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Fischers Katze

Schauriges · Kurzgeschichten
Ja, komisch ist es schon. Ich sehe sie immer wieder hin und her laufen. Mal kann ich sie durch das Küchenfenster sehen, mal läuft sie an meinem Wohnzimmerfenster entlang.
Ich habe sie schon ein paar mal dabei erwischt, wie sie versuchte, einen Vogel aus den kleinen Bäumen, die ich im Garten stehen habe, zu erhaschen.
Bisher war sie immer gescheitert.
Jetzt schaue ich ihr den ganzen Tag schon zu.
Wie sie durch ihre Klappe ins Nachbarhaus läuft, dann wieder nach draußen kommt und durch den Garten schlendert, und immer wieder zu meinem Fenster schaut.
Es ist eigenartig. Ich weiß, sie ist alt. Ich kann nicht sagen, wie alt, aber ich lebte hier schon als Kind, und da war sie auch schon da.
Ich habe sie oft geneckt. Habe ihr ihre kleine Beute vom Hof geklaut und zugesehen, wie sie verzweifelt danach suchte.
Dann saß sie auf dem Bretterzaun und schaute mit ihren großen Augen zu mir herab.
Jetzt sitze ich hier und lege es schon zum dritten Mal an.
Ich habe es auch schon zum dritten mal geladen.
Ich weiß, das ich es gleich tun werde. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich mag Tiere, ich liebe sie. Aber diese Katze.
Ich weiß, das sie weiß, was ich tue.
Sie glaubt, ich nehm es nicht wahr, weil sie nur eine Katze ist, aber bei Gott, ich schwöre, das sie mich sieht.
Sie beobachtet mich.
Sie sitzt da immer auf ihren Bretterzaun und schaut in mein Fenster. Ihre grünen Augen verfolgen jeden meiner Schritte.
Manchmal starre ich zurück, aber sie weicht nicht einen Zentimeter.
Einmal versuchte sie sogar ins Haus zu gelangen, als der Briefträger vor der Tür stand und mir ein Einschreiben brachte. Wie ein Wirbelwind huschte sie an und vorbei und rannte direkt in die Küche.
Der Briefträger lachte.
„ Die wollte aber schleunigst rein, was?“
Ich hatte die aller größte Mühe sie wieder hinaus zu befördern.
Wie oft habe ich danach schon versucht, sie zu vergiften. Ich habe Rattengift in ihre kleine Beute gesteckt, wenn sie sie wieder vor die Tür legte.
Man, das hat einen Trubel hier gegeben.
„ Haben Sie gehört,“ sprach mich eine Frau aus der Straße an.
„ Jemand hat versucht, die Katze von Frau Fischer zu vergiften.!“
Sie meinen ja gar nicht, wie entrüstet ich war.
„ Die Katze dieser netten, alten Dame, die bei mir nebenan wohnt??? Das gib’s doch gar nichts.“
„ Oh, ja. Aber Gott sei Dank kam sie noch mal durch,“ sagte sie und zupfte nervös an ihrer Bluse.
„ Na , da hat die alte Lady aber noch einmal Glück gehabt.“
„ Ja, die arme Lady, sie hat doch sonst niemanden,“ stellte ich fest.
„ Was es doch für grausame Menschen gibt,“ sagte sie und zupfte wieder.
Ich nickte eifrig.
„ Ja, wie grausam.“


Jetzt sitzt sie schon etwas näher. Sie ist über den Rasen gelaufen und hockt bei meinen Rosenbüschen.
Sie starrt mich durch das Fenster an und leckt dabei neckisch ihre Pfoten.
Sie verhöhnt mich, ich weiß es genau.
Sie glaubt, ich kann ihr nichts anhaben. Nach dem gescheiterten Versuch sie zu vergiften?
Ich lege wieder an.
Ich kann sie durch das Zielfernrohr sehen.
Das Fadenkreuz genau auf ihrem wissendem Hirn gerichtet.
Ich darf nicht zulassen, das sie es weiß. Oder das sie ihr Wissen weitergibt.
Ich habe einmal gehört, wie ein Mann aus der Nachbarschaft sagte, Frau Fischer, die sei so seltsam, sie rede immer mit ihrer Katze.
Mein Gott, was, wenn sie ihr schon alles erzählt hat.
Was dann, wenn sie es beide wissen.

Ich lege meinen Finger auf den Abzug, nur ganz leicht.
Ich möchte noch warten.
Ich habe noch nie jemanden erschossen. Ich bin mir nicht sicher ob ich treffe.
Meine Hände schwitzen so fürchterlich. Mein Kopf dröhnt, ich werde bald eine Tablette brauchen.
Und mein Herz.
Sie kommt schon wieder etwas näher. Sie ist schon fast am Fenster.
Sie kann das Gewehr nicht sehen, das dumme Tier. Dabei meint sie, sie wäre so schlau.
Ich kichere. Ich muß das öfters tun. Manchmal auch wenn ich das Andere tue.
Ich versuche mich dann immer zusammen zu reißen, aber ich kann nicht.
Es schüttelt meinen Körper und ich bin willenlos.
Es ist das ganze rot überall.
Es ist dann auch auf meiner Kleidung, an meinen Schuhen.
Oh Gott, es ist dann auch auf meinem Gesicht.
Und wenn ich mich dann wasche, dann läuft es den Abfluß herunter.
Einfach so.


