21


1 Seiten

Spiegelkatze

Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten
© Becci
Ein Katzenkind sitzt minutenlang regungslos vor dem Spiegel. Ich sitze knapp hinter ihm auf meinem Bett und beobachte es. Es zuckt mit dem Schwanz. Sein Spiegelbild auch. Es steht auf, den Blick nicht von seinem Spiegelbild abgewandt. Geht auf es zu. Berührt mit der Nasenspitze den Spiegel. Stets abwehrbereit. Kampfbereit. Wenn Katzen sich unverwandt anstarren, bedeutet es Kampfbereitschaft. Jedes mal wenn die kleine Sayonara in den Spiegel schaut, schaut sie da eine Katze unaufhörlich an. Sie macht Andeutungen zu einem Buckel. Ihr Spiegelbild auch. Sie flippt aus. Wie kann es die "andere" Katze bloß wagen! Sie macht fauchend einen großen Satz zurück. Ihr Spiegelbild auch. So langsam reicht's ihr. Sie rennt gegen ihr Spiegelbild. Torkelt etwas zurück. Schüttelt verwundert ihr kleines Köpfchen. Geht seitlich an den Spiegel, so dass "die andere" Katze sie nicht sehen kann und schaut - immer nur sekundenlang - um die Ecke in den Spiegel. Und jedes Mal macht es ihr die andere Katze gleich. Fasziniert schlägt Sayonara immer wieder mit der Pfote gegen den Spiegel. Irgendwann wird's ihr zu blöd, sie faucht ein kleines Babyfauchen und macht erhobenen Schwanzes kehrt. Fühlt sich als Siegerin - die andere Katze rennt ihr schleißlich nicht hinterher. Sie, Prinzessin Sayonara, Herrscherin ihrer kleinen Phantasiewelt. Ich ruf sie leise. Lockend. Mit einem kurzen Miauen erzählt sie mir, was ihr eben passiert sei. Und schüttelt verwundert den Kopf über so wenig Respekt ihrer Hoheit. Sie einfach anzustarren. Unerhört.
Ich muss lächeln.
Sind wir Menschen nicht manchmal auch so? Denkend, dass wir provoziert würden, merken wir nicht, dass es häufig wir selbst sind, die das tun...
 
Wenn du registriert und angemeldet bist und selbst eine Story veröffentlicht hast, kannst du die Stories bewerten, oder Kommentieren. Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diese Story kommentieren.
Weitere Aktionen
Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diesen Autoren abonnieren (zu deinen Favouriten hinzufügen) und / oder per Email weiterempfehlen.
Ausdrucken
Kommentare  

Noch mal zu dem nicht im Spiegel sehen: Ich glaube gehört zu haben, dass die Katzen zwar etwas sehen, aber es nicht als Katze wahrnehmen, weil es keinen Geruch (jedenfalls keinen katzigen) hat. Außerdem müsste man dabei beachten, dass eine Katze sich praktisch nicht anschauen und sich deshalb auch nicht wiedererkennen kann.
Aber von der Botschaft her ziemlich gut gewählt.

Klasse beschrieben. Ein sehr gut.


Redfrettchen (27.03.2004)

*ggg* kenne ich von unseren Tieren auch. Cora steht immer weider vor dem Spiegel im Korridor, stupst mit der Nase dran und weiß nicht wo der fremde Hund herkommt. Dummerweise konnte er nie erforschen, ob da wirklich ein Hund ist oder nicht, da der Spiegelschrank an der Wand steht.
Sind wir Menschen nicht manchmal dumm? Wir stehen vor einem Spiegel und nehmen nicht wahr dass wir die fremdwirkende Person sind, die uns da neugierig betrachtet?


Holger (12.03.2003)

sehr schön. Respekt.

Judy (09.03.2003)

Sehr gut! Deine Geschichten, Gedanken und Gedichte regen mich immer zum Nachdenken an. 5 Punkte sind wahrlich verdient.

