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Tröpfchen rettet eine junge Mutter

Romane/Serien · Für Kinder
Gestern erst, hatte sie ihrem erstgeborenen Sohn das Leben geschenkt und nun schien das Schicksal, das Ihrige zu fordern.
Schweißperlen auf ihrer Stirn zeigten den Umstehenden an, dass diese Frau mit hohem Fieber, einen schweren
und erbitterten Kampf gegen den Tod kämpfte. Das ganze Dorf hatte sich versammelt, um ihr bei ihrem Kampf
gegen diese bedrohliche Krankheit zu helfen. Sie, die ihr Leben in der freien Natur verbrachten, hatten vom Wasser gelernt,
dass schon ein einzelner Tropfen viel Energie haben kann, viele zusammen jedoch eine mächtige Kraft bilden können.
Diese und die Kraft der Dorfgemeinschaft, sollte nun der jungen Mutter helfen, den Kampf gegen die Krankheit zu bestehen.
Die Kinder hatten, wie es ihnen geheißen, schnell im naheliegenden Wald Holz für ein großes Lagerfeuer gesammelt.
Mit großer Sorgfalt achteten sie darauf, das sie nur altes und vertrocknetes sammelten, den dieses hatte innerhalb
all der vielen Jahre Kraft und Weisheit gespeichert und war nun bereit, jenes in dieses Feuer einzubringen und frei zu setzen.
Die alten Indianer wussten sehr wohl, dass wenn das Holz im Feuer laut knackste und die Funken dabei fliegen ließ,
es just in diesem Augenblick, all seine Kräfte frei gab. Es schenkte den beiwohnenden Gästen, außer einem betörenden Duft
und der wohltuend streichelnden Wärme, auch beruhigende und verzaubernde Klangspiele, die die Flammen immer wieder
zu berauschenden und faszinierenden Tänzen animierte. Ja all dieses wurde heute und hier benötigt, doch so wichtig
es auch war, es reichte allein noch nicht aus.

So hatte der alte braun gebrannte Medizinmann, die erfahrensten unter den Frauen des Stammes zu sich gerufen, um ihnen mitzuteilen,
welche Pflanzen, Wurzeln und Früchte des Waldes dieses mal benötigt wurden, um wieder einmal, einen Heilung bringenden Trunk
bereiten zu können. Sie ließen sich nicht lange bitten und eine jede von ihnen ging still schweigend zu dem Platz, an dem sie
die gesuchten und benötigten Gaben finden würden. Sie hatten, genau wie ihre Eltern, dieses so wertvolle Wissen um den Standort,
und die Bezeichnung, aber auch das Aussehens dieser Pflanzen von ihren Eltern weitergegeben bekommen. Nun ließ der Medizinmann
den Vater der Kranken zu sich kommen. Mit Tränen in den Augen, stand dieser, schon kurze Zeit später vor ihm, um zu fragen,
welcher Beitrag von ihm zu erbringen sei.

Der Medizinmann sprach: „Vergieße keine Tränen, noch ist es nicht soweit, behüte sie wie das Wasser, dass du aus der Tiefe
der Waldhöhle schöpfen musst, um es mir zur Bereitung des Trunkes zu übergeben. Jeder Tropfen dieses Wassers ist kostbarer als Gold.
Es ist durch viele Meter Erde geflossen, von ihr und den Wurzeln der Bäume und Sträucher gereinigt worden, es ist befreit
von allem Bösen und Kranken. Es hat sich ausruhen dürfen, um Kraft zu sammeln und es wurde von den Felsen mit der Stärke
der Steine beschenkt. Merke es dir und verschütte auch nicht einen Tropfen davon, er könnte deiner Tochter am Ende fehlen.“

„So will ich es tun!“ sprach der Vater und machte sich eiligen Fußes auf den Weg.
Er tat wie ihm geheißen, jedoch nicht ohne vorher noch einen zusätzlichen, aus Leder gefertigten, Wasserbeutel mitzunehmen,
um für alle Fälle eine Reserve zu haben. Der Wald war tief und dunkel und der Weg war weit, doch es gab nichts, was ihn
hätte aufhalten können. Ganz in Gedanken mit der Erfüllung seiner Aufgabe beschäftigt, vernahmen seine Ohren auf einmal
ein gar klägliches Wimmern. Er spürte sofort, dass sich hier ein Lebewesen in Not befinden musste und so richtete er
seine Schritte in die Richtung, aus der er diese Klagelaute zu vernehmen glaubte.

Im Gestrüpp eines Busches fand er sehr schnell einen jungen Adler, der wohl bei seinem ersten Ausflug zu niedrig geflogen
und dann von einer Baumkrone zum Absturz gebracht worden war. Seine Flügel waren glücklicher Weise heil geblieben,
jedoch sein Federkleid war furchtbar zerzaust und alleine würde er es wohl nicht schaffen sich aus dieser misslichen Lage
zu befreien.

