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Die Kinder von Brühl 18/Teil 2/Essensmarken und Stoppelfelder/Episode 17/Der Osterspaziergang und der Bienenstich

Romane/Serien · Erinnerungen
© rosmarin
Episode 17

Der Osterspaziergang und der Bienenstich

Eine Stunde später ging es los. Mit der Wanderung.
Herr Metzner hatte Zippi und Zappi ein kunstvoll gearbeitetes Halsband umgelegt und durch die Öse einen dicken langen Strick gezogen.
„So haben die Ziegen genug Auslauf“, hatte er gesagt. „Und sie können sich ihr Futter schon auf dem Weg suchen.“
Bertraud kam in den Bollerwagen. Dazu der Picknickkorb von Marie. Und die Windeln und ein Fläschchen Milch für Margitta.
„Den Wagen könnt ihr abwechselnd ziehen“, sagte Else zu den Kindern. Immer zwei. Und wenn es dann kurz vor dem Feld bergauf geht, kann ja einer noch hinten schieben.“
„Und wer soll Zippi und Zappi führen?“, wollte Karlchen wissen.
„Na, ihr“, sagte Else. „Abwechselnd natürlich.“
Richard wollte vielleicht später nachkommen.

Wohlgemut spazierte die kleine Gesellschaft aus Brühl 18. Die Alte Allee entlang.
Eigentlich hieß die Alte Allee ja Hospitalberg. Aber so nannte sie keiner. Manchmal sagten die Kinder auch Hauptstraße. Aber Hospitalberg sagte niemand. Vielleicht gefiel den Kindern ja das Wort nicht.
Else schob den alten Korbkinderwagen, in dem schon Rosi und die anderen Kinder gelegen hatten, mit dem Baby gemütlich vor sich her. Hinter ihr trotteten Karlchen und Jutta. Mit Zippi und Zappi an der Leine. Und dahinter Rosi mit dem Bollerwagen, in dem Bertraud hockte.
„Hü, hü Rosi“, schrie Bertraud, „schneller. Du bist jetzt das Pferdchen. Hü, hü!“
„Hü, hü, schneller“, sagte Rosi und rannte los.
Metzners in ihrer auffälligen Sonntagskleidung waren das Schlusslicht. Ab und zu stieß Herr Metzner mit seinem noblen Gehstock in die Lust.
„Ein wunderschöner Osterspaziergang“, sagte er immer wieder. „Was Mariechen?“
„Ja, ein wunderschöner Osterspaziergang Emil“, pflichtete ihm Mariechen bei.
Am Gänsebach angekommen, wurden die Zicklein ungeduldig. Wie verrückt zerrten sie an ihren Stricken. Jutta und Karlchen konnten sie kaum bändigen.
„Sie riechen das frische Gras“, sagte Else. „Haltet sie gut fest.“
Das war leichter gesagt als getan. Zippi und Zappi wollten sich unbedingt von ihren Fesseln befreien. Den ungewohnten Halsbändern und Stricken.
„Määähh, määhh!“, meckerten sie kläglich. Sie machten regelrechte Bocksprünge und versuchten immer wieder, ihre niedlichen Ziegenköpfe aus der Halsbandschlinge zu ziehen.
„Lasst sie doch laufen, wohin sie wollen“, schlug Rosi vor. „Vielleicht laufen sie ja hinter uns her.“

Rosi war gerade ein Erlebnis in Ziegelroda eingefallen. Dort hatte sie hinter dem Haus in einem Gestrüpphaufen ein Nest entdeckt, in dem eine Ente ihre Eier ausbrütete. Jeden Tag war sie heimlich hingelaufen, um zu sehen, wann die jungen Entlein endlich schlüpfen würden. Und sie hatte Glück. Eines Tages war es dann soweit. Ein Entchen nach dem anderen torkelte unter dem Gefieder der Entenglucke hervor. Sieben kleine kuschelige Entenküken.
Als alle sieben geschlüpft waren, erhob sich Ente und wollte ihren Entenkindern vorangehen, um ihnen die Welt zu zeigen. Doch es waren keine Entenkinder mehr da. Vor Verwunderung fing die Entenmutter an, zu schnattern und zu schnattern. Bestimmt rief sie ihre Kinder. Doch die Kinder waren Rosi gefolgt.
„Sie haben dich zuerst gesehen“, hatte Helene gesagt, „für sie bist du die Mutter. Jetzt musst du sie
zum Dorfteich führen.“
Das hatte sie auch gemacht. Sie spazierte zum Dorfteich. Und die Entchen im Gänsemarsch hinter ihr her.
Doch kurz vor dem Teich kam laut schnatternd die Entenmutter angewatschelt. Sie war ihren Entenküken gefolgt. Das war auch gut so. Denn sie hätte ja nicht ständig in das Wasser springen und den Entenküken das Tauchen und Futtersuchen beibringen können.
Jedenfalls dachte Rosi jetzt, dass die Ziegen hinter ihnen herlaufen würden. Denn schließlich kannten die Ziegen ja nur die Kinder und Else und Richard, Na, jetzt auch noch Metzners.

„Das wäre einen Versuch wert,“ war Else einverstanden, „aber hier noch nicht. Vielleicht nach dem Bad.“
„Und wenn sie weg laufen?“, zweifelte Jutta.
„Dann fangen wir sie wieder ein“, sagte Karlchen. Siegessicher warf er sich in die Brust. „Schade, dass ich noch keinen Hut habe“, scherzte er.