Metevelis (16.02.2003)

dass katzen sich nicht selbst erkennen können ist mir neu. sie KÖNNEN sich sehr wohl im spiegel sehen, was fehlt ist nur das erkennen ihrer selbst. ähm... ich habe von geburt an katzen um mich herum und oben beschriebene situation ist wirklich passiert. neee tut mir leid, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die sich nich im spiegel sehen können...
achso, was ich vielleicht noch sagen sollte: der spiegel steht am boden :o) vielleicht meintest du ja das *grins*

ich selbst sehe im spiegel übrigens oft jemand anderen...


Becci [Autorin] (09.02.2003)

Die Geschichte finde ich ziemlich gut, möchte ich sagen. Ich habe selber zwei Katzen hier im Haus, die gehören zwar nicht mir, aber manchmal fasziniert es mich, wenn ich sie einfach mal so beobachten kann!

Ich möchte kein Spielverderber sein, aber in Anbetracht der Tatsache, dass sich Katzen im Spiegel gar nicht sehen können, hast du es hier sehr schön in Bilder rübergebracht.
Ich glaube, dass wir Menschen selbst manchmal in den Spiegel schauen und uns nicht selbst erkennen, wer wir wirklich sind. Es gibt Menschen, die sehen jemand anderen darin, dass ist traurig.


Marco Frohberger (08.02.2003)

Respekt.. Grüße an Sayonara von Krümel - meiner Katze... habe es ihr gerade vorgelesen und sie schnurrte *g* Im Ernst: tolles Geschichtchen, schön beschrieben, ich konnte mir die Situation direkt vorstellen... Und der Rückschluß auf das menschliche Verhalten ist fast schon geniös...

Mae (30.01.2003)

Darauf muss man erst mal kommen... eine Katze zu beobachten und aus deren Verhalten Rückschlüsse auf das eigene und das der Menschen im allgemeinen zu ziehen... - Also, ich hätte das über der Possierlichkeit der Situation vermutlich nicht fertiggebracht. Respekt.
5 Punkte


Gwenhwyfar (26.11.2002)

Schöne Situationsbeschreibung. Gut beobachtet und herrlich "katzig" geschrieben, wie "Madame" hoheitsvoll davon rauscht...
Richtig gut wurde der kurze Schrieb aber erst durch den Schluss, der recht nachdenklich macht.
Muss mir mal angewöhnen, im Supermarkt die Leute nicht immer gleich so anzumuffeln, bloß weil sie mir "absichtlich" die Vorfahrt zwischen den Regalen schneiden und...und...und...

Man kann also schlecht sagen: Diese Geschichte ist für die Katz. Ist sie nämlich nicht. Ist für den Mensch (der des öfteren zum Tier wird...)


Stefan Steinmetz (23.11.2002)

hm... würdst du dich freuen wenn ich dir noch n comment schreibe dazu? hab mich vorhin gar nicht richtig dazu geäußert... nur dass ich es schön finde (hast doch hoffentlich mitbekommen oder?) sehr schön sogar... die welt steckt voller bilder, in denen wir uns selbst und unser leben wiedererkennen können... wenn wir fähig sind diese bilder zu sehen... und das finde ich echt bemerkenswert an dir, den blick für den sinn dahinter... dass du fähig bist, mir mit deinen augen neue welten zu eröffnen...

sam (21.11.2002)

spieglein, spieglein an der wand, du heißt heute becci ich habe es erkannt

siehdichfuer (21.11.2002)

Login
Username: 
Passwort:   
 
Permanent 
Registrieren · Passwort anfordern
Mehr vom Autor
MoMenTe - Inhaltsangabe  
"Halt mich fest..." [Lyrik]  
endstation der träume [textfetzen]  
2 jahre später.  
in der straßenbahn [begegnungen]  
Empfehlungen
Andere Leser dieser Story haben auch folgende gelesen:
---
Das Kleingedruckte | Kontakt © 2000-2006 www.webstories.eu
www.gratis-besucherzaehler.de

Counter Web De