Auswirkung der Magie wohl bei den anderen äußerte?
Draußen war es still geworden, er fühlte wie ihn die Müdigkeit übermannte, es war ein kurzer aber aufregender Tag gewesen, doch nun wurden seine Augen immer schwerer.
Kater lachte, "Ich glaube wir bringen dich besser ins Bett, es war vielleicht doch ein wenig viel für den ersten Tag."
Er begleitete Freddy in ein winziges Zimmer in dem eigentlich nur ein Bett und ein Nachttischen standen. Freddy ließ sich auf die weiche Decke fallen, und noch bevor Kater die Türe geschlossen hatte war er auch schon eingeschlafen.
In dieser Nacht träumte er zum ersten Mal. Er sah das Gesicht eines kleinen Jungen wieder, der ihn einmal sehr geliebt hatte.

Am nächsten Morgen schien die Sonne durchs Fenster und kitzelte eine kleine braune Nase. Freddy öffnete seine Augen, streckte sich und stand auf. Er sah aus dem Fenster, der Morgennebel war noch nicht ganz verschwunden und einige Tautropfen glänzten in dem Netz das eine fleißige Spinne vor seinem Fenster gesponnen hatte. Im Dorf war es noch still.
Heute war der zweite Tag seines neuen Lebens und es gab noch so vieles zu entdecken. Leise ging er durchs Haus, Kater schlief anscheinend noch und er wollte ihn nicht aufwecken. Als erstes würde er sich das Dorf genauer ansehen, vorsichtig öffnete er die Haustüre. Er schien wirklich der erste zu sein der so früh schon auf den Beinen war. Gespannt sah er sich die verschiedenen Häuser an, alles war sehr gepflegt, vor manchen blieb er stehen weil ihm die Blumenbeete so gut gefielen, und immer überlegte er wer wohl in diesem Haus leben mochte.
Schließlich kam er an einen kleinen Platz, in dessen Mitte ein mächtiger Kirchbaum stand. Darum standen mehrere Holzbänke. Auf einer kleinen Steintafel, die am Stamm des Baumes hing, war etwas eingemeißelt worden. Etwas weiter stand ein Brunnen. Anton, der Pinguin, war damit beschäftigt einen Eimer mit Wasser herauf zu ziehen, dieses füllte er dann in eine metallene Gießkanne. Freddy ging näher und wünschte ihm einen Guten Morgen. Anton erwiderte den Gruß und erklärte wozu er das Wasser brauchte.
"Ist für meine Blumen, heute scheint nämlich ein besonders heißer Tag zu werden. Da gieße ich sie lieber früh morgens. Und wie ich sehe, siehst du dir das Dorf an, dann viel Spaß noch."
Freddy sah ihm nach wie er die Gießkanne zu seinen Blumen schleppte, dann untersuchte er den Brunnen näher. Rundum war er aus Stein gemauert, der Holzeimer war mit einem Seil an einem Pflock befestigt der in den Boden gehauen war.
Leider ließ sich nicht feststellen wie tief der Brunnen war, denn das Wasser stand ziemlich hoch. Den Rest davon, der sich noch im Eimer befand, schüttete er sich in die Hände und wusch damit sein Gesicht. Als sein Fell etwas getrocknet war schaute er sich die andere Seite des Dorfes an. Auch hier fiel ihm auf wie liebevoll jeder versuchte seinem Haus eine persönliche Note zu geben. Vor einem blieb er stehen, aus dem Blumenbeet wuchs eine riesige Sonnenblume in den Himmel. Sie überragte das Haus um mindestens das Fünffache. Begeistert sah er hinauf. Oben, auf einem der letzten Blätter glaubte er eine Bewegung ausgemacht zu haben. Zunächst konnte er nichts erkennen, doch dann schaute das Gesicht von Ulfi dem Äffchen über den Rand des Blattes. Er rief etwas zu ihm herunter. "Guten Morgen, schön dich zu sehen. Warum kommst du nicht zu mir hierauf, die Aussicht ist heute einfach wunderbar."
Eigentlich wäre Freddy dieser Aufforderung gerne nachgekommen, doch er traute seinen Kletterkünsten nicht, "Ich muß mir das Dorf ansehen, aber ein anderes Mal gerne."
Er winkte hoch und ging weiter, in einem der nächsten Häuser wohnte bestimmt ein Handwerker, denn in dem Schuppen nebenan standen Tische, Stühle und halbfertige Schränke. Gerade als er sich überlegte welcher der Bewohner sich wohl als Schreiner betätigte, rief ihn jemand.
"Hallo, halloo, hier hinten bin ich."
Er drehte sich um, konnte aber niemanden sehen, erst bei genauerem Hinschauen entdeckte er eine kleine Schnecke, die verzweifelt versuchte ihm zu folgen. Auf ihrem rosafarbenen Leib trug sie ein braunes Schneckenhäuschen. Mit ihren kurzen Armen winkte sie ihm zu. Freddy kam ihr entgegen, sie war vielleicht zwei- bis dreimal so groß wie eine normale und schien sehr erleichtert zu sein, dass er endlich auf ihr Rufen reagierte. Als er schließlich bei ihr war ging er in die Knie.
"Hallo", sagte sie ein wenig außer Atem, "du bist also der Neue, ich wollte dich gestern schon begrüßen, aber als ich endlich da war, waren alle schon wieder weg. Ich bin nun mal nicht der Schnellste." Sie richtete sich auf: "Mein Name ist Kriecher."
Freddy reichte ihm die Hand und nannte auch seinen Namen. Kriecher schlug vor ihn ein wenig zu begleiten, "du müßtest mich allerdings tragen, denn sonst kommen wir heute nicht sehr weit."
So hob er die Schnecke hoch und setzte sie auf seinem Arm. Kriecher erklärte ihm wer in dem Haus mit den Möbeln wohnte. Es war eine der Plastikfiguren. "Max ist ein begeisterter Schreiner, er repariert unsere Möbel oder macht uns Neue."
Kriecher sagte ihm dann auch wer in den anderen Häusern lebte, an die sie noch vorbeikamen. Vor einem vornehm aussehenden Steinhaus blieben sie stehen. An den Fenstern hingen weiße Gardinen, vor der Tür lag ein dicker Fußabtreter. Man wollte wohl nicht, daß der Besuch zuviel Schmutz ins Haus brachte. Die vielen Blumen, die ums Haus angelegt waren, hatte jemand nach Farben sortiert, die hellen vorne und die dunkleren seitlich am Haus vorbei.
"Es gehört Miss Daisy, einer Porzellanpuppe“, meinte Kriecher, „sie hält sich nicht so gerne mit den anderen auf, meint wohl sie wäre eine feine Dame oder so was ähnliches. Du wirst sie bestimmt später noch kennen lernen."
Verlegen sah Freddy zu Kriecher runter, "Sag mal, das kommt doch von der Magie, daß du Arme hast und so?"
Er wußte nicht genau wie, er diese Frage stellen sollte ohne, daß Kriecher sie falsch verstand. Doch der antwortete direkt: "Ich glaube schon, bei mir Zuhause gab es Geschichten, daß wir mal so waren wie die anderen Schnecken, doch dann muß etwas geschehen sein."
"Bei dir Zuhause?"
"Ja, als ich noch klein war, ähem, kleiner als jetzt, da lebte ich mit meinen Freunden auf einem Berg, doch beim Spielen bin ich in den Fluß gefallen und tagelang auf einem Stück Holz getrieben, bis mich Grunz aus dem Wasser gefischt hat. Seitdem lebe ich hier im Dorf."
" Und du hast nie versucht zurück nach Hause zu kommen?"
Kriecher schaute ein wenig traurig, "doch, natürlich, aber ich weiß nicht wo das ist, durch einen Seitenarm bin ich zum eigentlichen Fluß geschwommen. Sogar Alexander hat schon versucht mir zu helfen, aber auch in seinen vielen Büchern konnte er nichts finden."
Die Schnecke sah zu Freddy hoch; “ He, wir haben uns ja noch gar nicht die Bibliothek angesehen, los da hinten müssen wir hin!"
Freddy ließ sich führen, er empfand Mitleid mit der Schnecke, bestimmt vermißte sie ihre Freunde.
Nach kurzer Zeit erreichten sie den Rand des Dorfes, und blieben vor einem sehr langen Gebäude stehen, mit Abstand das wohl größte in Walddorf. Es besaß auffallend viele Fenster und zum Eingang führte eine kleine Treppe hinauf.
Kriecher wollte lieber draußen warten und ließ sich auf einer der Stufen absetzen. "Geh ruhig rein, es lohnt sich."
Freddy wagte es, die schwere Holztüre war nur leicht angelehnt und so trat er neugierig ins Innere. Wie zu erwarten war es dort sehr hell. Erstaunt sah er sich um, so viele Bücher hätte er hier drinnen nie vermutet. Es gab große und kleine; sie lagen auf Tischen herum, standen in langen Regalen, die links und rechts die Wände verdeckten. Viele waren auch zu hohen Türmen aufgestapelt worden. Interessiert sah er sich alles an und ging die vielen Regale ab, wer mochte wohl so viele Bücher lesen wollen?
Ziemlich weit hinten fand er eine an einem Tisch sitzende Gestalt vor. Der Schatten der von einem Stapel Bücher fiel machte sie unkenntlich. Fast glaubte er sie sei eingeschlafen, doch dann hob sich der gesenkte Kopf und sah ihn an. "Oha, ein neues Gesicht. Kann ich dir vielleicht weiterhelfen?"
Nun war zu erkennen wem die rauhe Stimme gehörte, vor ihm erhob sich ein anderer Stoffbär, dunkelbraun und mindestens zwei Köpfe größer als er.
Freddy wußte zuerst nicht was er sagen sollte, doch dann fiel ihm doch noch was ein.
"Ich möchte gerne mehr über diese Welt erfahren."
Alexander sah ihn weiter an, "Hmm, normalerweise übernimmt das doch Kater, aber wenn es dich so interessiert dann kann ich dir einige Bücher empfehlen. Sie sind sehr alt und erzählen von den Zauberern und ihrer Magie."
Fast hätte er freudig zugesagt, doch dann fiel ihm noch eine wichtige Kleinigkeit ein. Er konnte doch überhaupt nicht lesen. Schnell dachte er darüber nach wie er am besten aus dieser peinlichen Situation wieder herauskam. Das war wirklich dumm, in einer Bibliothek nach etwas zu fragen, wenn man gar nicht lesen konnte. Der andere Bär hatte aber schon verstanden, Freddys unsicherer Blick verriet ihn. "Warum suchst du dir nicht jemanden der es dir beibringt, es ist nicht so schwierig wie du vielleicht meinst."
Alexander wies mit seiner Hand auf die vollen Regale, "Aus Büchern kann man so vieles lernen, es wäre schade, wenn deine vielen Fragen unbeantwortet blieben, wo sich doch die Antworten nur hinter einigen Buchstaben verstecken."
Dann zog er ein dünnes Buch aus einem Stapel neben ihm und reichte es Freddy, "Hier, es stammt aus der Menschenwelt und enthält nur Bilder. Ich bin mir sicher, dass es dir gefallen wird."
Freddy sah es sich an, auf dem Umschlag war ein mächtiger Bär abgebildet. Ja, das könnte ihm wirklich gefallen, er bedankte sich und verließ das Gebäude. Kriecher saß immer noch auf der Stufe und wartete. "Oh, du hast ein Buch bekommen! Alexander war einer der ersten die Gabriel hierhin gebracht hatte, er ist sehr weise."
Stolz zeigte Freddy sein Buch, "Es hat nur Bilder, ich kann nämlich nicht lesen."
"Och, das kann ich dir beibringen", meinte Kriecher lässig, "aber jetzt möchte ich gerne zur Blumenwiese. Hast du keine Lust mich dorthin zu tra..., ich meine mich dorthin zu begleiten?"
"Eine Blumenwiese?", wiederholte Freddy, "aber klar." So was hatte er noch nie gesehen, "warte, ich bringe nur schnell das Buch nach Hause."
Er lief los, kurz darauf war er auch schon im Haus. Freddy legte das Buch auf einen Tisch und stürmte wieder nach draußen, doch da stieß er mit etwas Buntem zusammen.
"Auwei, auwei", jammerte eine bekannte Stimme, "wer hat es denn hier so eilig?"
"Quassel! Entschuldige bitte", er half dem Clown auf die Beine, "ich habe dich gar nicht gesehen. Kriecher möchte mit mir zur Blumenwiese und da wollte ich ihn nicht zu lange warten lassen. Willst du nicht auch mitkommen?"
Quassel klopfte sich die Hose ab und setzte seine Mütze wieder auf. "Da hat er also wieder einen Dummen gefunden der ihn dorthin trägt. Aber gut, ich komme mit."
Doch plötzlich nahm Quassel den Teddy zur Seite, "Ich muß dir aber noch was wichtiges sagen", flüsterte er, dabei machte ein sehr ernstes Gesicht und sah sich nervös um, fast so als habe er Angst jemand könnte sie belauschen.
"Sei vorsichtig mit der Schnecke“, flüsterte er geheimnisvoll, “ vor einigen Tagen hat mir Kriecher einen glitschigen Regenwurm unter meine Mütze versteckt. Als ich sie aufsetzte und sich zwischen meinen Haaren etwas bewegte erschrak ich fürchterlich. Kannst du dir das vorstellen?" Er machte ein wirklich bemitleidenswertes Gesicht.
Freddy konnte es sich vorstellen und lachte, "Ich dachte ihr Clowns habt gerne solche Späße?"
"Nein, nein, wir machen gerne solche Späße", berichtigte Quassel ihn sofort, "das ist ein wichtiger Unterschied. Also, glaub nicht alles was die Schnecke so erzählt."
Schnell trafen sie auf Kriecher. Als der den Clown sah zog er ein Gesicht, ließ sich aber ohne etwas zu sagen von Freddy in den Arm holen. Sie gingen los und Quassel marschierte voran.
Nachdem sie das Dorf hinter sich gelassen hatten, kamen sie in den Wald. Quassel lief immer noch mehrere Meter voraus.
Gerade als Freddy die Sache mit dem Regenwurm und der Mütze ansprechen wollte, richtete sich die Schnecke an ihn. "Weißt du schon was für einen Streich mir diese Nervensäge da vorn gespielt hat? Nein, na dann paß mal auf. Er hat mir vor fast einer Woche mit Pfeffer vermischte Körner vor die Türe gelegt. Ich füttere öfters die große Elster und als sie davon gefressen hatte, glaubte sie natürlich ich sei dafür verantwortlich. Den ganzen Tag über ist sie mir gefolgt und hat versucht mit ihrem spitzen Schnabel nach mir zu picken. Also, sieh dich vor, bei Quassel weiß man nie was er als nächstes wieder für eine Dummheit macht."
Dem Beschuldigten war anscheinend aufgefallen, da man über ihn redete, doch er tat so als ginge ihn das alles nichts an, munter pfiff er ein Liedchen vor sich hin.
Immer tiefer stießen sie in den Wald vor, das ständige Singen der Vögel begleitete sie, und einmal kreuzte ein Reh ihren Weg. Nun kamen sie auch an den Fluß, dessen Plätschern Freddy schon bei seiner Ankunft vernommen hatte. Eine Zeit lang schauten sie den Fischen zu, die verzweifelt versuchten einen Mückenschwarm zu fangen. Doch immer wenn sie aus dem Wasser sprangen, schnappten ihre Mäuler ins Leere. Die Insekten flogen einfach zu hoch.
Sie ließen die Fische hinter sich und folgten dem Fluß solange, bis sie zu einem umgestürzten Baum kamen, der genau so lag das er wie eine Brücke die beiden Ufer verband. So überquerten sie sicher das nicht sehr tiefe aber breite Gewässer.
"Keine Sorge, wir sind gleich da", meinte Kriecher, und tatsächlich, nach wenigen Minuten kamen sie an eine Lichtung. Vor ihnen lag ein riesiger Teppich aus bunten Blumen, er bedeckte die gesamte Fläche der Lichtung und tauchte sie in ein Meer aus leuchtenden Farben. Der Wind bewegte die Blüten wie Wellen auf dem Wasser, und bei jeder Bewegung flogen Tausende von Schmetterlingen in die Höhe, um sich dann wieder auf die Blumenkelche niederzulassen.
Die drei setzten sich auf einen kleinen Felsen und sahen dem beeindruckenden Schauspiel zu. Sogar Kriecher und Quassel vergaßen bei diesem Anblick ihren Streit und saßen friedlich beieinander. "Tut mir leid", meinte Kriecher schließlich und hielt als Zeichen der Versöhnung seine Hand dar. "Mir auch", sagte der Clown und ergriff sie.
Neben Freddy hatten sich währenddessen zwei Erdhügel aufgetan, neugierig wie immer sah er hinunter. Heraus krochen zwei kleine, seltsam aussehende Kreaturen. Sie glichen Würmern, doch jeder von ihnen besaß ein Paar Beine und jeweils vier Arme mit breiten Händen. Mit ihren schwarzen Augen schauten sie sich an, nur die blauen Lippen paßten nicht zu den sonst grauen Körpern. Zu Freddys Überraschung fingen sie an sich zu unterhalten.
"Ach, der Pitsch, dich habe ich ja eine Ewigkeit schon nicht mehr gesehen. Wo bist du denn die letzte Zeit am graben?"
"Tja, mal hier und mal dort, mein lieber Flubs. Aber du machst dich auch sehr rar. Hättest mich ruhig mal besuchen können. Ich war vor einiger Zeit sehr krank, hab aus Versehen in einen Ameisenhaufen gegraben, und wurde ziemlich gebissen."
Flubs verzog sein Gesicht, "War bestimmt unangenehm", dann sah er zu Freddy rauf. "Sag mal, was ist denn das für ein häßliches Ding, das da auf uns runterschaut?"
Der andere sah nun ebenfalls nach oben, "Iih, der ist wirklich nicht der Schönste, aber Mutter Natur kann nun mal nicht zu allen so großzügig sein, wie zu uns."
Beide lachten ihn aus.
So was konnte Freddy nicht auf sich sitzen lassen, er beugte sich leicht herab und knurrte die beiden an.
Das Lachen gefror ihnen im Gesicht, Pitsch schrie seinen Freund an, "Ach du Scheiße, der hat uns verstanden, nix wie weg hier!"
Blitzschnell sprangen sie in ihre Löcher und gruben sich ein.
Erstaunt sah Freddy zu Kriecher rüber, "Hast du die gesehen?"
Der schaute auf die Erdhaufen und meinte nur, "Das waren Wühler, die sind harmlos."
"Ja, aber ich konnte verstehen was sie sagten, obwohl es irgendwie anders klang."
"Das können wir alle, gehört mit zur Magie", antwortete Quassel.
"Dann kann ich auch die Sprache der Tiere verstehen?"
"Nicht direkt, nur die Sprache derer die etwas mit der Magie zu tun haben", grinste Kriecher und deutete auf den Clown, "nur was der da immer redet versteht keiner so richtig."
Quassel zog sich schnell die Mütze vom Kopf und tat so als wolle er nach Kriecher damit schlagen, dann ließ er sie auf die Schnecke fallen.
"Hey, das ist gemein, laßt mich sofort wieder raus!"
Quassel nahm sie fort und alle drei mußten laut lachen.
Nachdem sie später die gesamte Lichtung umgangen hatten, zeigte Quassel ihnen noch einen Bienenstock. Interessiert schauten sie aus sicherer Entfernung dem fleißigen Treiben zu, denn all zunahe heran trauten sie sich nun doch nicht.
Auf einem engen Steinpfad kamen sie dann ins Zentrum der Wiese und verbrachten dort den restlichen Tag.
Als sie abends wieder im Haus waren erzählte Freddy alles an Kater, und später sahen sie sich zusammen im Kerzenschein das Buch an.
Es war voller Bilder von Bären, man sah sie beim Jagen und Fischen. Vor allem das Bild, auf dem ein Bär vor einem anderen stand, sein Fell sträubte und mit den Zähnen fletschte beeindruckte Freddy sehr.
Als er dann in seinem Bett lag, überlegte er sich noch lange wie wohl das Leben in der freien Natur sein mochte. Vielleicht wäre das auch was für ihn, aber hier ging es ihm eigentlich doch auch sehr gut, er hatte neue Freunde gefunden. Vor seinem geistigen Auge ließ er noch einmal die Schmetterlinge fliegen und erinnerte sich an den Geruch der Blumen. Es freute ihn daß sich die beiden Streithähne wieder vertragen hatten.
Am liebsten wäre er noch länger dort geblieben, aber Quassel wollte vor Einbruch der Dunkelheit wieder Zuhause sein. Wenn er noch ein- zweimal dortgewesen war, kannte er bestimmt den Weg und konnte ganz alleine zur Wiese gehen. Ob es noch mehr solche magische Orte gab?
Bestimmt, und er würde sie alle finden.
Langsam schlief er ein. Allzugern hätte er von den Bären geträumt, doch stattdessen fand er sich in einer erdrückenden Dunkelheit wieder, mitten im Nichts, alleine.
Der Schleier der Finsternis ließ nichts von der Umgebung erahnen, weder einen Himmel, noch irgendwelche Wände oder Mauern konnte Freddy ausmachen. Panik kroch langsam an ihm hoch. Aus einem leisen Wimmern irgendwo in der Dunkelheit wurde ein Rufen.
"Hilfe, bitte hol mich hier raus Freddy."
Er bekam eine Gänsehaut, doch die Stimme kam ihm bekannt vor und er versuchte in die Richtung zu laufen aus der sie rief, doch es war als würden seine Füße am Boden festkleben. Schließlich verlor er das Gleichgewicht und fiel.
Die Stimme verstummte.
Freddy befand sich wieder in seinem Bett. Die Augen weit geöffnet starrte er zur Decke, wo sich die Schatten der vor dem Fenster stehenden Sträucher abzeichneten. Von draußen drang das traurige Klagen eines Nachtvogels in sein Zimmer.
Freddy wußte wem die Stimme gehörte die ihn so verzweifelt gerufen hatte. Es war die eines Jungen, des Jungen der ihn in seinem Arm gehalten hatte und den sein Teddy immer dann getröstet hatte, wenn es ihm schlecht ging.
Der Name des Jungen war Michael, und Michael war sein Freund.


Am nächsten Morgen ging er alleine in den Wald. Quassel hatte mit seinen Freunden gespielt und auch Kriecher war nirgendwo anzutreffen. Freddy wollte über den Traum von vergangener Nacht nachdenken. Er konnte nicht genau sagen wie lange er noch vor dem Fenster gesessen und in die Nacht hinausgestarrt hatte? Bestimmt sehr lange, denn er war dort sitzend eingeschlafen.
Er spazierte gemütlich zwischen den hohen Bäumen umher als eines dieser runden Fellknäuel an ihm vorbeirollte, sie schienen wirklich überall zu sein. Sogar in den Grasbüscheln hinter ihm versteckten sich welche. Er rief eines zu sich, doch die Kugel ignorierte ihn und verschwand in einem Erdloch.
Genau wie am gestrigen Tag, schien es heute sehr warm zu werden, er sah zur Sonne hoch. Nicht eine einzige Wolke war am hellblauen Himmel zu entdecken.
Kater hatte ihm erklärt das sie Hochsommer hatten, in wenigen Monaten würde sich das dunkle Grün der Blätter in warmes Gelbbraun verwandeln und viele der Vögel zögen dann in wärmere Gebiete.
Wie wäre es dann wohl hier im Wald?
Freddy konnte es sich nicht vorstellen, hatte er ihn doch noch nie ohne den Gesang erlebt. Er nahm sich vor, wenn der Herbst eingetroffen war, sich auf den Boden zu legen und abzuwarten bis die herunterfallenden Blätter ihn vollkommen bedeckt hatten. Das gleiche würde er vielleicht dann auch im Winter mit dem Schnee machen, wenn dieser nicht allzu kalt sein würde. Eigentlich hatte er noch so einiges vor.
Als erstes aber wollte er lesen lernen, und den vielen Büchern ihre Geheimnisse entreißen. Während er vor sich hin plante, bemerkte er beinahe die kleine grüne Schlange nicht, die vor ihm auf dem Boden lag. Vorsichtig hob er sie auf, sofort wickelte sie ihren Körper um seinen Arm. Freddy sah sie an als wartete er darauf dass sie etwas zu ihm sagen würde. Doch sie blieb stumm. Nur ihre rosane gespaltene Zunge schoß mehrere Male hervor.
Nun ja, dachte er sich, es hätte ja sein können, oder vielleicht wollte sie einfach nur nicht mit ihm reden. Verzweifelt versuchte sie sich aus seiner Umklammerung zu winden, schnell setzte er sie auf den Boden zurück. Geschickt schlängelte sie sich durchs hohe Gras in Sicherheit.
Einen dieser Tausendfüßler hätte er gerne noch einmal gesehen, doch es waren immer nur diese Pelzkugeln die ihm in den folgenden Stunden vor die Füße rollten.
Dem Stand der Sonne nach zu urteilen war bald Mittag, Quassel hatte ihn gestern gezeigt wie man mit ihrer Hilfe die Tageszeit bestimmte. Trotz der langen Schatten den die Bäume warfen wurde es immer wärmer, Freddy beschloß eine Pause einzulegen und setzte sich unter einen Baum. Die Stimme des Jungen hallte noch in seinen Ohren, war es nur ein Alptraum, oder ein wirklicher Hilferuf? Hatte es Sinn seine Freunde um Rat zu fragen, doch wie würden sie reagieren? Allem Anschein nach wollte hier keiner mehr etwas mit der Menschenwelt zu tun haben. Bei dem Versuch sich Michaels Gesicht vorzustellen schmerzte sein Kopf, da war noch etwas anderes. Eine böse Erinnerung nahm Form an. Ein Schatten kam auf ihn zu, ein Quietschen durchschnitt die Luft. Er wollte nicht daran denken. Was war wenn der Junge bereits tot war, würden die Träume dann nie aufhören?
Nein, Michael lebte, da war er sich sicher, und er würde alles tun um ihn zu finden.
Langsam beruhigte er sich wieder.
Hinter einem Busch in seiner Nähe vernahm er ein Geräusch, es lenkte ihn von seinen Sorgen ab. Freddy stand auf und beschloß nachzusehen. Leise bog er einen Ast zur Seite und entdeckte einen kleinen Fuchs der auf einem Stück Rinde herumkaute, dabei wälzte er sich vergnügt auf dem Rücken. Es schien ihm wirklich sehr viel Spaß zu bereiten, mehrmals knurrte er das trockene Holz zornig an.
Das brachte den Teddy auf eine Idee.
Fast lautlos schlich er sich von hinten an, brachte sich in die richtige Position und zeigte die Zähne. Ein tiefer Atemzug, und ein heiserer Schrei ging durch den Wald. "GROAAR."
Als das Füchslein den Bären mit erhobener Pranke hinter sich stehen sah, verschluckte es beinahe die Rinde. Hals über Kopf flüchtete es in den Wald.
Jetzt fühlte sich Freddy wie die Bären in seinem Buch, er war ein richtiger Jäger, nichts konnte ihm mehr Angst machen. Doch dann überkamen ihn Zweifel, war es richtig einen wehrlosen kleinen Fuchs so zu erschrecken? Ach was, er war ein Bär und die kannten kein Mitleid, oder vielleicht doch? Tief aus dem Wald drangen neue Geräusche, Schritte näherten sich ihm, und zwar sehr schnell. Ob der Kleine nachsehen wollte, ob der Angreifer schon weg war?
Freddy lauschte, nein, da kam etwas Schwereres auf ihn zu, und zwar wirklich schnell. Er starrte in die Richtung in der der kleine Angsthase verschwunden war. Im selben Augenblick schoß die Fuchsmutter aus dem Unterholz auf ihn zu. Und ihre gefletschten Zähne waren viel bedrohlicher als alles was er bisher gesehen hatte. Der haßerfüllte Blick in ihren Augen ließ keinen Zweifel daran daß sie diesen Stoffbären am liebsten zu Polstermaterial für ihren Bau verarbeiten wollte.
Freddy nahm seine Beine in die Hand und rannte los, damit hatte der tapfere Jäger nicht gerechnet, hätte er dem Füchslein doch lieber nur freundlich guten Tag gesagt.
Er lief so schnell wie er konnte, sprang über umgestürzte Bäume, flitzte durch dichte Sträucher, und merkte in seiner Angst überhaupt nicht dass die Füchsin ihn schon lange nicht mehr verfolgte. Als er sich endlich traute nach hinten zu sehen, da lief er gegen eine Wand.
RUMMS.


Randolf bereitete sich gerade eine Suppe vor, er überlegte ob er morgen nicht doch zur Stadt aufbrechen sollte. Immerhin waren seit seinem letzten Besuch viele Monate vergangen, und in Tworfkreisen war es üblich dass man sich wenigstens ab und zu bei seinen Verwandten meldete. Bei dem Gedanken an die leckeren Speisen die sein Bruder so meisterhaft zubereiten konnte, lief ihn jetzt schon das Wasser im Munde zusammen, nicht umsonst führte Kalek eine der bestgehensten Gaststätten von ganz Simra.
Randolf versuchte die Suppe; sie schmeckte fade und war eigentlich eine Beleidigung für seinen feinen Tworfgaumen. Sämtliche Gewürze waren schon lange aufgebraucht und die Süßwurzeln, die er heute Morgen aus dem Waldboden ausgegraben hatte, verbesserten ihren Geschmack kaum.
Kalek würde ihm bestimmt wieder einen Vorrat seiner köstlichen Gewürzmischungen mitgeben, und er könnte sich auch noch mal neue Kleider besorgen. Die, die er besaß fingen an zu verschleißen und sein letztes Paar Schuhe hielt auch nicht mehr lange. Je mehr er darüber nachdachte was er an neuem brauchte, desto zwingender wurde ein Besuch in der Stadt. Er probierte noch einmal die Suppe, nein, so bekam er sie bestimmt nicht herunter. Als er sich weiter über seine schlechten Kochkünste ärgerte, donnerte etwas gegen seine Hauswand.
Vor Schreck fiel ihn der Löffel in die Suppe. Er fluchte, nahm den Topf vom Feuer und ging draußen nachsehen. Bestimmt war eines dieser fetten Wildschweine, die seit Tagen schon in dieser Gegend herumstreunten, von Margins gejagt worden und bei seiner Flucht gegen die Mauer seines Hauses gelaufen. Margins liebten Wildschweinfleisch, aber Randolf hatte vor den wolfsähnlichen Tieren nichts zu befürchten, sie waren Tworfs gegenüber sehr scheu. Aber trotzdem blieb er sehr vorsichtig, denn auch das Wildschwein konnte immer noch eine nicht zu unterschätzende Gefahr darstellen, schließlich war es genau so groß wie er und um ein Vielfaches schwerer. Sicherheitshalber zog er sein Messer aus dem Gürtel.
Randolf schaute um die Ecke des Hauses und schluckte, das mit dem Wildschweinbraten konnte er vergessen, vor ihm lag ein kleiner bewußtloser Teddybär.
Er hob ihn auf und brachte ihn ins Haus, dort legte er ihn aufs Bett und beschäftigte sich wieder mit seiner Suppe.