Eine Weile verweilten Else und Metzners auf der Brücke. Da wurde Margitta plötzlich unruhig.
„Wahrscheinlich hat sie Durst“, vermutete Else, „Rosi reich mir mal bitte das Fläschchen“, bat sie. „Das liegt im Korb in einem Täschchen neben den Eiern.“
Rosi reichte Else das Fläschchen. „Hm, hm“, schnupperte sie und beugte sich ganz nah über den Kinderwagen. Margitta zappelte unruhig hin und her und fing an zu grummeln.
„Was hm hm“, nörgelte Else, während sie die Temperatur des Fläschchens an ihrem Handgelenk prüfte.
„Ich glaube, die Kleine hat eingemacht“, sagte Rosi. „es müffelt ganz schön.“
Jetzt beugte sich auch Else über den Kinderwagen und sog die Luft in ihre Nase.
„Bestimmt hast du recht“, sagte sie zu Rosi. „Dann reich mir mal noch das Windelpaket.“

Inzwischen hatten sich Zippi und Zappi wieder beruhigt. Karlchen und Jutta hatten sie ganz nah zum Gänsebach geführt, sodass sie nach Herzenslust das frische saftige Gras am Ufer fressen konnten. Und natürlich auch die Gänseblümchen. Den Löwenzahn. Und die frischen Brennnesseln.
„Die sind besonders gesund“, sagte Else. „Auch für die Menschen. Das wisst ihr ja.“
Natürlich wussten das die Kinder. Sie hatten ja oft genug Löwenzahn und Brennnesseln gegessen. Im Quark. Oder auch als Salat.

*

„Jetzt fängt das schöne Frühjahr an,
und alles fängt zu blühen an
auf grüner Heid‘ und überall“, sang Else plötzlich los.
Wie auf Befehl stimmten alle mit ein:

Es blühen Blümlein auf dem Feld, sie blühen weiß, blau, rot und gelb; es gibt nichts Schön'res auf der Welt.

Jetzt geh ich über Berg und Tal,
da hört man schon die Nachtigall
auf grüner Heid‘ und überall …

Singend kamen sie am Bad, das natürlich noch nicht geöffnet hatte, an.
„So“, sagte Rosi, „jetzt können wir ja mal Zippi und Zappi frei rumlaufen lassen.“
„Versuchen können wir es ja mal“, sagte Else. „Also ab mit den Halsbändern.“
Gesagt, getan. Übermütig sprangen die jungen Ziegen ohne Halsbänder und ohne Stricke im Kreis herum. Sie wagten sich tatsächlich noch nicht weit von den Kindern weg. Sie mussten ja auch erstmal ihre neue Umgebung erkunden. So neugierig sie waren.
Also liefen alle vergnügt weiter. Den schmalen Feldweg neben dem Bad entlang. Hinter dem Bad entdeckten sie einen Bach. Davor war ein breiter Rasenstreifen. Und dieser zog die Zicklein magisch an. Denn dort wuchsen die Kräuter und das Gras schon üppiger. Sogar der Huflattich hatte schon winzige Blätter. Den mochten Zippi und Zappi aber nicht.
„Mama, fragte Jutta Else, „ist dieser Bach auch der Gänsebach?“
„Ja“, erwiderte Else, „ich denke schon. „Was für ein Bach sollte es denn sonst sein?“
„Na, weil der doch schmaler ist, als der Gänsebach am Brückentor.“
„Das haben Bäche nun mal an sich“, lachte Else. „Mal sind sie schmaler. Mal breiter. Der Gänsebach ist sowieso ziemlich verzweigt. Den gibt es auch in Niederreißen. Und auch in Mannstedt.“
„Ja“, sagte Rosi, „ vom Alten Bach plätschert er ja auch rechts rum zu den Mannstedter Wiesen. In dem sind doch immer die Blutekel.“
„Und die Frösche“, sagte Karlchen.
„Und wo kommt der Gänsebach her“. Wollte Rosi wissen.
„So viel ich weiß“, sagte Else, „ist das ein Arm von der Lossa. Die fließt ja auch durch Mannstedt. Und durch Rastenberg. Und die Lossa dann wieder in die Unstrut usw.“

In der Zwischenzeit waren alle an der Quelle angelangt.
„Das ist glasklares Wasser“, sagte Else. „Das können wir trinken.“
Das ließen sich die Kinder nicht zweimal sagen. Schnell liefen sie die paar Meter zu der Quelle, die unter einem großen Stein hervor sprudelte. Das frische Quellwasser schmeckte einfach köstlich. Alle tranken davon. Auch Metzners und Zippi und Zappi. Um ein Haar wäre Betraud fast in das Wasser gefallen, weil sie sich zu weit vorbeugte. Zum Glück konnte Else sie noch rechtzeitig am Rockzipfel fassen und zurück ziehen.
„Jetzt noch das letzte Stück“, sagte Else. „Links rum. Und dann rechts den Berg hinauf.

Alle machten sich auf den Weg. Nur Zippi und Zappi nicht. Die blieben bockig am Wasser stehen.
„Da müssen wir ihnen wohl wieder die Halsbänder umlegen“, schlug Herr Metzner vor. Er nahm ein Halsband und reichte Karlchen das andere. „Ob sie wollen oder nicht“, sagte er.
Else war mit den Kindern schon weiter gegangen.

***

Fortsetzung folgt
 
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