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3 Seiten

Styx

Fantastisches · Kurzgeschichten
© 
Mühsam kämpfte sich das Boot durch das breiige, algenverseuchte Wasser des großen Flusses, der sich träge, in kaum wahrnehmbarar Bewegung druch den undurchdringlichen Wald schlängelte. Die stickige, feuchte Luft hing wie eine riesige, alles erstickende Dunstglocke über der urzeitlichen Szenerie.
Wie eine undurchdringliche Wand; im Dunst halb verborgen, ragte der Wald am Ufer empor. Schweigend; als würde er lauern.
Vergeblich warteten die Reisenden darauf, das der Schrei eines Vogels oder etwas ähnlich gewöhnliches die Stille, die über allem lastete, durchbrach. Nicht einmal ein Kräuseln der Wasseroberfläche störte das Schweigen des großen Flusses, der völlig glatt, stumpf wie eine alte Kupferplatte, seinem fernen Ziel entgegenwalzte. Einzig die Bugwelle des Bootes druchbrach die Totenruhe des Flusses, nur um nach wenigen Metern bereits wieder in Bewegungslosigkeit zu verschwinden.
Besorgt blickten die Reisenden sich um. Die Dunstschwaden schienen wage Schemen zu bilden, als würden sich in ihnen prähistorische Kreaturen verbergen, nur um bei genauerem Blick wieder zu verschwinden.
Böse Vorahnungen lagen in der Luft. Das Gefühl, als würde die Reise auf dem großen Fluß die Fremden wo anders hinführen, als nur an einem anderen Ort. Als würde der Fluß sie an ein fremdes, nie gesehenes, irreales Ufer entführen.
Die Zeit schien in Bedeutungslosigkeit zu fallen. Die Reisenden konnten nicht sagen, wie lange sie schon unterwegs waren, geschweige denn, ob sie sich überhaupt vortbewegten. Das entfernte Ufer des riesigen Flusses bot ihnen keine Landmarken, nur ewig gleiche, urwüchsige Vegetation, die sich in dichten Nebelschwaden verlor.
Hitze und Monotonie Spielte ihren Sinnen üble Streiche. Entfernungen schienen in sich zusammen zu schmelzen, während die eigene Hand vor Augen unendlich weit entfernt schien. Einige Reisende glaubten im Nebel, immer gerade außerhalb ihres Gesichtsfeldes, Bewegungen wahrzunehmen; doch so angestrengt sie es auch versuchten, gelang es ihnen nie, sie zu Gesicht zu bekommen.
Der Fluß schien sie in seiner Ruhe verspotten zu wollen; ein hämisch lauerndes Wesen, das nur darauf zu warten schien, daß einer von ihnen die Kräfte verlor und in seien brackige Tiefe stürzte.