Nach einiger Zeit erwachte Freddy wieder. Sein Kopf dröhnte und schmerzte. Er sah sich um. Vor ihm saßen an einem Tisch zwei Männer, die Suppe, die sie aßen schien aber nicht sonderlich zu schmecken, das konnte er an ihren Gesichtern sehen. Dem Anschein nach waren sie Zwillinge, doch etwas stimmte nicht, ihre Bewegungen stimmten völlig überein. Beide führten den Löffel zum Mund, schlürften die Suppe und verzogen gleichzeitig die Gesichter.
"Alles in Ordnung?“, fragten sie ihn.
Jetzt verstand er, "Im Moment sehe ich noch alles doppelt." Er blinzelte mehrmals, die Bilder fügten sich langsam zusammen.
Freddy sah, das das Innere des Hauses aus nur einem Raum bestand, in der Mitte befand sich die Kochstelle, der Rauch zog über ein Loch im Dach, welches durch ein höhergelegtes abgedeckt war, ins Freie. Neben der Haustüre standen drei Stühle und ein Tisch. Auf dem Linken saß der Mann, er war gut zwei Köpfe größer als Freddy, breit gebaut, hatte runzlige Haut und eine Knollennase. Seine Kleidung war schon oft geflickt worden, und an seinem Gürtel baumelte ein Messer.
Im Haus standen noch etliche Regale, in denen er anscheinend Lebensmittel aufbewahrte, doch genaueres konnte Freddy nicht erkennen, alles war von einer dicken Staubschicht bedeckt. Vor einem Fenster stand eine hellgrüne Pflanze, sie ließ traurig ihre Blätter hängen. Bestimmt konnte sie etwas Wasser vertragen.
Sein Blick ging wieder zurück zu dem Mann, der beobachtete ihn ebenfalls.
"Da hast du dem alten Randolf ja einen gehörigen Schrecken eingejagt, dachte schon jemand wollte mir mein Haus umwerfen." Er lachte.
Freddy tastete seinen Kopf ab, konnten Stofftiere Beulen bekommen? Er fand keine. Dann richtete er sich auf, "Tut mir leid, ich war auf der Flucht, da muß ich wohl gegengelaufen sein. Mein Name ist Freddy."
Randolf stellte die Schüssel in das Regal, er nahm einen Becher und füllte ihn mit Wasser aus einem Eimer. Er leerte ihn in einem Zug. "So, so, auf der Flucht. Du bist ziemlich weit weg von eurem Dorf, scheint ja ein gefährliches Tier gewesen zu sein das dich verfolgte?"
"Ja, schien so", bestätigte Freddy.
"Findest du den Weg alleine zurück, oder soll ich mitkommen?" fragte der Mann. Freddy stand auf, "Hmm, ich bin wohl noch etwas wackelig auf den Beinen", stellte er fest, "vielleicht ist es besser wenn du mitkommst."
Randolf zog sich seine Weste über, wenn er schon ins Dorf mußte, dann könnte er versuchen Lebensmittel einzutauschen. Aus einer Schublade nahm er mehrere Kerzen und einige Feuersteine.
Die Kerzen hatte er heute Morgen erst von den Stangen genommen, wo sie zum trocken gehangen hatten. Sie bestanden aus einer speziellen Mischung aus Baumharz und Wachs, das er aus Pflanzen gewann. Dadurch brannten sie heller, und vor allem länger als die, die man in der Stadt oder bei den fahrenden Händlern kaufen konnte.
Er legte alles zusammen in einen Beutel. "Na dann los, beeilen wir uns. Vor heute abend möchte ich wieder hier sein." Sie verließen das Steinhaus und Randolf schloß die Türe hinter sich.
"Wo bin ich hier überhaupt?", wollte Freddy wissen.
"Du scheinst wohl noch nicht lange hier zu sein?" Der Tworf warf sich den Beutel über die Schulter und ging voran. "Wenn du noch eine Woche länger in diese Richtung gelaufen wärst, hättest du dir deinen Kopf an den Stadtmauern von Simra gestoßen." Er sah hinter sich.
Anscheinend sagte dieser Name dem Bären nichts, "Das ist die Hauptstadt der Tworf; eigentlich ist es unsere einzige Stadt, alles andere sind kleinere und größere Dörfer."
Freddy hatte ein wenig Mühe den schnellen Schritten des anderen zu folgen. Vor ihnen rollten wieder mehrere Pelzkugeln umher, "Dumme Tiere", schimpfte Randolf, "laufen einem ständig vor die Füße, und wenn man mal versehendlich auf eines drauftritt, stinken sie fürchterlich."
Diese vier schienen besonders hartnäckig zu sein, denn sie umkreisten die beiden einige Male bevor sie dann weiterzogen. "Und wie gefällt es dir hier?", fragte Randolf nach, "scheint doch anders zu sein als auf der Menschenwelt?"
"Weißt du, das kann ich nicht genau sagen, ich erinnere mich nicht mehr an alles. Aber hier sind alle sehr nett zu mir."
Freddy versuchte das Thema zu wechseln, er kannte den Tworf noch nicht gut genug um mit ihm über die Vergangenheit zu reden. "Wie ist es den mit dir, warum lebst du nicht in der Stadt?"
Randolf lachte, "Du scheinst wirklich keine Ahnung vom Leben dort zu haben. Alle laufen durcheinander herum, keiner hat mehr so richtig Zeit und wenn man nicht aufpaßt bekommt man noch seine Sachen geklaut. Nicht das mir so was schon passiert wäre, aber man hört ja so einiges."
Den Rest des Weges über diskutierten sie über die Vor- und Nachteile des Stadtlebens, obwohl es eher ein Monolog von Seiten Randolfs war und dieser fast nur die negativen Aspekte hervorhob. "Und erst dieser Lärm, manche scheinen niemals zu schlafen, einmal bin ich sogar in ein Tanzlokal gegangen, die haben Trommeln da, die sind so laut, dass die Gläser von den Tischen hüpfen."
Das konnte sich Freddy nicht vorstellen, und obwohl so manches andere auch leicht übertrieben klang, hörte er weiterhin den Erzählungen aufmerksam zu. Nur ab und zu drehte er sich um, doch von der Füchsin war nirgends etwas zu sehen.
Es war später Nachmittag als sie endlich im Dorf eintrafen, Freddy wollte Randolf noch zu sich einladen, doch der winkte dankend ab.
"Ich muß noch meine Sachen eintauschen, du darfst mich aber ruhig noch einmal besuchen, nur klopfe dann etwas leiser an."
Freddy begab sich nach ihrem Abschied auf den Weg zum Haus von Grunz dem Plüschschwein.
Kriecher saß dort auf der Fensterbank und beobachtete den Garten. Ein Feldhase machte sich gerade an den Salatköpfen zu schaffen.
"Schnell komm rein", bat ihn die Schnecke als er das Haus betrat, "vielleicht schaffst du es ja ihn zu vertreiben, bei mir rührt er sich nicht."
Freddy öffnete das Fenster und wedelte mit den Armen, "Kss, du böser Hase, das ist doch nicht dein Garten." Doch erst als er so tat als würde er dem Räuber etwas nachwerfen, lief dieser davon ab.
Begeistert berichtete er dann von seiner neuen Bekanntschaft, nur bei der Sache mit dem Fuchs untertrieb er ein wenig, das war ihm doch dann zu peinlich. Anschließend versuchten sie es mit dem Lesen. Die ersten Buchstaben konnte er sich gut merken, aber als er sah dass es so viele Verschiedene gab verließ ihn ein wenig der Mut. Kriecher munterte ihn auf, "Keine Angst, das sieht schlimmer aus als es ist."

Als fast zwei Wochen vergangen waren, hatte er schon riesige Fortschritte gemacht. Die meisten Buchstaben kannte er bereits und immer öfters gelang es ihm die Worte beim ersten Versuch richtig zu lesen. Ab und zu schaute auch Quassel vorbei, dann war aber mit dem Lernen Schluß. Er schaffte es nämlich nicht, auch für nur einen Augenblick den Mund zu halten.
Jeden Abend zeigte Freddy dann stolz an Kater was er gelernt hatte.
So vergingen viele, viele Tage, und in manchen Nächten kamen die Träume wieder.


Eines Morgens schließlich beschloß Freddy seine Freunde doch um Rat zu fragen, sie trafen sich in der Bibliothek. Gemeinsam setzten sie sich an einen Tisch, nicht ohne vorher einen Stapel Bücher wegzuräumen den Alexander liegengelassen hatte.
Dann erzählte er Kater, Quassel und Kriecher von seinen Träumen.
Schweigend hörten sie ihm zu; als er fertig war sprach Kater als erster.
"Jedem von uns ist es schon mal passiert, dass er von der Vergangenheit träumte, aber ich habe noch von keinem gehört der auf diese Weise mit einem Menschen in Kontakt stand."
"Wir müssen herausfinden was mit dem Jungen geschehen ist, erst dann können wir versuchen ihm zu helfen", überlegte Quassel. "Was ist denn das letzte woran du dich erinnerst?"
Freddy zögerte, "Ich weiß nicht mehr, immer wenn ich versuche daran zurückzudenken bekomme ich Kopfschmerzen. Es muß etwas sehr Schlimmes gewesen sein."
Er wurde langsam nervöser, die Angst, die Wahrheit herauszufinden wuchs.
Kater beruhigte ihn wieder, "Du darfst dich nicht dazu zwingen, gehe es ruhig an."
"Beginne mit einer schönen Erinnerung, "schlug Quassel vor, "vielleicht fällt es dir dann leichter." Kriecher, der auf dem Tisch saß rückte näher an ihn heran, "Wir sind bei dir."
Bestimmt hatten sie Recht, wenn er es nicht wenigstens versuchte, würde er nie erfahren was wirklich geschehen war.
Mit geschlossenen Augen ließ Freddy sich fallen, in eine Zeit in der er nur ein normaler Stoffteddy war. Wo sein "Ich" in dieser Hülle existierte, ohne sich seiner selbst bewußt zu sein. Als erstes fiel ihm das Lachen des Jungen ein, er lachte oft. Dunkel erinnerte er sich wie sie sich zum ersten Mal trafen. Wie er aus dieser finsteren Schachtel herausgehoben wurde und sie sich ansahen, bereits da fiel ihm dieses Lachen auf. Von diesem Zeitpunkt an waren sie unzertrennlich, überall wo Michael hinging mußte auch sein Teddy mit. Der Junge hatte noch viele andere Stofftiere, aber sie standen bloß in den Ecken des Zimmers herum. Freddy war sein Freund, nur von ihm glaubte er sich verstanden, und dem war ja auch so. Irgendwo tief in ihm konnte er den Sinn der Worte die Michael zu ihm sprach verstehen.
Immer mehr Bilder kamen auf; wie Michael mit seiner Bettdecke eine Höhle baute und ihm unheimliche Geschichten erzählte. Eine Geburtstagsfeier, es war die letzte an die er sich erinnern konnte. Er versucht zu zählen wie viele Kerzen in der Torte steckten, fünf, sechs? Viele andere Kinder saßen ebenfalls an dem Tisch, die Kerzen wurden ausgeblasen.
Jetzt wagte Freddy den Sprung.
Es war ein grauer Herbsttag, bis vor kurzem hatte es anscheinend noch geregnet, denn überall standen noch Pfützen auf dem Bürgersteig den sie entlanggingen. Michael hielt ihn an seinem Arm fest, er wollte eine große Strasse überqueren und trat an den Zebrastreifen. So wie er es gelernt hatte schaute er zuerst nach rechts und dann nach links. Aber dort hatte sich ein Wagen genau so geparkt dass er nicht erkennen konnte ob alles frei war. Trotzdem versuchte er es, schnell lief er hinüber. Beinahe hatte er auch die andere Straßenseite erreicht als ein lautes Quietschen die Luft durchschnitt, ein dunkler Wagen erfaßte ihn und schleuderte den Jungen auf die Motorhaube. Er flog durch die Luft und sein Körper drehte sich um die eigene Achse. Mit einem knackenden Geräusch schlug er auf das Straßenpflaster.
Erst als er den Boden berührte ließ er seinen Teddy los. Helles Blut lief ihm aus Mund und Nase. Sofort versammelten sich Menschen um ihn und versuchten zu helfen. Der Fahrer des Unfallwagens stand mit bleichem Gesicht daneben.
Eine Ewigkeit später traf ein rotweißes Fahrzeug ein, zwei Männer kümmerten sich um ihn und luden Michael in den Wagen. Mit lautem Geheule fuhren sie schnell davon.
Freddy hatte die ganze Zeit über auf dem Bürgersteig gelegen, einige Leute waren auf ihn draufgetreten und hatten ihn dann in eine Pfütze gestoßen. Jemand hob ihn auf und warf ihn in einen Müllkorb.
Verwirrt sah er sich um, er war immer noch in der Bibliothek, seine Freunde saßen um ihn herum.
Es dauerte noch einen Moment bis er sich beruhigt hatte. "Das ist alles sehr traurig", meinte Quassel, "doch was können wir machen?"
"Fragen wir doch Alexander", schlug Kater vor," vielleicht kann er uns weiterhelfen."
Als sich der große Bär zu ihnen setzte, erklärte Kater ihm mit wenigen Worten worum es ging. Alexander hörte aufmerksam zu, stand auf und kam nach einigen Minuten mit einem Buch zurück. Er setzte sich wieder und blätterte darin herum, "Schwierig, schwierig", murmelte er, dann fand er wonach er gesucht hatte. "Aha", schnell las er die Seiten durch.
Dann schloß er das Buch.
"Dein Freund liegt in einem Koma; ist in einer Art Traumwelt gefangen", begann er. "Die alten Magier hatten einen Weg gefunden um dorthin zu gelangen." Alexander klopfte mit seinen Fingern auf dem Buchdeckel. "Sie beschrieben sie als eine dunkle Welt, in der sich der Geist eines Menschen zurückzieht, wenn zum Beispiel sein Körper in Gefahr ist, oder wenn ihm wie in deinem Fall, etwas zustößt. Leider schaffen sie es nicht dort wieder herauszufinden, manche versuchen es und brauchen Jahre, andere wiederum nur eine kurze Zeit, und einige bleiben leider für immer dort.
Sie schaffen sich dort ihre eigene Welt in der sie gefangen sind, alleine, aber sich in Sicherheit wiegend. Dabei reicht oftmals schon eine Erinnerung, um den Weg zu ihrem Körper zu öffnen.
Da er auf deine Stimme nicht reagiert, und da du auch nicht wieder in die Menschenwelt zurück kannst, mußt du direkt in seine Traumwelt."
Freddy atmete auf, es gab also doch eine Möglichkeit ihm zu helfen. Aber warum konnte er nicht wieder in die Menschenwelt? Er fragte nach.
"Das ist im Grunde ganz einfach", sagte Alexander, "als die Magie von dort entzogen wurde, entstand eine Art Leere, ein Vakuum. Sollte sich dennoch einer von uns dorthin verirren, würde seine ganze Lebenskraft langsam verlorengehen. Sie ist nicht so stark in uns verankert wie bei denen die sie von Geburt an in sich tragen", er sah Freddy an, "verstanden?"
"Ich glaube ja, aber wie gelange ich in diese Traumwelt?"
"Durch das Felsentor, aber, da gibt es ein kleines Problem. Es funktioniert nur bei Tageslicht."
"Und in dieser Traumwelt ist es stockdunkel", unterbrach ihn Quassel.
Alexander warf dem vorlauten Clown einen zornigen Blick zu, schuldbewußt duckte sich Quassel.
"Genau", betonte Alexander, "die Magier die das Tor benutzten, konnten eigenes Licht erzeugen." "Und wenn ich ein Feuer anzünde." Freddy konnte sich doch etwas Holz mitnehmen.
Der andere Bär schüttelte den Kopf, "Nicht hell genug, und mir fällt nur eines ein was genügend Licht erzeugen könnte." Er warf Kater einen besorgten Blick zu. "Das Kristallfeuer. Wenn man zwei Stücke zusammenschlägt gibt es ein helles Licht."
Kater fiel es schwer Freddys Hoffnungen zu trüben, "Die Kristallquelle liegt im Dunkelwald, eine Reise dorthin wäre viel zu gefährlich."
Doch das war Freddy vollkommen egal, enthusiastisch rief er laut, "Das ist es mir wert. Gleich morgen werde ich aufbrechen."
Quassel und Kriecher schlossen sich ihm an, "Wir auch, wir werden dir helfen."
Alexander stand auf, "Nun gut, kommt morgen früh wieder zu mir, ich werde euch eine Karte zeichnen."
Nachdem sie das Gebäude verlassen hatten, trennten sie sich. Quassel war ganz aufgeregt, "Dann bis morgen. Ich muß gleich zu meinen Freunden. Mann werden die Augen machen." Er lief in Richtung Clownhaus. Kriecher verabschiedete sich ebenfalls, "Natürlich spielt er jetzt wieder den Helden. Das kann ich mir nicht entgehen lassen." Zügig kroch er hinterher.
Kater begleitete Freddy zum Haus. Er wirkte bedrückt. Als sie vor der Haustüre standen ergriff er Freddys Arm. "Sei bitte nicht böse dass ich nicht mitkomme, aber es sind schon so viele die versucht haben dem Dunkelwald sein Geheimnis zu entreißen. Man hat sie nie mehr wieder gesehen. Du hast keine Ahnung was euch dort erwartet."
Da mußte Freddy ihm Recht geben, er hatte wirklich keine Ahnung, bis eben wußte er ja nicht einmal da es einen solchen Wald überhaupt gab.
"Und, was erwartet uns dort?"
"Schreckliche Kreaturen, tiefer, bodenloser Sumpf der alles verschlingt was sich in seine Nähe traut. Schon alleine der Weg dorthin ist sehr gefährlich, ihr müßt durchs Grasland, ein Fehler und ihr findet niemals wieder heraus. Und dann der Dunkelwald selber. Nicht einmal das Licht gelangt mehr dort hinein. Er breitet sich immer weiter aus und macht alles zu einem Teil von sich."
Freddy schluckte, "Bestimmst übertreibst du ein wenig?"
Doch in Katers Augen konnte er sehen, dass eher das Gegenteil der Fall war. Er ließ den Kopf sinken, "Ich kann nicht anders, mir bliebe keine ruhige Minute mehr, wenn ich es nichts wenigstens versuchen würde. Kannst du das nicht verstehen?"
Kater konnte es, nur zu gut. Wahrscheinlich hätte er einmal das Gleiche für das Mädchen getan, doch nun war sie eine Erwachsene. Sie brauchte ihn nicht mehr, deshalb hatte sie ihn wohl auch mit all den alten Kleidern in einen Sack getan. Er wußte zwar nicht mehr wo es war, aber Gabriel hatte ihn gefunden. Doch das war schon sehr lange her und seitdem war vieles geschehen. Sollte er morgen wieder einen Freund verlieren, oder sogar gleich drei? Gerne hätte er Freddy die Wahrheit gesagt, aber selbst das hätte ihn nicht von seinem Vorhaben abbringen können. "Ich wünsche dir alles Gute, meine Gedanken werden dich begleiten." Er sah dem Teddy in die Augen und erkannte sich selber darin, "Ich weiß dass du es schaffen wirst."
Freddy umarmte den weißen Hund.
"Ich verstehe was du mir sagen willst, auf der einen Seite bin ich auch froh, dass die beiden mitkommen, aber andererseits habe ich auch Angst, dass ihnen meinetwegen etwas zustoßen könnte."
Dann wollte Kater noch etwas erledigen und Freddy ging alleine ins Haus. Dort überlegte er, was er wohl am besten alles mitnehmen sollte. Kater hatte ihm erlaubt sich den Rucksack zu nehmen der am Kleiderständer hing. Eine Decke hatte Freddy bereits darin verstaut, einen Feuerstein nahm er ebenfalls mit, und etwas von dem weißen Pulver mit dem man das Holz bestreute und anschließend den Stein dagegenhielt.
Ohne dieses Pulver waren die Feuersteine wertlos. Das hatte er aber erst selber vor einigen Tagen gelernt. Er wollte eine Kerze anzünden, aber der Docht war noch unbehandelt. Kater war in lautes Lachen ausgebrochen als er mehrere Minuten lang den Stein an die Kerze hielt und nichts geschah.
In der Schublade des Küchenschrankes fand er ein langes Messer, aber damit wollte und konnte er nicht umgehen. Schnell legte er es wieder an seinen Platz. So, mehr viel ihm nicht ein, aber er wollte noch das Buch fertig lesen, obwohl Geschichten über Riesen die kleine Tworfkinder erschraken nicht so ganz das Richtige in dieser Situation waren.


Währenddessen hatte Kater gefunden wonach er gesucht hatte, es würde beiden von Nutzem sein, natürlich war es besser wenn sie es erst gar nicht benötigten aber man wußte nie. Dann schlug er den Weg zum Waldrand ein, sein nächster Besuch galt jemandem, den das Vorhaben von Freddy bestimmt brennend interessieren würde.


Irgendwie schaffte Freddy es doch noch das Buch zu Ende zu lesen. Die Geschichte war gut ausgegangen, doch hoffte er dass sie auf der Reise solchen Riesen nicht begegneten. Dann hatte er ein wenig über Katers Worte nachgedacht, es schien fast so als hätte er jene gut gekannt die ebenfalls in den Dunkelwald aufgebrochen waren. Sollte er nicht besser noch mal nachfragen? Vielleicht wußten aber auch Quassel oder Kriecher genaueres, aber das hätten sie ihm doch längst erzählt, hmm... Aber es war toll, dass sie ihn begleiteten, wenn sie irgendwann mal seine Hilfe benötigten würde er für sie da sein.
Draußen verschwand die Sonne hinter den Baumspitzen, hatte er etwa den ganzen Nachmittag mit lesen verbracht?
Kater war immer noch nicht wieder da, und so ging er alleine durchs Dorf spazieren. Wie an fast jedem Abend waren die Wege schon leer. Seitdem er hier war, kam es selten vor, dass nach Einbruch der Dunkelheit noch jemand unterwegs war. Man traf sich abends in den Häusern oder ging früh schlafen. So war das eben hier im Dorf.
Nur einmal im Jahr, wenn sich die beiden Monde trafen, waren alle die ganze Nacht über auf. Man erzählte sich, dass in solch einer Nacht das erste Stofftier in diese Welt gekommen war, und so was mußte doch gefeiert werden. Es gab Musik, man tanzte und bereitete Essen für die Gäste und Freunde vor, es war ein Riesenspaß. Dummerweise war das Fest für dieses Jahr schon gewesen, aber Freddy konnte es kaum erwarten beim Nächsten dabei zu sein. Er schlenderte durch die leeren Strassen, die Monde tauchten die Häuser und Bäume in ein kühles, hellblaues Licht. Es war sehr still, nur ab und zu drangen leise Geräusche aus dem Wald.
Ob Gabriel wohl eine andere Lösung gefunden hätte? Aber er soll immer seltener ins Dorf gekommen sein. Sein vorletzter Besuch lag schon fast ein Jahr zurück.
Freddy kam an den Rand des Dorfes, unter einem der Bäume, die den Häusern am nächsten waren, sah er jemanden sitzen. Er war wohl nicht der einzige der diese klare Nacht genoß. Leise näherte er sich der Silhouette, es war eine der Porzellanpuppen aber in den vielen Wochen, in denen er schon hier war, hatte er diese noch keinmal getroffen. Sie trug ihr langes dunkelbraunes Haar hinter dem Kopf hochgesteckt, ihr Kleid war aus weißer Spitze, auch wenn das Mondlicht es jetzt blau einfärbte. Um ihre Schultern hing ein dunkleres Tuch. Ohne ein Wort zu sagen setzte er sich neben sie, er blickte in ihr Gesicht und auch sie schaute ihn an. Er sah auf ihren kleinen Mund, die Lippen waren von einem leichten Rot, dann sah er hoch zu ihrer Nase und in die wohl blausten Augen die je ein Mädchen haben konnte.
Als er endlich etwas sagen wollte und seinen Mund öffnete, hielt sie ihren Finger davor. Leise flüsterte sie, "Sscht, du mußt ganz still sein."
Freddy schaute sich erschrocken um, doch er konnte nichts Außergewöhnliches entdecken, dann zeigte sie nach oben.
In den Ästen über ihnen hingen Kokons, er konnte nicht erkennen wie viele es waren, denn ihr Grau hob sich kaum von der Baumrinde ab.
Plötzlich platzte einer nach dem anderen auf, kleine leuchtende Schmetterlinge zwängten sich mühsam heraus. Als nach einer Weile ihre Flügel getrocknet waren, breiteten sie sie aus. Die kleinen Insekten begannen in den verschiedensten Farben zu glühen, gelb, grün, rot und noch viele mehr. Jetzt lösten sie sich endgültig von ihrer Verpuppung und begannen aufgeregt umherzuflattern. Neugierig flogen sie durch die Äste und begrüßten sich gegenseitig, einer von ihnen landete sogar auf dem Kleid von..? Er überlegte kurz, das mußte Daisy sein. Sie spielte mit dem Schmetterling indem sie ihren Finger kreisen ließ, das schimmernde Insekt folgte ihren Bewegungen.
Aus Freddys Mund kam ein zögerndes "Du bist Daisy, nicht wahr?"
Sie blickte ihn an, "Und du bist der Teddy der morgen aufbricht um seinen Freund zu retten."
Er nickte und sah ihr dabei tief in die Augen. Wie konnte es sein, daß sie sich nicht schon früher begegnet waren?
Irgendwie wurde ihm sehr heiß, seltsam dabei schien ihm die Nacht bis eben doch noch recht kühl.
"Ich kann mich leider nicht mehr an die Menschenwelt erinnern, "sprach sie, "diese Zeit scheint so weit weg zu sein."
Sie sah hinauf zu den Sternen, "Ob sie dort auch so funkeln wie hier?"
Die Antwort darauf kannte Freddy nicht, aber trotzdem mußte er etwas sagen, dummerweise konnten seine Lippen kein richtiges Wort mehr formen.
"Quissel und Kracher kommen auch mit."
Sie verdrehte den Kopf.
Er sah verlegen nach unten, was hatte er da gesagt, Quissel und Kracher?
Hoffentlich konnten Stoffteddys nicht rot werden, schnell verbesserte er sich, "Ich meine natürlich Quassel und Kriecher."
Sie lächelte, bestimmt hält sie mich jetzt für einen Idioten, dachte er, was war nur mit ihm los?
"Die Schnecke ist wirklich süß, aber dieser Clown, immer hecken er und seine Freunde irgendwelchen Unsinn aus", meinte Daisy.
Über ihnen brach der letzte Kokon auf, ein violett leuchtender Schmetterling mühte sich heraus. Es schien fast so als hätten die anderen auf ihn gewartet, denn als er sich in die Luft erhob, stießen sie gemeinsam in den Nachthimmel auf.
Schnell verschwanden die leuchtenden Pünktchen. Daisy sah ihnen noch einen Moment lang nach, fast als hoffe sie dass sie gleich wiederkämen. "Ich habe den ganzen Sommer über auf diesen Augenblick gewartet. Jede Nacht bin ich hier draußen gewesen."
Wenn Freddy das nur gewußt hätte, seine späten Spaziergänge hatten ihn immer in die entgegengelegene Richtung geführt.
Daisy erhob sich, zog eine Falte aus ihrem Kleid und sah auf ihn nieder als wartete sie auf etwas.
Freddy verstand und sprang auf, diesmal durfte er sich nicht versprechen. "Kann ich dich vielleicht bis zu deinem Haus begleiten?"
Sie nickte, und gemeinsam gingen sie ins Dorf zurück. Es war schon sehr spät, nur aus dem Haus von Anton drang noch Licht. Anscheinend hatte er noch Besuch. Man hörte die Stimme von Siam, dem Plüschhasen. Er war so etwas wie der Dorfdoktor und kannte sich besonders gut mit Medizin und Kräutern aus. Ob der Pinguin wohl krank war?
"Er ist gestern in den Fluß gefallen", erklärte ihm Daisy, dabei hat er sich eine Erkältung zugezogen."
"Warst du schon mal krank?" Freddy war vor dem Haus stehengeblieben.
"Nein", sie zeigte ihren Daumen, "nur einmal habe ich mich beim Nähen gestochen. Das tat sehr weh, aber Siam gab mir eine Salbe. Bei uns dauert es immer sehr lange bis Wunden verheilen."
Aus dem Haus hallte ein lautes, "HATSCHUM."
Fast wie abgesprochen riefen sie beide gleichzeitig, "Gesundheit."
Aus dem Fenster schaute ein vollkommen verschnupfter Anton, er schaffte gerade noch ein schwaches, "Danke", dann zog Siam ihn wieder hinein. "Willst du wohl drinnen bleiben." Er erkannte die beiden, und hob ein paar Mal seine Augenbrauen. "Oha."
Sie gingen weiter und kamen viel zu schnell, so empfand es zumindest Freddy, an Daisys Haus. Sie öffnete die Türe und trat ein, dann drehte sie sich aber noch einmal um. "Du bist ein lieber Kerl, es wäre schade wenn dir etwas zustoßen würde, also paß gut auf dich auf." Sie gab dem überraschten Freddy einen Kuß auf die Wange. "Als kleiner Glücksbringer."
Nachdem er wieder klar denken konnte, stand er immer noch vor ihrer Türe, aber wie lange schon? Verlegen schaute er sich um, niemand hatte ihn gesehen. Auf dem Nachhauseweg hatte er die ganze Zeit über ihr Gesicht vor Augen. Warum sprachen seine Freunde nur so schlecht von ihr?
Bestimmt kannten sie sie nicht einmal richtig.


Auch an diesem Morgen begrüßte ihn die Sonne wieder mit ihren wärmsten Strahlen. Vergangene Nacht hatte er zum ersten Mal seit langer Zeit nicht mehr von Michael geträumt. Nach dem Aufstehen hing er sich die Tasche um, heute war also der große Tag.
Kater war schon nicht mehr im Haus. Seltsam, er konnte sich nicht erinnern ihn gestern Abend gehört zu haben. Bestimmt wartete er schon bei den anderen vor der Bibliothek. Doch als er dort ankam stand zwar das gesamte Dorf dort, nur seinen Freund konnte er in der Menge nicht ausmachen, schade.
Die Clowns hatten Quassel in ihre Mitte genommen und erteilten ihm gutgemeinte Ratschläge. Er hatte neben seinem Rucksack eine weitere Tasche umhängen, sie ging fast bis zu seiner Hüfte und war hinten und vorne offen. Stolz winkte Kriecher ihm daraus zu. "Ist das nicht toll, Max
hat sie gestern noch vorbeigebracht, jetzt brauche ich nicht mehr bei euch auf dem Arm zu sitzen."
Anschließend mußte sich Freddy, genau so wie vorher Quassel von allen Ratschläge geben lassen. "Hütet euch vor Fremden, achtet auf Margins und bleibt immer schön zusammen."
Andere wünschten ihm einfach nur alles Gute und viel Glück, Daisy war natürlich auch gekommen, sie stand mit ihren Freundinnen in einer Gruppe zusammen. Er winkte ihr zu und sie erwiderte es mit einem Lächeln. Dann kam der Moment, alle hatten sich von ihnen verabschiedet, Quassel hielt die Karte, die Alexander ihm überreicht hatte, in der Hand, und sie verließen das Dorf.
"Als erstes müssen wir zum Fluß, der bringt uns dann in die Nähe des Graslandes", las er von dem Stück Papier.
Sie winkten ihren Freunden ein letztes Mal zu, bevor sie in den Wald traten. Der Stolz den Freddy beim Verlassen des Dorfes empfunden hatte ließ schnell nach, Unsicherheit füllte seinen Platz aus. Jetzt gab es kein Zurück mehr, er war zum ersten Mal auf sich alleine gestellt, in einer Welt von der er doch so gut wie nichts wußte. Quassel lächelte nervös zu ihm rüber, man sah dem Clown an das er ebenfalls sehr aufgeregt war, "Ich bin wirklich gespannt was für Abenteuer wir erleben werden."
"Eigentlich wäre ich schon zufrieden wenn wir nur die Kristalle fänden", erwiderte Freddy. Dann legte er seine Pfote auf Quassels Schulter, "Aber ich muß mich noch bei euch bedanken, solche Freunde findet man bestimmt nicht überall."
"War doch klar, dass wir dich nicht alleine gehen lassen", meinte Quassel.
"Wir drei werden es schaffen, ehe wir uns versehen sind wir schon wieder auf dem Heimweg", fügte Kriecher hinzu.
Bald kamen sie an den Fluß, "Ab hier brauchen wir nur seinem Lauf zu folgen", sicherheitshalber warf Quassel aber noch einen Blick auf die Karte, "Ja, stimmt."
Als sie an dem Baustamm vorbeikamen, der die Brücke zur Blumenwiese bildete, fragte Quassel Freddy mit aufgesetzter Unschuldsmiene, "Und was hast du gestern Abend noch so gemacht?"
Kriecher gluckste leise in seiner Tasche, da wußte Freddy sofort Bescheid, seine gestrige Begegnung mit Daisy hatte sich wohl schon herumgesprochen.
"Ich weiß worauf ihr anspielen wollt, aber behaltet besser eure Witze für euch." Doch eigentlich hätte er sich diesen Satz auch sparen können.
Todernst sah der Clown ihn an, "Witze, worüber denn?"
Freddy wäre am liebsten in den Erdboden versunken, wie konnten sie so gemein sein, er hoffte nur daß sie nichts von dem Küßchen erfahren hatten.
"Außerdem weiß ich gar nicht was das soll, ich finde sie einfach nur nett", natürlich untertrieb er, aber das ging die beiden doch nun wirklich nichts an.
"So, so, nur nett." Kriecher sah zu Quassel hoch, "und vielleicht etwas zu eingebildet."
Wie konnten sie so etwas sagen, "Das ist doch gar nicht wahr", entfuhr es Freddy mit viel zu lauter Stimme. Jetzt war es passiert, sie hatten ihn soweit wie sie wollten und keiner konnte die beiden mehr bremsen.
"Freddy hat 'ne Freundin", riefen sie im Chor.
Nein, das hatte er nicht, oder vielleicht doch, und selbst wenn, das war doch nichts Schlimmes. "Hört auf", zischte er sie an, "ihr seid albern."
Doch es war sinnlos, Kriecher hatte seine Augen geschlossen und formte mit seinen Lippen einen Kußmund, "Bussi, bussi."
"Oh, das ist nicht fair", schimpfte Freddy, aber er wußte wie er wenigstens die Schnecke zum Schweigen bringen konnte. "Sie hat gestern auch von dir gesprochen. Sie findet dich nämlich süß."
Kriecher Ries die Augen wieder auf, "Was! Das hat sie gesagt?"
Freddy nickte und Kriecher seufzte.
Quassel verdrehte die Augen und schlug seine Hände über seinem Kopf zusammen, "Und zack, den nächsten den es erwischt hat."
So kamen sie weiterhin laut streitend immer tiefer in den Wald. Im Laufe des Tages vertrugen sie sich natürlich wieder, und die beiden entschuldigten sich bei Freddy, aber das war ihnen der Spaß wert gewesen.
Quassel hatte zusätzlich zu seiner Decke noch einige frische Salatblätter eingepackt, die Kriecher jedoch schnell verspeist hatte. Einmal hätten sie sich beinahe verlaufen, denn sie waren einem mit Dornen zugewachsenem Teil des Ufers ausgewichen und hatten versucht das Hindernis zu umgehen, dabei entfernten sie sich aber von dem Wasserlauf und fanden nach kurzem Umherirren erst wieder auf den eigentlichen Weg zurück.
"So weit war ich noch nie vom Dorf weg", stellte Quassel am Abend fest, inzwischen war auch die Hitze des Tages vergangen, die Bäume im Wald standen näher zusammen und der Abstand der beiden Ufer hatte sich vergrößert. Seit dem Mittag hatten sich mindestens drei andere Seitenflüsse dem Hauptfluß angeschlossen.
Es war kurz vor Einbruch der Dunkelheit, Freddy wollte gerade ein paar Blätter von einem Strauch pflücken; Kriecher war anscheinend immer noch nicht satt, denn er bettelte darum, als sich ein unheimliches Tier näherte. Quassel hatte es im letzten Augenblick bemerkt und alle gewarnt. Hinter einem Baum verborgen warteten sie bis es vorbeizog. Trotz seines unförmigen Körpers lief es beinahe lautlos durch den Wald, und im Vergleich zu den dreien war es riesig. Der Kopf der mit gefährlichen und bestimmt auch sehr spitzen Hörnern versehen war, bewegte sich beim Gehen in beide Richtungen, immer hin und her, als hätte es Angst etwas zu übersehen. Wenn die mächtigen Reißzähne sie gepackt hätten wären sie wahrscheinlich mit einem Male in seinem Maul verschwunden.
Doch zum Glück bemerkte es sie nicht und trottete weiter. Sie wagten nicht einmal zu atmen, selbst nachdem das Tier wieder verschwunden war, dauerte es etwas bis sie sich aus ihrem Versteck wagten.
"Es scheint fort zu sein", stellte Freddy als erster erleichtert fest, und Quassel stöhnte laut, "Puh, wir bringen besser noch etwas Abstand zwischen uns und dem Untier."
Doch sehr weit kamen sie nicht mehr, es wurde zu dunkel und so suchten sie Schutz unter einem Baum dessen Äste wie eine Kuppel um den Stamm herumwuchsen und bis auf den Boden reichten. Die Blätter formten einen dichten Schirm der nur von oben ein wenig Mondlicht durchscheinen ließ. Freddy packte seine Decke aus und setzte sich nieder, Kriecher dagegen verbarg sich unter einer hervorstehenden Wurzel.
"Was glaubt ihr, wie lange werden wir brauchen?", fragte er.
Freddy verjagte eine Mücke die sich auf seinem Ohr niedergelassen hatte, munter umkreiste sie jetzt seinen Kopf. "Frag doch Quassel, er hat die Karte."
Der stand gegen den Stamm gestützt und reckte sich, dann zog er die Karte aus seiner Weste hervor, es dauerte einen Moment bis er eine Lücke im Blattwerk gefunden hatte durch die genügend Mondlicht fiel um die Zeichnung zu erkennen. Mit seinem Finger ging er den bisher gegangenen Weg nach. "Hier ist das Dorf, da der Fluß, und das war die letzte große Biegung. Was, nur so ein kleines Stück?"
Enttäuscht ließ er sich neben Freddy auf dessen Decke fallen. "Wenn wir nicht schneller vorankommen sind wir erst in zwei bis drei Tagen im Grasland. Eine Ewigkeit für meine armen Füße".
Er zog seine Schuhe aus und massierte seine Zehen, "Die Stelle wo wir das Grasland durchqueren ist mindestens noch mal genau so lang, erst dann kommt das Gebiet der Menschen."
Kriecher war wortlos eingeschlafen, und auch den beiden anderen fielen so langsam die Augen zu. Quassel kroch unter seine Decke und döste ebenfalls sofort ein, sie schafften es nicht einmal sich gegenseitig eine gute Nacht zu wünschen.
Die Geräusche des Waldes, das Rufen der Nachtvögel, alles um Freddy herum verschwand, er begann zu träumen.
Schmetterlinge flogen erschrocken hoch als er mit Daisy durch die Blumenwiese lief. Es war ein sonniger, warmer Tag. Er sah nach oben, kaum eine Wolke trübte das Blau des Himmels, doch dann stolperte er, sein Fuß hatte sich in irgendetwas verfangen. Als er ihn endlich wieder frei hatte sah er dass die Blumen anfingen zu wachsen, beinahe hatten sie seine Größe erreicht. Verzweifelt suchte er nach Daisy, sie war verschwunden, auf sein Rufen hin folgte Stille, die Sonne verdunkelte sich und die Stiele der Pflanzen begannen sich um seinen Körper zu wickeln.
Sie schnürten ihm die Luft ab. Mächtige Schritte hinter ihm ließen die Erde erbeben, "Ich werde dich nie wieder fortlassen, du bist jetzt mein", schrie eine tiefe Stimme. Die Pflanzen zwangen ihn auf den Boden.
"Freddy, Freddy, wach auf, da ist irgendwer."
Quassel zupfte an seinem Arm. Verstört sah Freddy sich um, er brauchte einen Moment um sich zu orientieren. Was für ein seltsamer Traum.
Quassel und Kriecher saßen neben ihm, "Hörst du es nicht?", flüsterte der Clown leise. Und tatsächlich jemand, oder etwas schien um ihr Nachtlager zu schleichen. Man konnte deutlich hören wie kleine Äste zerbrachen.
"Ob das das Tier von heute Abend ist", fragte Kriecher, "vielleicht hat es unsere Fährte aufgenommen?"
Was konnten sie machen, wie gelähmt saßen sie unter dieser Kuppel aus Blättern, hatte Flucht überhaupt einen Sinn, es war doch bestimmt schneller als sie.
„Still“, hauchte Kriecher, nun stand es genau vor ihnen und verharrte; dann wurden schnell die Äste auseinander gebogen und ein bedrohlicher, großer Schatten schaute auf sie herab.
"Aha, da habe ich euch doch noch gefunden. Ihr seid weiter gekommen als ich gedacht habe."
Den dreien fiel ein Stein vom Herzen, "Randolf!", schrie Freddy überrascht, "was machst du denn hier?", am liebsten hätte er ihn umarmt.
Der Tworf war ziemlich außer Atem, er setzte sich zu ihnen, "Ich mußte laufen um euch einzuholen", erklärte er ihnen, dann sammelte er einige trockene Äste auf und entzündete ein Feuer. "Warum habt ihr es denn hier nur so ungemütlich?"
"Das ist wegen der Tiere", murmelte Quassel, "wir wollten sie nicht unnötigerweise auf uns aufmerksam machen."
Randolf warf dem Clown einen belustigten Blick zu, "Die, die euch gefährlich werden könnten, fürchten sich vor Feuer, selbst vor einem so kleinen. Ich glaube ihr müßt noch so einiges lernen. "Er wandte sich wieder an Freddy, während er einige Äste ihres Kuppeldaches auseinanderbog; "Kater kam letzten Abend zu mir und schilderte mir euer Vorhaben, da dachte ich, dass ihr vielleicht meine Hilfe gebrauchen könntet."
"Eigentlich kommen wir alleine zurecht", prahlte Quassel, wurde aber sofort wieder kleinlauter als er die Blicke der anderen auf sich spürte "nun ja, wenn du schon mal da bist. Wäre doch schade wenn du den ganzen Weg umsonst gemacht hättest."
Freddy schmunzelte, an den Augen seines Freundes konnte er sehen dass sich dieser am meisten freute, dass jemand mit Erfahrung sie begleitete.
Während Randolf im Schein des Feuers etwas aß und Wasser aus seiner Feldflasche trank, erzählten sie den bisherigen Verlauf ihrer Reise.
Daß sie aber solche Angst vor dem Untier, und dann vor ihm hatten, spielten sie etwas herunter.
Als die drei später wieder schliefen warf der Tworf noch etwas Holz in die Flammen, es war wieder so wie früher, beinahe erschien es Randolf so, als hätte man ihn um fast zwei Jahrzehnte zurückversetzt. Damals wußte er aber, im Gegensatz zu heute nicht was ihn erwartete. Er legte die Wasserflasche wieder in seine Umhängetasche und zog die Decke hervor, dann legte auch er sich hin. Obwohl seine Augen geschlossen waren, achtete er weiterhin auf jedes Geräusch welches aus dem Wald zu ihm drang. Er konnte wenn er wollte einen sehr leichten Schlaf haben, das hatte ihn schon öfters vor Schwierigkeiten bewahrt.