Jetzt ist sie so nahe, das sie aufschauen muß, um mich zu sehen. Ich sehe jedes ihrer zuckenden Barthaar.
Sie stellt die Ohren auf.
Ihre Augen sind wirklich wunderschön, ich werde sie zu den andern legen.
Dann kann ich sie auf das Regal stellen, das im Keller steht, und immer, wenn ich unten bin, dann kann ich sie bewundern.
Die allwissenden Augen.
Ich lege an, diesmal mach ich es. Es ist nicht mal laut, trotzdem erschrecke ich mich.
Sie schaut mich an, beinahe fragend, als ob sie nicht schon alles wüßte, und kippt zur Seite.
Ich kann nicht glauben, das das alles war.
Es war so einfach.
Ich hole sie jetzt besser schnell rein, bevor noch jemand etwas merkt.
Ich habe zwar die riesige, dichte Hecke um meinen Garten, aber wer weiß, wessen Augen mich beobachten.
Es war so leicht.
Und wenn sie Frau Fischer schon alles erzählt hat?
Dann werde ich es nicht erst mit vergiften versuchen.
Ich habe auch noch Platz im Keller.
Und ein neues Regal ist schnell gebaut.

Jetzt liegt sie da und regt sich nicht mehr.
Ihre Augen sind immer noch offen.
Gut, soll sie ruhig sehen, was jetzt passiert,
Fischers Katze.
 
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Kommentare  

Hat auch mir gut gefallen, die Geschichte gehört zu den BESTEN hier bei Webstories. Es braucht nicht hunderte von Texseiten die ermüden beim LESEN, die 3 Seiten hier sind pures grünes LESEVERGNÜGEN........

linde S (05.01.2010)

Schrecklich-schrecklich gut!

Petra (30.06.2009)

Gefällt mir , die Geschichte . Erinnert irgendwie an Edgar Allen Poes ,, Das sprechende Herz `` .

Stephan Cemetery (10.01.2003)

Danke Ihr drei.
Schön zu sehen, das meine kleine Geschichte über das Wesen der Frau gut angekommen ist.

Schön auch, das hier der Sinn der Geschichte erfasst wurde..es gibt Seiten...*Puh*, da ist der Sinn nicht offensichtlich und man wird schnell zu einem Tierquäler.

Das es hier nict der Fall ist, freut mich ganz besonnders.

Liebe grüße

Sas.

@Chris.
Das der Kick fehlt, ist schon richtig.
Aber es sollte gar kein Kick dahinter stecken.
Nur die Gedanken und die darauf folgende Tat der Frau.

Trotzdem verstehe ich dich gut.
Normalerweise versuche ich schon meinen Geschichten den letzten Kick zu verschaffen ;-)

Liebe Grüße
Sas


Saskat (31.12.2002)

Wie Menschen langsam aber sicher paranoid werden, sich einbilden von bösen Mächten verfolgt oder beobachtet zu werden ist ein weit verbreitetes Thema. Deine Geschichte gehört hier zu den besten, die ich hierzu gelesen habe.
Die abgründe der menschlichen Psyche liefern immer wieder die besten Ideen. Da bedarf es keiner Monster oder Gespenster, um dem Leser das Fürchten zu lehren.


Benjamin Reuter (31.12.2002)

Huuuh....
schön schaurig.
Ich wollte immer schon mal wissen, was im Hirn eines Menschen vorgeht, der langsam paranoid wird. Was könnte die Katze der Frau Fischer denn schon erzählt haben, wovor die Protagonistin (oder ist es ein Protagonist?) so viel Angst haben muss.
Wenn ich das richtig verstanden habe, ist das hier erst der Anfang. Der Katze wird die Besitzerin folgen... und dann...?
Zwei kleine Fehler sind mir aufgefallen. In dem Satz "Das Fadenkreuz genau auf ihrem wissendem Hirn gerichtet" müsste es heißen ..."auf ihr wissendes Hirn gerichtet", und bei "Ich sehe jedes ihrer zuckenden Barthaar" fehlt das "e" bei "Barthaare". Das tut jedoch dem Lesevergnügen keinen Abbruch.
***** und Guten Rutsch!


Gwenhwyfar (30.12.2002)

Gut erzählt, aber irgendwie fehlt (mir) der Kick, das, was eine Geschichte unverwechselbar macht. Daher "nur" 4 Punkte für die einwandfreie Ausführung ohne den letzten, genialen Schliff.

Lg
Chris


Chris (30.12.2002)

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