Den Fremden war nicht klar, wann sie am ersehnten Ufer angekommen waren, Sie konnten sich nicht erinnern, es überhaupt erreicht zu haben, geschweige denn, daß sie von Bord gegangen sind; aber irgendwie fanden sie sich am unereichbar geglaubten Ufer wieder. Der Fluß in ihrem Rücken noch immer schweigend. Gefragt, wie sie dieses Schweigen beschreiben würden, hätten die Reisenden von 'einem wissenden Schweigen' gesprochen. Weit in der Ferne war schwach, fast unmerklich, das hypnotische Tam-Tam von Trommeln zu vernehmen. Die Fremden schienen den eindringlichen Rhythmus weniger zu hören, als vielmehr den alles durchdringenden Basston zu spüren.
Ein gewundener Pfad führte vom Ufer weg in den Urwald. Entlang des Pfades zeigte sich zertrampelte Vegetation und ausgerissene Äste. Mit jeder Biegung schien das Chaos zu zunehmen und der Wald gleichzeitig immer urwüchsiger, archaischer zu werden, als würde der Weg in ferne, prähistorische Zeiten führen. Das Dröhnen der Trommeln wurde stärker, verwandelte sich, je weiter sie dem Weg folgten, zu einem unterschwellig bedrohlichem Geräusch, das sich heimlich in die Köpfe der Fremden schlich und mit eiskalter Angst ihre Gedanken umklammerte.
Weder Mensch noch Tier zeigte sich durch den erstickenden Dunstschleier hindurch, doch die stummen Zeugen des Chaos und der Gewalt, die ihnen am Wegesrand begegneten, ließen keinen Zweifel daran, daß es häßliches hier stattgefunden hatte. Immer wieder glaubten die Reisenden zwischen all dem zerstörtem Gestrüpp etwas anderes ausmachen zu können; etwas das wie Knochen aussah.
Jedoch fassten sie nie genug Mut, es genauer in Augenschein zu nehmen. Gleichzeitig schien sich eine Art Unvermeidlichkeit einzustellen, was ihren Weg und ihr unbekanntes Ziel anging. Keiner von ihnen – obwohl ihr Denken von der Angst beherrscht war – dachte daran umzukehren. Sie waren alle weit über die Grenzen von Angst, Vernunft und Normalität hinaus.
Für sie gab es kein zurück mehr. Nur noch tiefer in diese stickige, grüne Hölle.
Das undefinierbare, aber stets präsente Grauen, das die Reisenden verfolgte; die beklemmende Atmosphäre von Gewalt und Mord, die auf jedem Schritt lastete, manifestierte sich von etwas nicht greifbarem, wagen, zu den Anblick eines grausam zugerichteten Körpers, der hinter der nächsten Biegung wartete.
Den ersten Eindruck, den die Fremden von dem Leichnam hatten, was der eines verstümmelten Tieres; erst afu dem zweiten Blick wurde ihnen bewußt, daß es sich um den Toten um ein menschliches Wesen handeln mußte. Die Leiche hatte seltsam archaische Züge, wuchtige, plumpe Gliedmaßen und einen gedrungenen Körperbau, der zusammen mit der nicht menschlichen, dichten Behaarung ein befremdliches Bild bot. Nein, dies war kein Affe; der Tote war eindeutig menschlich, auch wenn Hitze und Luftfeuchtigkeit ihre Spuren hinterlassen hatten und die ohnehin entgleisten Züge weiter verfremdet hatten.
War es auch kein Tier, so schien dieses Wesen dannoch weit davon entfernt gewesen zu sein, als moderner Mensch zu gelten.
Auch, wenn sie ihren Blick kaum von der Leiche abwenden konnten, zogen die Fremden doch weiter; ungeachtet des Horrors und der Gefahr, der sie sich aussetzen würden. Lange blieben ihre Augen auf dem zerschmetterten Hinterkopf des Vormenschen haften; auf dem Blut, daß aus der gräßlichen Wunde gesickert war und an dem sich nun Scharen von Fliegen gütig taten.
Die nächsten Meter brachten immer grausamere Entdeckungen mit sich. Ein unbeschreibliches Schlachten hatte hier stattgefunden. Wohin das Auge nur blickte; überall waren die furchterregenden Spuren blindwütiger, primitiver Gewalt. Einer Gewalt, zu der geistig entwickelte, gesunde Menschen nicht fähig waren. Zerrissene, zerhackte, angefressene Körper, die Knochen zu Brei zerschlagen, herausgerissene Gliedmaßen und überall hin verschmiertes Blut. Dutzende von gräßlich zugerichteten Leichen, alle – soweit man das erkennen konnte – Angehörige der selben Rasse Vormenschen, wie der erste Tote, den sie sahen; umwölkt von pestilenzartigem Gestank.

Sowenig wie sie sich erklären konnten, wie sie herkamen, so wenig verstanden sie, daß sie sich urplötzlich, nach ihrem grauenerregenden Besuch in dieser irrealen Version der Vorzeit, in ihrem Boot auf dem großen Fluß wiederfanden. Wie im Traum legten sie schließlich am Hafen an und ließen den großen, schweigenden Fluß hinter sich.
 
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Kommentare  

Schade , das die Geschichte so kurz ist .
Es fängt an ...wie ein sehr guter Roman .
Vielleicht folgt eine Fortzetzung ?


Freddi (21.05.2004)

Stark! Deine Fähigkeit ein setting zum Leben zu erwecken,läßt keine Wünsche offen, läßt auch Raum für eigene Phantasien.
Man könnte sich auch vorstellen dass das fliessende Leben gemeint ist, mit allen seinen grausamen, aus dem Nebel kurz auftauchenden Wahrheiten, dem Unerklärlichem,das Angst auslöst, bis zu dem Punkt wo man nichts mehr empfindet.

Oder es ist eine Reminiszenz. Es erinnert mich intensiv an meine Abenteuerzeit, wo mich der wasserdurchäderte Dschungel in seinen Bann geschlagen hat.
Vielleicht ist es auch eine Momentaufnahme die Du verarbeitest um davon loszukommen, eine Zeit jenseits des Friedens.
Du siehst, Du regst an, das ist doch das Beste, was einem passieren kann!
Liebe Grüße
Lisa


Lisa Fabienne (15.08.2003)

Ich wollte die gesamte Geschichte bewußt wage halten. Keine Orts- und Zeitangaben; keine Beschreibung aus welchen Gründen die Reisdenden sich auf dem Fluß befinden.
Vielleicht ist der Fluß gar kein Fluß; er verhält sich ja schließlich fast lebendig. Betrachte es einfach Metaphorisch.


Maestro (13.08.2003)

Du hast eine sehr eindringliche Art, die Dinge zu beschreiben. Sehr atmosphärisch, beklemmend. Die Geschichte ist jedoch nicht ganz schlüssig. Warum wollten die Reisenden denn an dieses "ersehnte Ufer"? Nur um die Folgen eines urzeitlichen Massakers zu betrachten? Was war der Grund für die Reise?
Ansonsten gut.


Tom (09.08.2003)

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