Die Sonne schickte gerade ihre ersten Strahlen über den Horizont als Randolf die drei Freunde aufweckte. Trotz der Decken war ihre Kleidung feucht vom Morgentau und Quassel beklagte sich über Rückenschmerzen, er hatte anscheinend die ganze Nacht über auf einem kleinen Stein geschlafen.
Noch etwas müde suchten sie sich einen Weg durch die herunterhängenden Äste, im frischen klaren Wasser des Flusses wuschen sie sich. Das kalte Naß vertrieb auch die letzten Spuren der Müdigkeit aus ihren Gesichtern. Randolf griff in seine Tasche und nahm etwas heraus,"
Bevor ich's vergesse, "er reichte Freddy einen kleinen Beutel, "Das hat mir Kater mitgegeben für den Fall das ihr euch verletzt.
Es ist eine besondere Medizin. Paß gut darauf auf."
Freddy sah nach, in dem Beutel war eine weiche, grüne Paste.
"Wir müssen weiter", Randolf trieb sie zur Eile an, "wenn wir uns beeilen schaffen wir es heute Abend vielleicht sogar bis ins Grasland."
Quassel schluckte, einen ganzen Tag lang durch diesen Wald laufen, angetrieben von einem Tworf der zudem noch längere Beine hatte, und dadurch schneller vorankam. Doch als er sah, das sich dieser die Tasche mit Kriecher um hing besserte sich seine Laune sofort wieder.
Randolf führte sie mit schnellen Schritten an, ab und zu hielt er kurz an um sich ein paar Beeren oder auch Früchte von Sträuchern zu pflücken, aber sonst gönnte er ihnen keine Pause. Den ganzen Tag über redeten sie kaum ein Wort, nur Quassel machte sie hin und wieder auf seine schmerzenden Füße aufmerksam; in der Hoffnung eine weitere Pause einlegen zu dürfen. Aber es war vergeblich.
Randolf wählte einen anderen Weg aus, als den von Alexander beschriebenen, er meinte dadurch könnten sie Zeit sparen, auch wenn dieser beschwerlicher war. Sie mußten steile Hänge hinaufklettern, nur um später wieder tiefe Schluchten herabzulaufen.
Tiere von denen sie keine Ahnung hatten das es sie überhaupt gab, kreuzten ihren Weg, aber alle waren friedlich, nur die rollenden Kugeln wurden immer seltener, was aber niemanden von ihnen weiter störte. Vor allem Kriecher sah sich die Umgebung genaustes und sehr interessiert an, einige Male nahm ihn Randolf aus der Tragetasche und nahm ihn in den Arm.
Es war schon später Nachmittag als sie zum letzten Male den Fluß überqueren, der hatte sich kurz davor geteilt und war nicht mehr ganz so tief. Randolf wählte eine Stelle aus, wo das Wasser ihm bis zu den Knien ging, aber den anderen beiden reichte es fast bis unter die Arme. Freddy freute sich über die Abkühlung, nur dem Clown dauerte es viel zu lange bis seine Kleider wieder trocken waren.
Als am Abend die untergehende Sonne den Himmel dunkelrot färbte, hatten sie den Wald hinter sich gelassen, die Bäume standen immer weiter auseinander. In der Ferne zog ein Schwarm von fledermausartigen Vögeln am Horizont vorbei.
"Im Dorf würde man sich langsam eine Gute Nacht wünschen", seufzte Quassel, und auch Freddy überkam ein seltsames Gefühl als er an Kater, Daisy und all die anderen dachte.
Es war schon lange dunkel als sie endlich Rast machten, während Randolf sich Beeren über dem Feuer röstete, waren die anderen schon lange eingeschlafen.

Am Morgen weckte er sie später, die Sonne stand schon hoch am Himmel als Freddy die Augen aufschlug, er hatte gestern abend schon gar nicht mehr auf den Weg geachtet, seine Füße waren immer schwerer geworden und das Gewicht seines Rucksackes schien sich verzehnfacht zu haben. Doch die Strapazen des vergangenen Tages waren schnell vergessen; vor ihnen erstreckte sich das Grasland. Soweit sie sehen konnten breitete sich die Steppe aus, vereinzelt machten sie noch Bäume aus, aber sonst gab es hier nur kniehohes Gras.
Das Land war vollkommen eben, nicht einmal Berge oder kleinere Hügel hoben sich in der Ferne von der Ebene ab. Hier sang kein Vogel, nur das Säuseln des Windes über die Halme, erfüllte die Luft. Jetzt wo keine Bäume sie mehr schützten vertrieb der kühlende Wind die drückende Hitze des Sommers ein wenig.
Freddy faltete seine Decke zusammen, beim Anblick dieses weiten, endlosen Gebietes kam ihm der Wald doch sehr klein vor.
"Von hier an müßt ihr sehr vorsichtig sein", ermahnte Randolf sie, "achtet auf jedes Geräusch, das gefährlichste hier sind die Windläufer, sie kommen so schnell angerannt das man sie kaum sehen kann. Nur ein leises Zischen weist auf ihr kommen hin, sie rennen alles in Grund und Boden wenn sie es nicht rechtzeitig sehen. Aber abgesehen davon sind sie harmlos". Er lächelte.
"Ach, dann sind wir ja beruhigt", meinte Quassel sarkastisch, aber wenigstens ging es seinen Füssen besser, gestern Abend hatte er ein wenig Salbe aufgetragen.
Sie packten ihre Sachen zusammen und brachen auf.
"Am besten flüstert ihr wenn ihr miteinander reden wollt, "Randolf sah den Clown an, "das gilt besonders für dich."
"Was soll denn das heißen, warum gerade ich, Freddy redet doch genau so viel, "beleidigt drehte Quassel den Kopf zur Seite.
Dann bahnten sie sich einen Weg durch das Gras; frisches Grün wechselte sich mit welkem Gelb ab.
Randolf ging als größter voran, die anderen folgten seiner Spur durch das niedergetrampelte Gras. Quassel sah mehrere Male auf seiner Karte nach, doch nirgends konnte er einen Anhaltspunkt ausmachen. Er wunderte sich dass der Tworf sich so einfach hier zurecht fand. "Du scheinst schon mal hiergewesen zu sein", stellte er fest.
Randolf hatte schon länger mit einer solchen Frage gerechnet, es war an der Zeit ihnen die ganze Geschichte zu erzählen.
"Einige Male", antwortete er. "Als ich noch ein junger Tworf war, bin ich öfters hier gewesen. Damals war ich eigentlich ständig unterwegs."
Er sah über seine Schulter nach hinten, gespannt hörten sie ihm zu.
"Lange Zeit bin ich durch die Wälder gestreift, kein Ort konnte mich lange halten. Ich habe in den Ostbergen gelebt, und einmal bin ich sogar ins Elfengebiet gelangt."
Kriecher unterbrach ihn, "Ich dachte das sei verboten, die Steinwächter sollen doch jeden töten der versucht die Grenze zu überschreiten?"
"Nun, beinahe hatten sie es auch geschafft, aber mit der Hilfe eines anderen Reisenden konnte ich ihnen entkommen. Wir sind dann gemeinsam weitergezogen und schworen uns ewige Freundschaft. Ich glaube es gab nicht viele Orte an denen wir nicht gewesen sind, in diesen vielen Jahren des Herumziehens."
Randolf verlangsamte sein Tempo etwas, nicht weit von ihnen hob sich der letzte Baum von den im Wind wiegenden Gräsern ab. "Es war schon eine wilde Zeit", fuhr Randolf fort, "aber zusammen haben wir sie doch überstanden. Es war schon ein toller Kerl dieser Kater."
Freddy traute seinen Ohren kaum, hatte Randolf eben Kater gesagt? Das konnte doch nicht sein. "Kater, unser Kater?", fragte er ungläubig nach.
Randolf nickte, "Genau der, er war ein richtiger Abenteurer, damals. Nichts konnte ihn aufhalten, kein Berg war zu hoch als das er es nicht versucht hätte ihn zu bezwingen, nur um festzustellen was auf der anderen Seite lag. Doch alles änderte sich als wir beschlossen in den Dunkelwald aufzubrechen. Ein anderer Dorfbewohner namens Chepter begleitete uns, er glich Kater sehr, und ich meine damit nicht nur in seinem Aussehen."
Randolf machte eine kleine Pause, so als wollte er sich diese Bilder nochmals ins Gedächtnis zurückrufen. "Wir waren damals bereits ein gutes Stück in den Wald vorgedrungen, als ein fliegendes Tier Chepter packte und mitriß. Wir haben versucht ihm zu folgen, doch es war einfach zu schnell. Danach irrten wir noch Tagelang im Dunkelwald umher, fanden aber keine Spur mehr von ihm. So verließen wir das Gebiet und kehrten auch niemals wieder dorthin zurück. Von diesen Tagen an hat sich Kater sehr verändert. Er wurde stiller, verschlossener und sein Hunger nach Abenteuern war gestillt. Wir kehrten ins Dorf zurück und er hat es seitdem nur noch selten verlassen.
Ich lebte eine Zeit lang in der Stadt, beschloß dann aber in der Nähe eures Dorfes eine Hütte zu bauen. Kater und ich waren zwar immer noch Freunde, doch wir konnten nicht mehr miteinander reden, jedenfalls nicht mehr so wie früher."
Jetzt verstand Freddy, das erklärte Katers Besorgnis, und auch die Blicke die er und Alexander gewechselt hatten als sie das erste Mal vom Dunkelwald redeten. Aber warum hatte er ihm diese Geschichte nicht selber erzählt? Glaubte Kater er würde diese Reise dann nicht unternehmen oder schmerzte ihn die Erinnerung immer noch so sehr? Auf jeden Fall marschierte Randolf wieder schneller und keiner der drei wagte es weiter nachzufragen, obwohl sie sich alle so ihre Gedanken machten. Was war mit Randolf selber, warum begleitete er sie? War es aus Freundschaft oder wollte er sich nur beweisen daß dieses Kapitel seines Lebens abgeschlossen war und er sich nicht weiterhin eine Mitschuld einredete.
Wortlos setzten sie die Reise fort, später diskutierten sie zwar wieder über die verschiedensten Dinge, nur dieses eine Thema sprach keiner mehr an.
Randolf orientierte sich weiterhin am Stand der Sonne und brachte sie tiefer ins Grasland. Es schien fast so als sei es endlos, sie hatten einen weiten Blick bis zum Horizont, und so glaubte Quassel, wahrscheinlich auch noch weit darüber hinaus. Wie hätten sie sich ohne Hilfe des Tworfs hier nur zurechtfinden sollen?
Kriecher döste ein wenig in seiner Tasche, er stellte sich vor alle Grasbüschel hier wären saftige Salatköpfe, und wie er sich kannte würde er sich so den Bauch vollschlagen bis das sie ihm wieder zu den Ohren herauskämen.

Am nächsten Mittag begegnete ihnen eine Gruppe von Windläufern. Es war so wie Randolf es gesagt hatte, nur ein leises Zischen war zu vernehmen und wie ein Windstoß waren sie vorbeigezogen, eine Spur niedergetrampelten Grases hinter sich ziehend. Ganz kurz glaubten sie die hochgewachsenen Tiere gesehen zu haben. Vier lange, schlanke Beine trugen einen kräftigen, ovalen Körper.
Randolf hatte sein Tempo etwas verringert, die dichter werdenden, ineinander verwachsenen Grashalme erschwerten nun auch ihm das Gehen, und seine Kondition war längst nicht mehr so gut wie er gedacht hatte. Dazu kam auch noch das ständige Fragen der beiden hinter ihm, immer wieder fragten sie wann das Grasland nun endlich zu Ende seie, dabei konnte es noch Tage dauern bis sie die Steppe hinter sich hatten.
"Wir müssen sehr auf den Weg achten, hier ist das schmalste Stück des Graslandes, ein Fehler und wir irren monatelang umher, dieses Gebiet ist so riesig das keiner genau weiß wie groß es wirklich ist, also lenkt mich bitte nicht immer ab", erklärte er ihnen in der Hoffnung sie so von der Fragerei abbringen zu können.
Kriecher blieb ruhig, nur ab und zu bat er um einen Halm auf den er dann herumkaute.
Die beiden kommenden Tage vergingen ohne besondere Vorkommnisse. Sie machten Bekanntschaft mit langbeinigen Vögeln, die dank ihres gelben Gefieders kaum im Gras zu entdecken waren. Manchmal schreckten sie eines der Tiere aus Versehen auf, die anscheinend die meiste Zeit mit schlafen verbrachten. Einmal schaffte Freddy es eines von ihnen zu streicheln, doch die angebotene Beere verweigerte es trotzdem. Später fanden sie heraus dass die Vögel sich von kleinen Käfern ernährten, die sich in den vertrockneten Grasbüscheln versteckten.


Am Vormittag des siebten Tages ihrer Reise kam ein Sturm auf, die Temperatur sank und zum ersten Mal seit Freddys Ankunft regnete es. Man konnte fast glauben dass sich der Himmel all seiner dunklen Wolken auf einmal entledigen wollte.
Vollkommen durchnäßt kauerten sie auf dem Boden, der hatte zunächst nur kleine Pfützen gebildet, doch diese wuchsen schnell an, ein Weiterkommen war unmöglich. Der kalte Wind machte ihre Lage nicht gerade erträglicher. Die mitgebrachten Decken waren im Nu ebenfalls naß und boten keinen Schutz gegen die Kälte. Es blieb ihnen nichts anderes übrig als abzuwarten und zu hoffen dass sich das Wetter bald besserte, doch es dauerte noch bis tief in die Nacht bis sich der Wind und vor allem der Regen endlich legten. Sie schliefen wenig, die nasse Kleidung hing schwer an ihnen, Freddys Pelz trocknete etwas schneller, aber auch er fror. Daß hier nirgends Holz zu finden war ärgerte sie sehr, wie gut hätte jetzt ein wärmendes Feuer getan.

Die ersten Stunden des Morgens verbrachten sie damit ihre nassen Sachen in der Sonne zu trocknen. Dann ging es zügig weiter, immerhin hatten sie einen ganzen Tag verloren.
An das Unwetter erinnerte nur noch der aufgeweichte Boden und trotz des weiterhin beschwerlichen Weges besserte sich ihre Laune am Nachmittag merklich. Erste Bäume waren in der Ferne zu erkennen, und noch am gleichen Abend wanderten sie bereits durch kleine mit Wäldern bewachsene Hügel."
Sie hatten es geschafft, einen gefährlichen Teil hatten sie hinter sich gelassen. Randolf schenkte der veränderten Umgebung keine besondere Aufmerksamkeit, während sich die Drei alles genau ansahen. Diese grünen Berge, bestimmt konnte man die größten von ihnen innerhalb eines Tages leicht besteigen, reihten sich eng aneinander. Der schmale Weg, auf den sie inzwischen gestoßen waren, schlängelte sich wie ein trockengelegter Fluß hindurch. Einige Abzweigungen führten zu kleinen Häusern hoch, die von hier unten kaum zu erkennen waren. Quassel und Freddy überlegten wie wohl die Aussicht von den Spitzen der bewaldeten Berge sei.


Gelbgoldenes Korn wuchs neben ihnen in die Höhe, sie hatten an einem Getreidefeld übernachtet. Randolf beschrieb ihnen wie die Menschen daraus Brot und andere Nahrungsmittel herstellten. Quassel fand den Weg, der sich inzwischen in eine richtige, befestigte Strasse verwandelt hatte, auf seiner Karte wieder. "Dann kommen wir wohl bald in das Dorf Jimer?", fragte er und obwohl Randolf schon lange nicht mehr dort gewesen war, versuchte er es ihnen zu beschreiben.
Freddy war schon sehr gespannt, zum ersten Mal würde er Menschen aus dieser Welt treffen und vor allem aber mit ihnen reden. Quassels Geschichten kannte er schon auswendig und war in der Lage sie besser als der Clown zu erzählen.
Randolf nahm sich vor als erstes richtig essen zu gehen, seine Vorräte waren fast aufgebraucht und er hatte heute nur überreifes Obst von den fast leergeernteten Bäumen gegessen.
Das Land wurde wieder ebener, die Hügel verschwanden und die Zahl der Felder und Obstplantagen wuchs weiter an. Randolf wunderte sich darüber, dass ihnen noch kein Bauer begegnet war, aber bestimmt arbeiteten die auf weiter entfernt gelegeneren Feldern.
Gegen Mittag erreichen sie das Dorf.
Wie hatte Randolf es ihnen beschrieben? Kleine rechteckige Häuser mit abgeflachten, schrägen Dächern. Weite Wege die wie ein Labyrinth hindurchverliefen und schon so manchen Besucher in die Irre geführt haben. Jimer war ein größeres Dorf mit vielen Geschäften und freundlichen Menschen. Ein für diese Region wichtiges Handelszentrum.
Aber was fanden sie vor. Verwaiste Häuser, da wo einst ein Park gewesen sein mochte, klaffte nun ein tiefes Loch. überall standen noch Mauerreste, die Strassen waren aufgerissen, beinahe so als sei ein riesiger Pflug mitten hindurch gefahren.
Fassungslos standen sie vor einem Geschäft, anscheinend konnte man hier seine Kleidung säubern lassen, so stand es jedenfalls auf dem Schild das von einem zerstörten Türrahmen baumelte. Sie sahen sich alles genau an, Randolf war der erste dem auffiel das noch etwas anderes nicht stimmte, "Keine Spuren von Feuer", er hob einen Steinziegel auf, er war voller Risse. "Das kann nur Magie gewesen sein, so stark ist sonst nichts."
Damit zerfiel seine erste Theorie dass vielleicht Elfen für den Angriff verantwortlich seien. Die hätten bestimmt gebranntschatzt.
"Ich dachte Magie sei etwas gutes?", fragte Freddy verständnislos.
"Das dachte ich auch" flüsterte Quassel, "laßt uns lieber von hier verschwinden."
Als sie die zerwühlten Strassen durchquerten stellte sich ihnen aber noch eine ganz andere Frage, doch keiner wagte sie zu stellen. Randolf sprach aus was alle dachten. "Bei solchen Verwüstungen müssen zumindest einige der Bewohner getötet worden sein, bisher habe ich aber noch keine Leichen gesehen. Die Spuren des Überfalls sind noch zu frisch als das man sie alle schon fortgeschafft hätte."
Kriecher zog sich tiefer in seine Tasche zurück, "Brr, Leichen."
Freddy bekam eine Gänsehaut, aber es stimmte. Was konnte nur geschehen sein, "Ob man sie vielleicht vorher weggebracht hatte?"
"Aber was will jemand mit so vielen Gefangenen machen", entgegnete Quassel.
"Bestimmt war es ein Monster aus dem Dunkelwald, "jammerte die Schnecke, immer noch tief in ihrer Tasche versteckt," es hat sie alle gefressen, huhuhu, so habe ich mir diese Reise aber nicht vorgestellt."
Damit stand er nicht alleine, Freddy wußte zwar, daß er irgendwann einmal dem Tod begegnen würde, aber mußte es so bald sein?
So schnell wie möglich verließen sie Jimer, niemand konnte wissen ob Kriechers Idee wirklich so weit hergeholt war, wie sie klang. Keiner wußte so richtig was für finstere Wesen im Dunkelwald lebten und dummerweise war ja genau der ihr Ziel.
Am späten Nachmittag hatten sie die Felder, die hinter dem Dorf lagen ebenfalls hinter sich gelassen und kamen erneut in ein Waldgebiet. Bis zum Abend folgten sie einem Wildpfad, und errichteten im Schatten einer riesigen Eiche das Nachtlager. Schnell brannte ein kleines Feuer, und Randolf stellte fest das seine Vorräte zur Neige gingen, die letzten drei Stücke getrockneten Fladenbrotes sättigen ihn zwar nicht sehr, aber bis morgen früh würde er das Hungergefühl noch ertragen, Freddy amüsierte sich in der Zwischenzeit damit kleine Äste, die sich in seinem Fell verfangen hatten wieder herauszusuchen.
Randolf unterhielt sich mit Quassel, "Ich bin gespannt wie weit sich der Wald seit meinem letzten Besuch ausgebreitet hat", sagte der Tworf, doch als Quassel seine Karte hervorzog, sprang Randolf plötzlich auf, er griff zu seinem Messer. Die anderen schienen das Geräusch von zertretenen Ästen nicht wahrgenommen zu haben. "Wer da?", rief er in die Richtung wo er den oder die Verursacher des Geräusches vermutete.
Vier Augenpaare sahen zu einer Gruppe Bäume hinüber, zögernd trat eine Gestalt hervor.
Ein großer Mann näherte sich ihrem Lager und blieb einige Meter davor stehen. "Entschuldigt bitte, ich wollte euch nicht erschrecken."
Er sprach mit stockender Stimme und wirkte unsicher. Randolf musterte ihn genau, dann rief er ihn zu sich, "Tretet näher und gesellt euch zu uns ans Feuer, die Nächte fangen an kühler zu werden." Er steckte das Messer wieder fort.
Der Mann war der erste Mensch den Freddy seit seiner Ankunft hier zu Gesicht bekam, außer natürlich Gabriel. Seine Kleidung war voller Morast und er wirkte sichtlich erschöpft. Langsam trat er näher und reichte dem Tworf die Hand zur Begrüßung. Freddy fand das es schon etwas seltsam aussah, denn der Mann überragte den Tworf um fast das dreifache. Trotzdem zeigte er Respekt vor dem kleineren und setzte sich erst nachdem Randolf wieder Platz genommen hatte. Mit einem Kopfnicken begrüßte er die anderen die ebenfalls um das Feuer herum saßen.
Daß es sich dabei um einen Stoffbären, einen Clown und eine Schnecke handelte, schien ihn nicht weiter zu stören.
"Ich bin Diones aus dem Dorf Jimer", stellte er sich vor, "oder besser gesagt was noch davon übrig ist." Er starrte in die Flammen. "Wir wurden vor zwei Tagen überfallen", eigentlich war er ein Mann mittleren Alters, doch in seinem jetzigen Zustand wirkte er um vieles älter.
"Es war der Darklord, seine Soldaten verschleppten alle, sogar vor den Kindern machten sie nicht halt. Als alle aus dem Dorf waren, zerstörte er nur zum Spaß die Häuser. Ich kam von meinem Feld und mußte alles mitansehen." Er ballte seine Fäuste, "Als sie weggezogen waren versuchte ich ihrer Spur zu folgen, doch im Dunkelwald verirrte ich mich, wäre Dawin nicht gewesen hätte ich wohl nie mehr herausgefunden."
Er stand auf, "Wir müssen zur Stadt und alle umliegenden Dörfer warnen, wer weiß was dieses Monster sonst noch alles vorhat."
"Wer ist dieser Darklord?", Randolf konnte sich nicht erinnern diesen Namen schon mal gehört zu haben.
"Den Gerüchten nach ist er ein verstoßener Magier, er lebt im Herzen des Dunkelwaldes und soll ständig von einem Dämon begleitet werden, einem Wesen dessen Seele genau so schwarz ist wie die seines Meisters.
Man sagt, er habe Jahrhunderte auf die Wiederkehr seines Herrn gewartet. Früher hat man mit diesen Geschichten kleine Kinder erschreckt, aber in den letzten Wochen sollen immer mehr Reisende und Bauern verschwunden sein die dem Dunkelwald zu nahe gekommen sind."
Er stand auf und schaute in Richtung Dorf, "Wir müssen los, wahrscheinlich zählt jeder Augenblick." Doch keiner der anderen regte sich, er verstand schnell, "Ihr wollt gar nicht mitkommen, euer Ziel ist der Wald."
Randolf erhob sich ebenfalls, "Wir haben keine andere Wahl, und es dir zu erklären würde zu lange dauern."
Verständnislos sah Diones sie an, "Nun denn, ich wünsche euch viel Erfolg bei euerem Vorhaben, möget ihr finden was auch immer ihr sucht."
Er verließ das Nachtlager, doch dann drehte er sich schnell noch einmal um und rief ihnen etwas zu, "Folgt dem festen Boden, wenn ihr tiefer in den Dunkelwald kommt, er führt euch zu Dawins Hütte, vielleicht hilft er euch weiter", und murmelnd fügte er hinzu, "wenn er ausnahmsweise mal gutgelaunt ist." Dann wurden seine Umrisse von der aufkommenden Dunkelheit verschluckt.
Randolf warf noch Holz nach und achtete dabei darauf das die Flammen nicht zu hoch brannten, auf weitere Besucher, die nicht ganz so freundlich sein mußten, konnte er verzichten. "Wir werden heute Nacht abwechselnd Wache halten, ab nun müssen wir auf alles gefaßt sein."
Freddy wickelte sich in seine Decke und versuchte zu schlafen, Randolf selber wollte die erste Wache übernehmen. Beim Einschlafen wünschte sich der Teddy, daß sie den letzten Teil ihrer Reise schnell hinter sich bringen würden.
Als Quassel ihn weckte hatte er tief geschlafen, unsanft wurde er wachgerüttelt, "Hallo, aufwachen, du bist an der Reihe. Setz dich dort hinten auf den Baumstumpf, von dort hat man eine gute Übersicht. In wenigen Stunden bricht der Morgen an, dann geht's weiter." Quassel legte sich auf Freddys Decke und schlief sofort ein.
Etwas unbeholfen kletterte Freddy auf den Baumstumpf und sah sich um, doch viel zu sehen gab es nicht, dank einiger Wolken hinter denen sich die Monde versteckten, konnte er nur soweit sehen wie es ihm der Schein des Feuers erlaubte. Und das Holz das Quassel nachgelegt hatte reichte noch für einige Zeit. Er mußte daran denken wie Diones ausgesehen hatte, vielleicht wäre es doch besser gewesen wenn er sich ein paar Stiefel zugelegt hätte, bestimmt würde er schön aussehen wenn sie durch den Morast liefen.
Die letzten Stunden vergingen nur langsam, Wache schieben war schon etwas langweiliges, nur die üblichen, unheimlichen Geräusche des Waldes umgaben ihn. Das Laufen von kleinen Pfoten um ihr Lager herum, das leise Fiepen einer Maus, und der plötzliche Flügelschlag eines Vogels der dem Leben des kleinen Tieres ein Ende setzte. Nur ab und zu erlaubte ihm eine Lücke im Nachthimmel den Blick auf die Sterne. Freddy mußte an Daisy denken, vielleicht saß sie jetzt auch, in diesem Moment draußen und sah auf das Funkeln dieser fremden Welten und Sonnen. Er verspürte etwas wie Heimweh nach Walddorf. Alle dort waren ihm ans Herz gewachsen. Verträumt schaute er in die Flammen des Feuers und beobachtete wie die Hitze das Holz schwärzte und knisternd in sich zusammenfallen ließ.
Erst Stunden später färbte sich der Nachthimmel über ihn dunkelblau, die Luft wurde feuchter und auf den Blättern der Bäume sammelte sich der Tau. Der Morgen brach an.