Behutsam und doch mit der gebotenen Eile befreite er den Vogel, richtete ihm sein Gefieder, um ihn dann mit folgenden Worten
in die Freiheit zu entlassen: „Flieg, kleiner Adler flieg, suche schnell deine Mutter, sonst wird sie sehr unglücklich sein.
Ich kenne die Angst, das geliebte Kind zu verlieren und so lass mich nun schnell weiter ziehen, auch mein Kind bedarf dringend
meiner Hilfe.“ Vor Freude und Dankbarkeit kreischend, erhob sich der junge Adler und flog davon.

Kurze Zeit später, erreichte der Mann die gesuchte Felsenhöhle und stieg sofort in diese ein. Behutsam tauchte er
seine beiden Wasserbeutel in die leise rauschende Quelle ein, um sie mit dem wertvollen Wasser zu befüllen.
Tröpfchen weilte gerade an diesem friedvollen Ort und er musste sich gestehen, dass es hier eine ganz besondere Atmosphäre gab,
die diesen Ort umgab. Ruhe, Frieden, Reinheit und Frische umgaben Tröpfchen hier und es war ihm, als hätten, die mehrere
tausend Jahre alten Felsen, ihm ihre Kraft und Stärke geschenkt. Gern wäre er hier noch länger geblieben, doch jetzt hatte
er das Gefühl, dass er ganz dringend gebraucht würde und so schlüpfte er schnell in die Öffnung des Wasserbeutels, um
mitgenommen zu werden. Neugierig wartete er auf seine neue Aufgabe, doch nun galt es erst noch ein wenig auszuruhen,
schließlich war es auch mal ganz schön, von jemandem getragen zu werden.

Sorgsam hatte der Mann die beiden Beutel verschlossen, doch bevor er die Höhle verließ, wandte er sich noch einmal der Quelle zu,
um sich bei ihr, für das gespendete Wasser zu bedanken. Dann machte er sich eiligst auf den Rückweg, denn er spürte,
das es höchste Zeit war, den Trunk zu bereiten, der das Leben seiner Tochter retten würde.

Ein gutes Stück des Weges hatte er schon geschafft, als zwischen den Bäumen hindurch, ein paar Sonnenstrahlen direkt auf einen
sehr kümmerlich wirkenden jungen Baum fielen. Seine dünnen Zweige hingen kraftlos an ihm herunter und auch die Blätter fingen schon an,
ganz kraus zu werden. Die wachsamen Augen des Mannes bemerkten, dass seltsamerweise die Erde um dieses Bäumchen total ausgetrocknet war
und er wusste sofort, dieses Bäumchen braucht dringend Wasser, sonst würde es sehr schnell schon sterben müssen.
Ohne zu zögern und ohne weiter nachzudenken, nahm er einer der beiden Wasserbeutel, um mit seinem Inhalt, das Bäumchen zu retten
und es war ihm als würde dieses, sich mit einem ganz leisen Rascheln seiner Blätter bedanken.

Doch nun hatte er keine Zeit mehr. Im Laufschritt und doch darauf achtend, vom zweiten Wasserbeutel auch nicht einen Tropfen zu verlieren,
eilte er nun zu dem Medizinmann, der ihn schon ungeduldig erwartete. Die gesammelten Kräuter hatte er schon sortiert und wenn nötig gestampft.
Jetzt nahm er das reine Quellwasser, schüttete es in den über dem Feuer hängenden Kessel und sprach dabei:
„Du Wasser aus der Quelle unserer Ahnen, gib uns bitte deine Kraft, wir brauchen deine Stärke, damit diese Frau die Heilung schafft.
Schenk ihr die Reinheit, die in deinem Inneren ist und spende ihr Gesundheit, die diese Frau vermisst. Nimm du die guten Kräuter,
mit offenen Armen auf, ich kann dir wohl vertrauen, lass nun der Dinge Lauf.“
Inzwischen hatte er die bereitliegenden Kräuter mit kreisenden Bewegungen in das Wasser gestreut.

Tröpfchen und alle seine Kameraden, hatten die Worte des Medizinmannes vernommen und das Feuer unter dem Kessel, ließ sie nun ihren Tanz
im Kessel beginnen. Immer schneller und wilder stießen all die Tröpfchen nun aneinander, wobei sie jedoch versuchten, die Kräuter zwischen
sich zu bringen, um sie auszupressen und ihren heilenden Saft als Mantel anlegen zu können. Doch nicht nur die Tröpfchen im Kessel tanzten
wie wild, nein auch die Menschen vom Dorf tanzen im Rhythmus der Trommeln um das Feuer herum, wobei sie alle ihre guten Wünsche in den
Kessel mit hinein gaben.

