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2 Seiten

Traumland

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
© Elis
Wie Atem liegt der Nebel über den Bergen, wie ein Tuch des Vergessens hüllt er in Schweigen, was lange brachliegt. Die Brache sind die Gedanken und Wünsche der stillen Minuten, wenn wir nicht wie Maulwürfe blind im Dunkeln uns nach vorn graben und doch nicht wissen, wo dieses vorn sei kann.
Ein Schar zu Boden blickender Gestalten, die halbverblichen und dem Nebel gleich zu verschwinden scheinen, die stets nach unten blickt, denn sie spürt die Gefahr. Die Sonne geht auf und sie werden verschwinden, doch es hofft ein jeder, dieses möge an ihm vorübergehen. Wir spüren, etwas geht zu Ende, doch wir wissen nur, etwas stimmt nicht, fühlen es schon lange, doch es macht uns Angst darüber auch nur nachzudenken, ein wunder Punkt, den wir totschweigen. Statt dessen stürzen wir uns in gramgebückter Haltung in die Arbeit, versuchen uns abzustumpfen und töten uns selbst mit jeder schweigenden Minute, in der wir von uns selbst zehren und uns ausdünnen.
Doch zieht diese Karawane der Tagsklaven weiter in die fernen Berge, der mitläuft, meint, es war eine Reise. Eine Zugfahrt, bei der alles vorüberzieht und die Stationen wechseln wie auch die Mitreisenden, mit deren Gleisen sich unser Weg kreuzt, um dann wieder im Ödland zu verschwinden. Dazwischen gelegentliches Umsteigen und dann wieder warten, daß etwas passieren möge und das Leben nicht genauso bedeutungslos weiterläuft. Doch es zieht vorbei, der Schaffner kommt und der Preis der gezahlt wird, ist das Leben. Die Lippen an die Scheiben gepreßt, erstickt ein Schrei, die Zeit verrinnt, das Leben vergeht und die Nebel steigen langsam höher. Sie verdecken schließlich die einst lauten Gedanken, bis sie ein fernes Rufen sind, Schemen aus der Zeit der Jugend, die dann und wann heranwehen. Zum Schluß kommt das Alter und verbitterte Passagiere steigen aus. Der Zug des Lebens hat geendet, nichts ist passiert, konsumierend, träge, passiv haben sie auf die Träume gewartet, doch die Welt hinter Scheibe war nicht echt, das bläuliche Flimmern des Abends leblos.
Schweigend die ganze Schar auf dem Weg ins Vergessen. Sie haben sich nichts mehr zu erzählen, zu bedeutungslos sind die Tage, zu gleich ihr Ablauf und zu monoton ihre Gesänge. Es ist das feine Summen, fast unhörbar, mit dem die Zeit vergeht, in der wir Scheinwelten vom Bildschirm in uns aufnehmen. Denn diese füllen die Leere auf den verwaisten Gängen des antriebslosen Geistes und erzeugen ein Bild von der Welt, die ungekannt da draußen, jenseits der Scheibe, liegen kann. Vielleicht, nicht wahrscheinlich, wenn wir dran glauben - möglicherweise, daß alles so ist, wie man uns glauben macht. Wer ist es jedoch, Du kennst ihn nicht, dessen Illusion ist diese Welt ist, die Dir glauben gemacht wird. Existiert sie da draußen jenseits der Scheibe? Ist diese Illusion nur ebenfalls ein Traum seines Selbst in Nacht, oder dein Traum?
Ist sie nicht vielmehr ein graues Fließen in großen Strömen detailloser Ufer; ein substanzloser Strom von Gedanken, Wünschen, Hoffnungen, Träumen und Erinnerungen? Nachts verlassen diese das beengte Lichtertal des Tages, um umherzuziehen im nebulösen Dunkel, wenn sich der selbstgeschaffene der Käfig der Vernunft, der Konventionen und selbstverständlichen Sicherheiten auflöst. Sie sind das Lebendige, aber nie Gesehene, an der unserer Welt, der die Inhalte verloren gehen; sie sind schattengleich, das Unbewußte, das uns ängstigt, wenn die Nacht beginnt. Doch bleiben sie ein Zeichen noch zu leben, doch erwachst Du, beginnt der Tag und Du schläfst ein mit deinen Gedanken. So schlafe um zu Wachen und wache, den Schlaf der Welt zu genießen. Finde, was verloren ist, im Grau, erkenne die Farben im Grau. Und dann weißt Du, das die Substanz unserer Welt, ihre immanente Wahrheit, verloren ist, seit wir begonnen haben, unser Leben nicht abseits der vielbefahrenen Gleise zu suchen. Seit wir begonnen haben, die Nacht zu fürchten und, unsere Gedanken totschreiend, vor dem Klang der Stille fliehen.
 
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Kommentare  

Deine Gefühle kann man duch das Lesen Deiner Worte gut nachvollziehen... Allerdings versuche ich noch zu verstehen, ob der letzte Absatz eine Antwort birgt oder einfach nur die Sinnlosigkeit des Lebens, die Du oben beschreibst, bestätigt. Das ist etwas unklar für mich geblieben. Trotzdem bekommst Du ein "gut" dafür.

Susanne Hoffmann (01.08.2003)

Sehr poetisch, aber dennoch leicht verständlich geschrieben.
Ich hoffe bloß du bist etwas optimistischer als es dein Werk es vorgibt, sonst kannst du dich ja nie an deinem Leben erfreuen.
Ich bediene mich zwar auch oft dieser Thematik, welche mit den Begriffen der Realität umgeht, als hätten sie so kein Anrecht darauf benutzt zu werden, nur hätte ich ernsthafte Probleme mein Leben auf normale Weise zu führen, wenn ich jedes Wort, das ich selbst geschrieben, so ernst nehmen würde, dass mir die eigenen desillusionierenden Theorien in absoluter Permanenz bewusst wären.

Ich denke: Hauptsache man findet seine eigene Wahrheit, seine eigene Realität. Denn auch wenn man ihre Existenz nicht beweisen kann, ist sie einem näher, als eine der zahlreichen Allgemeinrealitäten, die von den Medien, unserem Umfeld auf unser Hirn projiziert werden.

Wegen treffenden Worten zu einem schweren Thema: 5 Punkte.


Philemon (01.08.2003)

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