"Verdammt." Randolf fluchte, seine Hand suchte vergebens nach Eßbarem in seiner Tasche, sie waren schon mehrere Stunden unterwegs, und am Morgen hatte er das aufkommende Hungergefühl mit einigen Schlücken Wasser vertrieben. Er hielt an und blickte sich um, in der letzten halben Stunde hatte sich der Wald sehr verändert, die Bäume trugen immer weniger Laub, das Gras auf dem Boden wirkte welk und abgestorben. Sogar das Singen der Vögel war schon länger nicht mehr zu vernehmen, und nur ihre eigenen Schritte hallten noch durch den sonst so stillen Wald.
Wenn er sich nicht jetzt auf die Suche nach etwas Eßbarem machte, würde es bald zu spät sein, im Dunkelwald wuchs nichts was man auch nur annähernd als Nahrung bezeichnen konnte.
Schnell machte er den anderen die Situation klar, und natürlich erklärten sie sich sofort bereit ihm bei der Suche nach etwas Eßbaren zu helfen.
"Wir gehen mal da hinten nachsehen", schlug Quassel vor und marschierte mit Freddy zu einer Gruppe von Bäumen, die recht eng aneinander standen. Randolf setzte die Tasche ab, und wandte sich an die Schnecke, "Sieh auch ob du etwas für dich findest, die braunen, pampigen Blätter des Dunkelwaldes werden dir bestimmt nicht schmecken."
Als Kriecher sich aus seiner Tasche gezwängt hatte, und sich umsah war der Tworf schon weg. "Hey, was ist mit mir? ", rief er Randolf nach, aber es war schon zu spät.
"Schöne Freunde, "schimpfte er und machte sich alleine auf die Suche.
"Wenn mir jetzt was zustößt seid ihr es schuld", jammerte er leise vor sich hin.
In wenigen Metern Entfernung stand ein Strauch, zwar hatte er braune, welke Blätter aber Kriechers feine Nase hatte etwas bemerkt. Mit seinen Händen zog er die dornigen Äste zur Seite, und tatsächlich, im Herzen des Strauches hingen fast ein Dutzend, lecker aussehende, weiße Beeren.
Er probierte eine, hmm, die würden auch Randolf schmecken. Obwohl, verdient hatte er ja keine, nachdem er ihn einfach alleine gelassen hatte. Mit einer Beere in jeder Hand krabbelte er rückwärts aus dem Strauch, drehte er sich um und erschrak. Unbemerkt hatte sich jemand von hinten angeschlichen.
Ein schwarzer Käfer, fast doppelt so groß wie er selber, sah ihn an, sein Hornpanzer glänzte beinahe so als hätte ihn jemand poliert.
Kriecher schluckte, was sollte er machen, weglaufen? Doch mit den sechs Beinen war der Käfer bestimmt viel, viel schneller. Und als dieser dann auch noch seinen Kopf senkte um auf gleicher Höhe mit der Schnecke zu sein, brach bei Kriecher der Angstschweiß aus. Sollte er versuchen nach seinen Freunden zu rufen, doch wahrscheinlich würden sie nur noch sehen wie er im Maul dieses Insektes verschwand. Nein, soweit durfte es nicht kommen, er mußte selber eine Lösung finden. "Ich werde ihn erschrecken", sprach Kriecher zu sich selber, "vielleicht vertreibt ihn das."
Er öffnete seinen Mund, nahm tief Luft und...streckte frech seine Zunge heraus. "Bäää."
Doch nichts geschah, unbeeindruckt starrte der Käfer ihn weiterhin an, dann schnüffelte er und sprach mit kränzender Stimme, "Essen, Kubba hat Hunger."
Er legte sich auf den Bauch und schaute auf die Beeren die Kriecher immer noch in seinen Händen hielt.
Zögernd reichte er ihm eine. Sofort schnappte Kubba hungrig nach der inzwischen zerdrückten Beere. Er selbst wäre nie mit seinem Kopf durch die dornigen Äste gekommen, dämmerte es Kriecher, und als Kubba anfing ihm die Hand abzulecken, reichte er ihm auch noch die zweite.
"Oh, das ist aber nett", hallte es plötzlich hinter ihm, "Kriecher mit seinem neuen Freund." Quassel kam mit den anderen auf ihn zu. Anscheinend hatten auch sie mit ihrer Suche Erfolg, denn Randolf steckte einen prall gefüllten Beutel in seine Tasche.
Eigentlich hatte Kriecher ja schimpfen wollen, aber es war nicht schlimmes passiert, so wies er Randolf auf die weißen Beeren hin, während Kubba, der auch die zweite Frucht gegessen hatte, sich an Quassel ranmachte. "Hunger, Hunger."
Der musterte den Käfer genau, "Was bist du denn für einer. Kannst dir wohl selber nichts suchen?"
"Nein, Dawin füttert mich immer, aber heute vergessen."
Randolf der auf einer Beere kaute trat an Kubba heran, "So, du gehörst als zu Dawin?"
"Ja, ja", Kubba nickte mit dem Kopf.
"Was hältst du davon", schlug Randolf ihm vor, und nahm eine der frisch ausgegrabenen Süßwurzeln aus seiner Tasche, die gebe ich dir, wenn du uns zu ihm bringst."
Eigentlich war sie für ihn selber bestimmt, aber in diesem besonderen Fall mußte er wohl auf diesen Leckerbissen verzichten.
Kubba roch kurz dran und flitzte blitzschnell in den Wald. Anscheinend konnte er es kaum erwarten in den Genuß der Wurzel zu kommen. Die drei folgten ihm und liefen ebenfalls los. Doch dann hörte Randolf ein Räuspern hinter sich, "Ähem, habt ihr nicht jemanden vergessen?"
„Ups“, grinste er verlegen, rannte zurück und packte Kriecher in die Tasche, dann folgte er der Spur der anderen, von denen schon nichts mehr zu sehen war.
Erstaunlich flink huschte Kubba durch den Wald der sich immer schneller veränderte. Die Bäume rings herum verdorrten zusehends und hielten ihre vertrockneten Äste der Sonne entgegen, als erhofften sie sich von ihren wärmender Strahlen neues Leben. Randolf ergriff einen dieser verdorrten Zweige, sofort brach dieser ab, das Holz fühlte sich feucht und moderig an.
Je weiter sie kamen desto mehr tauchte der stete Verfall alles in ein trauriges Grau. Der Boden wurde weicher und morastiger, sie mußten aufpassen, dass sie nicht auf zu sumpfigen Untergrund traten, die Gefahr darin zu versinken war zu groß. Weiß- beiger Nebel kroch vom feuchten Boden hoch und legte einen dichten Schleier um die gespenstisch aussehenden toten Bäume. Der Himmel hatte ebenfalls jede Färbung verloren, das strahlende Blau war einem deprimierendem Grau gewichen.
So wie Freddy es befürchtet hatte, bildete der lehmige Boden schnell eine feste, schwere Kruste an seinen Füssen, aber er schenkte diesem kleinen Hindernis kaum Beachtung, vielmehr sorgte er sich um diese fliegenden Tiere, von denen ja eines Chepter gepackt hatte. Einige Male glaubte er das Schlagen von Flügeln zu hören, doch die Nebelschwaden erlaubten es ihm nicht, den Ursprung seines Verdachtes festzustellen.
Immer dichter zog der Nebel auf, bald konnten sie nur noch wenige Meter weit sehen. Kubba lief inzwischen auch etwas langsamer und drehte sich ständig nach der ihm folgenden Gruppe um. Quassel hatte es aufgegeben auf seiner Karte ihre derzeitige Lage festzustellen, auch er achtete mehr auf den Weg, einmal war er schon in eine tiefere Pfütze getreten und glaubte darin versinken zu müssen, doch sie stellte sich als tiefer Fußabdruck eines Tieres heraus, dem er besser nicht begegneten wollte. Randolf hatte nach vielen Stunden des Herumirrens versucht ihnen zu erklären, dass es hier weder einen Tag noch eine Nacht gab, sondern immer nur dieses graue Zwielicht.
Und aus diesem tauchte plötzlich eine Hütte vor ihnen auf. Ihrem Zustand nach zu urteilen war sie schon sehr alt, langsame Fäulnis hatte das Holz befallen und von der Behausung ging deswegen ein süß-säuerlicher Geruch ab. Die mit einer dicken Schmutzschicht bedeckten Fenster erweckten genau so wie das durchlöcherte Dach den Eindruck, dass diese Hütte von ihrem Besitzer schon lange aufgegeben worden war.
"Wahrscheinlich bleibt man, wenn es regnet draußen trockener als drinnen", kommentierte Randolf die löchrige Bedachung.
Der Käfer lief durch eine Lücke in der Holzwand ins Haus.
Neugierig traten sie an die Türe, sie schien noch das stabilste an dieser Unterkunft zu sein.
Freddy hob die Hand, "Soll ich mal anklopfen?"
Doch noch bevor seine Faust das Holz berührte, schrie eine Stimme von drinnen, "Das kannst du dir sparen, ich mache sowieso nicht auf."
"Er ist schon mal da", stellte Randolf fest, und sprach mit lauterer Stimme weiter, "auch wenn er nicht sehr freundlich ist. Bestimmt hat er in Wirklichkeit die Hosen voll!"
Diese Worte verfehlten ihre Wirkung nicht, Schritte näherten sich der Türe, ein Riegel wurde verschoben. Sie öffnete sich.
Ein alter dürrer Mann stand in zerfetzter Kleidung vor ihnen.
"Was ist?", fuhr er sie an.
Randolf schob den Teddy auf Seite und stellte sich genau vor dem Alten.
"Man hat uns gesagt du würdest dich hier auskennen. Wir suchen den Weg zur Kristallquelle."
Statt zu antworten machte Dawin einen Schritt nach vorne und obwohl er ihm nur bis an die Mitte des Oberschenkels reichte, zeigte Randolf sich unbeeindruckt. "Nach dem Weg habe ich gefragt, du hast wohl Schlamm in den Ohren?"
Sie schauten sich in die Augen, ihre Gesichtszüge verhärteten sich.
Dawin rümpfte die Nase, "Den Weg meiner Faust zu deinem Auge, den kann ich dir zeigen."
"Versuchs nur", Randolf griff an sein Messer, und zog es gerade so weit heraus, dass man die blitzende Klinge sehen konnte. "Wenn du unbedingt ein paar Finger verlieren willst, bitte!"
Kriecher kauerte immer noch in seiner Tasche, er sah sich hektisch um, und wedelte aufgeregt mit seinen Armen "Oh nein, ich muß hier raus."
Doch dann lächelte der Mann, und machte einen Schritt zur Seite, "Du gefällst mir Tworf, läßt dich nicht so schnell einschüchtern. Kommt doch in meine Hütte."
Kriecher schlug seine Hände über den Kopf zusammen, "Danke, danke!"
Auch die beiden anderen nahmen eine entspanntere Haltung an, sie hatten ebenfalls mit dem Schlimmsten gerechnet, so hatten sie Randolf noch nie erlebt.
Das Innere der Hütte sah nicht ganz so schlimm aus wie sie es befürchtet hatten. Ein Stuhl, ein Tisch, an den Dawin sich setzte. In einem Regal standen Bücher, doch die Feuchtigkeit hatte vor langer Zeit das Papier aufgeweicht. Nicht weit daneben stand Eßgeschirr auf einem kleinen Schränkchen, das matte Licht das sich einen Weg durch die Löcher im Dach suchte, fiel auch in die Ecke in die sich Kubba gelegt hatte.
"Nehmt Platz", bot Dawin seinen Gästen an und lächelte.
Sie sahen sich um, da es keine andere Sitzmöglichkeit gab, beschlossen sie stehenzubleiben.
"Ihr wollt also zur Kristallquelle? Sehr mutig, aber habt ihr nicht von dem Überfall auf das Dorf gehört?" Er sah Randolf an, doch der kramte etwas aus seiner Tasche und warf es Kubba zu. Gierig schnappte sich der Käfer die versprochene Wurzel und begann sie abzuknabbern.
"Das hätte ich mir fast denken können, alleine wäret ihr nie soweit gekommen", knurrte der Alte zu dem Käfer rüber, doch Kubba ignorierte Dawins zornigen Gesichtsausdruck, die Wurzel schien ihm wichtiger.
So befaßte sich der Alte wieder mit seinen Gästen, "Seit kurzem gehen hier sonderbare Dinge vor sich, schwarze Soldaten durchstreifen den Wald, spionieren an den Grenzen des Waldes und schleichen um die umliegenden Dörfer."
"Bis sie Jimer vorgestern überfallen haben. Ja, davon haben wir bereits gehört, angeblich soll irgendein verstoßener Magier dahinterstecken."
Randolf gab sich unbesorgt, und Quassel fügte noch hinzu: "der kann uns nicht einschüchtern."
"Dann kennt ihr seine Geschichte wohl nicht?", fragte Dawin und beschloß sie ihnen zu erzählen, vielleicht verließe sie ja dann der Mut und er hatte wieder seine Ruhe.
"Es heißt, das nachdem diese Welt erschaffen worden war, einer der Magier versucht haben soll die Macht an sich zu reißen. Gemeinsam mit einem Dämon wollte er die anderen Magier hintergehen und vernichten. Doch der Plan schlug fehlt. Man hegte schon des längeren einen Verdacht gegen ihn und lockte beide in eine Falle. Bei dem Versuch ihm die Zauberkraft zu entziehen wurde der Abtrünnige leider getötet.
Dem Dämonen gelang die Flucht, es heißt er sei wieder in seine Welt zurückgekehrt. Den Leichnam begruben sie hier in der Nähe der alten Burg, und damit die Kräfte, die man ihm nicht zu entziehen vermochte, den Körper des Toten nicht wieder mit Leben füllten, erließen sie einen Bannfluch. Doch die böse Magie breitete sich weiter aus, entzog dem Boden das Leben, ließ die Pflanzen absterben, und versteckte die Sonne hinter dem Nebel. So entstand der Legende nach der Dunkelwald. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte wuchs er immer weiter an, bis es vor einigen Jahren aufhörte. Man nahm an die Magie des Bösen seie versiegt, doch leider war genau das Gegenteil der Fall, der Magier war wieder zu neuem Leben erwacht, doch noch immer hielt ihn dieser Bann in seinem Grab gefangen. Nun tauchte vor kurzem auch wieder der Dämon auf, und dem Magier gelang die Flucht aus seinem Grab. Anscheinend hatte der Bannfluch seine Wirkung verloren. Das soll vor mehreren Wochen geschehen sein und ich habe von Sumpflingen gehört er würde in der alten Burg leben, gut bewacht von Soldaten die aus dem Nichts erschienen sein sollen um ihm zu dienen."
Quassels selbstsicherer Blick schmolz dahin, "Ein toter Magier und ein Dämon, das bedeutet nichts gutes."
Dawin lächelte versteckt, das müßte ausreichen, bestimmt baten sie ihn nun ihnen schnellstens den Rückweg zu zeigen, aber er setzte noch einen drauf, "Schon viele Tapfere sind im Sumpf verschwunden, und manchmal trägt der Wind ihre Todesschreie bis an meine Hütte, besser ihr macht kehrt solange es noch geht."
"Und warum bleibst du dann hier?", fragte ihn dieser lebendige Teddy.
Er gab keine Antwort, doch erinnerte er sich wie er hierhin gezogen war, damals war alles grüner Wald, er und seine Frau hätten so glücklich sein können wenn nicht...
Doch daran wollte er nicht denken, zunächst hieß es diese neugierigen Fremden loszuwerden.
"Wie konnte denn der Bannfluch aufgehoben werden?", fragte der Tworf.
"Was weiß ich", zischte Dawin zurück, er hatte begriffen dass diese Gruppe nicht so schnell aufgeben würde, "am besten fragst du den Darklord selber wenn du ihm begegnest. Mich geht das nichts an."
Eigentlich hatte Randolf sich so was schon gedacht, mit der Geschichte wollte man sie nur vertreiben.
"Du hilft uns nicht?", fragte Freddy, und suchte verzweifelt nach einer anderen Möglichkeit den Alten zu überreden.
"Oh nein", meinte Dawin neckisch, "ich riskiere doch nicht mein Leben für einen Tworf, zwei Menschenspielzeuge und eine Schnecke."
Quassel schritt erbost nach vorne, "Wie redet der denn von uns, soll sich selber mal ansehen, rennt hier in Lumpen durch den Sumpf."
Randolf kam bei Quassels überraschendem Auftritt eine Idee, "Gut wir werden es alleine versuchen, aber unser Freund hier ist sehr erschöpft, du wirst doch nicht die Gesetze der Gastfreundschaft brechen wollen und ihm verbieten sich bei dir auszuruhen bis wir wieder da sind." Der Clown hatte sofort verstanden, und Dawin schluckte, er durfte nicht nein sagen, dieses Gesetz zu brechen traute selbst er sich nicht.
Quassel trat an ihn heran, "Hallo, ich bin ein Clown, wieso lebst du denn hier mitten im Dreck? Hast du keine Badewanne? Bist du schon sehr alt und ist der Käfer denn auch stubenrein?"
Er redete immer schneller und begann sich frech in der Hütte umzusehen. Neugierig schauten er in die leeren Töpfe und sprang mit seinen schmutzigen Schuhen auf das Bett des Alten. Entsetzt sah ihn Dawin an, er hatte in seinem Leben schon vieles mitgemacht aber so was war ihm noch nie untergekommen.
"Kann man hier drauf überhaupt schlafen? Warum verkäufst du den Schlamm nicht in der Stadt als Heilmittel, dann könntest du dir neue Kleider leisten und ein vernünftiges Bett."
Dieses Plappermaul war einfach zuviel, wiederwillig gab er sich geschlagen, "Halt, ist ja gut, ich werde euch Kubba mitgeben, er kennt den Weg.
Nehmt nur diese Nervensäge wieder mit, das ist ja nicht zum aushalten."
Quassel verstummte und sprang vom Bett, er zwinkerte Randolf zu.
Nachdem sie die Hütte verlassen hatten, knallte hinter ihnen die Türe, in Dawin hatten sie bestimmt keinen Freund gefunden.
Dafür brachte Kubba sie schnell und sicher durch den Sumpf, zeigte ihnen wo fester Boden war, und verlangsamte sein Tempo wenn er sah das sie nicht so gut vorankamen.
Nach vielen, endlos erscheinenden Stunden machten sie Rast. Alles um sie herum schien wie tot, die wenigen Tiere die sie entdeckten waren hauptsächlich Schlangen und verschiedene Echsenarten. Schnell hatten sie jedes Zeitgefühl verloren, keiner konnte mehr sagen ob nicht inzwischen schon Nacht war oder ob der Tag noch andauerte. Die dünne Luft ließ sie auf jeden Fall sehr schnell müde werden. Doch aufgeben wollte niemand. Freddy wünschte sich zum wiederholten Male etwas sauberes Wasser, seine Schmutzstiefel wurden immer schwerer, vergebens versuchte er den harten Schlamm abzukratzen.
Randolf kaute auf einer Beere rum und unterhielt sich mit Quassel, dem Grinsen auf ihren Gesichtern nach zu urteilen, ging es wohl um Dawin.
Nichts deutet auf die Gefahr hin die sich ihnen von oben näherte. Es war Kriecher der wie zufällig nach oben sah. Zuerst dachte er ein Vogel käme angeflattert, doch als er genauer hinsah hoffte er zu träumen. "Achtung, da oben", schrie er so laut er konnte. Fast gleichzeitig sahen alle in den grauen Himmel. Wie ein lebendiggewordener Alptraum stieß ein riesiges Tier auf sie herab, mit zwei federlosen Schwingen gleitete es auf sie zu, bereit alle in seinen mächtigen Fängen davonzutragen. Sie sahen sich nach einem Versteck um, doch Zeit um es aufzusuchen blieb ihnen nicht, zu schnell stürzte es sich auf sie. Blitzschnell warfen sie sich auf den schlammigen Boden, Freddy spürte wie etwas seine Schulter streifte und als sie schon glaubten am Ende ihrer Reise angelangt zu sein, und sich damit abgefunden hatten als Mahlzeit für dieses Ungetüm zu enden, ertönte ein schriller Schrei.
Zunächst dachten sie er käme von den Angreifer, doch dann sahen sie das es der Käfer war der ihn ausstieß.
Der Ton wurde immer eindringlicher, und zerschnitt die Luft wie ein Messer. Sie hielten sich die Ohren zu. Der Vogel, oder was immer es war, schien es ebenfalls nicht mehr auszuhalten, er machte kehrt und verschwand hinter den kahlen Baumwipfeln.
Kubbas Geschrei erstarb, sie nahmen die Hände wieder von den Ohren, ein leichtes Pfeifen war zwar geblieben, doch was machte das schon, sie waren gerettet.
Sie scharrten sich um Kubba und dankten ihm, doch der wollte eigentlich nur schnell weiter. Daß sie ihm den Kopf tätschelten war dem Käfer mehr als peinlich. Erst jetzt merkte der Teddy das er eine kleine Verletzung an seiner rechten Schulter hatte, anscheinend aber nichts Ernstes, wie Quassel feststellte, aber für den Rest des Tages brannte die Wunde trotz der Salbe die der Clown auftrug, doch ziemlich heftig.


Viel später, bestimmt war schon ein weiterer Tag vergangen, kamen sie an einen großen See, oder was früher mal einer gewesen sein mochte. Freddy ging nahe ans Wasser und schaute hinein. Er hoffte hier endlich seine Füße reinigen zu können, doch das Wasser war noch schwärzer als der Morast der an ihm klebte. Sogar sein Spiegelbild wurde von dem Wasser verschluckt, wenn wirklich etwas in diesem See lebte, dann wollte er besser nicht wissen was.
Gar nicht weit weg zeichnete sich die Siluette eines Berges im Nebel ab, "Das ist es, wir haben es gefunden", rief ihm der Clown aufgeregt entgegen.
Der Berg glich bei näherem Betrachten einem riesigen Stein den jemand in den Schlamm geschleudert hatte. Er war mehr oval als spitz und lag leicht geschrägt da. Die Bäume um ihn herum wurden um fast das doppelte überragt, und durch sein anscheinend gewaltiges Gewicht war er tief in den Boden gedrückt worden. Als sie nahe genug waren, erkannten sie die tiefen Bearbeitungsspuren, und auf der anderen Seite des Berges klaffte ein tiefes Loch.
Früher war hier bestimmt mal ein Steinbruch", meinte Randolf und tastete mit seiner Hand einige tiefen Kerben ab.
"Wir müssen zwei Stücke finden, die, wenn man sie aneinanderhält, beginnen zu leuchten." Quassel las Alexanders Bemerkungen vor, "Und sie dürfen nicht zu klein sein."
Freddy sah sich um, überall auf dem Boden lagen kleine Felsbrocken und aus manchen schimmerten Kristalle. Er hob einen hoch, "Was heißt nicht zu klein, so, oder noch größer?"
Quassel zuckte mit den Schultern, "Weiß nicht, das ist alles was hier steht."
Randolf ging um den Berg herum, "Laßt uns schon mal mit der Suche beginnen, vielleicht finden wir ja mehrere Stücke die zusammen passen."
Er nahm Kriecher in den Arm und entfernte sich langsam. Kubba blieb bei den beiden Übriggebliebenen und schaute neugierig zu wie sie einen Stein nach dem anderen umdrehten. "Sollen wir mal in dem Steinbruch selber nachsehen?", schlug Quassel vor.
Zusammen mit Freddy betrat er die dunkle Öffnung, "Hier sieht man nicht viel, ich glaube fast das...Ohh, Mist"; Quassel fing an zu schimpfen.
"Hier ist alles voller Wasser."
Dann griff er in die braune Brühe, "Ich habe einen gefunden, sogar einen großen."
Er zog den klaren Kristall aus dem Wasser.
Kurz darauf fand Freddy einen weiteren unter einem Geröllhaufen, doch leider geschah nichts als sie die beiden aneinanderhielten.
Freddy war ein wenig enttäuscht, "nun ja, vielleicht klappt es ja beim nächsten."
Doch erst beim vierten, den sie weiter weg vom Steinbruch fanden, tat sich etwas, Nummer eins und vier gaben zusammen ein helles pulsierendes Licht ab.
Er legte trotzdem alle vier in seinen Rucksack.
"Sollen wir mal schauen was die beiden anderen machen?", fragte Quassel und schüttelte seine immer noch nassen Schuhe. "Eigentlich haben wir ja nun was wir suchten."


Randolf und Kriecher hatten auf der Rückseite des Berges weniger Glück, keiner der gefundenen Kristalle war brauchbar.
Sie waren so sehr mit ihrer Suche beschäftigt, dass sie nicht bemerkten wie hinter ihnen zwei Gestalten aus dem Nebel traten. Viel zu spät hörte Randolf die Schritte die auf sie zukamen, er drehte sich herum und sah an einer schwarzen Rüstung hoch, die Person war größer als ein normaler Mensch, und als er sich wunderte dass in dem Helm keine Öffnungen für die Augen eingelassen waren, traf ihn von der Seite ein mächtiger Schlag an den Kopf.
Die Beine sackten ihm weg und kaum lag er auf dem Boden riß ihn eine zweite Gestalt wieder in die Höhe. Mit nur einer Hand hob einer der Unbekannten ihn hoch, während der andere ihn schnell fesselte.
Der Schlag hatte ihn mit solcher Wucht getroffen, dass er nicht mehr in der Lage war, die kleinste Gegenwehr zu leisten, kleine tanzende Punkte erschienen vor seinen Augen und er konnte fühlen wie sein Blut in den Schläfen pochte.
Als er wieder einigermaßen klar denken konnte, fiel ihm Kriecher ein, sein Messer hatte man ihm abgenommen und zusammen mit den beiden Taschen weit in den Wald geschleudert. Kriecher war bestimmt bei dem Sturz auf den Boden gefallen und hatte sich versteckt.
Die beiden Gestalten konnten trieben ihn mit Tritten voran, genau in Richtung Steinbruch.
Er mußte die anderen warnen und begann laut über seine Entführer zu schimpfen, und auch die Ohrfeige die er sich dafür einhandelte, brachte ihn nicht zum Schweigen. Hoffendlich würden die beiden die Situation richtig einschätzen und keine Dummheiten machen, sie mußten so schnell wie möglich dieses Gebiet verlassen.
Freddy und Quassel waren auf dem Weg zur Rückseite des Berges als sie Randolfs Geschrei hörten, sie konnten nicht verstehen was genau er brüllte, doch sie begriffen schnell dass er nicht mehr alleine war und sie so warnen wollte. Freddy schnappte sich Kubba, der nicht weit von ihm stand und verbarg sich mit Quassel hinter einem größeren Felsbrocken.
Aus sicherer Entfernung warteten sie bis Randolf mit den beiden Riesen vorbeigezogen war. Was sollten sie machen; die beiden Schwarzen waren so riesig das sie sie womöglich einfach zertreten hätten.
Quassel fragte leise, "Sollen wir ihnen folgen?"
Der Teddy zögerte, "Ich weiß nicht, das wäre vielleicht das beste."
Plötzlich tauchte Kriecher vor ihnen auf, er schnappte nach Luft.
"Wir dachten schon du wärst noch bei ihm", meinte Quassel erleichtert, und nahm ihn hoch während die Schnecke das eben Vorgefallene kurz zusammenfaßte.
"Wir müssen hinterher, sonst verlieren wir ihre Spur", sagte Freddy aufgeregt, doch Kriecher winkte ab, "nein, das wäre genau das falsche, wir müssen sehen dass wir von hier fortkommen, Randolf wird sich schon alleine zu helfen wissen."
"Aber...", stotterte Freddy, "wir sollen ihn im Stich lassen? Nach allem was er für uns getan hat."
Quassel faßte ihm an den Arm, "Kriecher hat Recht, es hat keinen Sinn sie zu verfolgen, wahrscheinlich begeben wir uns dann in noch viel gössere Gefahr, als in der sich Randolf befindet.»
Natürlich hatten sie Recht, Freddy wußte es, und er mußte an seine Aufgabe denken, Randolf würde schon irgendeinen Weg finden. So folgte er zusammen mit den anderen dem Käfer, der sie zum Rand des Waldes bringen sollte.


Die schwarzen Soldaten trieben Randolf weiterhin zügig voran; dass es ihm immer schwerer fiel ihren Schritten zu folgen, störte sie nicht. Wenn er zusammenbräche würden sie ihn einfach nachschleppen, deshalb versuchte er sein Bestes. Mit den hinter seinem Rücken zusammengebundenen Händen war an Flucht nicht zu denken, er mußte auf eine andere Gelegenheit warten.
Doch in den nächsten Stunden fand sich keine. Als sie in eine verfallene Burgruine kamen, wäre er vor Erschöpfung beinahe zusammengebrochen. Durch ein Teilstück der umgestürzten Mauern traten sie ins Innere, bestimmt war die Burg einmal uneinnehmbar gewesen, doch jetzt hatte die Zeit die starken Mauern in sich zusammenfallen lassen. Einige von ihnen ragten zwar immer noch stolz in den Himmel, doch man konnte sich kaum vorstellen, dass sie noch lange dieser Witterung wiederstehen konnten.
In einer Ecke des Innenhofes brannte ein Feuer, gut ein Dutzend Soldaten hatte sich in seiner Nähe versammelt, sie beachteten die Ankommenden kaum. Es handelte sich hier bestimmt nur um einen kleinen Vorposten.
Man führte ihn eine Treppe hinunter. Erleuchtet von mehreren Fackeln lag vor ihm ein Gang der noch tiefer unter die Burg führte, links und rechts lagen die Verliese. Die Gittertore waren schon längst weggerostet, an einigen Zellen hatte man daher neue Türen aus Holz angebracht, nur ein vergittertes Fenster erlaubte einen Blick auf den Gang. In solch eine Zelle wurde er unsanft gestoßen. Drinnen gab es keine weiteren Fenster, nur das Feuer der Fackeln beleuchtete seinen Kerker schwach. Nach kurzer Zeit hatten sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt, und er untersuchte sein Gefängnis, die Wände waren aus dickem Fels, und auch die Türe schien stabil.
Nach mehreren Anläufen schaffte er es die Türe hochzuklettern. Das Licht der Fackeln ließ ihn nicht sehr viel erkennen aber in den zwei Zellen, die ihm gegenüber lagen konnte er weitere Gefangene ausmachen. Einer schauten ebenfalls zu dem Fenstern hinaus. Es war ein Sumpfbewohner und er hatte beinahe Menschengröße.
Früher hatte er öfters Kontakt zu diesen schuppenhäutigen Einzelgängern, sie konnten genau so gut im Wasser wie auch auf festem Boden leben. Normalerweise waren sie sehr scheu und die Wunden in seinem Gesicht zeigten dass er sich gegen seine Gefangennahme heftig gewehrt hatte. Die Herkunft des anderen war ihm unklar, er hatte noch nie so jemanden getroffen. Sein ganzer Körper schien wie ein hölzerner Stab auszusehen, man hatte ihn zusätzlich mit einer Kette an der Wand gesichert, den er reichte nicht bis ganz an die Türe heran, und bei jeder Bewegung hörte man das Klirren von Metall. Als er bemerkte, dass Randolf ihn beobachtete machte er einen Schritt nach hinten und verschwand in der Dunkelheit seiner Zelle.
Randolf fiel zurück auf den Boden, seine Arme waren schwer, er war müde. Der lange Fußmarsch hatte ihn doch sehr geschwächt, und sein Kopf schmerzte immer noch von dem Schlag. Er versuchte ein wenig zu schlafen, in seinem jetzigen Zustand war sowieso nichts zu machen.
Das Öffnen einer Türe weckte ihn. Er konnte nicht sagen wie lange er geschlafen hatte, doch er fühlte er sich erholt. Es waren bestimmt mehrere Stunden gewesen. Er kletterte wieder zu dem Fenster hoch, der Sumpfbewohner war aus seiner Zelle geholt worden. Neben ihm standen zwei von diesen Soldaten, und noch jemand anderes betrat den Gang.
Er wirkte riesig, selbst die Soldaten blickten zu ihm hoch. Seine Rüstung war der der beiden nicht unähnlich, nur wirkte sie noch bedrohlicher, ihr Schwarz schien sogar das Licht der Fackeln in sich aufzusaugen. Dazu trug er einen weiten Umhang dessen Saum über den Boden schleifte.
Die beiden Soldaten, erst jetzt bemerkte Randolf, das sie im Gegensatz zu denen im Wald, Waffen trugen, wirkten eingeschüchtert von der mächtigen Gestalt. Fast so wie Kinder die sich vor den Schlägen ihres Vaters fürchteten. Randolf ahnte bereits wer da stand, Diones hatte ihn zu Recht als Monster bezeichnet, das konnte nur der Darklord sein.
Und plötzlich sah dieser genau in seine Richtung.


In der Erinnerung des Darklords flammte für einen kurzen Moment lang ein Bild auf, doch er konnte nichts damit anfangen. Sie stammte bestimmt aus einem anderen Leben, aber trotzdem bewegte es etwas in ihm. Wenn ihm danach wäre würde er sich näher damit befassen, jetzt hatte er wichtigeres zu erledigen. In diesem Vorposten befanden sich Gefangene, viele hatte er schon verwandelt, doch seine Soldaten brachten ihm immer wieder neue, der Dunkelwald schreckte doch nicht alle Neugierigen ab. Aber mit jedem vergrößerte sich seine Macht, bald war sie mächtig genug dass er die Herrschaft über diese Welt an sich reißen konnte. Seine Armee wuchs langsam aber stetig. Seit Jahrhunderten hatte er gewartet, und endlich hatte der Fluch seine Wirkung verloren. Hass; der so alt war wie diese Welt durchströmte ihn und auch das Wesen das ihn aus der Kälte des Todes befreit hatte. Es war nun ein Teil von ihm, doch irgendetwas hatte es beunruhigt, aber ein Blick auf die verängstigte Kreatur vor ihm ließ ihn schnell wieder diese Schwäche vergessen.


Randolf wartete einige Zeit bis er sich wieder traute aus dem Fenster zu sehen. Nachdem er den Blick des Darklords gekreuzt hatte, ließ er sich fallen. Er verspürte große Angst.
Der Sumpfbewohner schaute zitternd und furchterfüllt in die Augen des Darklords, die sich weißglühend aus dem Helm hervortaten. Das Licht zog seinen Blick an, wie der Schein der Lampe Fliegen anlockte. Das Schuppenwesen konnte sich dem nicht mehr entziehen, und der Darklord streckte ihm seine Hand entgegen. Die Wächter machten einen Schritt zur Seite, sie wußten bereits was jetzt geschehen würde.
Aus den Fingern des Magiers schoß rotes Licht, es suchte sich einen Weg zu seinem Opfer und traf es mit voller Wucht. Der Sumpfling schüttelte sich und schrie. Auf seiner Haut bildete sich eine schwarze Kruste und breitete sich rasend schnell aus, sie wuchs ihm sogar übers Gesicht. Die Masse wurde immer größer und formte ihn zu einem neuen Gefolgsmann des Darklords. Das Licht verschwand und der neue Soldat nahm Haltung an, sein altes Ich war ausgelöscht, die Gedanken des Magiers beherrschten ihn von nun an.
Der Darklord musterte ihn genau, ja, er war zufrieden, dieser würde, wie auch wie all die anderen wenn es sein mußte für ihn sterben. Früher hatten ihm die Verwandlungen mehr Spaß bereitet, nun war es schon zur Gewohnheit geworden. Natürlich amüsierte es ihn weiterhin die Angst seiner Opfer zu sehen, wie manche versuchten zu entkommen, oder andere einfach nur rumstanden und es über sich ergehen ließen.
Er schickte einen Gedanken los, einer der Wächter öffnete auf diesen Befehl hin die Türe neben sich, der Tworf sollte der nächste sein. Doch bei dem Anblick der zusammengekauerten Kreatur schoß ihm wieder dieser Schmerz durch den Kopf. Er wurde an etwas sehr unangenehmes erinnert, aber er konnte nicht herausfinden was es war. Auf sein Geheiß hin verschloß der Wächter die Türe wieder. Er war nicht in Stimmung um weiter darüber nachzudenken, vielleicht waren sie sich ja schon mal begegnet. Ein Hauch von dunkler Magie ging durch seinen Geist und vernebelte die Bilder der Vergangenheit, es war nicht gut wenn er sich an zu vieles erinnerte. Mit schnellen Schritten verließ er den Kerker.
Es waren genügend andere, wichtigere Dinge zu erledigen. Die Welt wartete auf einen neuen Beherrscher.