Der Medizinmann hatte sich nun neben den Vater der Frau niedergelassen, um ihn gleich darauf nach dem Erlebten im Walde zu fragen.
Schnell war die Geschichte von dem Adler und dem Bäumchen erzählt, doch mit etwas Verwunderung fragte er den Alten:
„Warum willst du das gerade jetzt wissen, wo du doch wichtigere Sachen zu tun hast?“

Dieser antworte ganz ruhig: „Bewahre nur die Ruhe in deinem Herz, sie ist dort gut aufgehoben. Alles Gute im Leben hat und braucht seine Zeit.
So wie du dem jungen Adler, dem Herrn der Lüfte, Ehre und Zuwendung geschenkt hast, so wird dir die Luft auch weiter, den Atem deiner Tochter schenken.
So wie du den Wurzeln des Baumes, der die Erde zusammen hält, dein kostbares Lebensquell gespendet hast, so wird diese Erde, auch weiterhin deine Tochter
tragen und ihr Nahrung spenden. Du hast die Quelle des Lebens nicht aus Eigennutz beraubt, sondern hast dich für ihre Spende bedankt, um ihr dann,
durch die Übergabe dieses Wasser an Mutter Erde, neue Nahrung zukommen zu lassen. Sei gewiss, dass deine Saat aufgehen wird, denn nur wer Gutes sät,
wird auch Gutes ernten.“

Tröpfchen und seine Kameraden hatten nun ihr Werk verrichtet. Sie hatten von den guten Kräutern alles übernommen und hatten es jetzt
in den kranken Körper dieser jungen Frau zu überbringen. Erst wurden sie, in ein als Trinkgefäß genutztes Horn eines Büffels gefüllt,
um nun in den geöffneten Mund der Frau getröpfelt zu werden.

Tröpfchen für Tröpfchen rutschte die Kehle hinunter, und sie brachten ihr Gesundheit, Wärme und Kraft mit, die sie benötigte,
die bösen Geister die sich als Krankheit eingeschlichen hatte, zu vertreiben. Tröpfchen und seine Kameraden fanden sehr schnell
die winzig kleinen Plagegeister. Schnell waren diese ergriffen, um ihnen dann, den von den Kräutern bekommenen Mantel überzuwerfen.
Dieser umschloss die Plagegeister so eng, das es ihnen nicht mehr möglich war zu atmen. Schnell waren sie ohnmächtig geworden und
gerade darauf hatten die Tröpfchen gewartet. Durch die Kraft der Hitze gestärkt drückten sie nun, all die Eindringlinge durch die Poren der Haut.
Als der Medizinmann und die umstehenden die Schweißperlen hervortreten sahen, da wussten sie, sie würde es schaffen und schon bald als gesunde Frau
sich ihrem Kinde widmen können.

Hoch über dem Zelt hörten sie einen jungen Adler kreischen, gerade so als wollte dieser, seine Freude über die gelungene Heilung bekunden.
Tröpfchen und seine Kameraden liefen jedoch an der jungen Frau hinunter, um gleich darauf in der Erde zu versinken. Sie hatten ihre Arbeit getan und
machten sich nun auf den Heimweg zu ihrer Quelle, um dort auf den nächsten Hilfesuchenden zu warten.
 
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Kommentare  

Über die Geschichte "Großvater tröstet" bin ich hier gelandet, und erstaunt nehme ich wahr, dass ich schon wieder in einer Geschichte gelandet bin, die so ebenso gut auch im indianischen Kulturkreis auftauchen könnte. Ich glaube, ich muss mal im Profil schnüffeln, ob der Autor/die Autorin Indianer ist oder dieser Volksgruppe sonstwie nahesteht.
Kein Märchen, auch keine Fabel. Ich weiß nicht, wie man diese Lehrgeschichten nennt, die die Alten abends an den Lagerfeuern zum besten geben, um die Jüngeren von ihrer Weisheit profitieren zu lassen.
5 Punkte, und auf jeden Fall stürze ich mich auch noch auf die anderen Tröpfchen-Geschichten.


Gwenhwyfar (26.11.2002)

hier wird nicht nur eine junge mutter gerettet, die nachricht die in dieser geschichte steckt möge uns alle dazu anregen auch die mutter natur zu retten, sie hat es dringend nötig. klasse geschrieben.

Rainer (19.11.2002)

da kann ich mich nur Becci anschliessen.
Mir gefällt diese auch sehr gut. Und ich freue mich auf weitere Geschichten von Tröpfchen
liebe Grüsse Heidi


Heidi (14.11.2002)

dies hier ist meiner meinung nach eine der besten tröpchen geschichten (und hier wird sich ja wohl hoffentlich keiner beschweren, dass kein inhalt vorhanden ist!)... wunderschön geschriebenes märchen (oder fabel? nein auch nicht... mhh was dann...)
volle punktzahl und einen lieben gruß ;o)


*Becci* (11.11.2002)

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