Randolf brauchte einen Moment um sich wieder zu beruhigen. Als sich die Türe öffnete glaubte er schon, nun auch zu einem dieser willenlosen Soldaten zu werden. Doch aus irgendeinem Grund hatte der Magier doch noch gezögert. Dann verschwand er in einem hellen Licht, während die drei Soldaten durch den Gang die Kerkergemäuer wieder verließen. Wenn er jetzt keinen Weg hinaus fände könnte es zu spät sein. Bei seinem nächsten Besuch würde der Darklord bestimmt nicht mehr zögern. Er durchsuchte sämtliche Taschen nach Gegenständen die ihm vielleicht behilflich sein könnten, doch außer einer trockenen Beere, die er sich in den Mund schob, fand er nichts.
Seine Hand stieß gegen seine Gürtelschnalle. Es mußte doch möglich sein aus ihr einen Dietrich zu formen, er löste sie vom Gürtel und knotete diesen so gut es ging zusammen. Das Metall der Schnalle war hart, aber nach einigen Versuchen hatte er es geschafft, so müßte es gehen. Schnell kletterte er zum vergitterten Fenster hinauf, sein Arm paßte zwar so gerade hindurch, doch er war leider nicht lang genug um das Schloß zu erreichen. Schade, all die Mühe war umsonst. Doch das Wesen auf der gegenüberliegenden Zelle hatte ihn beobachtet. "Hey, warum wirfst du ihn mir nicht herüber? Deine Arme sind viel zu kurz, aber ich könnte mich befreien. Man hat mich hier angekettet aus Angst ich könnte mich durchs Gitterfenster zwängen."
Randolf zögerte kurz, aber warum nicht, zu verlieren hatte er sowieso nichts mehr. Die Entfernung zur anderen Zelle war nicht sonderlich groß, er brauchte nur gut zu zielen um genau das andere Fenster zu treffen, allerdings blieb ihn nur ein Versuch. Sein Arm schwang gleichmäßig hin und her, er nahm Maß und mit dem richtigen Schwung warf er die Schnalle. Sie flog durch die Luft und beinahe glaubte er schon zu hoch gezielt zu haben, aber dann fiel sie durchs Fenster und landete klirrend auf dem Boden.
Hoffentlich konnte das Stockwesen sie erreichen.
Erleichtert hörte er kurz darauf das Fallen der Ketten, und dann zwängte sich ein dürrer Arm durchs Fenster und öffnete geschickt mit Hilfe des Dietrichs die Türe. Sein schmaler Kopf sah heraus und kontrollierte den Gang, dann lief er schnell zu Randolfs Verlies rüber, öffnete auch dessen Tür und schlüpfte hinein. Eine dünne Hand mit noch dünneren Fingern streckte sich dem Tworf entgegen.
"Balicks."
Randolf nahm sie an, hätte Balicks seine Beine zusammen mit seinen Armen an den Körper gelegt, hätte man wirklich glauben können vor einem stände ein langer Stab. Er stellte sich ebenfalls vor, und fragte besorgt weiter, "Sind noch weitere Gefangene hier?"
Balicks öffnete die Tür einen Spalt weit und schaute heraus, "Nein, wir sind die letzten, alle anderen hat man schon verwandelt. Und ich finde wir sollten sehen das wir von hier wegkommen."
Lautlos schlichen sie durch den Gang und gingen die Treppe hoch, die schwere Eisenbeschlagene Türe war zu ihrer Verwunderung offen, anscheinend hatte keiner mit einer Flucht gerechnet. Im Hof der Burg sahen sie weitere Wachen, geschickt schafften sie es auch diese unbemerkt zu umgehen, und schneller als sie es geglaubt hatten, waren sie schon hinter der Außenmauer verschwunden. Erst jetzt begannen sie zu laufen.
Als von ihrem Gefängnis nichts mehr zu sehen war, hielten sie an, beide atmeten schwer und rauchten einen Moment um wieder reden zu können.
"Gut dass sich hier nur ein Vorposten befunden hat", schnaufte Balicks. "Aus der Hauptburg wären wir mit Sicherheit nicht so einfach entkommen."
"Ja, es war wirklich fast schon zu einfach". Auch Randolfs Atmung verlangsamte sich, "Du warst anscheinend schon mal dort?"
"Öfters, hier ist mein Zuhause, aber was ist mit dir, du scheinst ziemlich weit fort von deinem Gebiet? Sucht du hier etwas Bestimmtes?"
"Zunächst mal den Weg zur Waldgrenze", antwortete Randolf kurz, trotz dessen Hilfsbreitschaft traute er dem anderen noch nicht ganz.
"Wie wär’s fürs erste damit?" Balicks hielt ihm die Gürtelschnalle vors Gesicht.
"Danke", er nahm sie an und versuchte sie wieder in ihre ursprüngliche Form zurückzubiegen, "diese Burg, wie sieht sie aus?"
"Baah, die ist riesengroß, du wirst keine zweite auf dieser Welt finden. Früher muß einmal ein mächtiger Herrscher darin gelebt haben, doch in letzter Zeit trieb sich nur dieser Dämon darin herum. Und glaube mir, er verstand es sie zu bewachen. Dann, nach der Wiederkehr seines Meisters, begannen die Soldaten sie wieder herzurichten, sie ist zwar noch nicht ganz fertig, aber bereits jetzt schon sehr beeindruckend."
"Du bist sehr gut informiert, wie ich höre."
"Ich war erst vor kurzem da, aus Neugierde. Und du, was hattest du hier zu suchen?"
Randolf blieb ihm die Antwort schuldig, er überlegte kurz was er nun machen sollte, er konnte die anderen Dörfer warnen oder sollte er doch versuchen die Spur seiner Freunde aufzunehmen. Da Diones bestimmt schon alle vorgewarnt hatte, entschied er sich für letzteres. Er wandte sich an Balicks, "Ich bin dir dankbar für deine Hilfe, doch möchte ich dich um einen weitern Gefallen bitten. Könntest du mir den Weg zurück nach Jimer zeigen, ich war mit drei Freunden unterwegs und mache mir große Sorgen um sie, wahrscheinlich sind sie auf dem Weg ins Grasland.
Randolf hatte zwar keine genaue Ahnung wie lange er im Verlies eingesperrt gewesen war, doch weit konnten sie noch nicht gekommen sein.
Balicks nickte, "Kein Problem, ich helfe dir gerne."


Quassels Füße schmerzten wieder, aber das war ja nichts neues, doch hatte Randolf sie schon ohne Gnade gehetzt, Freddy war um vieles schlimmer. Nicht eine Pause hatte er ihm bisher gegönnt. Nun ja, wenigstens trug er Kriecher so träumte der Clown vor sich hin, und nicht zum ersten Mal während dieser Reise wünschte er sich sein Bett. Wie schön wäre es wenn er sich jetzt in die weichen Kissen fallen lassen könnte, und ganz lange ausschlafen dürfte. Wehe jemand würde es wagen ihn zu wecken, der könnte dann was erleben.
Niemand konnte genau sagen wie lange sie nun schon durch den Dunkelwald irrten, für Quassel sah dieser tote Baum vor ihm genau so aus wie der neben ihm und wie die vielen die sie schon hinter sich gelassen hatten. Immer noch mußten sie aufpassen wohin sie ihre Füße setzten, jede Morastpfütze konnte bodenloser Sumpf sein. Zu seiner Belustigung hatte er festgestellt das nicht nur seine Kleidung die Farbe des Dunkelwaldes angenommen hatte, auch Freddys Fell war über und über mit dunkelgrauen Spritzern übersät. Der brauchte bestimmt Stunden um sich wieder sauber zu bekommen.
Ein leises Grimmen drang aus seinem Mund.
Freddy dagegen dachte die ganze Zeit an Randolf, war es richtig gewesen ihn einfach so im Stich zu lassen, bestimmt hätte der Tworf alles versucht um sie zu befreien wenn die Situation anders herum gewesen wäre.
Er beruhigte sich damit, dass Randolf alle Kniffe kannte und sie auch anwendete, Kriecher schaute aus der Armbeuge zu ihm hoch, "Es wird ihm schon gutgehen."
Dann entdeckten sie die ersten grünen Blätter, das bedeutete dass sie es fast geschafft hatten. Sie opferten ihre letzten Kraftreserven um schneller voranzukommen, und ließen sich fast zwei Stunden später, erschöpft ins frische Gras fallen. Endlich waren sie dem Dunkelwald entkommen.
Freddy und Kriecher schüttelten sich glücklich die Hand, Quassel machte einen Luftsprung, doch bei der Landung fiel er auf die Knie, kippte nach hinten und schlief ein.
Freddy ging zu Kubba, "Vielen Dank dass du uns geholfen hast, wenn ich noch mal hier vorbeikomme, bringe ich dir einen dicken Kuchen mit."
Kriecher kroch zu Kubba und hielt ihm seine Hand hin, "Danke."
Der Käfer ergriff mit einem der Vorderbeine die Hand; dann machte er schnell kehrt und lief in den Wald zurück. Sie schauten ihm nach bis er nicht mehr zu sehen war, dann legten sie sich zu dem Clown aufs Gras. Hier war es schon etwas wärmer als im Sumpfgebiet, die Sonne schien von leicht bewölkten Himmel auf die Drei herab. Kriecher schnappte sofort nach einem Grashalm, zu ersten Mal seit Tagen fühlten sie sich wieder sicher, der Dunkelwald und seine Schrecken waren in diesem Moment weit entfernt. Langsam schliefen auch sie ein.


Zur gleichen Zeit folgte Randolf Balicks durch den Sumpf, wenn er nur wüßte wie groß der Vorsprung der drei war. Hoffentlich haben sie sich nicht verirrt, dachte er.
Mit einem Lächeln dachte er daran zurück wie der Teddy gegen seine Wand gelaufen war, und er ihn ins Dorf zurück begleiten mußte. Jetzt lief er durch eine ihm fremde Welt, an Mut fehlte es Freddy auf jeden Fall nicht.
Balicks ging immer noch vornevor. Irgendwie kam es Randolf so vor als würde dieser einen viel längeren Weg wählen, oftmals änderte er die Richtung. "Kommen wir nicht bald an den See?", fragte er mißtrauisch.
"Ohh, der See, ich glaube nicht." Balicks schien etwas bemerkt zu haben. Als sie an einer Reihe von großen grauen Bäumen vorbeikamen traute der Tworf seinen Augen nicht, "Hier waren wir doch schon mal!" Jetzt hatte er genug, er wollte wissen warum der andere ihn im Kreis herumführte
"Was soll das, warum..."
Er unterbrach den Satz, Balicks drehte sich um und sah zu jemandem der hinter Randolf aufgetaucht war, in seinem Augenwinkel konnte der Tworf eine Bewegung ausmachen. Blitzschnell drehte er sich um, dabei ergriff er einen herumliegenden Ast, der ihm als Waffe ausreichend schien.
Dann blieb ihm die Luft weg, vor ihm erhob sich die massige Gestalt des Darklords. Sein Herz fing an wie wild Blut durch seinen Körper zu pumpen, er warf einen schnellen Blick auf das Stockwesen, warum hatte es ihn in diese Falle gelockt. Die Flucht hätten sie sich doch sparen können, nichts ergab mehr einen Sinn.
Er stürmte mit dem Ast in der Rechten auf seinen Gegner zu, doch dieser wich einen Schritt zur Seite. Anstatt die Beine des Schwarzen zu treffen ging sein Schlag ins Leere.
Randolf hatte zuviel Schwung genommen, er strauchelte nach vorne, konnte sich aber noch rechtzeitig fangen, die Hände seines übermächtigen Feindes erwischten ihn an seiner Schulter.
Das war's, ging es ihm durch den Kopf, nun würde er ebenfalls in die Armee der willenlosen Soldaten eintreten. Den wahnsinnigen Gedanken dieses Magiers hilflos ausgeliefert.
Doch nichts geschah.
Überrascht drehte er sich um, der Magier war verschwunden, nur Balicks stand da, er war anscheinend mit sich selber am reden. "Du siehst, sein Mut ist ausreichend, er wäre bestimmt der richtige, und außerdem drängt die Zeit. Wir haben keine Zeit für weitere Tests"
Randolf verstand immer weniger, hatte er schon Tagträume? "Ich glaube ich brauche ein kleines Nickerchen", murmelte er leise vor sich hin.
Dann geschah etwas seltsames, war er vielleicht doch schon am träumen? Überrascht rieb er sich die Augen, seine Umgebung begann zu verschwimmen, alles verdrehte sich, wurde in die Länge gezogen und formte sich neu.
Auf einmal starrte er gegen eine Felswand.
Ungläubig drehte er sich um, er befand sich in einer Grotte, und obwohl keine direkte Lichtquelle auszumachen war, schien alles in einem klaren Licht.
Weiße spitze Steinsäulen hingen von der Decke, ständig tropfte Wasser auf ihre Gegenstücke herab, die aus dem Boden zu wachsen schienen. Die Luft war kühl, aber von einer anderen Kälte als die im Dunkelwald. Neben ihm tauchte aus dem Nichts Balicks auf. Randolf packte die dürre Gestalt blitzschnell am Hals, "Wenn du mir nicht sofort sagst was hier gespielt wird dann,...was?" Er konnte seine Hand nicht mehr bewegen.
Balicks schlüpfte aus dem Würgegriff und wies mit dem Zeigefinger auf die Mitte der Grotte, dann ging er in diese Richtung.
Erst jetzt konnte Randolf seine Hand wieder zurückziehen. Zögernd folgte er Balicks, irgendetwas befand sich dort im Zentrum, aber erst als er näher kam, erkannte er einen Ring aus ungefähr zwanzig Steinsäulen. Randolf stellte sich zu Balicks in die Mitte des Ringes, und der Fels aus dem die Säulen waren, begann sich aufzulösen, in dem Nebel der sich darin befand konnte er die Umrisse von Personen ausmachen.
Rund um ihn herum schwebten Menschen, Elfen und auch einige Tworfs in der Luft. Sie waren alle unterschiedlichen Alters, bei den Menschen erkannte er sogar ein Kind. Die Nebelschwaden die sie umgaben lösten sich auf, manche trugen teuere Kleidung während andere ganz schlicht gekleidet waren. Er sah in ihre Gesichter, man konnte glauben sie wären am schlafen, aber trotz der verschlossenen Augen hatte er das Gefühl als ob sie ihn anstarrten.
"Sie sind die Behüter dieser Welt." Eine donnernde Stimme hallte durch das Gewölbe, "Durch sie ist alles entstanden und besteht immer noch."
Vor ihm entstand ein Wesen aus dem Nichts, und zu seinem Entsetzten nahm es auch noch seine Gestalt an. "Fürchte dich nicht, ich habe diese Form gewählt, weil du mein wahres Aussehen nicht ertragen hättest."
Randolf machte vorsichtshalber einen Schritt nach hinten, als ob ihn dieses Erscheinungsbild nicht ebenfalls erschrecken würde.
Sein anderes Ich zeigte auf einen Menschen der hinter Randolf von unsichtbaren Kräften gehalten in der Luft schwebte. "Ich wurde dazu auserkoren ihr Beschützer und Wächter zu sein." Er winkte den Tworf näher zu sich, doch der wählte lieber den sicheren Abstand.
"Sie scheinen nur tot, aber in Wirklichkeit halten sie diese Welt am Leben. Sie ordnen das Chaos und bringen Klarheit in die Verwirrung. Schon seit vielen Jahrhunderten halten sie die Welt im Gleichgewicht." Der Wächter streichelte fast schon liebevoll den durchsichtigen Stein, der diese Personen immer noch umgab.
Randolf konnte es kaum glauben, das hier waren die legendären Magier, die Erschaffer dieser Welt. Sie hatten ihr Leben gegeben um das vieler tausend anderer zu ermöglichen.
"So lange sie existieren lebt auch diese Welt", doch dann machte der Wächter ein besorgtes Gesicht. "Aber etwas Unvorhersehbares ist geschehen, denn das Böse, das sicher verwahrt schien, ist wieder neu entstanden. Der Bann wurde aufgehoben, die gleiche Magie die es wieder ins Leben zurückgeholt hat, befreite es auch."
Randolf verstand nicht ganz den Sinn dieser Worte, aber er wußte sofort wer gemeint war anscheinend ging von dem bösen Magier ein noch viel größere Bedrohung aus als er gedacht hatte.
"Warum kannst du den Bann nicht erneuern?“, fragte er, "du bist doch auch ein Magier."
Der Wächter schüttelte den Kopf, "Das liegt nicht in meiner Macht, ich kann nur das Böse von diesem Ort abwehren."
"Und all die anderen Magier, die noch auf dieser Welt leben, kann denn keiner etwas unternehmen?"
"Ihre Kräfte reichen nicht aus, und diese hier sind eins geworden mit Pearl, jede Art der Ablenkung könnte schlimme Folgen und Auswirkungen haben. Sie dürfen nicht gestört werden."
"Aber ich kenne einige Magier; die könnten es doch wenigstens versuchen."
"Sinnlos", antwortete sein Ebenbild, "du verstehst nicht, nicht alle Magier haben die gleichen Kräfte, einige sind gute Heiler, andere können vielleicht etwas mehr, aber um den Bannfluch zu erneuern brauche ich einen Nachfahren des Magiers der ihn einst verhangen hat, einen mit den gleichen Fähigkeiten. Doch dabei gibt es ein kleines Problem."
"Und ich soll es lösen."
"So ist es, du mußt ihn überzeugen uns zu helfen, denn er hat der Magie entsagt und diese Welt erlassen."
"Das bedeutet?"
"Seine Magie wurde auf andere übertragen und er selbst hat sich in die Menschenwelt zurückgezogen. Es ist derjenige, der deinen Freunden das Leben geschenkt hat."
"Du meinst Gabriel?", fragte Randolf, er selbst war dem Zauberer nur einmal begegnet, bei einem Besuch in Walddorf hatten sie sich getroffen und ein wenig geplaudert.
"Ja, er muß hierhin kommen, ohne ihn kann keiner den Darklord aufhalten."
Der Wächter reichte ihm einen Ring, "Hiermit kann er zurückkehren, der Ring wird auch dir das Tor zur Menschenwelt öffnen, aber dort kann er nur von einem Magier benutzt werden."
Er nahm den Ring an sich, "Das heißt, wenn ich ihn nicht finde muß ich für immer dort bleiben."
"Du wirst ihn finden, der Ring bringt dich ganz in seine Nähe."
"Wie ich sehe habe ich keine andere Wahl, aber was wird aus meinen Freunden, sie brauchen ebenfalls meine Hilfe."
Der Wächter schloß für einen Augenblick seine Augen, dann antwortete er, "Um sie brauchst du dir keine Sorgen zu machen, es geht ihnen gut."
Randolf blieb nichts anderes übrig als diesen Worten Glauben zu schenken, "Und wann geht’s los?"
"Sofort", mit einer Handbewegung ließ der Wächter die Steinsäulen wieder erscheinen, "ich wünsche euch viel Erfolg."
"Euch?" Randolf drehte sich zu Balicks um, "kommt der etwa mit?"
Doch eine Antwort blieb aus, der Boden unter ihm löste sich auf, ein tiefes schwarzes Loch entstand und er fiel schreiend hinein.

Scie kauerte neben ihm, die Augen des Dämonen waren fest geschlossen, doch der Darklord wusste, dass er nicht am schlafen war. Er befand sich in Trance, denn nur auf diese Weise konnte er das riesige Gebiet des Dunkelwaldes durchsuchen. Er selber saß auf seinem Thron, an der Wand ihm gegenüber klebten noch die Überreste eines seiner Soldaten, in einem Anfall von Wut hatte er ihn in Stücke gerissen, der Teil einer Hand fiel klatschend in eine Pfütze aus dunkelrotem Blut.
Wie konnte es möglich sein, das dem Tworf, dessen Aussehen ihn so erschreckt hatte, die Flucht gelungen war. Am liebsten hätte er sämtliche Wachen genau so behandelt wie den Überbringer dieser Nachricht, aber er wußte dass man sie auf diese Weise nicht einschüchtern konnte,
Angst war ein Gefühl daß er ihnen genommen hatte. Und da war noch diese Restspur von Magie die er aufspüren konnte. Sie gehörte nicht zu dem Tworf, und da sich sonst keine anderen Gefangenen im Kerker befanden, ordnete er sie dieser Kraft zu, die ihn ständig daran hinderte ins Versteck der Magier vorzudringen. Sie war viel stärker als die seinige und doch war sie nur dazu bestimmt die Magier zu beschützen, aber die im Kerker konnte auch nur ein Ableger davon sein.
"Hast du sie gefunden?"
Scie schüttelte den Kopf, "Nichts zu machen, ich schaffe es nicht die Sperre zu durchbrechen." Die gebeugte Gestalt, halb so groß wie ein Mensch und bekleidet mit braunen schmutzigen Kleidern machte einen Schritt nach vorne und versetzte dem Kopf des toten Soldaten einen kräftigen Tritt. Eine Blutspur hinter sich ziehend, rollte er gegen einen der steinernen Stützpeiler. "Wir müssen handeln bevor diese unbekannte Kraft unsere Pläne durchkreuzt." Die Muskeln unter seiner lederigen, grauen Haut spannten sich an, das fledermausartige Gesicht verzog sich zu einer zornigen Grimasse. "Vielleicht ist es ein Wächter den ich übersehen habe, allerdings waren die anderen, die ich getötet habe, keine so ernstzunehmenden Gegner wie dieser." Er spuckte auf den Boden, "Die Zeit läuft uns davon, bestimmt haben die Überlebenden aus Jimer alle anderen Dörfer entlang der Grenze schon vorgewarnt. In spätestens zwei Tagen wird man in Thales Bescheid wissen. Die Belagerung der Stadt könnte sich langwieriger als geplant gestalten. Wir dürfen die Menschen dort nicht unterschätzen."
Der Darklord beachtete die Warnungen des Dämonen kaum, er überlegte woher er diesen Tworf kannte. Er benutzte Magie um in das Gedächtnis seines anderen Ichs zu gelangen, anfangs sperrte sich dieser, doch dann offenbarte er ihm alle Erinnerungen. Er sah ein kleines Dorf, bewohnt von Wesen voll mit Magie. Magie die ihnen das Überleben ermöglichte, seit man sie aus der Menschenwelt hierhin gebracht hatte.
Jetzt wußte der Darklord wie er seine Kräfte verstärken konnte. Die Macht die er bei der Erschaffung der Soldaten verloren hatte, konnte er dort um das Zehnfache verstärken.
"Vergiß Thales, ich habe ein viel besseres Ziel gefunden."
Längst vergessener Hass stieg in ihm hoch, ja, die Vernichtung dieser Wesen würde ihm viel Freude bereiten.
Sollten die Menschen ruhig annehmen sein nächstes Angriffsziel sei ihre Hauptstadt, dann würde er bei den Tworf bestimmt nicht auf viel Gegenwehr stoßen. Sie waren sowieso die gefährlicheren Gegner. Die Menschen hatten schon vor langer Zeit verlernt wie man Kriege führte, sie waren doch kein ernstzunehmendes Hindernis, er konnte sich immer noch später um sie kümmern. Da waren aber noch die Elfen, doch nur ganz wenige Stämme verfügten noch über magische Kräfte, und wenn sie in ihrer Arroganz bemerkten daß seine Armee groß genug war um sie in Bedrängnis zu bringen, wäre es auch schon zu spät, bald waren ihre Tage ebenfalls gezählt.
"Ich kann sehen was du vorhast", Scie lächelte, dabei traten seine spitzen, gelben Zähne hervor. "Die Reise dorthin ist lang, wir können keine zu starke Magie benutzen, sonst würden uns die Tworf zu früh bemerken."
Der Darklord überlegte kurz, "Ich werde eine kleine Gruppe als Vorhut dahin bringen, zuwenig Magie als das sie sie aufspüren werden. Der Rest der Armee wird dann langsam, unter einem Schild der Unsichtbarkeit verborgen, sich dem Tworfgebiet nähern. Lasse sie jetzt schon aufbrechen, wenn alles veranlaßt ist, bringe ich uns beide in dieses seltsame Dorf."
Wenn dieser Randolf nur wüßte was er da angerichtet hat, erst sein Auftauchen hat mich auf diese Idee gebracht, dachte der Darklord bei sich.
Wenn er ihn wiederfände, würde er sich bei dem Tworf für die Inspiration bedanken.

Freddy stand vor der weiten Ebene des Graslandes. Sie hatten Glück gehabt, vor drei Tagen war ihnen ein Mann mit einem Wagen und einem Reitgespann begegnet. Dieser Händler, der von Dorf zu Dorf fuhr, war schon an mehreren verlassenen Ortschaften vorbeigekommen, Jimer war sein letztes Dorf bevor er diese Gegend verlassen wollte. Freundlicherweise erklärte er sich bereit sie ein Stück mitzunehmen. Der Wagen wurde von vier kräftigen, großen Tieren gezogen. Freddy hatte solche Pferde, wie Atrys sie nannte, noch nie gesehen. Sie bewegten sich außerordentlich schnell voran, wenn man das Gewicht des Wagens berücksichtigte, aber dieses schien ihnen nicht viel auszumachen.
Zunächst hatte der Händler versucht ihnen Hüte, Kochgeschirr und Sonnenschirme anzudrehen, doch als er verstand dass sie weder über Geld oder andere Tauschgegenstände verfügten ließ er sie damit in Ruhe. Sie mußten ihm aber von ihrem Dorf erzählen, Atrys war sehr neugierig; anscheinend suchte er nach einem neuen Kundenkreis.
Er wiederum berichtete von den Dörfern an denen er vorbeigezogen war, "Bestimmt haben die Menschen in Thales Zuflucht gefunden, es ist die einzige befestigte Stadt in der Nähe."
Am zweiten Tag erlaubte er Quassel sogar den Wagen zu führen, während er hinten im Wagen ein Schläfchen hielt.
Als sie das Grasland erreichten waren sie zu Freunden geworden.
Beim Abschied reichte Freddy ihm die beiden anderen Kristalle, sie waren sowieso nutzlos. Doch Atrys hatte trotzdem ein Auge darauf geworfen als Freddy sie ihm gezeigt hatte. Dankend nahm er sie an. "Ich bin mir sicher das wir uns wiedersehen, jetzt wo ich weiß wo euer Dorf liegt.“
"Ich würde mich freuen", Freddy schüttelte ihm die Hand, "Dank deiner haben wir viel Zeit gespart und konnten uns erholen. Und bestimmt wirst du in Walddorf einiger deiner Waren loswerden."
Sie verabschiedeten sich, Atrys reichte Quassel einen Beutel, der zusammen mit vielen anderen an der Plane hing, die den Wagen abdeckte.
In ihm befand sich ein in Stoff eingewickeltes Päckchen.
"Öffnet es erst wenn ihr tief genug im Grasland seid und laßt euch überraschen. Winkend zog er mit seinem Wagen weiter. Sie schauten ihm lange nach und versuchten dann ihre Lage auf der Karte festzustellen. Doch leider fanden sie diese Anhöhe, auf der sie standen, nicht auf der gezeichneten Skizze wieder. "Woher sollen wir wissen in welche Richtung wir jetzt müssen", jammerte Quassel.
Freddy sah sich um, "Hier sieht eigentlich alles ziemlich gleich aus, vielleicht sollten wir da lang", er zeigte nach rechts, "oder was meint ihr?"
"Und warum nicht nach links?", Quassel blickte zur anderen Seite, "irgendwie kommt mir das dort bekannter vor."
Jetzt meldete sich Kriecher zu Wort, "Ihr wißt ja noch was Randolf uns gesagt hat, wenn wir uns verlaufen finden wir nie mehr aus dem Grasland hinaus."
Beide zuckten mit den Schultern, und einigten sich darauf zunächst in die rechte Richtung zu gehen. Vielleicht würden sie, wenn sie an der Grenze zum Grasland entlangliefen ja auf jemanden stoßen der ihnen weiterhelfen könnte. So verging schnell die erste Tageshälfte, doch schon nach wenigen Stunden hatten sie festgestellt daß sie sich verlaufen hatten. Natürlich dachten sie daran den Weg wieder zurück zu gehen, doch hinter ihnen sah es genau so aus wie vor und neben ihnen. Gegen Abend waren sie erschöpft und müde. Wahrscheinlich waren sie in ihrer Aufregung bei der Suche nach ihrer eigenen Spuren nur noch tiefer ins Grasland gelangt.
"Es hat keinen Sinn weiterzugehen", meinte Quassel, "bald ist es dunkel und ich kann eh nicht mehr. Wir sollten bis morgen früh warten."
Freddy setzte sich ins hohe Gras, dabei drückte das Päckchen das ihm der Händler gegeben hatte in seinem Rucksack. Bestimmt war etwas zu essen drin, dabei hatten sie ihm doch mehrmals erklärt dass sie keine Nahrung benötigten. Aber vielleicht schmeckte es ja Kriecher? "Hier versuch das mal", rief Freddy ihm zu und zog den Stoff auseinander. Sofort tat es ihm leid. Das Zeug, das da zum Vorschein kam, roch entsetzlich. Kriecher suchte sofort das Weite, "Ihh, nein, das esse ich nicht. Niemals, ist bestimmt schon lange verdorben."
Auch Quassel mußte sich die Nase zuhalten, "Und das hast du die ganze Zeit mit dir rumgeschleppt? Wirf es besser weg."
Freddy hatte schon den Arm erhoben als sie ein Zischen hörten, es kam genau auf sie zu.
"Windläufer", riefen sie durcheinander und sahen in alle Richtungen, aber in der Abenddämmerung war nichts zu entdecken. Das Zischen wurde immer lauter und bewegte sich genau auf sie zu. Dann brach es ab und mit einem Male stand eines dieser Tiere vor den dreien.
Groß und mächtig.
"Wir sind ungenießbar", schrie Quassel, und die beiden anderen nickten mit dazu eifrig mit ihren Köpfen.
Der beige Körper senkte sich zu ihnen herab und der Windläufer legte sich zu ihnen in Gras. Nun ja, ganz so groß wie sie anfangs dachten war es nun doch nicht, aber fast so hoch wie die Pferde des Händlers, denen er vom Aussehen übrigens ein wenig glich.
Ein runder Kopf sah sie an, die pinselförmigen Ohren waren weit aufgerichtet. Seine braunen Augen blinzelten einmal, dann sagte er mit weicher Stimme, "Hmm, sind das etwa Kadiwurzelblätter? Laßt ihr mich einmal davon kosten?"
Ihr Schreck legte sich wieder, der Windläufer schien harmlos zu sein. Freddy hielt ihm eines der aufgeweichten Blätter hin," Bitte."
Gierig schnappten die breiten Lippen danach, "Lecker, es gibt nichts besseres."
Genüßlich kaute der Windläufer darauf herum, nur Quassel drehte sich der Magen um, "Wenn die schon so riechen, will ich erst gar nicht wissen wie die schmecken", flüsterte er Kriecher zu.
"Soll ich ihn mal fragen ob er sich hier auskennt?", meinte Freddy, "wir könnten etwas Hilfe gebrauchen."
"Entschuldigung", meldete sich der Läufer wieder, "ich möchte euch bestimmt nicht euer Abendessen abschwatzen, aber könnte ich eventuell noch ein kleines Stückchen haben?"
Das brachte den Teddy sofort auf eine Idee, was mit Kubba funktioniert hatte, gelang vielleicht auch hier. "Sag mal, ähh, "stotterte er herum als er sich nach dem Namen ihrer neuen Bekanntschaft erkundigen wollte.
"Krim", stellte sich dieser schnell vor."
"Sag mal Krim, was hältst du von einem kleinen Tauschgeschäft? Du bringst uns durchs Grasland und wir überlassen dir dafür unseren Vorrat von diesen köstlichen Blättern."
Krim machte große Augen, "Was, nur dafür dass ich euch durchs Grasland bringe, gebt ihr mir eure Vorräte?" Er schien es nicht glauben zuwollen.
Alle drei nickten.
Krims Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen. "Gut abgemacht, aber könnte ich die Blätter jetzt schon haben, als kleine Stärkung?"
Freddy legte das Päckchen vor ihm ab und nach einer Weile war sein Inhalt in Krims Mund verschwunden. "Das war gut, nun sagt mir wo ihr genau hin möchtet."
Während Freddy und Quassel so genau wie möglich den Wald und den Fluß beschrieben, gönnte sich Kriecher noch schnell einen jungen Grashalm. Als er sah daß die beiden schon Platz auf Krims Rücken genommen hatten, kroch er zügig zu ihnen.
"Das hätte ich aber nicht gemacht", sagte der Windläufer beiläufig.
"Was denn?", antwortete die Schnecke ahnungslos.
"Etwas gegessen, ich habe es nicht gerne wenn du gleich wieder alles, wie soll ich sagen, von dir gibst."
Doch solange brauchte er gar nicht zu warten, als sich Krim ruckartig erhob wurde Kriecher schon schlecht.
Sie hielten sich an den kurzen Rückenhaaren fest, Quassel der vorne saß fragte besorgt, "Tut’s auch nicht weh?"
"Nein, nein, keine Angst, haltet euch nur richtig fest. Wenn ihr hinunterfallt kann es eine Weile dauern bis ich wieder zum Stehen komme."
Dann lief er los, seine Ohren legten sich fest an den Kopf. Zunächst ging es noch, "Gar nicht so schlimm", lachte Quassel und schaute zu Freddy und Kriecher, der zwischen den beiden saß. Doch dann beschleunigte der Windläufer so stark, dass ihnen der Wind nur so ins Gesicht blies. Immer schneller zog die Landschaft an ihnen vorbei, man konnte fast nichts mehr erkennen. Quassel kniff seine Augen zusammen und begrub seinen Kopf in den Rücken des Tieres. Freddy machte die hohe Geschwindigkeit nichts aus, er sah besorgt zu Kriecher hinunter, bestimmt ging es ihm immer schlechter. Aber zu seiner Verwunderung hatte der seinen Kopf hoch erhoben, er war richtig begeistert. "Schneller, schneller", feuerte er Krim an. Einige Male hob er sogar seine Arme hoch in die Luft, vorsichtshalber hielt Freddy eine Hand auf seinem Schneckenhäuschen.
"Los, versuch’s auch mal", forderte er den Clown auf.
Doch Quassel schrie nur zurück, "Wenn ich einen Magen hätte müßte ich mich bestimmt übergeben. Also laßt mich bloß in Ruhe."
Er verbarg sein Gesicht wieder, und so genoß jeder auf seine Weise den Ritt.


Randolf dagegen war bereits am Ziel seiner Reise angelangt. Er konnte nicht sagen wie lange sie gedauert hatte, fast schien es ihm so als hätte er geschlafen. Nun stand er ein wenig orientierungslos zwischen leeren Kartons und Mülleimern. Es war Nacht, und er stand am Ende einer kleinen Strasse, links und rechts von ihm taten sich die Rückseiten hoher Gebäude auf, und der Nachthimmel weit über ihm, war von dichten Wolken bedeckt. Es stank.
Dann fiel es ihm wieder ein, die Menschenwelt, er mußte Gabriel finden, und was war da noch?
Hinter ihm schimpfte eine ihm bekannte Stimme, "Was, verdammt noch mal, ist denn das?"
Er drehte sich um, das konnte doch nicht sein, eigentlich hatte er damit gerechnet, dass Balicks sein Begleiter sein sollte, doch niemand anderes als Dawin, der verrückte Alte aus dem Dunkelwald, kroch gerade aus einem Haufen Abfall hervor. Beide klopften sich die Kleider sauber, obwohl das bei den Lumpen die der Alte trug wenig Sinn machte. Sie befanden sich anscheinend in einer Seitenstrasse. "Warum ausgerechnet du?", fuhr er den Alten an.
"Was weiß denn ich", knurrte der giftig zurück, "ich habe von mir selber geträumt, ich müßte hier nach einem Magier suchen und dann brachte ich mich hierher."
Randolf klärte die ganze Sache auf, und erzählte auch von dem Test den man mit ihm gemacht hatte. Aufmerksam hörte Dawin zu, sie verließen die Seitenstrasse und kamen auf eine viel größere. Als Dawin genug wußte, meinte er nur, "Na dann los, wenn dieser Gabriel hier in der Nähe sein soll, müssen wir doch nur nach ihm suchen, das kann doch nicht so schwer sein."
Sie sahen sich um, zweifelsohne waren sie in einer Stadt, einer sehr großen Stadt, die Häuser ragten hoch in den Nachthimmel, und manche waren im Vergleich zu denen in Simra, oder auch jeder anderen Stadt die Randolf kannte, riesig, alle standen eng beieinander und andere bildeten ganze Wohnblöcke. Die Strasse an der sie standen war menschenleer, es schien schon spät in der Nacht zu sein, obwohl in vielen Fenstern der Häuser noch Licht brannte.
Er bemerkte, dass in den Laternen, die mit einigem Abstand an der Strasse standen, kein Feuer brannte, das Licht wurde wahrscheinlich von Magie erzeugt.
Dawin marschierte direkt zur nächsten Haus, "Soll ich mal fragen?"
"Wenn du meinst". Randolf sah sich das Gebäude an, es hatte zwei Etagen, war grau und schmucklos. Selbst in den schlimmsten Vierteln Simras vernachlässigte keiner so sein Wohnhaus. Das Hämmern von Dawins Faust an einer Türe und dessen Geschrei ließ ihn sich umdrehen. "Aufmachen."
Nach kurzer Zeit öffnete ein junger Mann, er schaute sich den Zerlumpten von unten nach oben an.
"Was ist?", fragte er dann mürrisch.
"Wir suchen nach Gabriel, sprich hast du ihn gesehen?"
"Gabriel, und weiter?"
Dawin runzelte seine Stirn, wie und weiter, das verstand er nicht, er hatte doch höflich gefragt, konnte es sein, dass er noch etwas vergessen hatte?
"Was ist, soll ich hier die ganze Nacht warten, spuck aus was du willst, oder sieh zu dass du Land gewinnst." Der Mann regte sich auf.
Das war zuviel für Dawin, es gab keinen Grund, dass der andere so frech wurde. Forsch gab er zurück, "Hütet eure Zunge, ihr habt das Benehmen eines Worfgibs."
Randolf, der etwas weiter abseits stand zuckte zusammen, das war eine klare Beleidigung, wenn das jetzt mal keine Schlägerei gab.
Aus dem Inneren des Hauses drang eine weibliche Stimme, "Wer ist denn da?"
"Irgend so ein Verzückter, scheint gerade aus der Anstalt ausgebrochen zu sein, "antwortete der junge Mann und zog schnell die Türe zu.
Dawin stand vor dem Haus und schimpfte, "Ha, scheint zudem noch ein Feigling zu sein", dann ging er zu Randolf, "sollen wir es noch mal probieren?"
Einige Meter weiter war schon die nächste Haustüre, "Laß mich mal ran", Randolf wollte es selber versuchen.
Auf sein Klopfen hin öffnete eine Frau die Türe, sie trug ein rosa Kleid, ihre Haare waren naß und sie hatte komische Rollen darin befestigt. Auf ihren Schuhen hatte sie Hasenköpfe befestigt, die allerdings sehr unecht aussahen.
Sie schaute sich um, aber bis auf einen weiter abseits stehenden Mann konnte sie niemanden sehen.
"Hier unten", meldete sich Randolf und zog sein freundlichstes Gesicht auf.
Sie blickte nach unten, verharrte einen Augenblick und hüpfte quiekend mit einem Satz wieder ins Haus. Krachend fiel die Türe ins Schloß.
Enttäuscht ging er wieder zu Dawin, "War wohl nichts, ich glaube fast die hatte noch nie einen Tworf gesehen."
"Besser wir warten bis es hell wird", schlug Dawin vor, "vielleicht sind sie dann umgänglicher."
Randolf sah sich um, "Wir könnten ja ein wenig umhergehen, schließlich kommt man nicht alle Tage in die Menschenwelt."
Und so liefen sie die menschenleere Strasse entlang. In der Mitte der Strasse fuhren ab und zu Menschen in seltsamen Wagen umher, von denen sich keiner der beiden erklären konnte wie die so schnell vorankamen, "Scheint sich um diesen Fortschritt zu handeln", meinte Randolf, "stell dir mal vor du führst in einem solchen Ding durch den Sumpf?"
"Nicht auszudenken, sämtliche Sumpfechsen würden sich totlachen."
Gemeinsam bewunderten sie die Auslagen einiger Geschäfte, auch wenn sie nicht die geringste Ahnung hatten welchen Zweck die ausgestellten Objekte erfüllten. So verbrachten sie die Nacht mit herumziehen, einmal, es war schon gegen Morgen, begegneten sie einem Mann, doch der war zu sehr mit sich selber beschäftigt, um auch noch auf sie zu achten, auf jeden Fall hatte der Alkohol hier die gleichen Auswirkungen auf die zu Durstigen wie bei ihnen, stellten sie leicht schadenfroh fest, als der Mann zum wiederholten Male laut singend auf den Boden stürzte.
Kurz darauf rutschte Randolf aber selber in etwas Weichem aus. Entsetzt sah er worin er getreten war, "Das ist aber ungewöhnlich, sie erledigen ihr Geschäft auf dem Gehweg, Igitt." Er säuberte seinen Schuh. Zudem fiel ihnen auf das hier überall Müll herumlag, die Menschen achteten wohl recht wenig auf ihre Umwelt.
Als endlich der neue Tag anbrach, erwachte auch die Stadt, immer mehr von diesen seltsamen Fahrzeugen drängten sich auf den Strassen.
In der Nähe ihres Ankunftsortes hatten sie einen großen Laden ausfindig gemacht. Nicht weit davon stand eine Reihe mit Holzbänken, auf einer ließen sie sich nieder. Es war unauffälliger zu warten bis Gabriel hier vorbeikam, als von Haus zu Haus fragen zu gehen. Dawin legte vorsichtshalber noch seinen Mantel über den Tworf. Die Menschen hier schienen wirklich noch nie einen Tworf gesehen zu haben und es war besser wenn sie hier nicht zu sehr auffielen.

In der anderen Welt schien die Sonne bereits mehrere Stunden, der Windläufer war ohne Unterbrechung die ganze Nacht durchgelaufen. Nun standen sie am Waldesrand, weiter hatte er sie nicht bringen können.
Quassel fühlte sich besser, und die grünliche Farbe war auch wieder aus seinem Gesicht gewichen. Die beiden anderen hatten in ihrer ungemütlichen Lage sogar etwas schlafen können. Sie verabschiedeten sich herzlichst von Krim. In zwei Tagen würden sie endlich in ihrem Heimatdorf eintreffen, wenn nichts dazwischen kam. Der Windläufer verschwand innerhalb weniger Sekunden hinter dem Horizont. Sie drehten sich um und suchten einen Weg durch den Wald. Das Zwitschern der Vögel hieß sie willkommen, und ganz in der Nähe fanden sie auch den Fluß, den Rest des Weges würden sie auch ohne Karte finden.

Dawin sah wie sich der Gehweg langsam mit Menschen füllte. Sie hatten es anscheinend alle sehr eilig, erst am späten Vormittag nahmen sie sich mehr Zeit; blieben vor den Schaufenstern stehen oder unterhielten sich. Hier und da mußte er lachen, manche der Kleidungsstücke sahen aber auch zu komisch aus. "Viel zu auffällig, damit hätte man bei der Jagd bestimmt kein Glück", kommentierte er einen grellen, orangefarbenen Pullover den ein Jugendlicher trug.
"Man würde höchstens selber erlegt", kicherte Randolf aus seinem Versteck heraus.
Unzählige Menschen verschwanden in dem großen Geschäft, bestimmt würde Gabriel ebenfalls hier seine Vorräte auffüllen. Eigentlich brauchten sie nur geduldig hier zu warten. Der Wächter hatte ihnen zwar keine Frist gesetzt, doch wußten sie, dass die Zeit drängte, dem Darklord war alles zuzutrauen.
Es war schon mal gut, dass sie dieselbe Sprache wie die Menschen hatten, oder lag das vielleicht an der Magie des Ringes? Auf jeden Fall hätten sie schön dagestanden, wenn sie rein gar nichts verstanden hätten.
Randolf schaute sich durch die Löcher im Mantel weiterhin die Gesichter der vorbeiziehenden Menschen an, die Zeit verging nur sehr langsam.
Er wunderte sich immer aufs Neue wenn jemand seinen Abfall statt in die dafür vorgesehenen Behälter, die überall herumstanden, einfach auf den Boden fallen ließ und sich nicht mehr darum kümmerte. Gut, dass man bei ihnen Zuhause nicht so verantwortungslos durch den Wald lief, er wagte sich gar nicht vorzustellen, wie es dann dort aussähe.
Plötzlich geschah etwas seltsames, eine Frau ließ im Vorbeigehen ein Geldstück fallen, genau vor Dawins Füße, zuerst dachten sie es wäre ein Versehen gewesen, doch kurz darauf fiel die zweite Münze zu Boden.
"Die halten mich für einen Bettler", stammelte Dawin überrascht, "das kann doch wohl nicht wahr sein."
Er wollte schon lautstark protestieren als ihm sein knurrender Magen einfiel. Seit gestern hatte er nichts mehr gegessen, da konnte man schon mal seinen Stolz vergessen. Er setzte ein mitleideregendes Gesicht auf, und am späten Nachmittag hatten sie genügend Geld zusammen, um sich eine Kleinigkeit kaufen zu können, so hofften sie es zumindest.
In der Zwischenzeit war ihnen ein weiterer Bettler aufgefallen, der sein gesamtes Hab und Gut in einem Metallenen Wagen vor sich herschob.
Schnell lief Dawin zu dem Laden hinüber und besorgte auch so einen. Er setzte Randolf samt Mantel hinein und legte sicherheitshalber noch einige leere Flaschen, die unter der Bank lagen, dazu. So gingen sie dann einkaufen.
Der Laden war um ein Vielfaches größer als sie es sich je vorgestellt hätten, als erstes mußten sie durch eine magische Tür, die sich immer dann öffnete wenn jemand davorstand. Leise Musik drang aus der Decke über ihnen.
Beeindruckt von den vielen Menschen, brauchten sie einen Moment um herauszufinden, welchen Weg sie einschlagen mußten. Es gab eine Seite um hinein und eine andere um wieder hinaus zu gelangen. "Aha, dort muß man zahlen", bemerkte Dawin und zeigte auf eine der vielen Kassen.
Fassungslos starrten sie auf die vielen prallgefüllten Regale, so viele interessante Waren, nur leider war alles eingepackt und sie konnten nicht feststellen was eigentlich drin war und ob es auch frisch war. Trotzdem roch Dawin an einer Dose, "Hmm?"
Er versuchte die Schrift zu lesen, doch die Buchstaben sagten ihm nichts. Enttäuscht stellte er sie wieder zurück. Auf anderen Büchsen waren zwar Bilder von den enthaltenen Produkten, doch er konnte sich nicht vorstellen daß so viele Früchte, wie hier aufgezeichnet, darin paßten. Zu ihrer Freude fanden sie schließlich doch noch einen Stand mit frischem Obst und Gemüse. Dawin zählte sein Geld zusammen, der Preis stand unter den Waren angeschrieben, "Sind fast die gleichen Zahlen wie bei uns, "flüsterte er zu Randolf in den Einkaufswagen.
Er entdeckte eine Kiste mit großen, runden Früchten, daneben lagen welche die bereits in Scheiben geschnitten waren, er probierte auch eine, nachdem er sah dass mehrere Menschen das gleiche taten. Das rote Fruchtfleisch schmeckte saftig, nur die grüne Schale war sehr bitter. Sie schien ihm preisgünstig, deshalb packte er eine und legte sie in den Wagen, dann machte er sich auf den Weg zur Kasse. Als sie sie nach langem herumirren endlich gefunden hatten, legte er die Frucht auf ein schwarzes Band welches sie direkt bis vor die Verkäuferin brachte. Die freundliche junge Frau packte sie in einen Beutel. "Eine Melone", sagte sie und nannte den Preis. Er bezahlte und rollte mit seinem Wagen Richtung Ausgang. "Wir haben sogar noch etwas Geld übrig", meinte er, als ihnen ein hochgewachsener Mann den Weg versperrte. "Sicherheitsdienst, darf ich mal in ihren Wagen sehen?"
Um nicht weiter aufzufallen stimmte Dawin zu, "Aber seien sie vorsichtig, mein Tworf ist ziemlich schreckhaft."
"Das werden wir ja sehen", meinte er verächtlich und zog den Mantel fort.
Da saß dieser kleine verschrumpelt aussehende Mann mit seinen seltsamen Kleidern. Die Beine waren angewinkelt und er bohrte mit einem Finger in der Nase. Der Kleine erschrak und verbarg seine Hand hinter dem Rücken, mit der anderen winkte er kurz hoch, "Hallöchen."
Der Sicherheitsmann ließ sofort wieder den Mantel fallen, seine Gesichtsfarbe wechselte in ein bleiches Weiß.
"Können wir dann wieder?", fragte Dawin und ohne auf eine Antwort zu warten rollte er schnell weiter, der Mann sah ihm nach bis sie das Geschäft verlassen hatten. Dann schüttelte er mehrmals den Kopf, als könne er nicht glauben was er da eben gesehen hatte.
Auf ihrer Sitzbank angekommen nahmen sie die Melone auseinander. Dawin benutzte dazu sein Messer, er zerteilte sie in vier Stücke und reichte Randolf zwei. Das saftige Fruchtfleisch sättigte sie, die schwarzen Kerne spuckten sie in den Mülleimer neben sich. Einer vorbeikommenden Frau waren die aus dem Mantel, Richtung Müll fliegenden Kerne aufgefallen, neugierig versuchte sie festzustellen was sich in dem Einkaufswagen verbarg, doch als Dawin mit dem Kleingeld klirrte verschwand sie schnell wieder.
"Besser du spuckst die Kerne nicht mehr in den Müll, wir fallen anscheinend auf, "warnte Dawin den Tworf.
Während er den letzten Bissen herunterschluckte dachte Randolf an seine Freunde, bestimmt glaubten sie immer noch er befände sich in Gefangenschaft. Wie es ihnen wohl erginge?
Dawin spuckte die letzten Kerne aus, "Das wäre genau das richtige für Kubba gewesen, er ist verrückt nach süßen Sachen."
"Sag mal", fragte Randolf, "warum hast du den Dunkelwald eigentlich nie verlassen? Da ist doch kein Leben dort."
Dawin überkreuzte die Arme, "Als ich dorthin zog wollte ich eigentlich alles hinter mich lassen. In jungen Jahren war ich ein sehr einflußreicher Mann. Aber ich verspielte leichtsinnig mein Vermögen, und mit dem Geld gingen auch die Freunde. Alleine und verarmt lebte ich auf den Strassen meiner Heimatstadt, bis ich mir bei dem nassen Herbstwetter eine Lungenentzündung zuzog. Im Hinterhof eines Hauses brach ich zusammen und wurde von einem jungen Mädchen gefunden. Sie brachte mich zu sich nach Hause und pflegte mich gesund. Sie selber arbeitete dort als Dienstmagd und besaß sehr wenig, aber ihr Herz war so groß daß sie trotzdem alles mit mir teilte."
Er machte eine kurze Pause, jemand reichte ihm ein Geldstück, dann sprach er weiter. "Sie wurde meine Frau. Gemeinsam beschlossen wir woanders neu anzufangen und verließen die Stadt. Wir kamen in diese fremde Gegend, und trotz der Nähe zum Dunkelwald, oder vielleicht auch gerade deswegen, gefiel es uns dort. Ich erbaute die Hütte und legte einen Garten an, alles was wir benötigten gab uns sie Natur.
Doch dann begannen die Veränderungen, nach und nach starben die Pflanzen, zunächst bemerkten wir es kaum, doch der Verfall rückte immer näher und bedrohte unser kleines Paradies.
Zu dieser Zeit durchstreiften ein paar verstoßene Elfen den Wald. Sie fanden unser Haus und töteten kaltblütig meine Frau. Dabei gab es für ein solches Verhalten überhaupt keinen Grund, sie hätte ihnen auch freiwillig die Vorräte überlassen.
Ich war im Wald unterwegs, als ich auf ihre Spuren stieß, schnell rannte ich zur Hütte, doch es war schon zu spät."
Randolf tat es inzwischen leid gefragt zu haben, es war nicht seine Absicht gewesen Dawins Erinnerungen an diesen schrecklichen Vorfall zu wecken.
"Ich beerdigte sie im Licht der untergehenden Sonne, dann ging ich auf die Jagd. Wie ein wildes Tier verfolgte ich die Mörder und als die Monde am höchsten standen hatten die drei Elfen ihr Leben verwirkt."
Randolf versuchte sich vorzustellen was wohl in ihm vorgegangen sein mußte, seine Frau schien ihm alles bedeutet zu haben.
"Tut mir leid, ich hätte nicht fragen sollen."
"Das macht nichts“, winkte er ab,“ woher solltest du es auch wissen. Das alles geschah vor langer Zeit, damals beschloß ich im Dunkelwald zu bleiben. Ich lebte in der Vergangenheit und bemerkte meinen eigenen Verfall nicht.
Irgendwann stand dieser Käfer vor meiner Türe und bettelte nach Essen, seitdem werde ich ihn nicht mehr los, und ich glaube das war auch gut so."
Randolf verstand ihn, dieses Leben war dem seinigen nicht unähnlich.
"Und wie ist es mit dir? Hast du jemanden der Zuhause auf dich wartet?" Randolf runzelte auf Dawins Frage hin die Stirn. "Eigentlich nicht, ich bin den größten Teil meines Lebens durch die Welt gezogen. Die Geschichten mit Frauen dauerten immer nur solange, wie ich an einem Ort blieb. Die Sehnsucht Neues zu entdecken war stärker als jedes Gefühl der Liebe. Nur einmal hätte es beinahe eine geschafft, doch auch sie verließ ich. Sie tröstete sich daraufhin mit meinem Bruder, und nun haben sie einen Haufen Kinder. Gemeinsam führen sie eine der bestgehenden Gaststätten Simras. Immer wenn ich sie wiedersehe und mit den Kindern spiele, stelle ich mir oft vor, dass es die meinigen sein könnten. Auf den Reisen habe ich viel über das Leben gelernt, vor allem aber, dass es nichts Kostbareres gibt. Man sollte jeden Tag, den man hat, voll ausnutzen, und das tat ich auch, doch irgendwann hatte ich von dem Herumziehen genug. Ich ließ mich in der Nähe des Dorfes nieder in dem auch mein bester Freund lebte. So fand ich meinen Frieden, bis dieser Teddy gegen meine Hauswand lief."
Als er seine Geschichte zu Ende erzählt hatte, ging auch dieser Tag zur Neige. Mit Zeitungen die sie aus dem Müll genommen hatten deckten sie sich zu. Zwar hatten sie Gabriel nicht gefunden, aber dafür jeder von beiden einen neuen Freund. Sie wünschten sich eine gute Nacht und hofften am nächsten Tag mehr Glück zu haben.

Freddy hatte sich mit Quassel geeinigt, dass sie die ganze Nacht durchlaufen würden, jedenfalls wollten sie das versuchen. Bis Mitternacht hatten sie dann auch schon einen weiteren Teil ihres Heimweges zurückgelegt. Aber kurz nachdem die Monde die Mitte des Nachthimmels erreicht hatten, verließen sie ihre Kräfte, sie gönnten sich eine warme Nacht am Lagerfeuer.
Kriecher war der erste dem die Augen zufielen, dass heißt eigentlich hatte er schon die ganze Zeit über geschlafen, doch als sie das Feuer entzündeten wachte er kurz auf, er fand noch die Zeit sich einen Grashalm in den Mund zu schieben, da war er auch schon wieder im Land der Träume. Ein Teil des grünen Halmes schaute noch aus seinem Mundwinkel heraus. Langsam zog ihm Quassel den angekauten Halm wieder aus dem Mund, er und Freddy lachten leise. "Weißt du noch?", fragte der Clown, "dieses stinkende Zeug. Krim hat wirklich geglaubt das sei unser Abendessen."
"Allein der Gedanke daran, brr, "Freddy schüttelte sich. "Ich glaube wir schulden Atrys etwas, ohne ihn würden wir wahrscheinlich immer noch im Grasland herumlaufen."
Quassel sah zu den Sternen hoch," Kommt mir so vor als seien wir schon seit Wochen aus dem Dorf fort."
Freddy sah ebenfalls zum Nachthimmel hoch, er verstand nur zu gut wie Quassel das meinte, "Mir auch, ich glaube das war mein erstes und letztes großes Abenteuer. Man muß wahrscheinlich dafür geboren sein, um es zu mögen.“
Er legte sich auf seine Decke und sah wieder ins Feuer, “Sag mal, weißt du eigentlich wer als erster ins Dorf gekommen ist?"
Quassel überlegte, "Nicht so direkt, anfangs glaubte ich immer es wäre Alexander gewesen, aber es sollen schon welche vor ihm dagewesen sein. Sie haben das Dorf vor langer Zeit verlassen und keiner kann mehr sagen was aus ihnen geworden ist. Sie waren es auch die den Kirchbaum gepflanzt hatten und die Inschrift in die Steintafel gemeißelt hatten."
"Ob sie noch am Leben sind?"
"Keine Ahnung, solange ich da bin ist noch keiner gestorben. Manche haben sich verletzt, aber das ist immer gut ausgegangen."
Freddy fuhr mit seinen Fingern über die Verletzung an seiner Schulter, obwohl der Kratzer nicht sehr tief war und kaum noch schmerzte hatte er immer noch nicht begonnen zu heilen.
"Das braucht schon seine Zeit, "meinte Quassel, "einmal ist einer aus dem Dorf von einem Worfgib gebissen worden, das war im Frühjahr, aber es dauerte fast bis zum Winter bis die tiefe Fleischwunde halbwegs verheilt war." Er drehte sich auf die Seite.
Langsam wurden sie zu müde um weiterzuerzählen.
"Schlaf gut", wünschte Freddy dem Clown.

Die fünf Pelzkugeln, die hinter einem Strauch versteckt, ihren Worten lauschten, bemerkten keiner von ihnen. Nachdem beide eingeschlafen waren, rollten sie lautlos wieder in den tiefen Wald und verschwanden schließlich in einem Erdloch.

Bis auf eine kurze Unterbrechung hatten sie in ihrer zweiten Nacht auf der Menschenwelt gut geschlafen. Gestern fanden sie noch heraus, dass es die vierbeinigen Tiere waren, die überall diese Haufen hinterließen. Offensichtlich waren sie bei den Menschen sehr beliebt, denn sie führten sie ständig mit sich herum. Sie redeten mit ihnen und streichelten sie. Mitten in der Nacht hatte sich eines von ihnen in die Nähe ihres Schlafplatzes getraut.
Randolf wachte als erster auf und weckte Dawin. Dieses Tier schnüffelte und lief neugierig um sie herum. Sie überlegten welchen Zweck diese Tiere in der menschlichen Gesellschaft wohl erfüllen mochten. Vielleicht dienten sie ihnen ja als Nahrung, den Menschen trauten sie alles zu, bestimmt wurden sie auch deshalb ständig gefüttert. Auf Pearl war die Haltung von Tieren zur Schlachtung verboten, und Nutztiere durfte man nur haben wenn man sie den Gesetzen nach gut behandelte, von Zeit zu Zeit kontrollierte ein Wächter die Einhaltung aller Regeln. Wenn jemand Fleisch haben wollte mußte er selber auf die Jagd gehen, und in diesem Fall wurde dann auch soviel von dem Tier verwertet wie nur möglich. Bei der großen Vielfalt von Obst, Gemüse- und Getreidesorten kam es aber selten vor daß ein Tier seines Fleisches wegen sterben mußte.
Doch auf dieser Welt war das bestimmt anders, und selbst auf Pearl gab es bestimmte Ausnahmen. Ihr Hunger war wieder gewachsen und sie überlegten ob dieses kläffende Tier nicht doch vielleicht ein Leckerbissen war.
Randolf versuchte es anzulocken, während Dawin von hinten nach ihm griff. Doch als er dem knurrenden Tier zu nahe kam, stellte er leider fest daß es äußerst bissig war. Voller Begeisterung machte es sich an Dawins Ärmel zu schaffen und als dieser zerrissen war, schnappte es nach seinem Hosenbein. Dawin schüttelte sich und versuchte wegzulaufen, doch das Tier hatte sich so fest verbissen daß er es nachschleifte. Erst als Randolf es mit Müll bewarf ließ es los und verzog sich bellend.
"War doch keine so gute Idee", stellte Dawin fest und besah sich seine Hose, "da gehe ich lieber morgen noch mal in den Laden."
Für den Rest der Nacht hatten sie ihre Ruhe.
Am Morgen faßten sie den Entschluß nur noch den einen Tag abzuwarten, wenn sie bis zum Abend Gabriel nicht gefunden hatten, mußten sie sich etwas anderes einfallen lassen, vielleicht hatte diese Stadt ja einen Ortsvorsteher oder Ältesten den man fragen konnte?
Dawin bettelte derweil unverdrossen weiter, er sprach die Leute jetzt direkt an. Viele beschimpften ihn, doch andere reichten ihm gerne etwas Geld. Als sie gegen Mittag genug zu haben glaubten, ging er wieder in ein Geschäft, allerdings in ein kleineres das auf der anderen Straßenseite lag. Randolf wollte lieber unter dem Mantel auf der Bank warten.
Nach einer kleinen Ewigkeit setzte sich Dawin wieder zu ihm. Er hatte eine Flasche Wasser mitgebracht und mehrere kleine Büchsen. Als erstes teilten sie sich einen kräftigen Schluck, dann besahen sie sich die Büchsen. Sie waren aus einem leichten Metall.
"Man hat mir versichert das es Fisch ist", erklärte Dawin," sie zu beschaffen war fast noch schwieriger als selber zu fischen."
Randolf drehte die Metalldose in alle Richtungen, "Und wie macht man die auf?"
Auch Dawin stand vor einem Rätsel.
Obendrauf war eine Art Schlaufe angebracht, bestimmt hatte die etwas damit zu tun. Randolf zog daran, ging nicht, dann drückte er sie in das Metall hinein und versuchte noch mal dran zu ziehen, es klappte. Auch Dawin hatte seine geöffnet. Natürlich rochen sie zuerst mal dran, es schien wirklich Fisch zu sein, "Und auch noch mit verschiedenen Saucen", stellte Dawin fest. Seine war Rot, und die auf Randolfs Fisch gelb.
Dawin benutzte sein Messer, aber der Tworf mußte mit den Fingern essen. "Hmm, sehr lecker", meinte er, "und wie ist deiner?"
"Auch sehr gut, es ist nur recht wenig drin." Dawin öffnete die beiden letzten Portionen, im Nu hatten sie auch diese weggegessen. Ihr Hunger war zwar noch nicht ganz gestillt, aber es hatte vorzüglich geschmeckt. Sie tranken von dem Wasser und wuschen sich die Hände. Am liebsten wäre Dawin nochmals ins Geschäft gegangen, und hätte die anderen Sorten die dort im Regal standen, ausprobiert. Aber er hatte ja noch etwas mitgebracht. Aus seiner Hosentasche zog er ein kleines Päckchen. "Scheinen Früchte drin zu sein, zumindest sind welche draufgemalt."
Sie öffneten es, fünf dünne, jeweils einzeln in silbriges Papier eingepackte Streifen aus einer harten getrockneten Masse lagen darin.
Vorsichtig schob sich jeder eines in den Mund, den Abfall warfen sie natürlich mit den leeren Büchsen in den Müll.
Anfangs war es sehr hart, doch nach mehrmaligem Kauen wurde die Masse immer weicher.
"Sind doch Früchte", bemerkte Randolf.
Nach einer Weile beschwerte sich Dawin, "Seltsam, ich beiße und kaue, aber ich kriege sie nicht klein."
"Geht mir genau so, bist du sicher daß man es nicht zuvor kochen mußte."
Da trat ein Menschenkind an Dawin heran, offenbar hatte es dem Alten schon längere Zeit beim Kauen zugesehen.
Der Junge war ebenfalls am Kauen, doch dann wuchs aus dessen Mund eine rosa Blase, sie wurde immer größer bis sie schließlich zerplatzte.
Der Junge wischte sich die Reste aus dem Gesicht und ging stolz weiter.
Randolf schaute aus dem Mantel heraus Dawin an, "Was war denn das?"
Fast gleichzeitig spuckten sie dieses gefährliche Zeug in Richtung Mülleimer, etwas das einem im Mund explodierte, das war zuviel.
Doch Dawin verfehlte das Ziel, beim Versuch es aufzuheben machte er den Fehler draufzutreten. Als er damit beschäftigt war zunächst seine Stiefel und danach seine Finger davon zu befreien, entdeckte Randolf in der vorbeiziehenden Menge das Gesicht Gabriels.


Endlich hatten sie das Dorf erreicht. Sofort versammelten sich alle um die drei Heimkehrer. Freddy fühlte sich beinahe so wie bei seiner Ankunft. Trotz der vielen die ihn fragten wie es gewesen war, und die sich freuten daß sie wieder da waren, schaffte er es sich von seinen Freunden zu trennen. Sofort machte er sich auf den Weg zur Bibliothek. Sie waren das letzte Stück durchgelaufen und er war immer noch außer Atem. Aber er mußte wissen ob es die richtigen Kristalle waren die er mitgebracht hatte, mehrmals hatte er sie in den letzten Stunden herausgenommen und aneinander gehalten. Trotz des schwachen Leuchtens hatte er immer noch Zweifel.
Quassel würde den anderen bestimmt schon begeistert ihre Erlebnisse schildern, und wahrscheinlich stellte er sich als allesrettender Held dar.

Schnell rief er zu Dawin, "Da, ich habe ihn gesehen!"
Randolf schaute wieder in die Menge, "Der mit den weißen Haaren, das ist er. Du mußt zu ihm."
Dawin sprang auf, nun hatte er den Mann ebenfalls gesehen. Er lief ihm nach und sprach ihn an. "Endlich haben wir dich gefunden."

Gabriel drehte sich um, ein Bettler kam auf ihn zugelaufen. Schon hatte er reflexartig seine Hand in seine Manteltasche gesteckt um nach Kleingeld zu suchen, als er die Art der Kleidung, oder besser gesagt von dem was noch übrig war, erkannte. Das konnte doch nicht sein, jemand aus der anderen Welt. "Was macht du denn hier? ", fragte er vollkommen überrascht, doch der verwahrloste Mann zog ihn aufgeregt zu einer Sitzbank hin.
"Wir haben nach dir gesucht, du mußt den Fluch erneuern, sonst gibt es einen Krieg."
Noch bevor Gabriel weiter über die Worte nachdenken konnte, erwartete ihn die nächste Überraschung. Auf der Bank saß ein unter einem Mantel versteckter Tworf. Er kannte ihn von irgendwoher, war das nicht dieser Freund von Kater? Verwirrt sprach er seinen Namen aus, "Randolf?"
Gabriel blickte sich nervös um, "Wir können nicht hierbleiben, ich wage gar nicht daran zu denken was hier loswäre wenn jemand ihn sehen würde. Kommt mit zu mir." Er konnte es immer noch nicht glauben, wie lange waren sie schon hier? Und was redete der andere von einem Fluch und einem bevorstehenden Krieg. Es mußte aber wichtig sein, sonst wären sie nicht hier.
Auf dem Weg zu seiner Wohnung schob Dawin, der sich eben schnell vorgestellt hatte, den Einkaufswagen vor sich her, während Randolf Gabriel alles zu erklären versuchte.


"Oh, das ist aber eine Freude, und wie schnell ihr wieder hier wart."
Alexander stand von seinem Tisch auf und begrüßte Freddy. Der legte ohne große Umschweife die Kristalle auf den Tisch, "Ich hoffe das sind die richtigen?"
Der Bibliothekar prüfte sie, "Ich kann dich beruhigen, die hier sind perfekt. Damit kannst du das Felsentor benutzen, und wie ich dir ansehen kann, möchtest du auch gleich wissen wie."
Freddy nickte und Alexander nahm wieder Platz. "Ich habe mich durch einige sehr dicke Bücher gelesen und weiß jetzt genau wie es funktioniert."
Er reichte Freddy ein Stück Papier. "Wenn du vor dem Tor stehst, dann lies diesen Spruch und versuche ganz fest an den Jungen zu denken, dass müßte dich dann zu ihm bringen. Halte während der Reise die Kristalle in der Hand und zerschlage sie bei deiner Rückreise, dazu mußt du nur den Spruch noch einmal lesen und an den Ort deiner Abreise denken."
"Warum konnte das Tor mich nicht direkt zum Dunkelwald bringen?", er hatte sich diese Frage auf der Reise schon mehrmals gestellt.
Alexander musterte ihn genau, "Du und deine vielen Fragen, eines Tages wirst du wohl noch schlauer sein als ich."
Verlegen schaute Freddy zu Boden, so hatte er das nicht gemeint.
Alexander lachte, "Na, so schlimm ist es auch wieder nicht. Also paß auf, ich werde es dir erklären. Die Felsentore waren dazu gedacht den Bewohnern dieser Welt die Reise in abgelegenere Gebiete zu erleichtern. Und anfangs klappte das auch, doch manchmal ist die Magie eben unberechenbar. Ein falscher Gedanke oder eine Unentschlossenheit reichten aus, und schon landeten viele dort wo sie eigentlich nicht hinwollten, manche verschwanden sogar spurlos. Die Wächter verboten daraufhin jede Benutzung der Felsentore, nur einige Magier wagten sich noch hinein. Im Laufe der Zeit vergaß man die Felsentore und ihre Macht.
Verstehst du nun, wie hätten sie dich an einen Ort bringen können den du noch nie gesehen hast, oder dessen Aussehen sich ständig verändert.
Du wärest wer weiß wo ausgekommen." Freddy sah ein dass Alexander natürlich Recht hatte, "Und wo finde ich dieses Felsentor, ist es sehr weit von hier?"
„Oh nein, es ist ganz in der Nähe, Kater wird dich morgen hinführen, oder nicht?"
Freddy schaute hinter sich, er hatte Kater gar nicht kommen gehört.
"Natürlich, diesmal lasse ich dich nicht im Stich."
Sie umarmten sich, "Freut mich dass du es geschafft hast. Das ganze Dorf ist auf den Beinen. Quassel erzählt schon zum zweiten Mal eure Geschichte."
Dann blickte er sehr ernst, "Ich hoffe nur daß es Randolf gut geht. Schließlich war ich es der ihn gebeten hatte euch zu begleiten."
"Ich bin sicher dass er es geschafft hat und es sich irgendwo gutgehen läst", beruhigte Freddy ihn.
"Übrigens", fügte Kater hinzu, "da war eine Porzellanpuppe bei mir, sie hat ständig nach dir gefragt. Du solltest vielleicht mal bei ihr vorbeischauen."
Ja, das würde er auch machen, und zwar gleich.

Alles lief wie geplant, die Soldaten des Darklords hatten unter dem Mantel der Unsichtbarkeit die Hälfte ihres Wegs hinter sich gebracht. Jedes Geräusch ihrer Schritte und auch das Knarren der Wagen verschluckte die Magie. Noch bevor es die Tworf bemerkten, fiel er schon in ihre Stadt ein. Das war der Anfang eines Krieges wie ihn diese Welt noch nie gesehen hatte. Die Magier hatten versagt und alle Wächter waren tot, es würde genau so kommen wie er es schon vor Jahrhunderten vorausgesagt hatte. Nur diesmal würde ihn niemand aufhalten.
In seiner Burg war es still geworden, nur eine Handvoll Krieger hielt sich noch hier auf. Er war bereit sich einer neuen Aufgabe zu stellen.
"Ist es an der Zeit?" Wie aus dem Nichts war Scie neben ihm aufgetaucht, er wußte dass der Dämon dabei sein wollte, wenn er sich die neue Macht aneignete. "Es wird ein leichtes sein, sie sind nicht in der Lage dir zu wiederstehen."
"Sie werden es erst gar nicht versuchen. Mit ihrer Magie werde ich meine Armee verhundertfachen. Nicht einmal die Elfen können mich dann noch aufhalten."
"Auch sie werden uns dienen", grinste Scie und wieder hallte sein kränzendes Lachen durch den Thronsaal.

Als erstes hatten sie Dawin dazu gebracht sich ein Bad zu gönnen, sein Geruch überschritt das Maß des Erträglichen schon bei weitem. In der Zwischenzeit hatte Gabriels Frau eine Kleinigkeit zu essen gemacht. Sie war eine etwas rundliche, aber mit weichen, freundlichen Gesichtszügen versehene Person, besorgt hatte sie der Zusammenfassung der Geschehnisse auf Pearl gelauscht. In ihren Augen konnte Randolf lesen, dass sie bereits wußte welche Entscheidung ihr Mann treffen würde.
Mit sauberen Kleidern, die Gabriel ihm zur Verfügung gestellt hatte, setzte sich Dawin zu ihnen, schnell verspeiste der den Teller Suppe der auf ihn wartete. Seine Haut war erstaunlich weiß und sogar die Bartstoppeln in seinem Gesicht waren verschwunden. Fast war er nicht mehr wiederzuerkennen.
"Ich weiß schon was du wieder sagen willst", fuhr er Randolf an, "behalte es lieber für dich."
Dann blickte er zu Gabriel, "Und wie hast du dich entschieden?"
"Ich werde euch begleiten, aber ich nehme an der Wächter hat euch nicht gesagt wie ich den Fluch wieder erneuern kann?"
Randolf schüttelte den Kopf, eigentlich hatte er geglaubt, dass dies mit der Hilfe des Wächters geschehen würde.
"Nun", erklärte Gabriel", ich muß einem deiner Freunde die Magie wieder entziehen, jemand wird sich opfern müssen."
Man sah dem Magier an, dass ihm diese Möglichkeit selber nicht besonders gefiel, aber es gab wohl keinen anderen Weg.
"Und das alles nur weil du dich nie so richtig für unsere Welt interessiert hast", meinte Randolf zornig.
Gabriel verstand sofort wie dieser Vorwurf gemeint war, "Es tut mir leid, aber versuche auch mich zu verstehen." Seine Frau war an ihn herangetreten und legte ihre Hand auf seine Schulter.
Gabriel versuchte sich zu rechtfertigen, "Ich wurde auf dieser Welt geboren mit Fähigkeiten die in der Euren gebraucht wurden. Früher war ich oft da, aber ich sah es als einen Besuch an, einen Besuch in einer Welt die nicht die meinige war. Hier war meine Heimat, hier lebten meine Familie und Freunde."
Dawin hatte sich währenddessen noch schnell einen weiteren Teller Suppe gefragt, nickte aber beim Essen aufmerksam mit dem Kopf.
"Ich habe immer unter dieser Macht gelitten", fuhr Gabriel fort, "sie erschien mir wie ein Fluch, ein falsches Wort und ich konnte die schlimmsten Veränderungen hervorrufen. Ständig war ich darauf bedacht die Magie nicht aus Versehen einzusetzen. Bei jedem Versuch sie zu Schwächen, erholte sie sich wieder. Als ich doch einen Weg fand und sie endlich aufgebraucht hatte ahnte ich nicht was für Folgen das haben könnte."
Er stand auf, "Aber ich werde alles tun um diesen Fehler wieder gut zu machen."
Randolf reichte ihm den Ring, "Vielleicht sollten wir uns mal anhören was der Wächter sonst noch zu sagen hat."
Gabriel streichelte seiner Frau über die Wange bevor er sich den Ring ansteckte, "Es wird alles gut werden, ich versuche so schnell wie möglich zurück zu sein."
Sie fuhr ihm durch sein silbergraues Haar, "Ich wußte ja was für einen Mann ich heirate", meinte sie, "paß gut auf dich auf."

Freddy und Kater kämpften sich durch dichtes Gebüsch, sie waren ziemlich früh aufgebrochen, und folgten einem schon längst vergessenen Weg. Dementsprechend schwierig war dieser dann auch zu begehen. Am Abend zuvor, nach seinem Besuch bei Daisy, war er noch einmal zu Kriecher gegangen. Sie dachten zurück, an Krim und den Händler, der ihnen so geholfen hatte. Aber auch an Diones, der zusehen mußte wie sein gesamtes Dorf ausgelöscht wurde. Hoffendlich setzte bald jemand dem Treiben des Darklordes ein Ende.
Kater hielt einige tiefhängende Äste hoch, Freddy schlüpfte drunter durch. "Ich nehme an Randolf hat dir einiges von mir erzählt?", begann der weiße Hund.
Freddy nickte, "Ich verstehe nun warum du nicht selber mitkommen wolltest."
"Ich war ein Feigling, anstatt selber den Mut aufzubringen euch zu begleiten, schickte ich einen Freund. Ich hoffe dir nun etwas helfen zu können."
Freddy machte einen kleinen Hüpfer, beinahe wäre er auf einen der Pelzkugeln getreten, die blitzschnell seinen Weg kreuzte, "Also, die habe ich während der Reise überhaupt nicht vermißt."
"Die aber anscheinend dich", bemerkte Kater und zeigte nach oben. Auf einem Ast saßen mindestens zehn der Kugeln.
"Haben die eigentlich einen Namen, ich meine außer Mistdinger; wie Quassel sie meistens nennt."
"Poohs, aber frage mich nicht was das bedeutet, ist eines der Tworfwörten dessen genaue Bedeutung ich nicht kenne."
Sie kamen an einen grünen Hang, aus einer etwa vier Meter hohen Felswand sprudelte eine Quelle, ein Wildpfad zeugte davon dass hier besonders viele Tiere des Waldes ihren Durst löschten. "Das ist es", sagte Kater und sah sich um, durch das dichte Blattwerk warf die Sonne seltsam gebündeltes Licht auf das klare Quellwasser, das sich in einem kleinen Bach sammelte der dann im Wald verschwand.


Er war bereit, wie ein schwarzer Schatten schwebte der Darklord über dem Dorf. Die Wesen unter ihm gingen währenddessen ihren üblichen Beschäftigungen nach, dumme, schwache Kreaturen, ahnten nicht im Geringsten was ihnen bevorstand. Er weckte die Magie in sich und ließ sie frei. Auch sein zweites Ich empfand Genugtuung, dies war seine Rache für all die erduldeten Schmerzen. Blitzschnell hatte er alle Bewohner erfaßt, aber auch die Aura des Dämonen hatte er entdeckt. Scie schaute von seinem Versteck in einem Baum hoch zu ihm, ein fieses Grinsen legte seine Zähne frei. Nicht zum ersten Male fragte sich der Darklord was wirklich hinter dieser Ergebenheit steckte.
Dann widmete er seine Gedanken wieder den Dorfbewohnern und griff an.

Kriecher befand sich im Garten und kaute an einem Salatblatt. Wie sehr hatte er das vermißt. Kater schätzte dass sie wenigen Stunden das Felsentor erreichen würden und kurz vor Abend wieder da wären. Hoffentlich hatte Freddy Erfolg, der Junge bedeutete ihm doch so viel. Er nahm noch einen guten Bissen und verließ mit vollen Backen den Garten. Es war ungewöhnlich still im Dorf geworden. Zwei der Clowns lagen auf einer Wiese und machten ein Nickerchen, Anton lag über seinen Gartenzaun gebeugt und schlief ebenfalls. Das erschien Kriecher doch sehr verdächtig. Schnell kroch er zu dem Pinguin und stieß gegen dessen Fuß, "Hey, was ist denn los mit dir?"
Ohne ihm zu antworten rutschte Anton einfach zu Boden. Aus seinem Körper schien alles Leben gewichen zu sein. Voller Panik rief Kriecher um Hilfe, doch er war allein, niemand war mehr da um sein Rufen zu hören. Aufgeregt durchquerte er das gesamte Dorf. Überall bot sich ihm das gleiche Bild. Leblose Stofftiere und, auch die anderen Puppen und Figuren lagen einfach herum als hätten sie nie Leben in sich gehabt. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen und schaute am Clownhaus vorbei. Unter denen, die im Saal lagen fand er seinen Freund nicht, zitternd begab sich Kriecher in Quassels Zimmer.
Sein bester Freund lag auf dem Boden, die Augen, die sonst voller Lebensfreude funkelten waren leer und tot.
Tränen schossen über Kriechers Gesicht, was konnte nur geschehen sein? Wer würde etwas so gemeines anrichten wollen?
Doch da waren noch Freddy und Kater, vielleicht ging es denen ja gut, sie waren weit fort vom Dorf. So blieb ihm nichts anderes übrig als auf die Rückkehr der beiden zu warten. Kriecher wußte dass dies die längsten Stunden seines Lebens werden würden.


Das war es also, von hier aus würde er zu Michael gelangen. Doch eigentlich sah es wie eine gewöhnliche Felswand aus, "Bist du dir sicher, dass wir hier auch richtig sind?", fragte er nach.
Kater klopfte an den Fels, "Oh ja, das ist das Tor, eines der letzten die noch bekannt sind."
Freddy tastete den kalten Stein ebenfalls ab, nichts deutete darauf hin das er vor dem Zugang einer anderen Welt stand.
"Los versuch es", drängte ihn Kater, "sag deinen Spruch auf."
"Was ist wenn ich in der falschen Welt lande?"
"Halte dich an das was Alexander dir gesagt hat, dann wird schon nichts schiefgehen."
Na gut, Freddy war soweit, er versuchte sich an die dunkle Welt aus seinen Träumen zu erinnern. In seinen Gedanken war er schon dort. Schnell las er die Worte, "Anaries lineas."
Hmm, klang irgendwie blöd, doch als er zu Kater hinübersehen wollte, fing die Felswand an sich zu bewegen. Es sah so aus als ob viele kleine Regentropfen darauf einschlügen. Etwas packte, und schleuderte ihn gegen den grauen Fels. Einen Moment lang schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Doch dann befand er sich inmitten seines Alptraumes. Kalte Finsterniss war um ihn, Freddy nahm die Kristalle fest in die rechte Hand, ihr schwaches pulsierendes Licht reichte nur knapp einen Meter weit, dennoch war weiterhin alles schwarz. Er hielt das Licht fest an den Boden, der Untergrund war glatt, wie aus poliertem Stein. Dann setzte er vorsichtig einen Fuß vor den anderen, er lauschte, doch nichts war zu hören. Wenigstens klebten seine Füße hier nicht am Boden so wie in seinen Träumen, er versuchte zu laufen. Von irgendwoher kam ein
leises Wimmern. Die linke Hand vor sich haltend lief er los und sprach den Namen des Jungen aus, zunächst ganz leise, dann schrie er.
"Michael!.
Stille.
Das Wimmern hörte auf.
Zögernd, fast ungläubig sprach eine Stimme seinen Namen aus. "Freddy?"
Er blieb stehen, im gleichen Moment standen sie sich gegenüber und sahen sich an.
Michael nahm den Teddy hoch, "Freddy! Ich habe dich gesehen, immer wenn ich meine Augen geschlossen hatte konnte ich sehen. Doch auf einmal warst du weg."
"Es war in meinen Träumen, durch sie konntest du mich sehen." Er hob seinen Arm, "Ich habe jetzt richtige Hände."
Er spielte mit seinen Fingern, und neue Freunde habe ich auch, sie halfen mir zu dir zu finden."
Freddy hob beide Arme hoch, "Ich habe dich so vermißt."
Der Junge drückte ihn fest an sich, "Ich dich auch."
Solange hatten sie auf diesen Augenblick warten müssen.
"Weißt du warum ich hier bin" ,fragte Freddy.
Michael setzte ihn wieder zu Boden, im Licht der Kristalle hockte er sich dazu, "Du hilfst mir hier raus zu finden."
Freddy nickte.
"Aber ich weiß nicht wie, was ist wenn ich aufwache und das Auto immer noch da ist?"
"Es wird alles wieder gut, deine Eltern werden bei dir sein, lasse sie nicht länger warten."
"Was ist mit dir? Wirst du auch wieder da sein?"
"Natürlich, es wird wieder so sein wie vorher."
"Wie vorher? Dann wirst du nicht mehr sprechen können."
Das war Freddy egal, Michael mußte von hier weg. Es gab keinen anderen Weg, selbst wenn er auf alles verzischten mußte, dieser Preis schien ihm angemessen für das Leben des Jungen.
"Nein, so will ich das aber nicht", Michael hatte begriffen. "Ich will das du bei deinen Freunden bleibst. Es ist nur so...ich werde dich vermissen."
Tränen standen in seinen Augen. Freddy ging auf ihn zu und wischte sie ab, "Solange du an mich denkst bin ich bei dir."
Er zeigte auf das Herz des Jungen, "Da drin."
"Kein Auto?", fragte Michael noch einmal.
"Kein Auto, aber je länger du hierbleibst, desto schwerer wird es wenn du zurückgehst", Michael war auf dem rechten Weg, "ich wette du vermißt deine Eltern genau so wie sie dich."
Der Junge ballte seine Faust, "Ich will wieder Heim, sie sollen sich keine Sorgen mehr machen. "Was muß ich tun?"
"Denke an sie, erinnere dich an all das Schöne das du erlebt hast und glaube an die Zukunft."
Michael stand auf, er wollte seinen Freund noch einmal in die Arme nehmen, doch seine Hände griffen durch den Teddy hindurch. Er wachte auf.
"Alles Gute", rief Freddy ihm noch nach, "ich werde immer an dich denken."
Dann stand er alleine da, ein leises Grollen war zu hören, Michaels Traumwelt fiel in sich zusammen.
Schnell nahm Freddy die Kristalle und schlug sie zusammen. Gleißendes Licht verbreitete sich und er sprach die Formel aus, dabei dachte er an Kater und die Felsenwand.
Mit einem Male stand er vor ihm.
"Na endlich", begrüßte ihn sein Freund, "während du weg warst ist etwas seltsames geschehen."
Freddy sah sich um, das war doch nicht der Wald, sie befanden sich am Rande einer Strasse, und in der Nähe konnte er die Mauern einer großen Stadt erkennen.
'Ich habe nichts gemacht", verteidigte sich Kater, "ich habe nur eben mal mit den Fingern gegen den Stein getippt, da saugte mich der Felsen auf und dann war ich auch schon hier."
"Wo sind wir denn?", fragte Freddy, die Stadt schien nur eine halbe Stunde entfernt zu sein.
Kater sah zu den Mauern rüber, "Das ist Simra, ich kann aber wirklich nichts dafür."
Nach kurzem Überlegen kamen sie zu dem Schluß, dass der Spruch sie wahrscheinlich hierher gebracht hatte, trotzdem war Freddy weiterhin der Meinung ihn richtig aufgesagt zu haben.
Kater entschuldigte sich, "Ich habe vor lauter Aufregung vergessen nachzufragen wie es denn war."
Mit wenigen Worten berichtete Freddy vom glücklichen Ausgang seines Wiedersehens mit Michael, "Ich fühle das es ihm gutgeht. Und ich habe mir vorgenommen einen Weg zu finden um ihn noch einmal zu treffen."
Er schaute zur Stadt hin, "Und was machen wir jetzt?"
"Wenn wir schon mal hier sind, könnten wir uns ja ein wenig umsehen", schlug Kater vor, "ich meine, bis zum Dorf brauchen wir mindestens noch mal sechs Tage."
Katers Vorschlag gefiel Freddy und er stimmte dem zu.
Sie gingen los und näherten sich schneller als gedacht dem Stadttor, Freddy mußte daran denken was Randolf ihm von der Stadt erzählt hatte, ob es dort wirklich so schlimm war?
"Scheint etwas nicht in Ordnung zu sein", bemerkte Kater, "überall sind Wachen postiert, sogar die Türme sind voll besetzt."
Jetzt konnte Freddy es ebenfalls sehen, schwerbewaffnete Posten standen überall verteilt, sie hielten Pfeil und Boden im Anschlag bereit.
"Sieht aus als erwarteten sie einen schweren Angriff."
Bei Katers Worten fiel Freddy Jimer wieder ein, ob es da wohl einen Zusammenhang gab?
Schnell hatten sie das Stadttor erreicht, eine lange Schlange von Tworf wartete bereits davor. Sie stellten sich zu den Wartenden, immer nur zwei wurden mit einem Male hineingelassen.
"Kann ja noch etwas dauern", meinte Freddy und um sich die Zeit zu verkürzen sah er sich die vor ihm stehenden Tworf genauer an. Viele trugen schwere Körbe bei sich, sie waren bis zum Rand mit Lebensmitteln gefüllt. Man merkte, dass alle sehr angespannt waren.
"So etwas habe ich noch nie gesehen, die Lage scheint wirklich ernst zu sein." Kater machte sich Sorgen.
Der Tworf der vor ihnen stand drehte sich um, "Habt ihr denn noch nicht davon gehört?"
Sie winkten mit den Köpfen, obwohl beide schon eine leise Ahnung hatten. "Nein, weißt du denn genaueres?"
"Man soll die Spuren einer ganzen Armee gefunden haben, mehrere Tagesreisen von hier. Magie hatte sie zwar verwischt, aber es braucht schon einiges mehr um einen Tworfspäher zu täuschen."
Sie standen beinahe vor dem Tor.
"Und nun versucht jeder in der Stadt Schutz zu suchen?", fragte Freddy.
"Die meisten, einige wenige haben sich in den Wäldern versteckt, aber ich vertraue den Mauern hier mehr. Und ihr, warum seid ihr hier?"
Noch bevor sie ihm antworten konnten, winkte ein Wächter ihn herein, das Haupttor schloß sich kurz, dann waren sie an der Reihe.
Das erste was Freddy von Simra sah waren mehrere Pfeile die auf ihn gerichtet waren. In den Gesichtern der Soldaten sah er, dass sie nicht zögern würden sie abzuschießen.
"Die sind in Ordnung", sagte eine Stimme neben ihnen.
An der besonderen Kleidung erkannte Kater, dass es der Hofmagier war. Ein goldenes Amulett spiegelte sich im Sonnenlicht, es stellte das Zeichen der Tworfmagier dar, einen Zweig mit Blättern.
"Es muß doch einen Sinn haben, dass man alle so streng kontrolliert", fragte Kater, doch Freddy wies mit seiner Hand nach rechts.
Ihnen stockte kurz der Atem, nicht weit lag eine mit mehreren duzend Pfeilen durchstochene Leiche.
Sie sah auf den ersten Blick wie die eines Tworf aus, doch bei genauerem hinschauen konnte man erkennen, daß sich die Gesichtshaut löste.
Darunter schimmerte eine schwarze Wucherung.
"Ein Krieger des Darklords, er hat versucht die Stadt auszuspionieren." Ein älterer Tworf gesellte sich zu ihnen, er trug ebenfalls ein Medaillon.
"Mein Name ist Yieldem, wir haben euch schon erwartet. Wenn ihr mir bitte folgen würdet."
Freddy verstand gar nichts mehr, "Woher wußtet ihr das wir kommen?"
"Vielleicht hat er uns durchs Felsentor hergebracht?", flüsterte Kater, "aber wozu?"
Kater holte den vor ihnen gehenden Mann ein, "Warum das alles, was habt ihr vor?"
Yieldem tat geheimnisvoll, "Das kann ich euch noch nicht sagen, wartet bitte bis wir im Palast sind."
Ihnen blieb also nichts Weiteres übrig als sich zu gedulden, so folgten sie ihm durch die weiten Strassen der Stadt. Und wenn ihnen nicht überall bewaffnete Patrouillen entgegengekommen waren, hätte man sogar glauben können es handle sich um irgendeinen ganz normalen Tag. Vor den Geschäften und Ständen herrschte reger Verkehr, es wurde lautstark verhandelt und gefeilscht. Einige alte Frauen standen zusammen und redeten emsig mit- und durcheinander. Vor einem Gasthof saßen Männer und diskutierten, so wie Freddy es im Vorbeigehen verstand ging es wohl um die Größe der feindlichen Armee. Er schnappte einige Worte auf,"...hab gehört die sollen ihre Gefangenen aufessen."
Zügig lief er weiter, das wollte er nun wirklich nicht hören. Ihm fiel Randolfs Bruder ein, gerne hätte er ihm einen Besuch abgestattet. Ob sich die beiden wohl ähnlich sahen?
"Da, der Palast", Kater zeigte nach oben. Freddy hatte die weißen Mauern schon von der Strasse aus erkennen können. Sie waren noch höher als die eigentlichen Stadtmauern. Erstaunt blickte er nach oben, es gab nur wenige große Fenster, keine Verzierungen, kein Prunk, eher war alles schlich und einfach belassen worden. Ganz und gar nicht so wie man sich einen Königspalast vorstellte, oder wie sie in einer der Bücher, die er gelesen hatte, beschrieben wurden. Ein Blinken ließ ihn sich umdrehen, in einen den Schwertern der auf den Türmen postierten Wachen spiegelte sich das Licht der untergehenden Sonne.

Die kleine Schnecke war am Verzweifeln, es wurde Abend und noch immer war nichts von den beiden zu sehen. Kriecher hatte es mit viel Mühe geschafft den Clown aufrecht gegen das Bett zu lehnen. "Hoffentlich kommen sie bald, ich weiß sonst nicht was ich machen soll." Er redete schon die ganze Zeit mit seinem Freund, irgendwie half ihm das.
Noch einmal wollte er seine Familie nicht verlieren. Er kroch unter den Arm des Clowns und wartete.


Yieldem hatte sie zur Bibliothek gebracht, gleich sollte sich jemand um sie kümmern. Normalerweise war sie für jeden in Simra frei zugänglich, doch heute schienen Kater und Freddy die einzigen in dem riesigen Gebäude zu sein. Magisches Feuer brannte in den vielen Glaslaternen die mit geringem Abstand überall an den Wänden hingen.
Freddy war sehr beeindruckt. Alexander hatte sie schon einmal erwähnt, aber dass sie so groß war hätte er nie gedacht. Man konnte sie in keinster Weise mit der in Walddorf vergleichen. Alles war klar und übersichtlich geordnet. Er streifte etwas umher und schaute sich um. Hier gab es Erzählungen und Gedichte. Bücher in fremden Sprachen, unzählige Bände über Tiere und Pflanzen. Bestimmt würde ein Leben nicht ausreichen um dies alles zu lesen, und dabei hatte er erst ein paar Regale hinter sich gelassen. Der Raum schien fast kein Ende zu haben, ob es auch Bücher über die Menschenwelt gab? Schnell überflog er die Überschriften auf den Regalen. Kochbücher, Pflanzen, Gesundheit und Heilmittel. Bei einer Umschreibung blieb er stehen, REISEBERICHTE.
Das schien interessant zu sein, er suchte ein Buch heraus und las leise den Titel, "Zu Besuch bei Elfen, Menschen und anderen Nichttworfs."
Ob sein Dorf auch darin vorkam? Er blätterte und fand die Inhaltsangabe.
Flugdahns, Kobolde, Menschen, Wasserwesen, da, er hatte es gefunden, Menschenspielzeuge. So was aber auch; konnten die sich denn keinen anderen Namen ausdenken. Er merkte sich die Seitenzahl, suchte sie und las. Die Buchstaben waren ziemlich groß ,trotzdem ging er alle mit dem Zeigefinger beim Lesen nach. "Ein kleines Dorf mitten im Südwald, bewohnt von kleinen, zum Teil sehr bunten aber stets freundlichen Wesen.
Aus der Menschenwelt hierhin gebracht und von Magie belebt ,fristen sie ein ruhiges Leben im Einklang mit ihrer Umgebung. überaus Gastfreundlich wurde ich während meines kurzen Aufenthaltes von ihnen bewirtet. Sie selber benötigen keine Nahrung, was man am Geschmack der von ihnen zubereiteten Speisen leider auch bemerkt..."
Freddy hörte wie jemand den Raum betrat, schnell schob er das Buch wieder an seinen Platz, das würde er sich später noch einmal durchlesen, und ging mit schnellen Schritten zum Eingang. Als er dort ankam hatten sich schon mehrere Personen zu Kater an einen Tisch gesetzt. Sie unterhielten sich aufgeregt. Nachdem Freddy sich zu ihnen gesetzt hatte, schaute er sich die Gesichter genauer an. Mit großen Augen erkannte er Gabriel, Randolf und Dawin.
"Wir müssen unsere Wiedersehensfreude leider auf ein anderes Mal verschieben", sagte Randolf zu Freddy, "wir haben ein ernsthaftes Problem."
Trotzdem vermochte der Teddy es nicht seine Freude zu verbergen, ein breites Grinsen stand in seinem Gesicht. Randolf hatte es also doch geschafft, anscheinend hatte der Alte aus dem Sumpf ihm dabei geholfen. Aber was machte Gabriel hier?
Aufmerksam lauschte er den Worten die an Kater gerichtet waren. Randolf sprach von einem Wächter und davon dass sie den Auftrag erhalten hatten den Bannfluch zu erneuern, "Du mußt eine wichtige Rolle dabei spielen, aber genaueres wollte der Wächter uns nicht sagen."
Gabriel meinte noch, "Du sollst auf jeden Fall dabei sein wenn wir den Angriff gegen sein Lager starten."
Von Freddy sprach keiner.
"Wir haben herausgefunden wo er es aufgeschlagen hat, "Yieldem stand auf, "der Darklord ist leicht geschwächt, eine Armee unsichtbar zu halten war selbst für ihn eine Anstrengung. Auch die neugewonnene Magie, die er euren Freunden entzogen hat, reichte nicht aus um uns zu täuschen. Wir rechnen erst morgen mit einem Angriff auf die Stadt, zur Zeit sind sie damit beschäftigt Belagerungstürme zu bauen."
Kater warf einen flüchtigen Blick zu Freddy, hatte er richtig gehört? „Die neugewonnene Energie die er euren Freunden entzogen hatte“, er wiederholte leise diesen einen Satz, und begriff.
Der Darklord hatte das Dorf angegriffen, das Ergebnis konnte er sich gut vorstellen, bestimmt war alles zerstört worden.
„Unser Dorf?“, stotterte er ungläubig, und senkte kurz seinen Blick.
Yieldem nickte, “Es tut mir leid, wir haben bei einigen Gefangenen Spionen Spuren der Magie Gabriels ausgemacht. Sie kann nur von euren Freunden stammen, und freiwillig werden sie ihn sie bestimmt nicht überlassen haben.“
"Wie konnte er ihnen einfach das Leben entziehen?", eigentlich hatte Freddy nur leise für sich gesprochen, aber alle hatten es verstanden.
"Ja, wie?, "wiederholte Kater.
Zum ersten Mal äußerte sich Gabriel selber, "Yieldem hat mir erklärt, dass der Darklord die Fähigkeit hat, anderen die Magie zu entziehen, fast auf die gleiche Art wie ich sie euch geben konnte. Er vermag es außerdem Wesen umzuwandeln, in von ihm kontrollierte Marionetten. Seine anderen magischen Fähigkeiten sind weniger stark entwickelt, vielleicht schaffte er es die dünnen Steinmauern der Häuser Jimers zu zerbrechen, aber die Stadtmauern würden einem seiner Angriffe längere Zeit widerstehen. Seine eigentliche Kraft zieht er aus der Angst seiner Opfer."
So schwer es ihm auch viel, Kater wusste das keine Zeit zum Trauern war, er würde sich später mit dem Schmerz in ihm auseinandersetzen müssen. Er sah zu dem Teddy rüber, auch er wirkte sehr gefaßt.
Yieldem sprach weiter, "Wir haben dafür gesorgt das er von der herannahenden Unterstützung der Weiner erfährt. Deshalb wird er seine Magie bis zu ihrem Erscheinen aufheben. Wir müssen uns zunächst nur um seine Soldaten Sorgen machen."
Ein jüngerer Tworf ergriff das Wort. Er trug die Uniform der Wachen die sich im Palast aufhielten, er stellte sich vor, "Ich bin Almon, Befehlshaber der Palastgarde. Wir werden noch heute Nacht die Stadt verlassen und uns dem feindlichen Lager nähern. Bei dem wahrscheinlichen Angriff morgen früh, werden sicherlich nur wenige Soldaten im Lager bleiben, es ist unsere einzige Chance an den Magier heranzukommen."
"Aber wie wollt ihr gegen seine Kräfte etwas ausrichten?" Für Kater war es reiner Selbstmord. Er warf den Torfzauberern einen verächtlichen Blick zu. Wollten sie es etwa mit einem Magier von der Klasse des Darklords aufnehmen?
Yieldem redete weiter, er hatte den ihm zugeworfenen Blick richtig gedeutet. "Du hast recht, wir sind zu schwach um uns mit ihm zu messen, außerdem werden wir hier nötiger gebraucht. Es wird viele Verletzte geben, die unsere Hilfe benötigen. Der Wächter hat gesagt, dass jemand es schaffen wird den Darklord in die Enge zu treiben und ihn verunsichern wird, erst dann kommt Gabriel ins Spiel.
Wir haben uns gut vorbereitet, wissen wer er ist und kennen seine Fähigkeiten. Aber wie schon bei seinem ersten Versuch wird auch hier sein Größenwahn ihn zu Fall bringen. Er glaubt mit der Kraft Gabriels und der seinigen wäre er unbesiegbar, aber sein Verfall wird von innen heraus gekommen, und wir glauben daß du es auslösen wirst." Er sah auf Kater.
Der schluckte, "Warum gerade ich?"
Almon erhob sich ruckartig, "Wir haben keine Zeit mehr für Erklärungen, wir müssen umgehend aufbrechen, außerdem ist es besser wenn wir nicht zuviel von unserem Plan preisgeben.“
Kater zögerte, sollte er wirklich etwas gegen das Böse ausrichten dass sie alle bedrohte? Yieldem sprach in Rätseln, er war doch kein Kämpfer, aber er würde es wenigstens versuchen, der Überfall auf Walddorf konnte und würde nicht ungesühnt bleiben.
Er schloß sich den anderen an, die mit schnellen Schritten die Bibliothek verließen, Freddy blieb zurück und rief ihnen hinterher, "Was ist mit mir? Wie kann ich helfen."
Randolf drehte sich um und ging zu dem Teddy hin, "Ich nehme an deine Mission war erfolgreich?"
Freddy bejahte es.
"Dann bleibe hier, dass du dort draußen dein Leben riskierst ergibt keinen Sinn. Alleine bei dem Angriff auf das Lager werden viele sterben, du mußt nicht unbedingt dazugehören. Wenn wir erfolgreich sein werden, kannst du mir ja deine Abenteuer erzählen, und wenn nicht,...dann spielt das auch keine Rolle mehr. Bis dann, wünsche uns viel Glück."
Er drehte sich um und folgte schnell den anderen. Freddy kam sich vor wie ein kleines Kind, das keiner dabei haben wollte, als wenn man ihn zum Spielen wegschicken würde. Konnten sie denn nicht verstehen, dass es auch um seine Welt ging.

Der Darklord beobachtete seine Soldaten, seine Geschöpfe. Im Schein der Feuer die sie entzündet hatten, bereiteten sie sich auf den morgigen Tag vor. Einige säuberten ihre Waffen, andere saßen einfach nur so da. Die letzten Arbeiten an den beiden Belagerungstürmen waren abgeschlossen. Am liebsten hätte er mit ihnen gekämpft, Brechen in die Stadtmauern gebrannt und sich an den Schreien der Verletzten gelabt.
Doch seine Spione hatten herausgefunden dass man sich die Hilfe der Weiner zugesichert hatte. Er mußte vorsichtig sein, nur wenige hatten bisher mit den geheimnisvollen Bergbewohnern zu tun gehabt. Und kaum einer soll eine Konfrontation mit ihnen überlebt haben. Sie waren Geschöpfe aus einer anderen Welt und normalerweise hielten sie sich nicht mit den Problemen anderer auf, doch anscheinend pflegten sie freundschaftliche Beziehungen zu den Tworf. Nun gut, sollten sie, irgendwann hätten auch sie auf seiner Liste gestanden. Es ärgerte ihn nur, das man sein Nahen bemerkt hatte. Aber ein zu einfacher Sieg hätte ihm sowieso keinen Spaß gemacht. Wenn die Weiner eintreffen würden, liefen sie genau in einen Hinterhalt, auf allen Zugangswegen hatte er Soldaten postiert. Und vielleicht konnte er dann sogar sie umwandeln, und ihre Macht der seinigen hinzufügen.
Schade, zu gerne hätte er die Gedanken der alten Magier gesehen, sie hielten eine Welt am Leben in der er herrschen würde.

Sie waren zu zwanzig, die besten Kämpfer der Palastgarde, Randolf, Kater, Gabriel und auch Dawin der sich ständig fragte was er eigentlich da machte.
Unbemerkt hatten sie die Stadtmauern hinter sich gelassen, ein kurzer Lauf über freies Gelände und schon waren sie in dem Wald westlich der Stadt verschwunden. Alles war sehr schnell und unter strengster Geheimhaltung geschehen, es war nicht auszuschließen dass sich noch weitere Spione in Simra aufhielten.
Aber trotz der gebotenen Vorsicht war es doch jemandem gelungen ihnen zu folgen. Unerkannt heftete er sich an ihre Fährte.


Es waren nur noch wenige Stunden bis zum Sonnenaufgang, Yieldem stand mit Seltur dem Hofmagier auf dem höchsten Turm des Palastes, alles war zum Kampf vorbereitet. Frauen und Kinder hatten sich in den unterirdischen Katakomben versteckt. Falls die Stadt doch fallen würde konnten sie sich durch geheime Ausgänge in Sicherheit bringen. Die meisten Männer der Stadt hatten sich bewaffnet und warteten darauf für die verletzten Soldaten einzuspringen. Die, die keine Waffe in die Hand nehmen wollten oder konnten versorgten die Verletzten.
Das Lager des Feindes lag westlich im Wald, dann hatten die Angreifer die Sonne im Rücken. Yieldem betete dass ihr Plan funktionieren würde, hoffentlich konnten die anderen den Darklord ausschalten bevor er selber in das Geschehen eingriff. Das Hämmern und Klopfen das gestern aus dem Wald drang hatte in der Nacht aufgehört. Die feindlichen Soldaten, hatten ihr Werk beendet. Wenn er wüßte wie viele es überhaupt waren, die dem Magier ergeben waren. Er schätzte das Verhältnis der Verteidiger und der Angreifer auf fast eins zu eines. Aber viele der Tworfsoldaten waren zur Zeit weit weg von hier bei ihren Familien, wo sie bei der Ernte halfen. Und dass der Befehl zur Rückkehr sie noch rechtzeitig erreichte, bezweifelte Yieldem sehr. Unter ihm versammelten sich immer mehr Tworfsoldaten, viele waren angespannt und nervös.
Ihm erging es nicht besser. Dabei hatte er schon öfters getötet, immer nur um Unschuldige zu retten, doch was bald hier geschehen würde ergab keinen Sinn, die Angreifer selber waren die Opfer, und so wartete er nicht nur auf den Morgen, sondern auch auf ein wahrscheinlich doch nicht eintreffendes Wunder.


Die Gruppe hatte ihr Ziel erreicht, vor ihnen lag das feindliche Lager. Seit der Ankunft waren viele Bäume gefällt worden, zwei hohe Belagerungstürme warteten auf ihren Einsatz. Ungefähr fünfzig Mann waren nötig um jeden von ihnen bis zur Stadt zu ziehen. Und wie auf Kommando versammelten sich die Schwarzen um diese Türme und begannen sie mühevoll in Richtung Stadt zu ziehen.
"In zwei bis drei Stunden werden sie dort sein", meinte Almon, "dann werden ihnen die anderen bald folgen. Uns bleibt nichts anderes übrig als so lange zu warten."
Die Gruppe wagte sich bis an wenige Meter an das Lager heran, die Wachen waren inzwischen abgezogen und bereiteten sich sicher ebenfalls auf den Angriff vor.
"Da hinten, das ist der Dämon, Randolf zeigte auf eine, unter einer dunklen Kutte versteckte Gestalt. Ehrfürchtig machten ihm die Soldaten Platz.
"Sie haben genau so viel Respekt vor ihm wie vor dem Darklord", meinte Gabriel, "was wißt ihr denn von ihm?"
"Er muß schon bei dem ersten Versuch des Darklordes dabei gewesen sein, "Almon legte sich neben ihn auf bemoosten Waldboden und sah dem Dämonen zu wie er durch die Reihen der Soldaten schritt. "Es wird überliefert, dass er erst den Darklord auf diese Ideen gebracht haben soll.
Nach dem Tod des Magiers war er spurlos verschwunden. Viele glaubten er wäre wieder in seine eigene Welt zurückgekehrt." Almon machte ein Zeichen zu einigen seiner Männer, "Nachher kümmert ihr euch um den da."
Aufmerksam verfolgten sie die weiteren Vorbereitungen, bis sich schließlich alle in Bewegung setzten und auf die Stadt zumarschierten.
Almons Gruppe verteilte sich und versteckt schlichen sie zu einer Anhöhe von wo aus sie einen Blick auf die Stadt hatten. Die Belagerungstürme standen schon bereit, und wie eine schwarze, riesige Schlange bewegten sich die Soldaten des Darklords auf Simra zu.
Sie teilten sich auf, konzentrierten sich aber vor allem auf das Haupttor. Viele blieben aber weiter in den Wäldern versteckt.
Erst als sich die Streitmacht nahe genug an den Stadtmauern befand verdunkelte sich kurz der Himmel, tausende von Pfeilen schwirrten auf die Angreifer zu. Doch die meisten von ihnen blieben ohne größeren Schaden anzurichten in den schwarzen Panzerungen stecken.
Unbeirrbar stürmten die Soldaten aufs Haupttor und die Seiteneingänge zu.
Almon rief alle wieder zum Lager zurück, die wenigen Wachen die man aufgestellt hatte, waren kein Problem für die Krieger der Palastgarde, die meisten waren schon tot noch bevor ihre Körper den Boden berührt hatten. Man hatte ihnen wirklich die besten mitgegeben, lautlos drangen sie tiefer in das Lager vor, verschmolzen mit ihrer Umgebung und tauchten blitzschnell vor ihren Gegner auf, diese hatten kaum die Möglichkeit zur Gegenwehr.
Die Sonne war weiter aufgegangen, und Randolf hielt sich mit Kater, Dawin und Gabriel hinter dem Lager versteckt. Als die ersten Alarmschreie durch Lager gingen, war der Angriff schon voll im Gange, nun waren sie an der Reihe, zunächst mußten sie das Zelt des Darklordes finden.


Der Ansturm auf die Stadt ging unvermittelt weiter. Immer mehr Soldaten tauchten aus den Wäldern auf, für jeden den die Tworf töteten, kamen drei neue hinzu. Die Pfeile zeigten auf dieser kürzeren Distanz eine bessere Wirkung, auch wenn immer noch mindestens drei nötig waren um einen der Feinde zu stoppen. Der erste Vorrat war schon fast aufgebraucht, viele der Bogenschützen bedienten sich bereits aus den zweiten Körben. Diese Pfeile waren in ein Gift getaucht worden, und jetzt fielen die Getroffenen schon beim ersten Treffer schreiend zu Boden. Sie wälzten sich im Staub umher, und als das brennend Gift endlich seine Wirkung verlor war es für sie lang zu spät. Andere Soldaten liefen über die leblosen Körper, von denen nun immer mehr am Boden lagen. Yieldem beobachtete alles, er sah die Verluste in den eigenen Reihen, denn auch die Angreifer schossen einen wahren Hagel von Pfeilen ab, nur war deren Wucht um ein Vielfaches stärker. Sie durchdrangen die leichte Rüstung der Tworfkrieger und traten meist hinten wieder aus, wenn sie nicht tief in den Körpern stecken blieben.
Der Feind näherte sich immer mehr der Stadtmauer, die Belagerungstürme würden es den Angreifern bald erlauben die Mauern zu erstürmen.
Yieldem hob seine Hand, aus seinen Fingern strömte helles Licht, es formte sich zu einer Kugel. Er schleuderte sie in die Höhe, und für einen Augenblick färbte sich der Himmel rot.
Das war das vereinbarte Zeichen, die Tworf traten von den Mauern zurück, fast sah es aus als gäben sie auf.


Dann erschienen größere Gestalten an den Mauern. Sie waren sehr schlank, hatten langgezogene Gesichter und trugen violette Kleidung; die aus nur einem, kunstvoll um den Körper geschlungenes Tuch bestand. Es schien so als würden sie bleiche Wachsmasken tragen.
Es waren an die fünfhundert, viel mehr als Yieldem erhofft hatte, die sie unterstützen wollten. Für einen Moment stoppte der Angriff, die feindlichen Krieger wußten nicht so recht was sie von den neuen Verteidigern halten sollten. Dann setzten sie ihre Attacke weiter fort.
Yieldem sah auf sie herab, der Ansturm aus den Wäldern hatte aufgehört, von dem hohen Turm sahen die Feinde aus, wie kleine schwarzen Punkte die sich vor der Stadt versammelten und den Hauptangriff starteten. Mit Baumstämmen versuchten sie das Haupttor auszustoßen, brennende Pfeile schlugen auf die vier Seiteneingänge ein, dann griffen sie mit den beiden hohen Belagerungstürmen an. Immer näher kamen sie der Mauer.
Yieldem lächelte, die Weiner waren schon seit Tagen in der Stadt, nun wendete sich das Blatt. Einer der Weiner trat von hinten an sie heran, er und Seltur begrüßten ihn und seinen Begleiter mit einem schwachen Kopfnicken. Der andere Tworf, er trug ebenfalls eine Uniform, sah auf das Schlachtfeld hinab, "Wir haben ernste Verluste, nicht wahr?"
"Jeder einzelne von ihnen ist ein Verlust", entgegnete Seltur dem König. Er mochte den Mann nicht, doch in diesem Fall war er gezwungen sich mit dem zu selbstgefälligen Monarchen abzugeben. In Wirklichkeit war der sowieso nur noch auf dem Papier Herrscher, der Rat und die Magier hatten ihm nur noch eine Repräsentantenrolle zugedacht.
"Laßt es uns beenden", sprach Yieldem zu dem hochgewachsenen Weiner hin. Niemand konnte ahnen, wenn man sie sah welche mörderische Kraft in ihnen lebte.
An einem der runden Ohren hing ein Ring. Er zeichnete den Weiner als wichtige Persönlichkeit aus, auch wenn keiner der Anwesenden so richtig wußte wer genau vor ihnen stand. Doch sie wollten helfen, und nur das zählte.
Der Ansturm der Feinde wurde abrupt gestoppt, Lichtpfeile aus den Körpern der Weiner durchbohrten die Soldaten. Dann explodierten sie regelrecht in einem Ball aus Fleisch und Blut. Mehrere Blitze trafen auch die beiden Türme, die beinahe bis an die Mauer heranreichten.
Sie zersplitterten in tausende von Teilen, Feuer verbrannte alle umherstehenden Soldaten. Man konnte glauben dass sogar der Himmel Feuer gefangen hätte. Als der Rauch des brennenden Holzes sich verzog sahen die Tworf das die Angreifer erschrocken zurückwichen.


Zwei donnernde Explosionen schreckten den Darklord auf. Er spürte schlagartig die fremde Macht. Wie konnte das sein, sie sollten doch erst auf dem Weg hierhin sein. Er verließ sein Zelt. Eigentlich hatte er vorgehabt sich nur das Ende der Schlacht anzusehen, Scie lief ihm entgegen, "Man hat uns reingelegt", schimpfte er immer wieder. Eine kleine Gruppe von Soldaten begleitete ihn.
Dafür würden sie zahlen, ungezähmte Wut stieg in ihm hoch, ihre Schmerzensschreie würden wie Symphonien für ihn klingen. Als er sich in die Luft erheben wollte, bemerkte er die toten Soldaten um ihn herum; jemand hatte es gewagt das Lager anzugreifen während er in Trance versunken seine Kräfte gesammelt hatte. Die ihn begleitenden Soldaten brachen schreiend zusammen. Er roch das Gift an ihren Pfeilspitzen.
Zwanzig, wild entschlossene Tworf stürmten auf ihn und Scie zu. Sie hatten ihre Schwerter gezogen. Die beiden ersten, die ihn erreichten, schleuderte er gegen den Stamm eines Baumes, man konnte ihre Knochen brechen hören.
Doch beim Anblick des alten Mannes, der da auf ihn zulief, mußte er fast lachen, war das alles was sie gegen ihn aufbieten konnten? Einer seiner Soldaten stoppte den Alten und stellte sich ihm in den Weg.
Weitere Soldaten stießen ihm zu Hilfe und beschäftigten die Tworf. Als er einen Feuerstrahl gegen den Alten werfen wollte erkannte er nicht weit daneben den entflohenen Tworf aus dem Dunkelwald. Nein, dieser sollte als erster sterben. Er lenkte den Zauber um, aber der Tworf reagierte ungewöhnlich schnell. Er drehte sich um die eigene Achse und stellte sich hinter dem Soldaten der ihn verfolgte. Das Feuer traf diesen und er fiel in sich zusammen.
Randolf atmete schnell als sein Verfolger zusammenbrach. Er suchte nach einer Deckung, doch er fand keine, beim nächsten Mal würde es ihn bestimmt erwischen. Dawin schaffte es mit Mühe den Schwerthieb seines Gegners zu parieren und schlug auf dessen Beine ein. Die Klinge durchtrennte eines und blieb im Knochen des anderen stecken. Der Soldat stürzte zu Boden. Dawin zog sein Messer und rannte ohne weiter nachzudenken auf den Darklord zu, während dieser einen weitern Angriff gegen Randolf vorbereitete.
Der Schwarze bemerkte ihn viel zu spät, Dawin warf sich auf ihn, sein Messer bohrte sich tief in den Hals des Magiers
Wie gelähmt sah Randolf wie sein Freund ihm das Leben rettete. Doch noch bevor er ihm zu Hilfe eilen konnte, leuchtete die Gestalt des Darklordes kurz auf, kleine Flammen schlugen aus Dawins Kleidung. Sogar Randolf, der noch einige Meter weit entfernt war, konnte die Hitze spüren, er mußte zurückweichen. Entsetzt sah er wie der Alte anfing zu brennen, Magisches Feuer verbrannte ihn in nur wenigen Augenblicken.
Seine verkohlten Überreste fielen zu Boden. Der Darklord zog sich die Klinge aus dem Hals, sie hatte so gut wie keine Wirkung gezeigt.
Inzwischen hatten die Tworf die restlichen Soldaten besiegt. Der Darklord wandte sich dem zu, dem sein Angriff eigentlich gegolten hatte, aber er fand ihn in dem Getümmel nicht wieder.
Scie dagegen hatte die drei ihn verfolgenden Tworf schon getötet. Wie ein Raubtier hatte er sich auf sie gestürzt und seine Klauen tief in ihre Körper geschlagen. Sie waren keine Gegner für ihn. Dabei bemerkte er das sich einige Gestalten abseits hielten, vor allem bei einem von ihnen hatte er ein ungutes Gefühl. Es war ein älterer Mensch bei dem er Restspuren von Magie ausmachte. Ein Bewohner aus dem Stofftierdorf; wie konnte der bloß entkommen sein, rannte zum Darklord hin. Der Mensch blieb allein. Scie schlich sich von hinten an ihn heran und wollte ihn gerade anspringen als er selber einen Schlag von hinten bekam.


Freddy war ihnen gefolgt, so einfach ließ er sich nicht abschieben. Geduldig hatte er im Dickicht gewartet bis der Angriff begann, beinahe wäre er in seinem Versteck eingeschlafen, die Strapazen der letzten Tage machten sich bemerkbar, aber er schaffte es wachzubleiben.
Es war ein harter Kampf, der Boden war blutdurchtränkt, und sein Mut hatte ihn verlassen. Vielleicht hatte Randolf ja doch recht, er wäre besser in Simra geblieben. Von seinem Versteck aus sah er wie sich dieser Dämon von hinten an Gabriel anschlich. Freddy mußte handeln, verzweifelt
sah er sich um. Der dicke Ast neben ihm müßte für diesen Zweck ausreichend sein, er ergriff ihn und wartete bis die untersetzte Gestalt vor ihm war. So wenig Gabriel den Dämonen erwartete, so wenig rechnete dieser damit daß hinter ihm ein Teddy mit einem Ast auf ihn einschlagen wollte. Durch den Lärm und die Schreie bemerkte Gabriel nicht was sich hinter seinem Rücken abspielte. Schnell folgte er Kater um sich dem Darklord zu nähern.
Mit seiner ganzen Kraft schlug Freddy zu, das Holz zersplitterte auf dem Kopf des Dämonen. Für einen Moment lang wurde es Scie schwarz vor den Augen, doch er erholte sich schnell. Halbblind schlug er mit seinen Krallen in die Richtung wo er den Angreifer vermutete, doch niemand war mehr da, Schritte liefen in den Wald. Er machte ein weiteres Stofftier aus und rannte ihm nach, so etwas ließ er sich nicht gefallen.


Der Darklord hatte den gesuchten Tworf ausfindig gemacht. Er packte sich einen Tworfkrieger, der sich ihm in den Weg stelle und drehte dessen Kopf um 360°. Dann ließ er den starren Körper zu Boden fallen. Zwei weitere wollten sich ihm nähern, mit erhobener Hand stürmte er auf sie zu, dann sah er ihre Gesichter, das Licht in seiner Hand erstarb. Sein Blick haftete auf dem Stoffhund.
Der Augenblick zog sich zu einer Ewigkeit hin.
Er versuchte sein anderes Ich vor diesem Anblick zu schützen, doch es war zu spät, der Moment, vor dem er sich so fürchtete war gekommen.
Der andere Teil von ihm versuchte frei zu kommen, all sein Hass war verschwunden. Ein längst vergessenes Gefühl der Freundschaft breitete
sich aus. Die böse Magie hatte ihn nicht mehr länger in ihrer Gewalt, er wand sich aus ihrer Umklammerung.
Der Darklord bemerkte die Pfeile der Tworf die seinen Rücken trafen, nicht. Der Krieg tobte jetzt in seinem Inneren, und er hatte Angst ihn zu verlieren.


Randolf blieb stehen, der Magier stand ganz regungslos da, der Anblick Katers hatte ihn vollkommen aus der Fassung gebracht. Nun schrie der Darklord mir einem Mal seine ganze Wut heraus.


Scie verharrte auf der Stelle, er spürte die Schmerzen seines Herrn. Ohne zu zögern drehte er sich um und lief zurück. Jemand hatte die Schwachstelle des Magiers ausgemacht.
Hoffentlich kam er nicht zu spät. Auch wenn der Darklord nur Mittel zum Zweck war, hatte er freundschaftliche Gefühle bei sich entdeckt, vielleicht war es auch nur eine Art von Seelenverwandtschaft. Die Niedertracht des Darklords glich sehr der seinigen. Vielleicht war es ja noch nicht zu spät, und er konnte dem Darklord rechtzeitig zu Hilfe eilen. Sie standen so kurz vor der Erfüllung ihres Traumes und der dieser Welt.


Die letzten überlebenden Tworf versammelten sich um den Darklord. Sie alle beobachteten genau wie sich der Körper ihres Feindes veränderte, er teilte sich. Eine zweite Gestalt wuchs aus ihm heraus, wie ein Zwilling formte sie sich, war aber minder perfekt wie das Original.
Sie trennten sich, doch schnell verblaßte der Glanz der zweiten, verformten Rüstung. Sie wurde immer matter, Bruchstücke fielen von ihr herab, wie die faulenden Teile einer alten Mauer fielen schwarze Brocken auf die Erde. Sein Kopf löste sich und zerfiel beim Aufschlagen in viele kleine Splitter. Ein kleineres Wesen bildete sich heraus.

Der Darklord kam wieder zu sich, die Trennung war vollzogen. Schnell schleuderte er Blitze auf die ihn umzingelnden Tworf. Doch die meisten verfehlten ihr Ziel, einem der Soldaten gelang es mit dem Schwert nach ihm zu schlagen. Eine weitere Wunde klaffte an seiner Hüfte, er konzentrierte sich und die Verletzung begann sofort zu heilen, gleichzeitig stieß er die Pfeile aus seinem Rücken. Er fühlte sich schwach, der Teil der ihn wieder zum Leben erweckt hatte war fort. Es war ein Fehler gewesen zu glauben ihn unter Kontrolle zu haben. Er warf der Kreatur die so lange ein Teil seiner selbst war, einen verächtlichen Blick zu.

Die letzten schwarzen Stücke lösten sich ab, Kater hatte ihn schon längst wiedererkannt. Leise sprach er den Namen aus.
"Chepter."

Auch Randolf schien wie benommen, er konnte kaum glauben was er da sah. Mit einem Male verstand er die Worte, die der Wächter in der Grotte zu ihm gesagt hatte. Gabriels Magie hatte nicht nur den Bann aufgehoben, nein, sie hatte den Magier auch wieder zum Leben erweckt.


Chepter hörte seinen Namen, nach so vielen Jahren zum ersten Mal wieder. Einst verbannte Gefühle kämpften sich einen Weg durch seine von dunkler Magie durchsetzte Seele. Und er erinnerte sich, dieses Tier hatte ihn gepackt als sie versuchten tiefer in den Dunkelwald vorzustoßen. Noch in der Luft hatte es begonnen ihn in Stücke zu reißen. Dann ließ es los, er fiel. Der Aufprall ließ ihn beinahe Ohnmächtig werden. Doch irgendetwas war in der Erde unter ihm.
Er spürte eine Kraft, sie ließ ihn seine Schmerzen vergessen. Eine Stimme rief ihn, "Komm zu mir, ich bin die Erlösung."
Chepter gab auf, doch anstatt der erwarteten Gestalt des Todes erschien jemand anderes, ebenfalls schwarz. Wie ein dunkler Engel nahm dieser ihn auf und nährte sich von seinem Hass. Doch Hass gegen wen? Etwa gegen seine Freunde, man gaukelte ihm vor sie hätten ihn im Stich gelassen. Wie konnte er nur so was glauben? Aus der Luft hatte er doch gesehen wie sie noch versuchten ihm zu folgen und selber dabei immer tiefer in den Dunkelwald gerieten. Doch die Magie des Fremden täuschte ihn mit anderen Bildern.
Er glaubte ihnen und der Hass wurde ein Teil von ihm. Chepter wurde neu geboren. Nun aber war alles vorbei, er kannte die Wahrheit, die letzten Funken fremder Macht verließen seinen Körper. Er war wieder er selbst.
Und verstand was mit seiner Unterstützung angerichtet worden war. Sein Blick ging von Kater weg, hin zu seinem Vater, er machte Gabriel ein letztes Geschenk.
Mit der Gewißheit einen kleinen Beitrag zur Erlösung der Welt geleistet zu haben gab er seinen Körper auf.
"Verzeih mir."

Die Worte waren an Kater gerichtet. Mit Tränen in den Augen mußte dieser mitansehen wie Chepter starb, während er immer noch nicht verstand was eigentlich vorging. Sein Freund lebte, doch war eines geworden mit dem Monster daß alle so sehr fürchteten.
Was konnte in den vergangenen Jahren nur mit ihm geschehen sein daß er sich so veränderte, was hatte er alles durchgemacht? Zu gerne hätte Kater nachgefragt, doch leider kam er nicht mehr dazu, fassungslos und ohne helfen zu können sah er zu dem vor Schmerzen Zuckenden hinüber.
Immer schlimmere Verletzungen taten sich auf, nach endlosen Sekunden fiel Chepter nach hinten. Die Wunden die ihm der Vogel zugefügt hatte, öffneten sich aufs Neue, und raubten ihn zum zweiten Mal das Leben.


Körperlich fühlte der Darklord keinen Schmerz, doch ein Teil seiner Macht verschwand mit diesem Stofftier. Er spürte wie die Magie den toten Körper verließ und dem alten Mann zugeführt wurde. Doch der stellte keine ernsthafte Bedrohung für ihn dar. Er wollte einen Blitz auf den Alten schleudern, doch nicht einmal einen Funken brachte er mehr zusammen. Was das? Panisch suchte er nach einer Erklärung. Das konnte nicht sein, die Magie der anderen Dorfbewohner verweigerte ihren Dienst, sie reagierte nicht mehr auf seine Anweisungen.
Langsam verstand er, sie konnte nicht gegen ihren eigenen Ursprung eingesetzt werden.


Freddy jagte dem Dämonen hinterher, auch wenn es eben noch genau anderes herum war. Aus irgendeinem Grund machte sein Verfolger Halt und kehrte um.
Freddy drehte sich ebenfalls um und lief ihm hinterher, doch dabei erwischte er anscheinend eine Abkürzung und stand mit einem Male wieder vor dem Dämonen. Beide erschraken, Scie stürzte sich ohne Vorwarnung auf den Teddy. Aber er kam nicht sehr weit.
Aus allen Richtungen kamen Scharen von Poohs auf sie zugerollt. Zum ersten Mal bemerkte Freddy, daß sie kleine Mäuler besaßen, und die Zähne die zum Vorschein kamen, wirkten alles andere als ungefährlich. Brüllend schaffte es Scie einige von sich zu stoßen, doch immer mehr von ihnen rollten über ihn. Sie schienen aus dem Boden zu kommen und fielen sogar von den Bäumen herab. Wie ein lebendiges Tuch legten sie sich über ihn. Sein Schreien hörte auf. Hinter einem der Bäume erschien ein Schatten, beinahe hatte er Freddys Größe.
"Das reicht, laßt ihn los."
Bevor Freddy genauer hinsehen konnte war er auch schon verschwunden, und auch die Poohs waren fort. Nur ein sauber abgenagtes Skelett war von dem Dämonen übriggeblieben. Weiße Knochen lagen durcheinander auf dem dunklen Waldboden.

Der Darklord spürte Scies Tod. Zu viele Dinge geschahen die er nicht vorausgesehen hatte. Er warf einen Zauber auf den Menschen, doch der schaffte es anscheinend diesen abzuwehren. Stattdessen traf ihn selber ein feiner Strahl aus Gabriels Finger. Zunächst zeigte er keine Wirkung, doch dann weckte er eine Erinnerung in ihm. Er war wieder in seinem Grab gefangen. In seinen Ohren klang das Lachen der Magier die ihn verspotteten. Seine Magie befand sich über ihm und konnte ihn nicht erreichen. Nur ein kleiner Rest war geblieben, genug um seinen Geist zu nähren. Die Magier hatten ihn besiegt und er schrie stumm, als sich sein Grab mit Erde füllte.


Gabriel hatte es geschafft, ein kleiner schwacher Zauber hatte die Magie des anderen durchdrungen und ihm dessen tiefste Ängste vorgetäuscht. Dadurch war der Darklord lange genug abgelenkt so daß er den ihm eben nachgeworfenen Zauber verstärkt zurückschleuderte, und traf.
Der dunkele Magier wurde von den Beinen gerissen, schnell setzte Gabriel nach und rief sämtliche Magie aus dem Körper des am Boden Liegenden. Sie ging zu ihm über und wurde eins mit ihm, doch er achtete darauf daß die finsteren Gedanken des Darklords nicht mitübermittelt wurden. Dann zerfetzte er seinen Gegner in tausend Stücke und entzündete diese mit weißem Feuer, das so heiß brannte, daß nicht einmal mehr Asche von ihm übrigblieb.


Die Soldaten welche die Stadt belagerten, hatten schwere Verluste hinnehmen müssen, der Angriff war von den Weinern erfolgreich gestoppt worden. Die Tworf griffen nun ihrerseits an.
Yieldem wußte nun auch woher sie ihren Namen hatten. Während dem Gemetzel liefen den hohen Gestalten die Tränen über ihre bleichen Gesichter. Sie weinten um die Opfer.
Doch auf einmal kehrte Ruhe ein. Noch bevor die Tworf die feindlichen Soldaten erreicht hatten, fielen diese wie Kartenhäuser in sich zusammen. Die Tworfsoldaten stocherten einige Sekunden lang fassungslos mit ihren Waffen in den leeren Rüstungen herum, dann erklang ein lautes Freudengeschrei, die Schlacht war vorüber.
Yieldem und Seltur mußten an diejenigen denken die diese Soldaten einmal waren. Unfreiwillige Werkzeuge des Bösen, Marionetten die jeden Willens beraubt wurden und des Sie widmeten ihnen eine Gedenkminute. All das Leid, doch sie konnten es nicht ändern, stattdessen freuten sie sich über die Überlebenden. Die Gefahr war vorbei, Gabriel hatte Erfolg gehabt.


In dem kleinen Dorf mitten im Wald kümmerte sich die Schnecke aufopferungsvoll um ihre Freunde. Wenn man die Dorfbewohner so sah konnte man kaum glauben dass sie Einst lebendig waren, seit Tagen lagen sie einfach nur so rum. Jeden Morgen sah Kriecher nach ihren Gärten und redete mit seinen stummen Freunden. Als letztes besuchte er immer Quassel. Heute erzählte er ihm von den Äpfeln, sie wurden reif.
Er musste andauernd aufpassen, daß ihm nicht mal einer auf ihn herunterfiel. Doch auch diesmal riß Quassel keinen Witz. Er saß nur da.
"Ob ich jemals wieder mit dir streiten kann?", fragte Kriecher leise.
Ein leises Schellen schreckte ihn hoch. Er sah sich um, dann sah er es, eines der Glöckchen die an der Mütze des Clowns hingen bewegte sich.
Quassel machte seine Augen auf.
"Brrr", er schüttelte sich. Was war geschehen? Er fühlte sich als ob er lange und sehr feste geschlafen hätte.
Ihm gegenüber saß Kriecher, die Tränen liefen ihm übers Gesicht. Für dieses eine Mal fiel Quassel kein Witz ein. "Was ist denn passiert?", fragte er und reckte sich.


Gierig schlug Randolf sich den Magen voll, sein Bruder war eben doch ein begnadeter Koch. Er hatte sich sehr gefreut ihn nach so langer Zeit wiederzusehen, und wie groß die Kinder geworden waren.
Seine Freunde waren bei ihm. Kater und Freddy schauten ihm beim Essen zu. Der Saft einer Goalrübe lief ihm am Kinn herunter.
"Hat doch seine Vorteile wenn man nicht essen muß" meinte Freddy leise, "so behält man wenigstens sein Würde."
Bei ihrer Ankunft waren sie begeistert gefeiert worden. Selbst jetzt, eine Woche nach dem Sieg, gratulierten ihnen noch viele auf der Strasse. Die Verluste waren doch nicht so hoch wie anfangs angenommen. Es gab Trauerfeiern für die Toten und die Heiler versuchten ihr möglichstes um den vielen Verletzten zu helfen.
Die drei genossen es sehr als Helden gefeiert zu werden. Freddy hatte von dem Dämonen und dessen Ende berichtet. Er hatte aber immer noch keine Ahnung immer noch wer sein geheimnisvoller Retter war.


Viele Tage später kamen sie in ihr Dorf, und wurden natürlich schon erwartet. Quassel hielt Kriecher im Arm und lief ihnen schon entgegen.
"Nun haben wir einen zweiten Tag den wir feiern müssen", rief er.
Daisy ging sofort zu Freddy und umarmte ihn, "Ihr habt uns gerettet."
Der Versammlungsplatz war bunt geschmückt, sie feierten ausgelassen, einige machten Musik und sie tanzten bis spät in die Nacht. Irgendwann kurz vor Mitternacht sah Freddy noch einmal zu den Sternen hoch, der Tworf hatte sie nicht mit zurückbegleitet. Er mußte erst einem Freund noch einen letzten Dienst erweisen bevor auch er wieder nach Hause konnte.


Randolf trat die Erde fest, er hatte die sterblichen Überreste Dawins neben denen seiner Frau beigesetzt. Er kniete nieder, neben ihm stand Kubba, der wich ihm nicht mehr von der Seite.
Allzu gerne hätte er Dawin noch gesagt wie stolz er war mit ihm befreundet gewesen zu sein.
Er mußte an ihren Besuch in der Menschenwelt denken, an dieses Kauzeug das ihm Hände und Stiefel verklebt hatte. Wieder einmal hatte er einen Freund verloren.
Randolf legte seine rechte Hand auf die frische Erde. "Lebewohl mein Freund, wo immer du jetzt auch sein magst."
Dann gingen Kubba und er in den Wald.
Überall zeigten sich neue grüne Triebe an den vertrockneten Zweigen. Der Dunkelwald erwachte nach seinem langen, tiefen Schlaf wieder zu neuem Leben.
Ein Samenkorn fiel aus seiner Hülse, in der es solange gewartet hatte und landete auf der frisch aufgeworfenen Erde des Grabes.
Und manchmal, so erzählt man sich in dieser Gegend, kann man, wenn man seine Ohren feste an die Rinde des alten Baumes der heute dort steht, drückt, das Lachen zweier Menschen vernehmen.

Es herrschte vollkommene Stille unter den Zuhörern.
Das Feuer war vollkommen niedergebrannt, keiner hatte sich von der Geschichte trennen wollen. Die Dorfbewohner klatschten leise und begannen langsam sich wieder in ihre Häuser zurückzuziehen.
Thomé stand ebenfalls auf, es war sehr spät geworden.
Morgen würde er weiterziehen, anderen von diesen magischen Zeiten erzählen. Der Platz war inzwischen fast leer, nur ein Kind saß etwas weiter abseits auf deiner kleiner kleinen Steinmauer die um ein Haus gezogen war, es hatte sein Gesicht unter einem schweren Umhang verborgen.
Er ging auf es zu.
Und wie hat es dir gefallen?", fragte er freundlich.
Faltige Hände zogen die Kapuze nach hinten. Erstaunt stellte er fest daß es gar kein Kind war.
"Sehr gut", antwortete der Tworf, "und es hat sich auch fast alles so zugetragen."
Unter seinem Umhang konnte man im Glimmerlicht des Feuers einen dicken, schwarzen Käfer erkennen.
"Nach so unendlich langer Zeit hast du immer noch keinen Frieden gefunden?", fragte der Erzähler, "Nilrem hat damals wirklich den richtigen auserwählt."
Der Tworf nickte und zog die Kapuze wieder hoch, "Ja, das hat er wohl."
Dann erhob er sich und verschwand in der Nacht.
Thomé stand da und schaute ihm nach, zwischen ihrer letzten Begegnung und der heutigen Nacht lag fast ein ganzes Leben. Randolf würde wohl wirklich nie zur Ruhe kommen, doch daß war eine andere Geschichte, und die hob er sich für seinen nächsten Besuch in diesem Dorf auf.
Er drehte sich um und ging mit langsamen Schritten auf die Häuser zu.



ENDE ?
 
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Hallo Patrick, das scheint eine recht gute Novelle zu sein, aber sie ist sehr lang. Das sind wir hier kaum gewöhnt. Ich denke die Leser lesen hier eher häppchenweise Geschichten. Willst du nicht lieber erst einmal den Anfang bringen in, sagen wir mal, sieben bis zwölf Seiten Länge? Und die nächsten Teile ebenfalls in ähnlich kleiner Seitenzahl? Überleg`s dir nochmal.
Ich denke, mehr Erfolg ist dir deshalb sicher.
L. G.


Tlonk (06.03.2020)

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